EuGH: Verstoß gegen Art. 26 und 30 DSGVO unrechtmäßige Verarbeitung?

8. Mai 2023

Vergangene Woche traf der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Entscheidungen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, die die Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) betrafen (Urteil immaterieller Schadensersatz bei DSGVO-Verstößen- wir berichteten -).

Unter anderem entschied der EuGH (Rs. Az. C-60/22) über die Frage, ob ein unrechtmäßige Datenverarbeitung iSd Art. 17 Abs. 1 lit. d und Art. 18 Abs. 1 lit. b DSGVO vorliege, soweit ein Verantwortlicher seiner Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO nicht nachkomme. Dabei sei der Rechenschaftspflicht unzureichend nachgekommen worden, aufgrund einer fehlenden Vereinbarung über die gemeinsame Verantwortlichkeit (Art. 26 DSGVO) und einem unvollständigen Verzeichnis für Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 DSGVO).

Die Hintergründe

Dem Ausgangsverfahren lag der Antrag des Klägers auf internationalen Schutz beim zuständigen Bundesamt zu Grunde. Seine Entscheidung traf das Bundesamt unter Verwendung einer elektronischen Akten. Anschließend klagte der Betroffene vor dem Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung auf internationalen Schutz. Im Rahmen des Prozesse übermittelte das Bundesamt dem Verwaltungsgericht die elektronische Akte des betroffenen Klägers, sodass Bundesamt und Verwaltungsgericht gemeinsam verantwortlich nach Art. 26 DSGVO waren. Aus Sicht des Klägers verstieß das Verwaltungsgericht gegen seine Rechenschaftspflicht aus der DSGVO, indem es weder einen Vertrag über die gemeinsame Verantwortlichkeit vorlegen konnte noch die Übermittlung in das Verzeichnis für Verarbeitungstätigkeiten aufgenommen hatte.

Keine unrechtmäßige Verarbeitung

Der EuGH äußerte sich dazu, ob die fehlende Vereinbarung über eine gemeinsame Verantwortlichkeit und das lückenhaft Verzeichnis für Verarbeitungstätigkeiten eine unrechtmäßige Verarbeitung iSd DSGVO sei. Danach richte sich, ob die betroffene Person ein Recht auf Löschung der verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 17 Abs. 1 lit. d und ein Recht auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 lit. b DSGVO habe.

Dazu führte der Gerichtshof erstens aus, dass ein Verantwortlicher nach Art. 5 Abs. 1 und 2 DSGVO sicherstellen müsse, dass die Datenverarbeitung rechtmäßig sei. Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung regele die DSGVO nach Art. 6. Demnach müsse eine der nach Abs. 1 lit. a bis f DSGVO alternativ aufgeführten Bedingungen erfüllt sein. Die nach Art. 26 und 30 DSGVO vorgesehenen Pflichten seien aber „(…) nicht zu den in nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 genannten Gründen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung [zu] zählen.“ (EuGH, Urteil vom 4.5.2023, C-60/22 Rn. 59) Die Pflichten nach Art. 26 und 30 DSGVO seien nicht dafür gedacht die Anforderungen an eine rechtmäßige Verarbeitung iSd nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO genauer zu bestimmen.

Zweitens führte das Gerichts aus, dass die Rechtmäßigkeit zu den Grundsätzen der Datenverarbeitung zähle. Stattdessen seien die Vereinbarung über die gemeinsame Verantwortlichkeit und das Verzeichnis über Verarbeitungstätigkeiten allgemeine Pflichten des Verantwortlichen.

Außerdem führte der Gerichtshof drittens aus, dass bei einem Verstoß gegen Art. 26 und 30 DSGVO noch keine Verletzung des Grundrechts auf den Schutz personenbezogener Daten vorliege.

Fazit

Abschließend stellte der Gerichtshof fest, dass der Verstoß gegen Art. 26 und 30 DSGVO keine unrechtmäßige Verarbeitung nach Art. 17 Abs. I lit. d und Art. 18 Abs. 1 lit. b DSGVO sei. Da das Urteil erst vor kurzem erschienen ist, bleiben Reaktionen der Aufsichtsbehörden noch abzuwarten.

Vorzeitiges Löschen von personenbezogenen Daten als Verantwortlicher möglich?

Wenn man sich mit dem Thema Datenschutz auseinandersetzt, kommt man irgendwann auf die Frage, wann bestimmte Daten gelöscht werden müssen. Es ist allgemein bekannt, dass die langfristige Aufbewahrung von personenbezogenen Daten Konsequenzen haben kann. Aber ist es auch möglich, dass eine vorzeitige Löschung die Rechte der betroffenen Person verletzt?

Alte Dokumenten vor Nachfrage gelöscht

Ein Bankkunde wandte sich an die Aufsichtsbehörde, nachdem er von der Bank keinen Nachweis über eine vorübergehende Kontovollmacht erhalten hatte. Die Bank hatte die entsprechenden Unterlagen aufgrund von Aufbewahrungsfristen gelöscht. Der Kunde beschwerte sich darüber, dass die Bank ihre Aufbewahrungspflichten verletzt hatte, indem sie den Vollmachtsnachweis gelöscht hatte. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg beschäftigte sich mit diesem Fall und berichtet darüber in seinem Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2022 (S. 95).

Rechtsgrundlagen für vorzeitiges Löschen?

Gemäß Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kann auch eine Bank dazu verpflichtet sein, personenbezogene Daten zu löschen, wenn dies von der betroffenen Person verlangt wird. Das Recht auf Löschung muss jedoch auch unter Berücksichtigung von Art. 17  Abs. 3 DSGVO betrachtet werden, der besagt, dass das Recht auf Löschung nicht besteht, wenn die Verarbeitung der Daten aus anderen, wichtigeren Gründen erforderlich ist, wie z. B.

• zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information
• zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung
• aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit
• für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke
• zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.

Banken sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Daten für einen bestimmten Zeitraum gemäß § 257 des Handelsgesetzbuchs und § 147 der Abgabenordnung aufzubewahren. Solange diese Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind, darf die Bank die Daten nicht freiwillig löschen.

