Schlagwort: Drittlandsübermittlung

EU-US Angemessenheitsbeschluss DPF: Zertifizierung gestartet; EDSA veröffentlicht FAQs

21. Juli 2023

Die Europäische Kommission hat am 10. Juli 2023 den lang angekündigten Angemessenheitsbeschluss für die Übermittlug personenbezogener Daten in die USA auf Grundlage des neuen „EU-US Datenschutzrahmens“ (EU-US Data Privacy Framework, DPF) veröffentlicht (wir berichteten). Die Entscheidung kommt zu dem Schluss, dass die Vereinigten Staaten ein angemessenes Schutzniveau – vergleichbar mit dem der Europäischen Union – für personenbezogene Daten gewährleisten, die gemäß dem neuen Rahmen an US-Unternehmen übermittelt werden.

Datentransfer mit zertifizierten US-Unternehmen nun möglich

Das DPF-Programm, das von der International Trade Administration (ITA) innerhalb des U.S. Department of Commerce verwaltet wird, ermöglicht es, berechtigten Organisationen mit Sitz in den USA, ihre Konformität mit dem EU-US DPF und, falls zutreffend, mit der britischen und/oder der schweizerischen Erweiterung selbst zu zertifizieren. Um am DPF-Programm teilzunehmen, muss sich ein in den USA ansässiges Unternehmen über die Website des Ministeriums für das DPF-Programm zertifizieren und sich öffentlich zur Einhaltung der DPF-Prinzipien verpflichten. Die Entscheidung zur Selbstzertifizierung im Rahmen des DPF-Programms einer Organisation ist freiwillig, die tatsächliche Einhaltung ist bei einer Teilnahme jedoch obligatorisch. Sobald eine Organisation sich gegenüber der ITA selbst zertifiziert und öffentlich erklärt, dass sie sich zur Einhaltung der DPF-Grundsätze verpflichtet, ist diese Verpflichtung nach US-Recht einklagbar.

Organisationen, die derzeit noch über eine aktive Privacy Shield-Zertifizierung verfügen, können diese an die neuen Anforderungen anpassen, um auch unter dem DPF zertifiziert zu bleiben. Für diese Anpassungen wird eine Übergangsfrist von drei Monaten gewährt.

Standardvertragsklauseln, wenn keine Zertifizierung vorliegt

Praktisch bedeutet dies, dass zertifizierte Unternehmen nunmehr ohne Standardvertragsklauseln (SCC) auskommen können. Sofern die Empfänger nicht unter das DPF fallen oder keine Zertifizierung vorliegt, müssen auch weiterhin Standartvertragsklauseln abgeschlossen werden und zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um ein gleichwertiges Schutzniveau garantieren zu können. Das gleiche gilt auch für Transfer Impact Assessments (TIA). Der Beschluss ist so auszulegen, dass nur für die nach dem DPF zertifizierten Unternehmen kein TIA mehr erforderlich wäre.

Wichtig ist, dass das DPF-Programm nur für US-Organisationen zur Verfügung steht, die von der FTC oder dem DOT reguliert werden. Andere Organisationen, insbesondere Banken und einige andere Arten von Finanzinstituten, sind nicht teilnahmeberechtigt und müssen sich daher weiterhin auf SCCs (oder BCRs) für ihre konzerninternen Übermittlungen und andere Übermittlungen an ihre US-Betriebe stützen.

Soll ich weiterhin Standardvertragsklauseln zusätzlich zum DPF abschließen?

Aufgrund der Entwicklungen in dieser Thematik ist es fraglich, ob auch das DPF auf Dauer Bestand haben wird. Die grundsätzlichen Bedenken, welche bereits die Vorgängerabkommen zu Fall gebracht haben, sind nicht vollständig ausgeräumt. Auch dieses Abkommen könnte durch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Fall gebracht werden. Der Umstand, dass diese Abkommen mit sofortiger Wirkung für unzulässig erklärt wurden, hatte zur Folge, dass alle Datenübermittlungen, die auf diesen Abkommen beruhten, nicht mehr rechtmäßig waren. Insofern bleibt es auch weiterhin sinnvoll, auf Standardvertragsklauseln aufzubauen, um genau dieses Risiko abzufedern.

