E-Rezepte künftig auch mit elektronischer Gesundheitskarte (eGK) einlösbar – Wissenswertes rund um die eGK – Teil 1

9. September 2022

Nachdem das neue, elektronische Rezept (auch E-Rezept) in den letzten Wochen aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken zum Übermittlungsvorgang bereits Gesprächsstoff war, gibt es dazu eine neue Ankündigung. So veröffentlichte die gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, Nationale Agentur für Digitale Medizin) eine Pressemitteilung, nach der Patientinnen und Patienten künftig auch mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) E-Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel einlösen können.

Wie die eGK eigentlich genau funktioniert und wie man damit seine E-Rezepte abholen soll, erläutern wir im Folgenden in einem zweiteiligen Beitrag.

In Teil 1 werden wir diese Woche zunächst allgemeines über die eGK erklären.

Was genau ist die eGK?

Die elektronische Gesundheitskarte gilt seit dem 01.01.2015 als Berechtigungsnachweis für gesetzlich Versicherte. Sie werden von den jeweiligen Krankenkassen an ihre Versicherten ausgeteilt. Sie dient als Ausweismöglichkeit in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus. Auf ihr können außerdem persönliche Daten gespeichert werden.

Welche Daten werden auf der eGK gespeichert?

Auf der Vorderseite der eGK selbst sind der Name des Versicherten und seine Versichertennummer, sowie ein Lichtbild abgedruckt.
In der Karte befindet sich ein Mikroprozessor-Chip. Auf diesem sind zunächst administrative Daten der Versicherten z.B. Name, Geburtsdatum, Anschrift und Angaben zur Krankenversicherung (Krankenversichertennummer und Versichertenstatus) gespeichert. Diese Daten werden auch Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) genannt. Diese Daten auf dem Chip zu speichern ist Pflicht.

Auf Wunsch des Versicherten können zusätzlich Notfalldaten (NFDM) auf der eGK gespeichert werden. Dazu gehören z.B. Informationen zu Arzneimittelunverträglichkeiten, Allergien und chronischen Erkrankungen, sowie Kontaktdaten zu behandelnden Ärzten und zu Angehörigen.

Auch der elektronische Medikationsplan (eMP) und die elektronischen Patientenakte (ePA) können auch Wunsch der Versicherten genutzt werden.

Wie funktioniert die eGK?

Die eGK wird vor ärztlichen Behandlungen eingelesen, wobei die Praxen dann die auf dem Chip gespeicherten, administrativen Daten abrufen können. Bei Bedarf können die Praxen diese Daten aktualisieren. Dadurch wird geprüft, ob ein gültiges Versicherungsverhältnis besteht.

Neue Karten sind außerdem mit einer Near Field Communication (NFC) – Funktion versehen. Dadurch ist mit einem PIN ein kontaktloser Datenaustausch möglich.

Die Rückseite der eGK kann von den Krankenkassen als “Europäische Krankenversicherungskarte” verwendet werden und macht somit eine unbürokratische Behandlung innerhalb Europas möglich.

In Teil 2 geht es dann nächste Woche um den Datenschutz auf der eGK und darum, wie man künftig mit der eGK E-Rezepte abholen kann.

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt vor Phishing mit Energiepauschale

Das BSI warnt momentan auf seinem Twitter-Account vor Phishing-Mails, die dem Empfänger die Auszahlung der Energiepauschale versprechen. Diese Mails sollen Betreffe wie: “Jetzt Energiepauschale sichern!/ Wir überweisen die Energiepauschale /Bereit für Ihren Energiebonus?” enthalten. In dem vom BSI veröffentlichten Beispiel sieht die Phishing-Mail aus, als wäre ihr Absender die Sparkasse. In dem Schreiben wird über die Auszahlung der Energiepauschale informiert. Dort steht u.a. folgendes geschrieben: “Um ihre Identät sowie den Anspruch auf eine Auszahlung feststellen zu können, benötigen wir eine Bestätigung Ihrer bereits angegebenen Daten […]. Gebe Sie noch heute Ihre aktuellen Daten auf unser Homepage an und erhalten Sie innerhalb der nächsten vier Wochen ihre Auszahlung der Energiepauschale[…]”.