Berechtigtes Interesse des Verantwortlichen

Falls die Bank nicht gemäß Art. 17 DSGVO verpflichtet ist, personenbezogene Daten zu löschen, kann sie möglicherweise gemäß Artikel 6 Abs. 1 lit. f DSGVO eine (freiwillige) Löschung in Betracht ziehen. Gemäß dieser Bestimmung ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur dann rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist, um die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten zu wahren und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen.

Um die Daten vorzeitig löschen zu können, müsste die Bank ein berechtigtes Interesse an der Löschung haben. Allerdings besteht ein solches Interesse nicht, wenn die Unterlagen aufbewahrungspflichtig sind und die Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind.

Im konkreten Fall kam der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg zu dem Schluss, dass sowohl die Über- als auch die Unterschreitung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen gegen die DSGVO verstoßen hat. Er überlegte daraufhin, ob dieser Verstoß im Rahmen einer Betroffenenbeschwerde gemäß Art. 77 Abs. 1 DSGVO angegriffen werden kann. Denn der Anwendungsbereich dieser Bestimmung wird durch EG 141 Satz 1 Var. 1 dahingehend eingeschränkt, dass der Betroffene in seinen Rechten aus der DSGVO verletzt sein muss.

Kann zu frühes Löschen eine Rechtsverletzung sein?

Um beurteilen zu können, ob eine vorzeitige Löschung von Daten eine Verletzung der Rechte des Betroffenen darstellt, muss man zunächst den Schutzzweck der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen betrachten. Diese Bestimmungen dienen in erster Linie dem Schutz der ordnungsgemäßen Buchführung, die als grundlegende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Wirtschaftsführung gilt. Die Buchführungspflicht gemäß § 238 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet die Bank als Kaufmann im handelsrechtlichen Sinn dazu, Bücher zu führen und ihre Handelsgeschäfte sowie die Lage ihres Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung darzustellen. Ziel ist dabei der Schutz des Wirtschaftsverkehrs. Darüber hinaus soll die Aufbewahrung von Unterlagen nach der Abgabenordnung eine ordnungsgemäße Besteuerung sicherstellen. Die Aufbewahrungspflichten dienen jedoch nicht den möglichen Beweisführungsinteressen der Bankkunden. Daher ist eine vorzeitige Löschung von Daten in diesem Zusammenhang keine Verletzung der Datenschutzrechte der betroffenen Person.

Nach Ablauf der Aufbewahrungspflichten

Der Datenschutz-Beauftragte von Baden-Württemberg stellt fest, dass eine betroffene Person nur bei einer Überschreitung von handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten eine Beschwerdebefugnis hat, nicht jedoch bei deren Unterschreitung. Obwohl dies für die betroffene Person unzufriedenstellend ist, zeigt der Fall, dass Verantwortliche für die Datenverarbeitung sich über den Sinn und Zweck von geltenden Pflichten und Fristen Gedanken machen sollten. Es stellt sich die Frage, wie im Unternehmen verfahren werden soll, wenn Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind oder eine betroffene Person die Löschung ihrer Unterlagen verlangt. Dazu müssen Fragen wie der Löschprozess, die Art der Datenlöschung (Vernichtung oder Anonymisierung), und die Überwachung und Verantwortung geklärt werden. Eine mögliche Lösung ist die Dokumentation in einem Löschkonzept, das als Leitfaden für die Umsetzung im Unternehmen dient.

 

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EuGH-Urteil zum immateriellen Schadensersatz bei DSGVO-Verstößen

4. Mai 2023

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am 04.05.2023 über eine wichtige Grundsatzfrage zum Schadensersatzanspruch (Rechtssache C-300/21). Dabei ging es insbesondere um die Frage, unter welchen Umständen es bei Verstößen gegen den Datenschutz zu Schadensersatzforderungen kommen kann.

Vorgeschichte

Im Jahr 2017 hatte die Österreichische Post begonnen, Informationen über die politischen Präferenzen der österreichischen Bevölkerung zu sammeln. Mithilfe eines Algorithmus wurden aus verschiedenen sozialen und demografischen Merkmalen “Zielgruppenadressen” definiert, die dann an verschiedene Organisationen verkauft wurden, um ihnen gezielte Werbung zu ermöglichen. Dabei wurden Kundendaten wie Name, Geschlecht und Alter mit verschiedenen Wahl-Statistiken kombiniert, um herauszufinden, welcher politischen Partei ihre Kunden nahestanden. Mehr als zwei Millionen Österreicher waren von diesem Vorfall betroffen.

Der Kläger, der nicht der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zugestimmt hatte, fühlte sich beleidigt, als die Österreichische Post aufgrund ihrer Datenverarbeitung eine hohe Affinität zu einer bestimmten politischen Partei bei ihm feststellte. Er reichte Klage gegen die Österreichische Post ein, um die Verarbeitung seiner Daten zu stoppen und eine Entschädigung für den immateriellen Schaden zu erhalten, den er erlitten hatte. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gab ihm in Bezug auf die Verarbeitung seiner Daten Recht, lehnte jedoch sein Schadenersatzbegehren ab.

Das Oberlandesgericht Wien bestätigte das erstinstanzliche Urteil und verwies auf die Vorschriften der DSGVO in Bezug auf die zivilrechtliche Haftung. Es stellte fest, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten nicht automatisch zu einem immateriellen Schaden führe und nur dann einen Schadenersatzanspruch begründete, wenn ein solcher Schaden eine “Erheblichkeitsschwelle” erreiche. In diesem Fall sah das Gericht keine Erheblichkeitsschwelle überschritten.