EDSA veröffentlicht FAQs

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDPB) hat nun ein neues Dokument (Information note on data transfers under the GDPR to the United States after the adoption of the adequacy decision on 10 July 2023) veröffentlicht, welches weitere Informationen zur Verfügung stellt. Die damit verbundenen FAQs wurden kürzlich veröffentlicht und werfen ein neues Licht auf die Thematik.

In den FAQs betont der EDPB, dass alle Sicherheitsvorkehrungen, die von der US-Regierung im Bereich der nationalen Sicherheit getroffen wurden (einschließlich des Beschwerdemechanismus), auf alle Datenübermittlungen in die USA anwendbar sind, unabhängig von dem gewählten Übermittlungsinstrument. Dies bedeutet, dass Datenexporteure bei der Bewertung des Risikos des von ihnen gewählten Übertragungsinstruments gemäß Artikel 46 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die von der Kommission durchgeführte Bewertung in der Angemessenheitsentscheidung berücksichtigen können.

Was bedeutet das konkret?

Im Rahmen des DPF wurden neue Datenschutzmechanismen eingeführt, darunter ein Gericht zur Datenschutzüberprüfung in den USA (Data Protection Review Court, kurz DPRC) sowie beschränkte Zugriffsbefugnisse für Strafverfolgung und nationale Sicherheit wie z.B. die US-Nachrichtendienste.

Bisher galten bestimmte Gesetze wie beispielsweise der Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) 702 und Executive Order (EO) 12.333 als äußerst problematisch, da sie weitreichende Zugriffsmöglichkeiten auf personenbezogene Daten ermöglichten und Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der europäischen Datenschutzstandards aufwarfen. Durch die nun erfolgte Angemessenheitsentscheidung könnten diese Gesetze weniger stark ins Gewicht fallen, da die US-Regierung Maßnahmen ergriffen hat, um die Datenübermittlungen rechtskonformer zu gestalten.

Insbesondere die Einführung eines Beschwerdemechanismus sei ein entscheidender Schritt, um den europäischen Datenschutzanforderungen gerecht zu werden. Durch diesen Mechanismus erhalten EU-Bürgerinnen und -Bürger das Recht, gegen etwaige Zugriffe auf ihre personenbezogenen Daten in den USA vorzugehen und ihre Rechte geltend zu machen.

Bedeutung für das Transfer Impact Assessment (TIA)

Sofern die Empfänger nicht unter das DPF fallen oder keine Zertifizierung vorliegt, müssen auch weiterhin TIAs abgeschlossen werden. Der Beschluss ist so auszulegen, dass nur für die nach dem DPF zertifizierten Unternehmen kein TIA mehr erforderlich wäre. Gesetze, die zuvor als problematisch eingestuft wurden (wie z.B. FISA 702 & EO 12.333) könnten nun weniger stark ins Gewicht fallen, was die TIAs vereinfachen könnte. Dies stellt einen Fortschritt dar und dürfte die Zusammenarbeit zwischen europäischen und amerikanischen Unternehmen erleichtern.

Trotz dieser positiven Entwicklung ist es weiterhin von entscheidender Bedeutung, dass Datenexporteure ihre Verantwortung ernst nehmen und stets sorgfältig prüfen, welche Übertragungsinstrumente sie wählen.

Fazit

Zumindest vorübergehend steht nun eine „einfache“ Methode zur Legitimierung der Übermittlung von Daten in die Vereinigten Staaten zur Verfügung. Ob diese Lösung auf Dauer tragfähig ist, ist allerdings fraglich. Dieses Risiko sollte man, insbesondere bei laufenden Projekten zum Abschluss von Standardvertragsklauseln, im Hinterkopf behalten und abwägen, ob eine solche Maßnahme weiterhin (auch bei zertifizierten Unternehmen) sinnvoll ist.

Als Ihr Partner im Datenschutz möchten wir Ihnen die Unterstützung der KINAST GRUPPE anbieten. Unsere Experten können Ihre derzeitige Zertifizierung überprüfen und bewerten, ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um den Anforderungen des neuen Datenschutzrahmens gerecht zu werden. Auch im Falle einer neuen Zertifizierung unterstützen wir Sie gerne. Wir sind bestens mit den aktuellen Datenschutzbestimmungen vertraut und können Ihnen helfen, den Übergang zum Data Privacy Framework reibungslos zu gestalten.

Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, wenn Sie Interesse an unserer Unterstützung bei der Zertifizierung haben oder weitere Informationen benötigen.

Weitere Datenschutzbehörden raten von Web-Fonts ab

10. November 2022

Wieder einmal äußern sich kritische Stimmen im Kontext der Nutzung von Google Fonts. Bereits in unserem letzten Beitrag wurde die Problematik unfreiwilliger Übermittlungen personenbezogener Daten in ein Drittland, durch die Nutzung der von Google eingebetteten Fonts behandelt.  

Kritik aus Hessen und Sachsen

Dieses Mal melden sich die hessische und sächsische Datenschutzaufsichtsbehörde zu Wort. Grund für das Aktivwerden der Behörden waren die aktuell stark zunehmenden Beratungsanfragen zu Abmahnungen aufgrund des Einsatzes der Google Schriftarten.

Forderungen von Schadensersatz

Dem Urteil des Landgerichts München vom 20. Januar 2022 nach könnte eine Nutzung der Google Web-Fonts auf eigenen Homepages wohl einen Verstoß gegen die DSGVO darstellen. So würden in den Fällen einer Nutzung dynamischer Fonts stets personenbezogene Daten von Webseitenbesucher*innen wie IP-Adressen an amerikanische Server weitergeleitet. Abgesehen eines unter strengen Regeln stehenden Transfer von Daten in einen Drittstaat, der kein ausreichendes Datenschutzniveau im Sinne der DSGVO bietet, werden zudem in seltensten Fällen Einwilligungen i. S. d. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO eingeholt. So ist das Urteil der Auslöser einer Abmahnwelle gegen Website-Betreiber, welche mit empfindlich hohen Geldforderungen konfrontiert werden.

Fazit

Betreiber von Webseiten sollten allgemein auf einen dynamischen Einsatz von Schriftarten verzichten und auf ein lokales Speichern umstellen, so die hessische und sächsische Behörde.  

OLG Karlsruhe: US-Cloud-Anbieter dürfen bei öffentlichen Vergaben berücksichtigt werden

16. September 2022

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) befasste sich zuletzt mit einer Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg. Nach dieser Grundsatzentscheidung (Beschluss vom 07. September 2022, Az. 15 Verg 8/22) dürfen Behörden bei öffentlichen Vergabeverfahren auf die Zusicherungen von IT-Anbietern zur Datenschutz-Konformität ihres Angebots vertrauen. Die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg (vom 13.07.2022, Az. 1 VK 23/22) wird aufgehoben.

Sachverhalt

Zwei Krankenhausgesellschaften schrieben europaweit die Beschaffung einer Software für ein digitales Entlassungsmanagement aus. Als Ausschlusskriterium war ursprünglich u.a. die softwaretechnische Einhaltung eines DSGVO-Vertragsentwurfs vorausgesetzt. Dass die Daten ausschließlich in einem Rechenzentrum innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verarbeitet werden, bei dem keine Subdienstleister oder Konzernunternehmen in Drittstaaten ansässig sind, war als nur für die Wertung relevantes B-Kriterium ausgestaltet.

Nach der Erteilung des Zuschlags stellte eine Konkurrentin, die sich ebenfalls um den Auftrag bewarb, einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer Baden-Württemberg. Diese verfügte den Ausschluss der ausgewählten Anbieterin aus dem Vergabeverfahren. Dabei wurde angeführt, dass die Anbieterin von der Angebotswertung auszuschließen sei, weil sie Änderung an den Vergabeunterlagen vorgenommen habe. Das Angebot verstoße somit gegen zwingende gesetzliche Vorgaben der DSGVO. Man verarbeite personenbezogene Daten auf Servern, auf die Drittstaaten Zugriff hätten. Das luxemburgische Tochterunternehmen eines US-amerikanischen Konzerns fungiere als Unterauftragnehmerin. Innerhalb des geschlossenen Auftragsverarbeitungsvertrags sei ein Vorbehalt vorgesehen, der es der US-Tochter erlaube, die im Auftrag des Kunden verarbeiteten personenbezogenen Daten auch ohne bzw. entgegen einer Weisung des Kunden offenzulegen und in ein Drittland zu übermitteln, wenn dies notwendig sei, um Gesetze oder verbindlichen Anordnungen einer staatlichen Behörde einzuhalten.