Das BSI weist ausdrücklich darauf hin, dass unter keinen Umständen hier Daten angegeben werden sollen. Phishing-Mails sind E-Mails die vorgeben, von einem vertrauenswürdigen Absender zu stammen. Tatsächlich stecken hinter Phishing-E-Mails Kriminelle, die die Empfänger solcher E-Mails zur Weitergabe ihrer Daten, meist ihrer Zahlungsdaten verleiten wollen.

Um die immer professioneller werdenden Phishing-Mails von echten unterscheiden zu können, verweist das BSI auf seine Website. Dort wird erklärt, woran man Phishing-Mails gut erkennen kann. Es lohnt sich häufig auch, die E-Mails besonders sorgfältig zu lesen. So können u.a. Rechtschreibfehler wie in dieser Mail (“Identät”) eine Phishing-Mail entlarven.

B2B-Datenschutz: DSGVO auf juristische Personen in Sonderfällen anwendbar?

6. September 2022

Dieser Frage widmete sich das LG Hamburg in einer Entscheidung (324 O 30/20) vom 11. Dezember 2021. In dem Sachverhalt nahmen Kläger die Beklagte wegen Verletzung von Datenschutzpflichten auf Löschung und hilfsweise Sperrung in Anspruch.

Beteiligte

Die Klägerinnen betreiben ein Nachhilfeinstitut. Einer der Klägerinnen ist Geschäftsführer und Anteilseigner dieses Instituts.
Die Beklagte betreibt eine private Website auf der Wirtschaftsinformationen über die Kläger veröffentlicht wurden. Bei den strittigen Informationen handle es sich um gesetzliche Pflichtveröffentlichungen zu Unternehmen aus allgemein zugänglichen Registern, wie dem Handelsregister, Insolvenzbekanntmachungen und dem elektronischen Bundesanzeiger. Bei der Weiterverwendung der Daten seien keine eigenen Daten aufgenommen worden. Es handle sich lediglich um bereits verfügbare Daten aus den öffentlichen Registern, so die Beklagte.

Streitgegenstand

Die Beklagte veröffentlichte auf Ihrer Seite den Namen, die Anschrift sowie den Gewinn des Nachhilfeinstituts. Zudem wurde die Bilanzsumme als auch die namentliche Nennung des Geschäftsführers angezeigt. Beide Kläger seien dem Gericht nach der Auffassung gewesen, dass dies nicht ohne deren Einwilligung erfolgen hätte dürfen. Am 25.04.2019 erfolgte sodann der Widerspruch mit Löschaufforderung nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO.

Entscheidungsgründe des LG Hamburg

Das Gericht entschied, dass den Klägern keine Ansprüche auf Löschung und Sperrung gegen die Beklagte wegen der Verarbeitung von personenbezogenen Daten zustünden. Es bezog sich in diesem Kontext auf den Erwägungsgrund 14 der Verordnung. Dieser legt ausdrücklich fest dass die Verordnung nicht für juristische Personen anwendbar sei.

Ausnahme

Das Gericht ist der Auffassung, dass der Anwendungsbereich der DSGVO bei der Verarbeitung von Informationen von juristischen Personen eröffnet sei, wenn die Informationen der juristischen Person sich auch auf die hinter dieser stehenden natürlichen Person beziehen. Dies sei dem Gericht nach der Fall wenn Informationen über juristische Personen gleichzeitig auch Aussagen über die für sie handelnden natürlichen Personen treffen oder die Verarbeitung der Informationen sich unmittelbar auf die natürlichen Personen auswirken und gleichsam auf diese durchschlagen.

Fazit

Im vorliegend Sachverhalt träfe diese Ausnahme laut dem LG Hamburg auf die Klägerinnen zu. Der Firmenname und der Geschäftssitz bezögen sich auf ihre Geschäftsführer. Zudem sei ihr Geschäftssitz mit der Wohnanschrift der Geschäftsführer identisch.
Als Anspruchsgrundlagen kämen lediglich Art. 17 Abs. 1 lit. d und lit. c DSGVO in Betracht, so das LG Hamburg. Im Ergebnis des Gerichts fällt die jeweils vorzunehmende Interessenabwägung jedoch zugunsten der Beklagten aus.