Vorlage an den EuGH

Der Oberste Gerichtshof Österreichs bestätigte die Entscheidung des Landesgerichts in Bezug auf die Unterlassungsverpflichtung der Österreichischen Post, gab jedoch dem Schadenersatzbegehren des Klägers vorerst nicht statt. Das Verfahren wurde ausgesetzt und der Gerichtshof bat nun den EuGH um Klärung der folgenden Fragen:

  • Erfordert der Zuspruch von Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO neben einer Verletzung von Bestimmungen der DSGVO auch, dass der Kläger einen Schaden erlitten hat oder reicht bereits die Verletzung von Bestimmungen der DSGVO als solche für die Zuerkennung von Schadenersatz aus?
  • Bestehen für die Bemessung des Schadenersatzes neben den Grundsätzen der Effektivität und Äquivalenz weitere Vorgaben des Unionsrechts?
  • Ist die Auffassung mit dem Unionsrecht vereinbar, dass Voraussetzung für den Zuspruch immateriellen Schadens ist, dass eine Konsequenz oder Folge der Rechtsverletzung von zumindest einigem Gewicht vorliegt, die über den durch die Rechtsverletzung hervorgerufenen Ärger hinausgeht?

Schadenersatzanspruch setzt Verstoß, Schaden und Kausalzusammenhang voraus

Der EuGH stellte klar, dass die Begriffe der DSGVO für die Anwendung der Verordnung als autonome Begriffe des Unionsrechts anzusehen seien, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind. Der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zeige, dass das Vorliegen eines Schadens eine der Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch sei, zusammen mit einem Verstoß gegen die DSGVO und einem Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Eine Auslegung, dass jeder Verstoß gegen die DSGVO automatisch den Schadenersatzanspruch eröffnet, würde dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO widersprechen. Dies werde auch durch den Zusammenhang bestätigt, in den sich diese Bestimmung einfüge, sowie durch die Erläuterungen in den Erwägungsgründen 75, 85 und 146 der DSGVO.

Modalitäten müssen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz entsprechen

Das Urteil kommt zu dem Ergebnis, dass es mangels einschlägiger Unionsregeln nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats sei, die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe, die zum Schutz der Rechte der Bürger bestimmt sind, festzulegen. Dies setze allerdings voraus, dass diese Modalitäten bei unter das Unionsrecht fallenden Sachverhalten nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz). Darüber hinaus dürften sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Es sei somit Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die im österreichischen Recht vorgesehenen Modalitäten für die gerichtliche Festsetzung des Schadenersatzes, der aufgrund des in Art. 82 DSGVO verankerten Schadenersatzanspruchs geschuldet werde, die Ausübung der durch das Unionsrecht und insbesondere durch diese Verordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Im Übrigen sei eine auf Artikel DSGVO gestützte finanzielle Entschädigung als „vollständig und wirksam“ anzusehen, wenn sie es ermögliche, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen.

Keine Erheblichkeitsschwelle für immaterielle Schäden 

Das Gericht bejaht die Frage, ob nationale Regelungen oder Praktiken, die den Ersatz eines immateriellen Schadens von einer bestimmten Erheblichkeit abhängig machen, mit Art. 82 Abs. 1 DSGVO unvereinbar sind. Die DSGVO definiere den Begriff “Schaden” nicht und lege keine Erheblichkeitsschwelle fest. Die Definition des Begriffs “Schaden” sollte den Zielen der DSGVO in vollem Umfang entsprechen. Eine Erheblichkeitsschwelle würde die Kohärenz der DSGVO beeinträchtigen, da sie je nach Beurteilung durch die Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen könnte. Allerdings sei eine betroffene Person weiterhin verpflichtet, nachzuweisen, dass sie einen immateriellen Schaden erlitten habe.

Fazit

Das Urteil aus Luxemburg hat mehrere wichtige Aspekte der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beleuchtet. Zunächst betont das Gericht, dass das Recht auf Entschädigung gemäß der DSGVO drei kumulative Bedingungen unterliegt: Verstoß gegen die DSGVO, materieller oder immaterieller Schaden infolge dieses Verstoßes und ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Daher führt ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO nicht automatisch zu einem Entschädigungsanspruch. Diese Interpretation entspricht der Formulierung und den Erwägungsgründen der DSGVO.

Zweitens hat das Gericht klargestellt, dass keine Anforderung besteht, dass der erlittene immaterielle Schaden einen bestimmten Schweregrad erreichen muss, um ein Recht auf Entschädigung zu begründen. Dies bedeutet, dass jeder Art von immateriellem Schaden, unabhängig von seiner Schwere, potenziell zu einer Entschädigung führen kann, wenn die anderen beiden Bedingungen erfüllt sind.

Die Entscheidung des Gerichts ist bedeutend, da sie bestätigt, dass das Recht auf Entschädigung für immaterielle Schäden infolge rechtswidriger Datenverarbeitung eine wichtige Sicherung der Datenschutzrechte von Einzelpersonen darstellt. Es erkennt auch die breite Auffassung zum “Schaden” an, die von der EU-Gesetzgebung übernommen wurde, zu der jegliche Art von Schaden gehört, den eine Person erleidet. Das Gericht betonte jedoch auch, dass die DSGVO keine spezifischen Regeln zur Bewertung von Schäden enthält und es den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleibt, den Umfang der in diesem Zusammenhang zu leistenden Entschädigung festzulegen. Solange die Grundsätze der Gleichwertigkeit und Wirksamkeit eingehalten werden, sind die Mitgliedstaaten frei, die detaillierten Regeln für Maßnahmen zur Sicherung der Rechte festzulegen, die Einzelpersonen aus der DSGVO ableiten, und insbesondere die Kriterien zur Bestimmung des Umfangs der in diesem Zusammenhang zu zahlenden Entschädigung.

Insgesamt unterstreicht dieser Gerichtsbeschluss die Bedeutung des Schutzes der Datenschutzrechte von Einzelpersonen und der Gewährleistung wirksamer Abhilfemaßnahmen für jeglichen Schaden, der als Folge rechtswidriger Verarbeitung personenbezogener Daten erlitten wurde. Er hebt auch die Notwendigkeit hervor, dass die Mitgliedstaaten klare und wirksame Mechanismen zur Bestimmung von Entschädigungen in Fällen von immateriellen Schäden infolge von DSGVO-Verstößen schaffen.

EDPB: neuer Leitfaden für kleine Unternehmen

3. Mai 2023

Der European Data Protection Board (EDPB) veröffentlichte einen neuen Leitfaden, dessen Inhalt die Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorgaben in kleinen und mittleren Unternehmen ist. Neben allgemeinen Grundlagen zum Datenschutz, geht es u.a. auch um Themen wie der Umgang mit Betroffenenrechten und einem Datenschutzvorfall.