Die Antragsgegnerin konterte, jede zu weitgehende oder unangemessene Anfrage einer staatlichen Stelle einschließlich solcher Anfragen, die im Widerspruch zum Recht der Europäischen Union oder zum geltenden Recht der Mitgliedstaaten stehen, anzufechten. Dies wurde auch vertraglich festgehalten. Es liege schon kein Verstoß gegen Art. 44 ff. DSVGO vor, weil eine theoretische Zugriffsmöglichkeit des Drittstaates keine Übermittlung personenbezogener Daten darstelle. Darüber hinaus verwende man Standardvertragsklauseln und setze durch weitere Vereinbarungen mit der US-Tochter die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach der Schrems II-Rechtsprechung geforderten ergänzenden Regelungen um, so die Antragsgegnerin.

OLG widerspricht Vergabekammer

Gemäß Art. 44 S. 1 DSGVO ist jedwede Übermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland außerhalb des EWRs nur zulässig, wenn einer der besonderen Erlaubnisgründe der Art. 44 ff. DSGVO vorliegt. Es stellte sich somit die Frage, ob eine Übermittlung in ein Drittland im Sinne der DSGVO vorlag.

Die Vergabekammer folgte dabei der herrschenden Meinung, dass eine berücksichtigungsfähige Offenlegung auch schon dann anzunehmen sei, wenn nur die abstrakte Möglichkeit bestehe, dass von einem Drittland aus zugegriffen werden kann.

Dieser Augmentation folgt das OLG Karlsruhe nicht. Die Antragsgegnerinnen müssten nicht davon ausgehen, dass es aufgrund der Konzernbindung zu rechts- und vertragswidrigen Weisungen an das Tochterunternehmen kommen würde bzw. das europäische Tochterunternehmen Anweisungen der US-amerikanischen Muttergesellschaft automatisch Folge leisten würde, so der Senat.

Vertragliche Regelungen waren ausschlaggebend

Somit bleibt aber auch weiterhin ungeklärt, ob der Einsatz von US-Anbietern oder deren Tochtergesellschaften generell zulässig ist. Allerdings spricht das OLG in der Entscheidung den vertraglichen Regelungen einen hohen Stellenwert zu. Dies kann bei der Auslegung zukünftiger Sachverhalte und Vergabeverfahren eine Hilfestellung bieten. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass es immer auf den konkreten Einzelfall ankommt. Die strenge Rechtsprechung des übergeordneten EuGHs sowie die daraus resultierenden Vorgaben der Kommission sollten immer eingehalten werden.

Warum Google Fonts eine datenschutzrechtliche Abmahnwelle verursacht?

23. August 2022

Am 18. August 2022 informierte der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI), Dr. Lutz Hasse, in einer Pressemitteilung über eine drohende Abmahnwelle. Tausende von Websites-Betreiber seien nach dem TLfDI bereits von Abmahnungen betroffen.

I. Hintergrund der Abmahnungen

Google Fonts ist ein kostenloser Dienst des US-Anbieters Google. Dieser stellt kostenlose Schriftarten zur freien Verfügung bereit. Problematisch wird es an der Stelle, an der Google Fonts dynamisch auf Websites eingebettet werden. Durch die dynamische Einbindung des Dienstes werden Schriftarten von Servern aus den USA in den Browser der Besucher(innen) geladen. Dabei werden personenbezogene Daten wie die IP-Adresse der Besucher in die Vereinigten Staaten übermittelt. Eine Einbettung der Fonts kann auch durch andere Google Dienste, z.B. Google Maps, erfolgen.

II. Warum ist die Übermittlung problematisch?

Nach dem TLfDI müsste einer solchen Übermittlung der Daten, nach der DSGVO, mindestens eine Einwilligung der Nutzer vorangehen. Dies soll in den Sachverhalten überwiegend nicht der Fall gewesen sein. Zudem handle es sich bei der Übermittlung von Daten in die USA um einen Transfer von Daten in einen Drittstaat, der kein ausreichendes Datenschutzniveau im Sinne der DSGVO bietet. Dazu komme nicht minder die Tatsache, dass eine solche zustimmungslose und automatische Weiterleitung der IP-Adressen an Google eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Persönlichkeitsrechts darstelle. So das Landgericht München I im Endurteil vom 20. 01. 2022.

