Schlagwort: Europäischer Gerichtshof

EuGH: Zivil- und verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe können nebeneinander und unabhängig voneinander eingelegt werden

17. Januar 2023

Mit Urteil vom 12. Januar 2023 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgesehenen verwaltungs- und zivilrechtlichen Rechtsbehelfe nebeneinander und unabhängig voneinander eingelegt werden können (C-132/21).

Hintergrund

Grundlage der Entscheidung war die Vorlage des Hauptstädtischen Stuhlgerichts Budapests. Die betroffene Person „BE“ hatte zum einen gegen eine Entscheidung der Datenschutzaufsichtsbehörde vor dem vorlegenden Gericht geklagt, welches der Verwaltungsgerichtsbarkeit angehört. Zum anderen hatte er vor dem Zivilgericht Klage gegen den datenschutzrechtlichen Verantwortlichen erhoben, über dessen Verarbeitung er sich bei der Aufsichtsbehörde beschwert hatte.

Beide Rechtswege sind in der DSGVO vorgesehen. Gegen den Verantwortlichen können betroffene Personen nach Art. 79 DSGVO vorgehen. Gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörde gewährt ihnen Art. 78 DSGVO den Rechtsweg.

Das vorlegende Gericht störte sich daran, dass es „denselben Sachverhalt und dieselbe Behauptung eines Verstoßes gegen die Verordnung 2016/679 prüfen müsse, über die das Fővárosi Ítélőtábla (Hauptstädtisches Tafelgericht, Ungarn) bereits rechtskräftig entschieden habe.“ Daher wollte es wissen, „in welchem Verhältnis die von einem Zivilgericht vorgenommene Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des Verantwortlichen für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu dem Verwaltungsverfahren steht“. Es sei nämlich möglich, dass widersprüchliche Entscheidungen erlassen würden.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH betonte, dass die von der DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfe gleichwertig nebeneinander stehen. Die DSGVO sehe weder „weder eine vorrangige oder ausschließliche Zuständigkeit vor[sieht] noch einen Vorrang der Beurteilung der genannten Behörde oder des genannten Gerichts zum Vorliegen einer Verletzung der durch diese Verordnung verliehenen Rechte.“ Aus diesem Grund könnten die Rechtsbehelfe „nebeneinander und unabhängig voneinander eingelegt werden.“

Es obliege „den Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie die Modalitäten des Zusammenspiels dieser Rechtsbehelfe zu regeln“. Dabei sei die effektive Umsetzung der DSGVO zu berücksichtigen, um die Rechte betroffener Personen effektiv zu schützen und die DSGVO einheitlich anzuwenden.

Recht auf Vergessenwerden: Löschpflicht ja, Nachforschungspflicht nein

13. Dezember 2022

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 8 Dezember 2022, dass Suchmaschinenbetreiber nachweislich unrichtige Informationen auslisten müssen.

Der Sachverhalt

Hintergrund der Entscheidung war die Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH) im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens.

Der Geschäftsführer mehrerer Finanzdienstleistungsunternehmen und die Prokuristin eines dieser Unternehmen hatten gegen Google geklagt. Der Suchmaschinenbetreiber hatte sich geweigert, kritische Artikel auf der Seite eines New Yorker Unternehmens aus seinen Suchergebnissen und Vorschaubildern auszulisten. Dieses Unternehmen stand laut verschiedener Veröffentlichungen unter dem Verdacht, Unternehmen mit negativen Berichten zu erpressen, die es nur gegen Geldzahlung löschte.

Zudem hatte Google Fotos als Vorschaubilder (sogenannte Thumbnails) in der Suchergebnisliste angezeigt, ohne den ursprünglichen Kontext der Veröffentlichung zu benennen. Diese Fotos zeigten die Kläger mit Luxusfahrzeugen, im Innenraum eines Hubschraubers und vor einem Flugzeug.

Datenschutz vs. Informationsrecht

Der EuGH betonte, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten stets unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips mit anderen Grundrechten abgewogen werden müsse. So stünde es insbesondere im Spannungsverhältnis mit dem berechtigten Interesse der Internetnutzer am Zugang zu Informationen. Ausdruck finde dieses Spannungsverhältnis auch in Art. 17 Abs. 3 DSGVO, der das Recht auf Löschung ausschließe, wenn die Verarbeitung erforderlich zur Ausübung des Rechts auf freie Information sei. Privatsphäre und Datenschutz seien besonders schützenswert und könnten durch Suchmaschinen erheblich beeinträchtigt werden. Daher überwögen diese Rechte im Allgemeinen gegenüber Informations- und Meinungsäußerungsrechten. Doch gerade eine Person des öffentlichen Lebens müsse „ein höheres Maß an Toleranz aufbringen, da sie zwangsläufig und bewusst im Blick der Öffentlichkeit steht“.

Allerdings zog der EuGH eine klare Grenze bei unwahren Tatsachenbehauptungen. Diese seien keineswegs geschützt und in diesem Falle trete das Recht auf freie Information hinter dem Datenschutzrecht zurück. Voraussetzung sei, dass „zumindest ein für den gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil der Information, um die es in dem Auslistungsantrag geht, unrichtig“ sei.