Videos, praktische Beispiele und Infographiken

Nach der Empfehlung 2003/361/EG ist ein kleines oder mittleres Unternehmen nach der Mitarbeiteranzahl und dem Jahresumsatz zu bestimmen. Demnach handelt es sich um kleines Unternehmen, dass eine Beschäftigtenanzahl von bis zu 49 Mitarbeitern hat und einem Jahresumsatz von bis zu 10 Millionen Euro erwirtschaftet. Für ein mittleres Unternehmen bedarf es einer Mitarbeiteranzahl von bis zu 249 Personen und einem Jahresumsatz bis zu 50 Millionen Euro.

Aus Sicht des EBPB sei es erforderlich kleine und mittlere Unternehmen über die Funktion der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu informieren. Die EDPB vermittelt ihren Leitfaden nicht einem bloßen Informationstext, sondern verwendet ebenso Videos, praktische Beispiele und Infographiken. Der Leitfaden ist eingeteilt in unterschiedliche Themenkomplexen, die mit einfach zu verstehenden Informationen beginnen und darüber hinaus komplexere Anwendungsbereiche der DSGVO aufgreifen.

Um die praktische Umsetzung zu garantieren, sind in dem Leitfaden auch Checklisten und Fragebögen enthalten. Demnach kann jedes Unternehmen mit Hilfe mehrerer Fragen herausfinden, ob es Datenschutz-Folgeabschätzung (DSFA) durchführen muss. Außerdem kann das betreffende Unternehmen über eine Checkliste prüfen, ob es ausreichende Sicherheitsstandards zum Schutz personenbezogener Daten getroffen hat.

Fazit

Der neue Leitfaden des EDPB behandelt grundsätzlich keine neuen Themen rund um die DSGVO. Allerdings ist er optisch sehr ansprechend gestaltet und kann seinem Publikum, unabhängig von dessen Kenntnisstand komplexe Inhalte vereinfacht erklären.

EU-Gericht: Wann gelten pseudonymisierte Daten als personenbezogene Daten?

Am 26. April 2023 erließ das Gericht der Europäischen Union sein Urteil in der Rechtssache T-557/20, SRB gegen EDSB. Das Gericht stellte dabei fest, dass pseudonymisierte Daten, die an einen Datenempfänger übermittelt werden, nicht als personenbezogene Daten gelten, wenn der Datenempfänger nicht über die Mittel zur Re-Identifizierung der betroffenen Personen verfügt. Das Gericht stellte auch klar, dass die Meinungen einer Person nicht als personenbezogene Daten angesehen werden können; vielmehr ist eine Einzelfallprüfung erforderlich.

Hintergrund

Der einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board – SRB) verwendete ein elektronisches Formular, mit dem interessierte Parteien ihre Meinung äußern konnten, und gab die eingegangenen Antworten an ein Beratungsunternehmen weiter. Bevor die Antworten weitergegeben wurden, ersetzte der SRB den Namen jedes Befragten durch einen Code. Nach einer Reihe von Beschwerden entschied der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB), dass der SRB pseudonymisierte personenbezogene Daten an das Beratungsunternehmen weitergegeben hatte, ohne die betroffenen Personen über diese Weitergabe zu informieren. Der SRB vertrat die Auffassung, dass diese Information nicht notwendig war, da die übermittelten Daten anonymisiert waren und folglich nicht als personenbezogene Daten für den Datenempfänger angesehen werden konnten.

Pseudonyme oder anonyme Daten?

Das Gericht betonte, dass im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Breyer bei der Feststellung, ob pseudonymisierte Informationen, die an einen Datenempfänger übermittelt werden, personenbezogene Daten darstellen, die Perspektive des Datenempfängers zu berücksichtigen ist. Verfügt der Datenempfänger über keine zusätzlichen Informationen, die es ihm ermöglichen, die betroffenen Personen zu reidentifizieren, und hat er keine rechtlichen Möglichkeiten, auf solche Informationen zuzugreifen, können die übermittelten Daten als anonymisiert und somit nicht als personenbezogene Daten betrachtet werden. Die Tatsache, dass der Datenübermittler über die Mittel zur Re-Identifizierung der betroffenen Personen verfügt, ist irrelevant und bedeutet nicht, dass die übermittelten Daten automatisch auch personenbezogene Daten für den Empfänger sind.

Stellungnahme des Gerichts

Das Gericht stellte ferner fest, dass persönliche Ansichten oder Meinungen zwar personenbezogene Daten darstellen können, dies aber nicht vorausgesetzt werden kann. Stattdessen ist eine Einzelfallbewertung erforderlich, “die auf der Prüfung der Frage beruht, ob eine Ansicht aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Wirkung mit einer bestimmten Person verbunden ist”.

 

Neue Datenschutzgesetzte in Montana und Tennessee

28. April 2023

Die US-Bundesstaaten Montana und Tennessee haben am 21. April umfassende Gesetzentwürfe zum Datenschutz verabschiedet. Damit sind sie neben Indiana und Iowa die jüngsten Bundestaaten, die in diesem Jahr umfassende Datenschutzgesetze verabschiedet haben.

Iowa Data Privacy Act (IDPA)

Nach Connecticut, Utah, Virginia, Colorado und Kalifornien war Iowa am 29. März der sechste Staat, der ein umfassendes Datenschutzgesetz verabschiedete. Das Gesetz wird am 1. Januar 2025 in Kraft treten, so dass Organisationen 21 Monate Zeit haben, die neuen Anforderungen zu erfüllen. Obwohl das Gesetz einige Ähnlichkeiten mit anderen staatlichen Datenschutzgesetzen aufweist, sollten Unternehmen auf die Unterschiede achten, wenn sie ihre Compliance-Bemühungen in den Vereinigten Staaten ausweiten.