III. Was könnte ein Lösungsansatz sein?

Das TLfDI gibt Empfehlungen zur Nutzung von Google Fonts. In „Empfehlungen des TLfDI zu Google Fonts zur Vermeidung von Abmahnungen“ wird das lokale Speichern von Schriftarten und sodann die Einbindung in den eigenen Internetauftritt geraten.
Für viele Websites-Betreiber war diese Thematik bisher ein blinder Fleck im Kontext des Datenschutzrechts und dem technischen Verständnis von Google Fonts. Es ist also ratsam die eigene Website bezüglich der Einbindung von Google Fonts zu überprüfen.

Können hypothetische Zugriffsmöglichkeiten bereits einen Datentransfer in ein Drittland i.S.v. Art. 44 DSGVO darstellen?

17. August 2022

Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat mit einem nicht rechtskräftigen Beschluss vom 13. Juli 2022 (Az. 1 VK 23/22) für Diskussionen gesorgt. Sie ist der Auffassung, dass unzulässige Datenexporte auch dann vorliegen, wenn die entsprechende Infrastruktur durch eine europäische Tochtergesellschaft betrieben wird, welche zu einem amerikanischen Konzern gehört.

1. Sachverhalt

In einem Ausschreibungsverfahren streiten sich zwei Konkurrentinnen um einen Auftrag.  Eine Konkurrentin fordert hierin den Ausschluss der anderen aus dem Vergabeverfahren, da diese durch den Einsatz eines Rechenzentrumsbetreibers, dessen Konzernunternehmen in Drittstaaten ansässig ist, gegen die Bedingungen im Lastenheft im Kontext „Anforderungen an IT-Sicherheit und Datenschutz“ verstoße. Die Bedingungen lauten u.a. wie folgt:

“(…)

– Erfüllung der Anforderungen aus der DS-GVO und dem BDSG (…)

– Daten werden ausschließlich in einem EU-EWR Rechenzentrum verarbeitet bei dem keine Subdienstleister / Konzernunternehmen in Drittstaaten ansässig sind

(…)”

2. Vergabekammer Baden-Württemberg sieht unzulässige Übermittlung

Unter Drittländern versteht man Länder, die weder Mitglied der Europäischen Union noch des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sind, z.B. die USA, Israel und die Schweiz. Durch die Ansässigkeit des Rechenzentrumsbetreibers in den USA sieht die Vergabekammer eine unzulässige Übermittlung in die USA. So genügt nach ihrer Auffassung schon die lediglich vorhandene Möglichkeit, auf personenbezogene Daten zugreifen zu können, unabhängig davon, ob ein solcher Zugriff am Ende erfolgt oder nicht.

3. Ausblick

Die Ansicht der Vergabekammer könnte möglicherweise eine richtungsweisende Entscheidung im Kontext einer bisher noch ungeklärten Frage darstellen. Können US-Tech-Anbieter weiterhin über eine europäische Tochtergesellschaft Dienstleistungen erbringen oder könnte dies trotz der Verwendung von Standardvertragsklauseln (Standarddatenschutzklauseln) zukünftig unzulässig sein? Es bleibt demnach spannend.

EU-Kommission veröffentlicht Frage-Antwort-Katalog zu Standardvertragsklauseln

10. Juni 2022

Am 04. Juni letzten Jahres hat die EU-Kommission neue Standardvertragsklauseln für Drittlands-Übermittlungen und zur Auftragsverarbeitung beschlossen. Durch die Neuerungen sollte das Datenschutzniveau des Schrems-II-Urteils und der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sichergestellt werden.

Nun, knapp ein Jahr später, hat die EU-Kommission einen Frage-Antwort-Katalog zu diesen Standardvertragsklauseln veröffentlicht. Dieser wurde auf Basis von Rückmeldungen erstellt und soll die praktische Anwendung der Klauseln erleichtern.