LAG Rheinland-Pfalz: Datenweitergabe zwischen Arbeitgebern

31. August 2022

Das LAG Rheinland-Pfalz hat am 05.07.2022 (Az. Az. 6 Sa 54/22) entschieden, dass ein Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Weitergabe von Informationen über seine ehemalige Arbeitnehmerin an ihren neuen Arbeitgeber haben könne.

Der Sachverhalt

Hintergrund der Entscheidung waren verschiedene Äußerungen, die der ehemalige Arbeitgeber der Klägerin gegenüber deren neuen Arbeitgeber getätigt habe. Unter anderem behauptete der beklagte Arbeitgeber, dass die Klägerin verschiedene Pflichtverletzungen während der Anstellungen verübt habe.

Das Ziel des beklagten Arbeitgebers sei es gewesen, den neuen Arbeitgeber und dessen Kunden vor einem möglichen Schaden zu schützen. Gegen die getätigten Äußerungen wollte die Arbeitnehmerin einen Unterlassungsanspruch geltend machen.

Die Entscheidung

Das LAG stellte fest, dass ein Arbeitnehmer vor der Offenlegung von personenbezogenen Daten durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt sei. Dieser Schutz erstrecke sich auch auf Daten, die der Arbeitgeber in zulässiger Weise erlangt habe. Grundsätzlich habe jedermann das Recht selbst darüber zu entscheiden, „(…) wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.“ (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2022, Az. 6 Sa 54/22, Rn. 43)

Außerdem, so das Gericht, müsse der Arbeitgeber vor Weitergabe der Informationen eine Abwägung zwischen seinem Interesse an der Weitergabe und dem allgemeinem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vornehmen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses treffe den Arbeitgeber einerseits eine Fürsorgepflicht. Andererseits könne der Arbeitgeber aber ein Interesse daran haben, „(…) andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen.“ (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2022, Az. 6 Sa 54/22, Rn. 43)

Das Fazit

In seiner Argumentation folgte das LAG einer älteren Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 18.12.1984, Az. 3 AZR839/83). Dieses hatte bereits über das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Informationsweitergabe entschieden. Das LAG lies es offen, ob die zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen auf dem Gebiet des Datenschutzrechtes möglicherweise das Auskunftsrecht des Arbeitgebers, dass nach Durchführung der Interessenabwägung bestehen könne, tangieren. Jedenfalls habe der ehemalige Arbeitgeber in diesem Fall kein Interesse an der Weitergabe der Informationen. Demnach bestehe der Unterlassungsanspruch der Klägerin.

Telegram führt Nutzerumfrage zum Datenschutz durch

Die Messenger-App Telegram befragt aktuell seine Nutzerinnen und Nutzer zum Datenschutz. Konkret geht es darum, “wie die Daten der deutschen Telegram-Nutzer mit den deutschen Behörden, einschließlich der deutschen Polizei (BKA), geteilt werden können (oder nicht).” Weiter heißt es: “Wir führen diese Abstimmung durch, um herauszufinden, ob unsere deutschen Nutzer unsere aktuelle Datenschutzerklärung unterstützen oder ob sie die Zahl der Fälle, in denen Telegram potenziell Daten an Behörden weitergeben kann, verringern oder erhöhen möchten. Wir stellen drei Optionen zur Wahl.
OPTION 1: Keine Änderungen. IP-Adressen und Telefonnummern von Terrorverdächtigen darf Telegram weiterhin nur aufgrund einer Gerichtsentscheidung weitergeben. Diese Option ist bereits in der aktuellen Datenschutzerklärung von Telegram enthalten.
OPTION 2: Auf Anfrage der deutschen Polizeibehörden darf Telegram IP-Adressen und Telefonnummern von Verdächtigen schwerer Straftaten offenlegen, auch wenn diese nicht durch eine Gerichtsentscheidung gestützt ist. Diese Option wäre, sofern sie Zustimmung findet, komplett neu für Telegram und erfordert deswegen eine Änderung unserer Datenschutzerklärung für Nutzer aus Deutschland.
OPTION 3: Unter keinen Umständen darf Telegram Nutzerinformationen weitergeben, inkl. IP-Adressen und Telefonnummern von Terrorverdächtigen. Wenn diese Option unterstützt wird, ändert Telegram seine Datenstruktur und die Datenschutzerklärung für Nutzer aus Deutschland.