Der Iowa Data Privacy Act (IDPA) gilt für Unternehmen, die in Iowa tätig sind oder sich mit ihren Produkten oder Dienstleistungen an Verbraucher in Iowa wenden und personenbezogene Daten von 100.000 oder mehr Verbrauchern in Iowa oder 25.000 oder mehr Verbrauchern in Iowa kontrollieren oder verarbeiten und gleichzeitig mehr als 50 % ihrer Bruttoeinnahmen aus dem Verkauf dieser Daten erzielen.Die IDPA-Definition des Begriffs “Verbraucher” umfasst natürliche Personen mit Wohnsitz in Iowa, die in einem persönlichen (nichtkommerziellen und nichtbeschäftigten) Kontext handeln, und schließt Mitarbeiter und B2B-Kontakte aus.

Der IDPA erlegt den für die Datenverarbeitung Verantwortlichen Verpflichtungen auf. Dazu gehören beispielsweise die Beschränkung des Zwecks der Verarbeitung personenbezogener Daten, die Einführung angemessener Schutzmaßnahmen, den Verzicht auf Diskriminierung, transparente Datenschutzhinweise und die Sicherstellung, dass die Beziehungen zu den Auftragsverarbeitern vertraglich geregelt sind. Darüber hinaus erteilt es den Verbrauchern in Iowa das Recht auf Ablehnung, Löschung, Zugang, Widerspruch und Datenübertragbarkeit.

Zu den sensiblen personenbezogenen Daten gehören u. a. die rassische/ethnische Herkunft, religiöse Überzeugungen und Geolokalisierungsdaten. Die für die Verarbeitung Verantwortlichen müssen deutlich auf die Verarbeitung dieser Daten hinweisen und die Möglichkeit bieten, sich gegen eine Verarbeitung entscheiden zu können. Der Generalstaatsanwalt von Iowa hat die ausschließliche Durchsetzungsbefugnis und das Gesetz sieht kein privates Klagerecht vor.

Indiana Bill on Consumer data protection

Mit der Unterzeichnung der Senate Bill No. 5 durch Gouverneur Eric Holcomb wird Indiana der siebte Staat sein, der ein umfassendes Datenschutzgesetz verabschiedet. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2026 in Kraft. Es ähnelt anderen staatlichen Datenschutzgesetzen wie dem Virginia Consumer Data Protection Act.

Das Datenschutzgesetz von Indiana gilt für Organisationen, die personenbezogene Daten von mindestens 100.000 Einwohnern Indianas oder 25.000 Einwohnern Indianas verarbeiten und gleichzeitig mehr als 50 % ihrer Bruttoeinnahmen aus dem Verkauf personenbezogener Daten erzielen. Bestimmte Einrichtungen und Daten sind von dem Gesetz ausgenommen.

Das Gesetz verpflichtet die Unternehmen, den Verbrauchern klare und aussagekräftige Datenschutzhinweise zur Verfügung zu stellen und räumt den Verbrauchern das Recht ein, ihre personenbezogenen Daten zu bestätigen, auf sie zuzugreifen, sie zu korrigieren, zu löschen und zu übertragen. Darüber hinaus können Verbraucher auch der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten für gezielte Werbung, den Verkauf personenbezogener Daten oder die Profilerstellung, die erhebliche Auswirkungen hat, widersprechen.

Es gibt kein privates Klagerecht und Unternehmen haben eine 30-tägige Frist zur Behebung angeblicher Verstöße.

Montana Consumer Data Privacy Act (MCDPA)

Nachdem der Montana Consumer Data Privacy Act (MCDPA) beide Häuser der Legislative von Montana bereits passierte, fehlt nun lediglich noch die Unterschrift von Gouverneur Greg Gianforte. Der MCDPA ähnelt den Gesetzen in Connecticut und Virginia, was darauf hindeutet, dass diese Modelle zunehmend die Grundlage für andere staatliche Datenschutzgesetze darstellen.

Das Gesetz gilt für Unternehmen, die in Montana geschäftlich tätig sind, personenbezogene Daten von 50.000 oder mehr Verbrauchern in Montana oder von 25.000 oder mehr Verbrauchern in Montana kontrollieren oder verarbeiten und gleichzeitig mehr als 25 % ihrer Bruttoeinnahmen aus dem Verkauf dieser Daten erwirtschaften.

“Verbraucher” ist definiert als eine natürliche Person mit Wohnsitz in Montana, die in einem persönlichen Kontext handelt. Personenbezogene Daten werden als Informationen definiert, die mit einer identifizierten oder identifizierbaren Person verknüpft sind oder vernünftigerweise verknüpft werden können. Zu den sensiblen Daten gehören Informationen über die Rasse/ethnische Herkunft, die Religion, die Gesundheitsdiagnose, das Sexualleben, die sexuelle Orientierung, die Staatsbürgerschaft, den Einwanderungsstatus und genetische oder biometrische Informationen einer Person. Betroffene Unternehmen müssen den Verbrauchern eine Reihe von Standardrechten zugestehen, darunter das Recht auf Ablehnung des Verkaufs personenbezogener Daten, das Recht auf Löschung, Zugang, Berichtigung und Widerspruch, das Recht auf Einwilligung in Werbung und gezieltes Marketing für Personen zwischen 13 und 16 Jahren sowie das Recht auf Datenübertragbarkeit.

Sensible Daten dürfen nicht verarbeitet werden, ohne dass die Zustimmung des Verbrauchers eingeholt wurde oder, im Falle von Kindern, die COPPA-Bestimmungen eingehalten wurden.

Des Weiteren verpflichtet der MCDPA die für die Verarbeitung Verantwortlichen, den Zweck der Verarbeitung personenbezogener Daten auf das vernünftigerweise notwendige und verhältnismäßige Maß zu beschränken, Maßnahmen zu ergreifen, um angemessene Sicherheitsvorkehrungen für die ihrer Kontrolle unterliegenden personenbezogenen Daten zu treffen, Verbraucher nicht zu diskriminieren, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen, und in ihren Datenschutzhinweisen transparent zu sein. Der Generalstaatsanwalt von Montana hat die ausschließliche Durchsetzungsbefugnis und es gibt kein privates Klagerecht.

Das MCDPA wird am 1. Oktober 2024 in Kraft treten.