Der Katalog enthält insgesamt 44 Fragen und Antworten zu verschiedenen Unterkategorien, wie z.B. Betroffenenrechte und Änderungen der involvierten Parteien. Der Katalog beantwortet dabei auch grundsätzliche Fragen wie: “Welche Vorteile haben die Standardvertragsklauseln?” und “Kann der Text der Standardvertragsklauseln geändert werden?”. Für einige Fragen werden auch Beispiele angeführt, sodass Sachverhalte anschaulicher werden. Insgesamt ist der Katalog nicht nur für Datenschutzexperten, sondern auch für interessierte Laien gedacht.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Katalog nur auf Englisch einsehbar. Der Katalog soll dynamisch bleiben und stets um Fragen und Antworten ergänzt werden.

Angemessenheitsbeschlüsse nach Art. 45 DSGVO

9. März 2022


Die Europäische Kommission kann sogenannte Angemessenheitsbeschlüsse fassen. Aus dem Angemessenheitsbeschluss der Kommission hat sich gemäß Art. 45 Abs. 3 S. 1 DSGVO ergeben, dass ein Drittland, das nicht an die DSGVO gebunden ist, ein angemessenes Schutzniveau aufweist und dies förmlich von der Kommission festgestellt wird. Die diesbezüglichen Erkenntnisse und Begründungen der Kommission, die ihre Feststellung untermauern, finden sich in den Erwägungsgründen des Beschlusses wieder. Wird ein entsprechender Angemessenheitsbeschluss für ein Drittland von der Europäischen Kommission unter der Prämisse gefasst, dass dieses Drittland auch sonstige Bestimmungen der DSGVO einhält, so dürfen personenbezogene Daten ohne weitere Genehmigung an das jeweilige Land übermittelt werden. Datentransfers auf der Grundlage eines Angemessenheitsbeschlusses genießen das Privileg, dass sie Datentransfers innerhalb der EU gleichgestellt werden. Ende letzten Jahres hatte die Europäische Kommission am 17. Dezember 2021 einen Angemessenheitsbeschluss für die Übermittlung personenbezogener Daten aus der EU nach Südkorea im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung angenommen.

Zur Zeit existieren für insgesamt 14 Staaten Angemessenheitsbeschlüsse:

  • Andorra
  • Argentinien
  • Kanada
  • Färöer-Inseln
  • Guernsey
  • Israel
  • Isle of Man
  • Japan  
  • Jersey
  • Neuseeland
  • Republik Korea (Südkorea)
  • Schweiz
  • Uruguay
  • Vereinigtes Königreich  

Die Angemessenheitsbeschlüsse von Andorra, Argentinien, Kanada, Färöer-Inseln, Guernsey, Israel, Isle of Man, Jersey, Nueseeland, Schweiz und Uruguay hat die Europäische Kommission noch auf Grundlage von Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46/EG („EU-Datenschutzrichtlinie“) erlassen. Sie gelten auch nach Inkrafttreten der DSGVO zum 25.05.2018 fort, solange die Europäische Kommission nicht gemäß Art. 45 Abs. 9 DSGVO ihre Änderung, Ersetzung oder Aufhebung beschließt. Von dieser Möglichkeit hat die Europäische Kommission bislang jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Zu beachten ist außerdem, dass sich die jeweiligen Angemessenheitsbeschlüsse in ihrer inhaltlichen Reichweite von Land zu Land unterscheiden können.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck der Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, lässt sich generell nicht auf einen Angemessenheitsbeschluss stützen. Hierfür ist auf folgende Richtlinie (EU) 2016/680 hinzuweisen (Richtlinie Justiz/Inneres, sog. JI-Richtlinie).

Ferner sollte bei dem Transfer von Daten, auf der Grundlage einer Adäquanzentscheidung der Europäischen Kommission, dringend geprüft werden, ob der konkret geplante Transfer auch von der Tragweite des Angemessenheitsbeschlusses umfasst ist. Fällt diese Prüfung positiv aus, können Daten ohne weitere Vorkehrungen zur Absicherung eines angemessenen Datenschutzniveaus im Empfängerland übertragen werden.

Wichtig ist indes zu beachten, dass Verantwortliche und Auftragsverarbeiter trotz eines vorhandenen Angemessenheitsbeschlusses in einem Drittland selbstverständlich nicht von der Verpflichtung entbunden sind, weitere sonstige Voraussetzungen an eine rechtmäßige Datenverarbeitung, die sich aus den geltenden Datenschutzgesetzen ergeben (wie bspw. das Erfordernis, einen Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung abzuschließen), zu erfüllen!