Die Aktion folgt nach Aufforderungen des Bundesinnenministeriums, das eine engere Zusammenarbeit mit Telegram wünscht. Grund dafür ist, dass sich Telegram in den letzten Jahren als Plattform für Menschen mit extremistischem Gedankengut etabliert hatte. Auf Telegram soll es u.a. zu Gewalt- und Mordaufrufen gegen Personen gekommen sein, die Betreiber von Telegram würden illegale Inhalte kaum löschen.

Telegram hat seinen Sitz in Dubai, in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dies hatte für die Bundesregierung in zwei Bußgeldverfahren gegen Telegram zu Problemen geführt, die Bußgeldbescheide zustellen zu können.

Welche Folgen Telegram aus der Umfrage ziehen will, bleibt zunächst offen. Denn auch gegen den Willen seiner Nutzer ist Telegram durch seine Nutzung in Deutschland den deutschen Datenschutzgesetzen unterworfen.

Warum Google Fonts eine datenschutzrechtliche Abmahnwelle verursacht?

23. August 2022

Am 18. August 2022 informierte der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI), Dr. Lutz Hasse, in einer Pressemitteilung über eine drohende Abmahnwelle. Tausende von Websites-Betreiber seien nach dem TLfDI bereits von Abmahnungen betroffen.

I. Hintergrund der Abmahnungen

Google Fonts ist ein kostenloser Dienst des US-Anbieters Google. Dieser stellt kostenlose Schriftarten zur freien Verfügung bereit. Problematisch wird es an der Stelle, an der Google Fonts dynamisch auf Websites eingebettet werden. Durch die dynamische Einbindung des Dienstes werden Schriftarten von Servern aus den USA in den Browser der Besucher(innen) geladen. Dabei werden personenbezogene Daten wie die IP-Adresse der Besucher in die Vereinigten Staaten übermittelt. Eine Einbettung der Fonts kann auch durch andere Google Dienste, z.B. Google Maps, erfolgen.

II. Warum ist die Übermittlung problematisch?

Nach dem TLfDI müsste einer solchen Übermittlung der Daten, nach der DSGVO, mindestens eine Einwilligung der Nutzer vorangehen. Dies soll in den Sachverhalten überwiegend nicht der Fall gewesen sein. Zudem handle es sich bei der Übermittlung von Daten in die USA um einen Transfer von Daten in einen Drittstaat, der kein ausreichendes Datenschutzniveau im Sinne der DSGVO bietet. Dazu komme nicht minder die Tatsache, dass eine solche zustimmungslose und automatische Weiterleitung der IP-Adressen an Google eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Persönlichkeitsrechts darstelle. So das Landgericht München I im Endurteil vom 20. 01. 2022.

III. Was könnte ein Lösungsansatz sein?

Das TLfDI gibt Empfehlungen zur Nutzung von Google Fonts. In „Empfehlungen des TLfDI zu Google Fonts zur Vermeidung von Abmahnungen“ wird das lokale Speichern von Schriftarten und sodann die Einbindung in den eigenen Internetauftritt geraten.
Für viele Websites-Betreiber war diese Thematik bisher ein blinder Fleck im Kontext des Datenschutzrechts und dem technischen Verständnis von Google Fonts. Es ist also ratsam die eigene Website bezüglich der Einbindung von Google Fonts zu überprüfen.

Einführung des elektronischen Rezeptes in Schleswig-Holstein gestoppt

Das elektronische Rezept, welches ab dem 01. September 2022 bundesweit eingeführt werden soll, wurde in Schleswig-Holstein aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken, gestoppt. 