Tennessee Information Privacy Act (TIPA)

Sobald Gouverneur Bill Lee zustimmt, wird sich Tennessee mit der Einführung des Tennessee Information Privacy Act (TIPA) bald den Staaten mit umfassenden Datenschutzgesetzen anschließen. Das TIPA folgt weitgehend dem Modell des kalifornischen CCPA, allerdings mit einer Ausnahme.

Er gilt für Unternehmen, die in Tennessee tätig sind oder Produkte oder Dienstleistungen für Einwohner von Tennessee anbieten und personenbezogene Daten von mindestens 100.000 Verbrauchern oder 25.000 Verbrauchern verarbeiten und gleichzeitig mehr als 50 % ihrer Bruttoeinnahmen aus dem Verkauf von personenbezogenen Daten erzielen.

Die Einhaltung der CCPA-Verpflichtungen wird wahrscheinlich zur Einhaltung des TIPA führen, vorbehaltlich der Verpflichtungen in Bezug auf das NIST Privacy Framework. Dieses verlangt von Unternehmen, dass sie Datenschutzrisiken identifizieren, kontrollieren, kommunizieren und Schutzmaßnahmen ergreifen. Die Nichteinhaltung des TIPA kann zu Strafen von bis zu 15.000 US-Dollar pro Verstoß führen, die vom Generalstaatsanwalt von Tennessee durchgesetzt werden.

Ausblick

So entscheiden sich zunehmend mehr Bundesstaaten für eigene Datenschutzgesetze, weitere Staaten werden mit Sicherheit folgen. Darüber hinaus gibt auch Pläne für speziellere Datenschutzgesetze. So gibt es beispielsweise Gesetzesvorschläge, die sich auf Kinder, soziale Medien (wie Utahs Social Media Regulation Act) und Gesundheitsinformationen, die nicht unter den HIPAA fallen (wie Washingtons My Health My Data Act), konzentrieren. Darüber hinaus gibt es auch weiterhin einen Gesetzesentwurf für ein umfassendes Datenschutzgesetz auf Bundesebene, dessen Verabschiedung zum jetzigen Zeitpunkt aber noch ungewiss ist.

LfDI BaWü fordert OpenAI zur Stellungnahme auf

26. April 2023

Dr. Jan Wacke, der leitende Beamte beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg, betont, dass Anwendungen im Einklang mit dem europäischen Rechtsrahmen und unseren europäischen Werten stehen sollten. Derzeit führt er Gespräche mit dem Betreiber von ChatGPT, bevor er eine Bewertung des Dienstes vornimmt. Für das Vertrauen der Bürger in den technologischen Fortschritt ist es unerlässlich, dass die eingesetzten Technologien die Bürgerrechte auch im digitalen Raum respektieren.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist auf das in San Francisco ansässige Unternehmen OpenAI zugegangenen und hat es zur Stellungnahme zu dem von ihm betriebenen Dienst ChatGPT aufgefordert.

Verpflichtungen für OpenAI aus der DSGVO

Im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung ist es erforderlich, dass Anbieter von Dienstleistungen, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, in der Lage sind, zu erklären, welche Daten zu welchem Zweck und auf welche Weise verarbeitet werden. Zusätzlich müssen angemessene technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit dieser Daten zu gewährleisten. Wenn jedoch sensible Daten wie Informationen zum Gesundheitszustand, zur sexuellen Identität, zur Weltanschauung oder zur familiären und finanziellen Situation verarbeitet werden, müssen spezielle Regelungen eingehalten werden. Außerdem müssen die Rechte der Betroffenen, wie beispielsweise das Recht auf Berichtigung oder Auskunft, respektiert werden.

Zusammenarbeit des LfDI mit dem EDSA

Im Rahmen eines datenschutzrechtlichen Aufsichtsverfahrens lässt sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit ChatGPT erläutern. Die Aufsichtsbehörden der Länder haben die Fragen, die an OpenAI gerichtet sind, gemeinsam abgestimmt. Der Landesbeauftragte arbeitet auch auf europäischer Ebene intensiv in einer entsprechenden Arbeitsgruppe des Europäischen Datenschutz-Ausschusses (EDSA) mit, um ein einheitliches Vorgehen bei der Untersuchung von ChatGPT zu fördern. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus Artikel 55 Absatz 1 DS-GVO in Verbindung mit § 40 BDSG, wenn keine Niederlassung von OpenAI in Europa genannt wird.

Aufklärung über künstliche Intelligenz durch LfDI

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg beschäftigt sich seit einiger Zeit mit KI-Anwendungen. Er berät verantwortliche Stellen in Baden-Württemberg, wo immer möglich, um Datenschutz und Digitalisierung zusammenzubringen und so eine nachhaltige technologische Entwicklung zu fördern. Im vergangenen Jahr hat der Landesbeauftragte eine Veranstaltungsreihe zum Thema Künstliche Intelligenz organisiert und zahlreiche Vorträge auf seinem PeerTube-Server zur Verfügung gestellt. Auch in diesem Jahr wird er im Oktober wieder Behörden, Unternehmen und BürgerInnen zu einer KI-Veranstaltungsreihe einladen, um über Anforderungen an eine bürgerfreundliche digitale Entwicklung und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zu sprechen und aufzuklären sowie zu diskutieren.

Der Landesbeauftragte berichtet in seinem Tätigkeitsbericht in Kapitel 1.5, ab Seite 23 ausführlich über Künstliche Intelligenz.

Neue Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz

25. April 2023

Zurzeit planen das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesarbeitsministerium (BMAS) neue Reglementierungen für den Beschäftigtendatenschutz. Dies geht aus einer Liste mit Vorschlägen für einen Gesetzesentwurf des Beschäftigtendatenschutzes hervor, über die verschiedene Nachrichtenportale (hier oder hier nachzulesen) berichtet haben.