Europäischer Datenschutzbeauftragter leitet nach dem “Schrems II-Urteil” Untersuchungen bei EU-Institutionen ein

27. Mai 2021

Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) hat in einer Pressemitteilung erklärt, dass er zwei Untersuchungen im Hinblick auf das im vergangenen Jahr erlassene Schrems-II-Urteil eingeleitet hat. Eine zur Nutzung von Cloud-Diensten, die von Amazon Web Services (AWS) und Microsoft bereitgestellt und im Rahmen von sog. Cloud II-Verträgen von Institutionen, Einrichtungen und Agenturen der Europäischen Union genutzt werden, und eine zur Nutzung von Microsoft 365 durch die Europäische Kommission.

Hintergrund der Untersuchung ist, dass der EDSB im Oktober vegangenen Jahres die EU-Instiutionen dazu aufforderte, über ihre Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer Bericht zu erstatten. Das Ergebnis der Umfrage machte deutlich, dass auch EU-Institutionen die Tools und Dienste von internationalen Dienstleistern nutzen und damit personenbezogene Daten außerhalb der EU und insbesondere in die USA übertragen werden.

Der EDSB, Wojciech Wiewiórowski, sagte: “Nach dem Ergebnis der Berichterstattung durch die EU-Institutionen und -Einrichtungen haben wir bestimmte Arten von Verträgen ermittelt, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, und aus diesem Grund haben wir beschlossen, diese beiden Untersuchungen einzuleiten. Mir ist bekannt, dass die „Cloud II-Verträge“ Anfang 2020 vor dem Urteil „Schrems II“ unterzeichnet wurden und dass sowohl Amazon als auch Microsoft neue Maßnahmen angekündigt haben, um sich dem Urteil anzupassen. Dennoch reichen diese angekündigten Maßnahmen möglicherweise nicht aus, um die vollständige Einhaltung des EU-Datenschutzrechts und damit die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Untersuchung sicherzustellen.“

Nun will der EDSB sicherstellen, dass auch von EU-Institutionen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eingehalten wird und EU-Institutionen in Bezug auf Privatssphäre und Datenschutz mit gutem Beispiel vorangehen.

Ziel der Untersuchungen ist es, die Einhaltung des Urteils bei den EU-Institutionen zu bewerten und die Empfehlungen bei der Nutzung von Produkten von US-Anbietern umzusetzen.

Die Tatsache, dass auch der EDSB Untersuchungen aufgenommen hat, zeigt einmal mehr, dass der Datentransfer in Drittländer und Sofortmaßnahmen dagegen dringend erforderlich sind. Gleichzeitig dürfte das Ergebnis dieser Untersuchungen auch wegweisend für einen weiteren Umgang mit den genannten Dienstleistern sein.

Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht: Nutzung von Mailchimp in einem Fall unzulässig

7. April 2021

Für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer sind durch Entscheidung des EuGH bereits Voraussetzungen für Unternehmen entwickelt worden. Diese sollten insbesondere in Anbetracht der aktuellen Arbeit der Datenschutzbehörden von den Unternehmen regelmäßig überprüft werden.

In dem konkreten Fall geht es um Mailchimp, einem US-Newsletter Dienstleister. Ein Newsletter Empfänger war an die bayerische Datenschutzbehörde herangetreten. Die Datenschützer entschieden, dass die Nutzung des Newsletter Dienstes nicht zulässig sei.

Mailchimp nutzt für die Übermittlung der personenbezogenen Daten in Drittländer die EU-Standardvertragsklauseln nach Artikel 46 der DSGVO. Zusätzlich muss jedoch eine Prüfung vorgenommen werden, die das Datenschutzniveau ermittelt, um die Notwendigkeit “zusätzlicher Maßnahmen” festzustellen.

Weil die Prüfung nicht geschah, entschied das Bayerische Landesamt für Datenaufsicht, dass Mailchimp von dem Unternehmen nicht weiter genutzt werden darf. Die Entscheidung der Datenschutzbehörde zeigt die Notwendigkeit der Einhaltung der Vorgaben bei der Übermittlung von Daten in Drittländer. Damit wird bei der Datenübertragung in die USA die Datenschutzkonformität in den Vordergrund gestellt.