Was ist das elektronische Rezept? 

Das elektronische Rezept (auch „E-Rezept“) ist ein Rezept, dass ausschließlich digital erstellt und signiert wird. Es soll laut Bundesgesundheitsministerium das Gesundheitswesen digitalisieren und Abläufe vereinfachen. Auch wer als Patient eine Videosprechstunde in Anspruch nimmt, soll sich danach den Weg in die Praxis für das Rezept-Abholen sparen können. Gleichzeitig soll das E-Rezept Behandlungen auch sicherer machen. Das E-Rezept soll auch weitere Anwendungen ermöglichen, z.B. eine Medikationserinnerung und einen Medikationsplan mit eingebautem Wechselwirkungscheck. Patienten können das Rezept über eine E-Rezepte-App verwalten und digital an die gewünschte Apotheke ihrer Wahl senden. Wer die App nicht nutzen möchte, kann sich die für die Einlösung des Rezeptes erforderlichen Zugangsdaten als Papierausdruck in der Arztpraxis aushändigen lassen. Das E-Rezept enthält einen Rezeptcode und ist ohne händische Unterschrift gültig (hier können Sie so einen Ausdruck sehen). Eingelöst werden können die E-Rezepte dann in jeder Apotheke oder Online-Apotheke. E-Rezepte sollen 100 Tagen nach der Einlösung automatisch gelöscht werden (weitere Fragen zur App werden hier beantwortet). 

Warum wurde es in Schleswig-Holstein gestoppt? 

In Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe wurden in einer Testphase Pilotprojekte des E-Rezeptes in ausgewählten Praxen und Krankenhäusern betrieben. Ab dem 01. September 2022 soll die „Rollout-phase“ beginnen und nach einem regional und zeitlich gestuften Verfahren nach und nach bundesweit das E-Rezept eingeführt werden.  

Nun hat sich die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) vorerst aus der Einführung des E-Rezeptes zurückgezogen. Grund dafür ist laut einer Pressemitteilung des Datenschutzbeauftragten Schleswig-Holstein (ULD), dass die KVSH vorgeschlagen hatte, die E-Rezepte per SMS oder E-Mail an Menschen ohne E-Rezepte-App zu versenden. Dies lehnte der ULD ab und verwies darauf, dass es sich bei dem E-Rezept um sensible Gesundheitsdaten handle. Diese per E-Mail zu versenden, stelle eine Übermittlung dieser Daten dar. Das Verfahren sei dafür zu unsicher. Die KVSH sieht durch diese Untersagung eine Alltagstauglichkeit des E-Rezeptes nicht mehr gegeben.  

Die Rezepte-App selbst wurde vom ULD nicht geprüft. Ob der Rückzug der KVSH einen Einfluss auf die Einführung des E-Rezeptes haben wird, bleibt abzuwarten.  

Millionenschweres Bußgeld gegen Volkswagen festgesetzt

In einer Pressemitteilung vom 26.07.2022 teilte das Land Niedersachsen mit, dass die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen gegen die Volkswagen Aktiengesellschaft aufgrund mehrerer Datenschutzverstöße eine Geldbuße nach Art. 83 DSGVO in Höhe von 1,1 Millionen Euro festgesetzt hat.