Beweislast liegt bei betroffener Person – Keine Nachforschungspflicht der Suchmaschinenbetreiber

Um eine Auslistung zu erreichen, sei es laut EuGH erforderlich, dass die betroffene Person die Unrichtigkeit eines aufgelisteten Inhalts beweise. Sie dürfe jedoch nicht übermäßig belastet werden. Darum habe sie „lediglich die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen.“ Insbesondere könne der Suchmaschinenbetreiber nicht von ihr erwarten, eine gerichtliche Entscheidung als Beweis vorzulegen. Sollte sie jedoch eine solche vorlegen können, genüge dies den Nachweispflichten. Im Gegenzug müsse sich bei Nichtvorliegen einer gerichtlichen Entscheidung die Unrichtigkeit aus den gewählten Nachweisen offensichtlich ergeben. Sofern dem Suchmaschinenbetreiber ein Verfahren bekannt ist, das die Richtigkeit der Information anzweifelt, müsse dieser Internetnutzer in den Suchergebnissen darüber informieren.

Entgegen der Ansicht des Generalanwalts lehnte der EuGH eine aktive Nachforschungspflicht des Suchmaschinenbetreibers ab. Eine solche Verpflichtung bringe die Gefahr mit sich, „dass Inhalte, die einem schutzwürdigen und überwiegenden Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit dienen, ausgelistet würden und es somit schwierig würde, sie im Internet zu finden. Insoweit bestünde die reale Gefahr einer abschreckenden Wirkung für die Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, wenn der Betreiber der Suchmaschine eine solche Auslistung nahezu systematisch vornähme, um zu vermeiden, dass er die Last der Ermittlung der Tatsachen zu tragen hat, die für die Feststellung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des aufgelisteten Inhalts relevant sind.“

Fotos auf Thumbnails als besonders starker Eingriff in die Rechte der betroffenen Person

Zudem wies der EuGH darauf hin, dass die Thumbnails der Bildersuche einen schwerer wiegenden Grundrechtseingriff darstellen können als die Veröffentlichung durch den Herausgeber der Internetseite selbst. Dies gelte insbesondere bei der Anzeige von Fotos bei der namensbezogenen Suche. Das Bild einer Person sei „nämlich eines der Hauptmerkmale seiner Persönlichkeit, da es seine Einmaligkeit zum Ausdruck bringt und es erlaubt, ihn von anderen Personen zu unterscheiden.“ Daher müssten Personen Kontrolle über Bilder von sich haben. Dazu gehöre die Möglichkeit, die Verbreitung zu untersagen. Im Falle eines Auslistungsantrags müsse der Suchmaschinenbetreiber beachten, ob der Kontext, in dem die Suchmaschine das Bild anzeige, mit dem Kontext der ursprünglichen Veröffentlichung übereinstimme. Auch hier sei eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich. Man müsse unabhängig vom Text prüfen, „ob die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben“.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung des EuGH bekräftigt erneut das Recht auf Vergessenwerden. Er präzisiert sein Urteil von 2014, in dem er dieses Recht ausformuliert hatte, und konkretisiert die Pflichten sowohl des Suchmaschinenbetreibers als auch der betroffenen Person. In der Praxis wird sich zeigen, inwieweit Suchmaschinenbetreiber wie Google die Nachweispflicht der betroffenen Person auslegen werden, wenn diese keine gerichtliche Entscheidung vorlegen kann.

 

EuGH: deutsche Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht

21. September 2022

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) enschied am 20.09.2022 wie bereits erwartet, dass die deutsche Vorratsdatenspeicherung nicht mit EU-Recht vereinbar sei (Rs. C-793/19, C-794/19). Der EuGH bestätigt mit diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung und folgt den Anträgen des Generalanwaltes.

Konkret bestätigte das Gericht, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nicht mit dem europäischen Recht vereinbar sei. Der EuGH führt dazu aus, dass die Vorratsdaten “in Anbetracht ihrer Menge und Vielfalt es in ihrer Gesamtheit ermöglichen, sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Person bzw. der Personen zu ziehen, deren Daten gespeichert wurden, und insbesondere die Erstellung eines Profils der betroffenen Person bzw. der betroffenen Personen ermöglichen, das im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privatlebens eine ebenso sensible Information darstellt wie der Inhalt der Kommunikationen selbst.” (Rn. 87). Gleichzeitig räumt der EuGH aber ein, dass eine Speicherung von Vorratsdaten unter ganz bestimmten Voraussetzungen mit dem EU-Recht vereinbar sei. Gründe hierfür könnten der Schutz der nationalen Sicherheit, die Bekämpfung von Kriminalität und der Schutz der öffentlichen Sicherheit eines Mitgliedsstaates sein. Insbesondere die Verhältnismäßigkeit müsste dann aber bedacht werden.