Es liegt im Verantwortungsbereich des Unternehmens die Maßnahmen, die der Anbieter im Drittland trifft, datenschutzrechtlich zu prüfen, um die personenbezogenen Daten zu schützen. Daraus folgend kann das Unternehmen alternative Anbieter ermitteln oder den Aufwand für eine Umstellung festhalten.

Droht zum Jahreswechsel der Datenschutz-Brexit?

22. Oktober 2020

Die Regierung des Vereinigten Königreichs gerät zunehmend unter Druck, eine Regelung über den Datentransfer mit der EU zu erreichen. Gelingt dies nicht, droht das UK zum 31. Dezember dieses Jahres zum unsicheren Drittland zu werden. Verantwortliche und Auftragsverarbeiter, die Daten in das UK übermitteln, müssten dann selbst sicherstellen, dass das Schutzniveau der DSGVO für natürliche Personen nicht untergraben wird.

Am 31. Januar 2020 trat das Vereinigte Königreich aus der EU aus. Das Austrittsabkommen sieht eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 vor, nach der das UK alle EU-Regeln einhält und damit auch die Vorgaben der DSGVO. Nach Ablauf der Übergangsphase wird das UK nach der DSGVO zum EU-Drittland. Datenübermittlungen in Drittländer sind nach den Art. 44 ff. DSGVO nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zulässig. Für die Zulässigkeit kommt es darauf an, ob in dem Drittland ein angemessenes Schutzniveau sichergestellt werden kann.

Die EU-Kommission kann in sogenannten Angemessenheitsbeschlüssen feststellen, dass in einem Drittland ein angemessenes Schutzniveau besteht. Datenexporteure und Datenimporteure können sich bei Datenübermittlungen in das betreffende Land dann auf diesen Angemessenheitsbeschluss berufen. Aktuell führt die EU-Kommission eine Bewertung der Datenschutzrechtslandschaft des Vereinigten Königreichs durch und evaluiert, ob sie einen solchen Angemessenheitsbeschluss erlassen kann. Seit März werden dafür Gespräche geführt und Dokumente vorgelegt.

Am 13.10.2020 veröffentlichte das britische Oberhaus einen Bericht über die zukünftigen Beziehungen des Vereinigten Königreichs zur EU. Dem Bericht zu Folge sieht das Oberhaus die Gefahr, dass die EU-Kommission keinen Angemessenheitsbeschluss für das UK erlassen wird. Deswegen fordert es, dass die britische Regierung auf einen baldigen Abschuss der Bewertung der EU-Kommission drängt.

Grund zur Sorge besteht durchaus. Denn so äußerte Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz, Zweifel, ob das Vereinigte Königreich Änderungen in seiner nationalen Gesetzgebung durchführen wird, die von der Linie der DSGVO abweichen.

Auch bereits existierenden Gesetze des UK könnten dem Angemessenheitsbeschluss entgegenstehen. Der EuGH entschied erst am 6. Oktober 2020 (auch) über Überwachungsgesetze des UK. Laut dem EuGH sind die in den Gesetzen vorgeschriebenen flächendeckenden und pauschalen Speicherungen von Internet- und Verbindungsdaten nicht zulässig. Ausnahmen seien nur möglich, wenn es um die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder den konkreten Fall einer Bedrohung der nationalen Sicherheit gehe.

Kommt es nicht zum Erlass eines Angemessenheitsbeschlusses, müssen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter, die Daten in dieses Drittland übermitteln wollen, selbst geeignete Garantien zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus vorsehen, damit Datenübermittlungen in das Drittland zulässig sind. Als geeignete Garantien kommen Binding Corporate Rules, die Verwendung von Standardvertragsklauseln der EU-Kommission (SCC), genehmigte Verhaltensregeln und genehmigte Zertifizierungsmechanismen und einzeln ausgehandelte Vertragsklauseln in Betracht.

In Bezug auf Standardvertragsklauseln bei Datentransfers in die USA hat der EuGH festgestellt, dass diese wegen der Überwachungsgesetze in den USA ohne weitere Maßnahmen nicht ausreichen, ein angemessenes Datenschutzniveau sicherzustellen. Eine ähnliche Situation könnte sich schlimmmstenfalls zum Jahreswechsel auch bei dem Vereinigten Königreich einstellen.

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