Die Datenschutzverstöße

Grund für die Verhängung des Bußgeldes sind gleich mehrere Datenschutzverstöße im Zusammenhang mit Forschungsfahrten für ein Fahrassistenzsystem zur Vermeidung von Verkehrsunfällen. Im Jahr 2019 wurde durch die österreichische Polizei ein Erprobungsfahrzeug des Unternehmens im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten. Den Beamten waren ungewöhnliche Anbauten am Fahrzeug aufgefallen. Diese stellten sich als Kameras heraus, welche unter anderem zur Fehleranalyse das Verkehrsgeschehen um das Fahrzeug herum aufzeichneten. Auf diese Weise wurde das Fahrzeug zum Testen und Trainieren des Fahrassistenzsystems eingesetzt. Am Fahrzeug fehlte jedoch jegliche Kenntlichmachung, wie zum Beispiel Magnetschilder mit Kamerasymbol und weiteren Informationen für die anderen Verkehrsteilnehmer. Somit wurden die datenschutzrechtlich betroffenen Verkehrsteilnehmer nicht über die Aufzeichnung und damit einhergehende Datenverarbeitung informiert, wie es der Art. 13 DSGVO vorschreibt. Des weiteren wurde festgestellt, dass Volkswagen mit dem Unternehmen, das die Fahrten durchführte, keinen Auftragsverarbeitungsvertrag gem. Art. 28 DSGVO abgeschlossen hatte. Ebenso war vorab keine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO durchgeführt worden. Diese war vor Beginn der Fahrt nötig, um mögliche Risiken der Datenverarbeitung und deren Eindämmung bewerten zu können. Schließlich fehlte auch eine Erläuterung der technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen im Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten von Volkswagen, was einen Verstoß gegen die Dokumentationspflicht nach Art. 30 DSGVO darstellte.

Volkswagen kooperiert

Volkswagen hatte die Fehler eingesehen und umfassend mit der LfD Niedersachsen kooperiert. Die Mängel wurden unverzüglich abgestellt und behoben. Die vier Datenschutzverstöße weisen jeweils zwar einen eher niedrigen Schweregrad auf, mussten dennoch geahndet werden und sind somit Gegenstand eines Bußgeldbescheides geworden. Diesen hatte Volkswagen ohne Beanstandung akzeptiert und das Verfahren durch Zahlung von 1,1 Millionen Euro beendet. Die eigentlichen Forschungsfahrten hatte die LfD Niedersachsen Barbara Thiel nicht zu beanstanden – vor allem vor dem Hintergrund, dass ein Fahrassistenzsystem zur Verhinderung von Verkehrsunfällen erprobt und somit die Sicherheit im Straßenverkehr optimiert werden sollte.

Anhand dieses Falls kann man erneut feststellen, dass auch nur kleine Fehler und Verstöße gegen die DSGVO zu enormen Bußgeldern führen können. Gerade für große Unternehmen ist es daher wichtig, auf eine datenschutzkonforme Umsetzung im Betrieb zu achten.

Können hypothetische Zugriffsmöglichkeiten bereits einen Datentransfer in ein Drittland i.S.v. Art. 44 DSGVO darstellen?

17. August 2022

Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat mit einem nicht rechtskräftigen Beschluss vom 13. Juli 2022 (Az. 1 VK 23/22) für Diskussionen gesorgt. Sie ist der Auffassung, dass unzulässige Datenexporte auch dann vorliegen, wenn die entsprechende Infrastruktur durch eine europäische Tochtergesellschaft betrieben wird, welche zu einem amerikanischen Konzern gehört.

1. Sachverhalt

In einem Ausschreibungsverfahren streiten sich zwei Konkurrentinnen um einen Auftrag.  Eine Konkurrentin fordert hierin den Ausschluss der anderen aus dem Vergabeverfahren, da diese durch den Einsatz eines Rechenzentrumsbetreibers, dessen Konzernunternehmen in Drittstaaten ansässig ist, gegen die Bedingungen im Lastenheft im Kontext „Anforderungen an IT-Sicherheit und Datenschutz“ verstoße. Die Bedingungen lauten u.a. wie folgt:

“(…)

– Erfüllung der Anforderungen aus der DS-GVO und dem BDSG (…)

– Daten werden ausschließlich in einem EU-EWR Rechenzentrum verarbeitet bei dem keine Subdienstleister / Konzernunternehmen in Drittstaaten ansässig sind

(…)”

2. Vergabekammer Baden-Württemberg sieht unzulässige Übermittlung

Unter Drittländern versteht man Länder, die weder Mitglied der Europäischen Union noch des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sind, z.B. die USA, Israel und die Schweiz. Durch die Ansässigkeit des Rechenzentrumsbetreibers in den USA sieht die Vergabekammer eine unzulässige Übermittlung in die USA. So genügt nach ihrer Auffassung schon die lediglich vorhandene Möglichkeit, auf personenbezogene Daten zugreifen zu können, unabhängig davon, ob ein solcher Zugriff am Ende erfolgt oder nicht.