Besserer Schutz vor Überwachung

Mit dem geplanten Gesetzesvorhaben beabsichtigten das BMI und BMAS einen besseren Schutz von Beschäftigten vor Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers. Ein Ziel sei u.a. verdeckte Überwachungsmaßnahmen besser zu reglementieren. Derzeit kann beispielsweise die verdeckte Videoüberwachung nur ausnahmsweise, unter strengen Voraussetzungen eingesetzt werden. Möchte ein Arbeitgeber die verdeckte Videoüberwachung beispielsweise zur Aufklärung von Straftaten einsetzen, darf kein Mittel zur Verfügung stehen, dass die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten weniger intensiv tangiert. Zur Regulierung der verdeckten Überwachungsmaßnahmen, sehen BMI und BMAS nun konkrete Maßnahmen vor. Dabei solle die Überwachung nur möglich sein, wenn der eindeutige Verdacht einer Straftat vorliege und andere Abhilfemaßnahmen bereits ausgeschöpft worden seien.

Außerdem beabsichtigen die Ministerien neue Regelungen für die offene Videoüberwachung. Demnach solle die gesetzliche Neuregelung die Privatsphäre von Beschäftigten besser schützen. Eine offene Überwachung am Arbeitsplatz müsse strengen Grenzen unterfallen. Beschäftigte benötigten Räume, in denen keine Kameraüberwachung erlaubt sei. Auch die Zeiten, zu denen eine Überwachung erfolge solle eingeschränkt werden. Derzeit ist vor allem die Kameraüberwachung bestimmter Räume als unzulässig anzusehen. Dazu zählen Umkleiden, sowie Pausenräume und Toiletten.

Darüber hinaus planten das BMI und BMAS die Konkretisierung des Einwilligungserfordernis im Beschäftigtenverhältnis. Derzeit kann die Kameraüberwachung auf Grundlage einer Einwilligung nach § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG erfolgen. Der Gesetzentwurf solle die Anforderungen der Freiwilligkeit, die Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung sei, konkretisieren.

Zusätzlich plane das BMI und BMAS eine Regelung zu Fragestellung, die im Rahmen eines Bewerbungsgespräch zulässig seien. Im Hinblick auf Fragen, die ein Bewerber beantworten muss, kann es grundsätzlich zur Verarbeitung personenbezogener Daten besonderer Kategorie iSd Art. 9 DSGVO kommen.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Vorschläge der geplante Gesetzentwurf enthalten wird. Zurzeit bleibt es denkbar, dass der Gesetzesentwurf zugleich die Bedenken, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 30.03.2023 (Az. C-23/21)  aufbrachte, behandelt oder zumindest im Ansatz berührt (wir berichteten).

Subunternehmer im Kontext von Art. 15 DSGVO

24. April 2023

Am 12.01.2023 hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil bestätigt, was Datenschützer bereits vermutet hatten: Bei der Bearbeitung eines Antrags auf Auskunft gemäß Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung müssen Verantwortliche in erster Linie die konkreten Empfänger nennen und dürfen nur in Ausnahmefällen auf Empfängerkategorien verweisen (wir berichteten).

Als Konsequenz dieses Urteils stellen sich in der Praxis zahlreiche Fragen: Ist es erforderlich, eine ladungsfähige Adresse anzugeben? Wie weit erstreckt sich der Empfängerbegriff? Müssen ausschließlich direkte Empfänger, einschließlich Auftragsverarbeiter, genannt werden, oder muss die Auskunft auch Angaben zu deren Dienstleistern enthalten?

Subunternehmer können auch Empfänger sein

In Situationen, in denen der Empfänger personenbezogener Daten eines Verantwortlichen ein Auftragsverarbeiter ist, könnte es zunächst akzeptabel sein, lediglich den Auftragsverarbeiter als direkten Empfänger zu benennen und nicht auch dessen eigene Empfänger wie z.B. Dienstleister. Die Praktikabilität der Bearbeitung von Auskunftsersuchen wird oft als Hauptargument für diese Meinung genannt. Es wird argumentiert, dass die Erwähnung von Subunternehmen des Auftragsverarbeiters den Zeitaufwand für die Bearbeitung von Auskunftsersuchen erhöhen würde, was für Verantwortliche unzumutbar ist.

Jedoch wird dabei übersehen, dass der Verantwortliche normalerweise Kenntnis über Dienstleister oder Subunternehmen des Auftragsverarbeiters haben sollte (z.B. durch Nennung in einem Auftragsverarbeitungsvertrag gemäß Art. 28 DSGVO). Der Mehraufwand für die Nennung von Subunternehmen ist daher nicht unbedingt unangemessen und kann dem Verantwortlichen zugemutet werden. Darüber hinaus spricht auch der Zweck von Art. 15 DSGVO, dem Betroffenen eine umfassende Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu erteilen, für eine breite Auslegung des Empfängerbegriffs. Das Interesse des Verantwortlichen, die Bearbeitung von Betroffenenrechten möglichst praktikabel umzusetzen, kann diesen Zweck nicht überschatten.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass der Empfängerbegriff in Art. 4 Nr. 9 DSGVO weit ausgelegt werden sollte und alle Personen oder Stellen umfasst, denen personenbezogene Daten offengelegt werden – unabhängig davon, ob sie Dritte sind. Aus dem Umkehrschluss der Definition des Dritten in Art. 4 Nr. 10 DSGVO ergibt sich, dass auch alle Personen oder Stellen außerhalb des Verantwortlichen erfasst sind, die befugt sind, personenbezogene Daten unter der Verantwortung des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters zu verarbeiten. Dies schließt alle Unterauftragnehmer ein, die vom Auftragsverarbeiter des Verantwortlichen als weitere Auftragsverarbeiter eingesetzt wurden.

Der Empfängerbegriff in der Praxis

Ein Beispiel aus der Praxis von Konzernen verdeutlicht die Bedeutung der Auslegung des Empfängerbegriffs. In der Regel gibt es eine Servicegesellschaft innerhalb des Konzerns, die ihren Schwester- oder Muttergesellschaften IT-Services zur Verfügung stellt und als Auftragsverarbeiter fungiert. Eine enge Auslegung des Empfängerbegriffs würde bedeuten, dass das datenschutzrechtlich verantwortliche Unternehmen bei der Bearbeitung eines Auskunftsersuchens nur diese eine Schwester- oder Tochtergesellschaft als Auftragsverarbeiterin angeben müsste. Dies würde das Auskunftsrecht des Betroffenen nahezu ins Leere laufen lassen, da die eigentliche Verarbeitung der Daten durch Unternehmen wie Microsoft oder Google nicht berücksichtigt würde. Eine solche Vorgehensweise kann nicht im Interesse des Gesetzgebers sein, der dem Betroffenen eine umfassende Auskunft ermöglichen möchte. Das Auskunftsrecht ist ein Recht des Betroffenen und das Interesse der Verantwortlichen an der Praktikabilität kann diesem nicht übergeordnet sein. Eine weite Auslegung des Empfängerbegriffs innerhalb eines Konzerns ist auch erforderlich, um zu verhindern, dass das Auskunftsrecht durch die bloße Hinzufügung einer Servicegesellschaft ausgehebelt wird.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass nach der Auslegung des Gesetzes und des EuGH-Urteils ein Auftragsverarbeiter als Empfänger im Sinne des Datenschutzrechts gilt und somit auch dessen Dienstleister bzw. Subunternehmer angegeben werden müssen. Allerdings müssen bei Übermittlungen an andere Verantwortliche nur diese genannt werden. Diese weite Auslegung bedeutet für Verantwortliche einen erheblichen Mehraufwand in der Praxis, da Prozesse eventuell neu ausgerollt werden müssen. Eine mögliche Lösung wäre, bereits bei der Dokumentation der Verarbeitungstätigkeit im Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten auch die Dienstleister der Auftragsverarbeiter zu nennen bzw. auf die entsprechenden Vertragsdokumente und Anlagen zu verweisen. Dadurch kann die Bearbeitung von Auskunftsbegehren erleichtert werden.

Der EU Cyber Solidarity Act

Am 18. April 2023 stellte die Europäische Kommission den EU Cyber Solidarity Act vor, um die Prävention, Erkennung und Reaktion auf Cyber-Sicherheitsvorfälle in der gesamten EU zu verbessern.

Verbesserung der Cyber-Sicherheit in der EU

Das Ziel des EU Cyber Solidarity Act sei es, die Kapazitäten in der EU zu stärken, um bedeutende und groß angelegte Cyber-Sicherheitsbedrohungen und Angriffe zu erkennen und darauf zu reagieren. Der Vorschlag umfasst ein europäisches Cyber-Sicherheitsschild, das aus miteinander verbundenen Security Operations Centres (SOCs) bestehen soll, sowie einem umfassenden Cyber-Sicherheits-Notfallmechanismus, um die Cyber-Sicherheit der EU zu verbessern.

Die Security Operations Centres sollen in mehreren länderübergreifenden SOC-Plattformen zusammengefasst werden. Diese SOCs sollen dabei fortschrittliche Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Datenanalyse einsetzen, um Bedrohungen zu erkennen Dies soll eine schnellere und effizientere Reaktion auf größere Bedrohungen ermöglichen. Das Cyber-Sicherheitsschild soll insgesamt die Erkennung, Analyse und Reaktion auf Cyber-Bedrohungen verbessern.

Cyber-Sicherheits-Notfallmechanismus

Der Cyber-Sicherheits-Notfallmechanismus soll sicherstellen, dass die Vorbereitung und Reaktionen auf Cyber-Sicherheitsvorfälle verbessert werden. Dieses Ziel möchte man durch die Folgenden Schritte erreichen:

  • Unterstützung bei Vorbereitungsmaßnahmen
  • Überprüfung von Einrichtungen in wichtigen Sektoren wie Finanzen, Energie und Gesundheitswesen auf potenzielle Schwachstellen, die sie anfällig für Cyber-Bedrohungen machen könnten
  • Gemeinsamen Risikobewertung auf EU-Ebene
  • Schaffung einer EU Cyber-Sicherheitsreserve
  • Gegenseitige Unterstützung innerhalb der EU

Cybersecurity Incident Review Mechanism

Schließlich sieht der EU Cyber Solidarity Act auch die Einrichtung eines Cybersecurity Incident Review Mechanism vor. Dieser Mechanismus wird dazu beitragen, spezifische Cybersecurity-Zwischenfälle zu analysieren und Empfehlungen zur Verbesserung der Reaktion auf solche Vorfälle abzugeben.

Die Europäische Agentur für Cybersicherheit (ENISA) wird für die Überprüfung spezifischer oder groß angelegter Cybersecurity-Zwischenfälle verantwortlich sein. ENISA soll dann einen Bericht erstellen, der Lehren aus dem Zwischenfall zieht und gegebenenfalls Empfehlungen zur Verbesserung der EU-Cyberabwehr enthält.

Finanzierung

Die Umsetzung des EU Cyber Solidarity Act werde durch den Digital Europe Programme (DEP) finanziert. Der DEP unterstützte die digitale Transformation Europas und habe unter anderem den Auftrag, die europäische Cybersecurity zu stärken.

Für den EU Cyber Solidarity Act werden insgesamt 842,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, wovon 100 Millionen Euro aus anderen Bereichen des DEP umgeschichtet werden. Dies soll die Umsetzung des Cybersecurity-Ziels des DEP verstärken.

Ein Teil der zusätzlichen 100 Millionen Euro werde dazu verwendet, das Budget des European Cybersecurity Competence Center (ECCC) zu stärken, um Maßnahmen im Bereich der SOCs und der Vorbereitung umzusetzen. Der Rest des Geldes werde zur Unterstützung der Einrichtung des EU Cybersecurity Reserve eingesetzt. Zusätzlich zu den Mitteln des DEP erwarte man auch auch Beiträge der Mitgliedstaaten, die das Budget des EU Cyber Solidarity Act auf bis zu 1,109 Milliarden Euro erhöhen könnten.

Fazit

Der EU Cyber Solidarity Act ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Cybersecurity in Europa. Durch die Einrichtung von SOCs, die Unterstützung der Vorbereitungsmaßnahmen und die Schaffung eines EU Cybersecurity Reserve würde die EU besser auf zukünftige Cybersecurity-Bedrohungen vorbereitet sein. Gleichzeitig wird die Einrichtung eines Cybersecurity Incident Review Mechanism dazu beitragen, dass die EU aus vergangenen Zwischenfällen lernen und ihre Cyberabwehr stetig verbessern kann.

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