3. Ausblick

Die Ansicht der Vergabekammer könnte möglicherweise eine richtungsweisende Entscheidung im Kontext einer bisher noch ungeklärten Frage darstellen. Können US-Tech-Anbieter weiterhin über eine europäische Tochtergesellschaft Dienstleistungen erbringen oder könnte dies trotz der Verwendung von Standardvertragsklauseln (Standarddatenschutzklauseln) zukünftig unzulässig sein? Es bleibt demnach spannend.

OLG Köln: verspätete Auskunft begründet Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO

Mit Urteil vom 14. Juli 2022 (Az. 15 U 137/21) entschied das OLG Köln, dass die verspätete datenschutzrechtliche Auskunftserteilung einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO begründet. 

Der Sachverhalt

Hintergrund des Urteils war ein Mandatsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Anwalt. Die Klägerin hatte den Anwalt mit der rechtlichen Betreuung eines Verkehrsunfalls beauftragt. Zu diesem Zweck schlossen die Parteien einen Vertrag über die Mandatsbetreuung im September 2016.

Allerdings habe die Klägerin, ihrer Darstellung entsprechend, ihren Anwalt nur schwer erreichen können. Deswegen habe sie im Januar 2020 den Vertag mit ihrem Anwalt gekündigt. Außerdem habe sie eine vollständige Datenauskunft von ihrem Anwalt verlangt. Das Ziel der Klägerin sei es gewesen, eine Auskunft darüber zu erhalten, welche ihrer personenbezogenen Daten der Anwalt im Rahmen des Mandatsverhältnisses verarbeitet hatte. Dieser Anspruch sei erst im Oktober 2020 erfüllt worden.

Anspruch aus Art. 82 DSGVO

Das OLG stellte zunächst fest, dass der Anwalt als Verantwortlicher im Sinne der DSGVO die Frist zur Beantwortung eines Auskunftsanspruchs von einem Monat überschritten habe. Dies folge aus Art. 15 Abs. 1, 3 und Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO.

Das Gericht beschäftigte sich anschließend mit der Frage, welches Verhalten in diesem Fall den Schaden begründete. Entgegen der erstinstanzlichen Ansicht sei dafür nicht per se eine der Verordnung nicht entsprechende Verarbeitung erforderlich. Vielmehr könne der Schaden mit einem Verstoß gegen die Auskunftspflicht des Verantwortlichen begründet werden.

Das Gericht stellte fest, dass zwar auch ErwG. 146 DSGVO davon spreche, „(…) dass Schäden ersetzt werden sollen, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht.“ (OLG Köln, Urteil vom 14.Juli 2022, Az. 15 U137/21, Rn. 17).

Allerdings ergebe sich aus ErwG. 60 DSGVO, „(…) dass die Grundsätze einer fairen und transparenten Verarbeitung es erforderlich machen, dass die betroffene Person über die Existenz des Verarbeitungsvorgangs und seine Zwecke unterrichtet wird.“ (OLG Köln, Urteil vom 14.Juli 2022, Az. 15 U137/21, Rn. 17). Folglich gestehe die DSGVO der betroffenen Personen einen Auskunftsanspruch zu, um Kenntnis über den Verarbeitungsvorgang zu erlangen. Außerdem könne die betroffene Person auf diese Weise die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung überprüfen. Der Auskunftsanspruch diene daher einer transparenten Verarbeitung, sodass „die Ersatzpflicht nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf jeden Verstoß gegen Regelungen der Verordnung anzuwenden“ sei (OLG Köln, Urteil vom 14.Juli 2022, Az. 15 U137/21, Rn. 17).

Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die Klägerin einen immateriellen Schaden erlitten habe. In diesem Fall ließ das Gericht offen, ob bereits der Verstoß gegen die DSGVO den Schaden begründen könne (so: LAG Schleswig-Holstein, Az. 6 TA 49/22; wir berichteten).

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