Die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung befinden sich in § 113a Abs. 1 in Verbindung mit § 113b des TKG (Telekommunikationsgesetz). Hiergegen klagten Spacenet und die Telekom zunächst vor dem VG Köln. Schließlich landete das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, welches dem EuGH das Verfahren dann vorlegte und nach der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit EU-Recht fragte. Die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ist seit dem Urteil des VG Köln im Jahr 2017 ausgesetzt gewesen.

Die Bundesregierung hatte bereits vor der Urteilverkündung angekündigt, die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung reformieren zu wollen. Was Einzelheiten angeht ist man sich aber bisher nicht einig.

EuGH verhandelt zur deutschen Vorratsdatenspeicherung

15. September 2021

Am 13.09.2021 begann vor der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) die mündliche Verhandlung zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Ausgangspunkt dafür war ein Rechtsstreit zwischen der Bundesnetzagentur und der Telekom sowie dem Internetanbieter SpaceNet. Telekom und SpaceNet wehren sich gegen die § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Telekommunikationsgesetz (TKG), die die Vorratsdatenspeicherung regeln. Nach diesen Vorschriften sollen bestimmte Daten über Kunden aufbewahrt werden, falls Polizei- und Strafverfolgungsbehörden darauf Zugriff benötigen. Bei diesen Daten handelt es sich nicht um Gesprächsinhalte, sondern um IP-Adressen, Verbindungs- und Standortdaten. Der Rechtsstreit ist momentan beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) anhängig. Das BVerwG stellte sich die Frage, ob eine solche Regelung mit Unionsrecht vereinbar sein kann und legte die Regelung dem EuGH zur Kontrolle vor. Die Pflicht zur Speicherung ist in Deutschland seit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster im Jahr 2017 durch die Bundesnetzagentur ausgesetzt, sodass eine Vorratsdatenspeicherung im Sinne dieser Normen momentan nicht stattfindet.

Die Vorratsdatenspeicherung ist in Europa schon seit Jahren ein umstrittenes Thema. Erst im Oktober 2020 urteilte der EuGH, dass die damals vorgelegten Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung unzulässig sei. Die damaligen Regelungen kamen aus Frankreich, Belgien und Großbritannien. Sie sahen eine pauschale Vorratsdatenspeicherung vor. Der EuGH stellte damals fest, dass eine anlasslose Speicherung nur ausnahmsweise dann zulässig sein könne, wenn dieses zur Bekämpfung schwerer Kriminalität oder einer konkreten Bedrohung der nationalen Sicherheit notwendig sei.

Die EU-Mitgliedsstaaten, sowie die EU-Kommission setzen sich seit Jahren für eine Vorratsdatenspeicherung ein, da dies die Aufklärung schwerer Kriminalität erleichtern kann. DatenschützerInnen sind hingegen um die Sicherheit der gespeicherten Daten besorgt und darüber, dass Daten von jedem Bürger gespeichert werden sollen, nicht nur von strafrechtlich Auffälligen. Einen Kompromiss könnte der EuGH in dem erwarteten Urteil z.B. mit kürzeren Speicherfristen finden. Auch über das sogenannte “quick freeze” wird nachgedacht, ein anlassbezogenes rasches Einfrieren von Verbindungsdaten.

Gleichzeitig mit der deutschen Vorratsdatenspeicherung wird der EuGH auch über Fälle aus Irland und Frankreich entscheiden. Mit einem Urteil kann frühestens ab Februar 2022 gerechnet werden.

EuGH-Urteil: Pauschale Vorratsdatenspeicherung unzulässig

8. Oktober 2020

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschied mit am 06.10.2020 veröffentlichten Urteil, dass eine flächendeckende und pauschale Speicherung von Kommunikations- und Standortdaten bei der Nutzung von Telekommunikationsdiensten unzulässig ist. Anlass hierzu war, dass der belgische Verfassungsgerichtshof, der französische Staatsrat und das britische Gericht für Ermittlungsbefugnisse anfragten, ob die europäische Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation auch auf Maßnahmen zur Terrorabwehr angewendet werden kann.

Eine Ausnahme des Verbotes der flächendeckenden und pauschalen Speicherung von Kommunikations- und Standortdaten soll in Fällen der Bekämpfung schwerer Kriminalität sowie bei konkreten Bedrohungen der nationalen Sicherheit gelten. Voraussetzung für einen solchen Ausnahmefall ist, dass sich ein EU-Mitgliedstaat in einer ernsten Bedrohungslage für die nationale Sicherheitslage befände, die allgemein, aktuell und vorhersehbar sei. Unklar bleibt, was genau als „ernsthafte Bedrohung“ definiert werden darf und was nicht. Auch hier gilt, dass die Datenspeicherung und -übermittlung streng zweckgebunden und zeitlich begrenzt sein muss. Eine Beschränkung auf das unbedingt notwendige Maß ist erforderlich. Eine Nachprüfung durch Gerichte oder unabhängige Behörden soll jederzeit möglich sein können.
Gleiches gilt bei Ermittlungen gegen schwere Straftaten und bei einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit.

Weiterhin hält der EuGH eine Vorratsdatenspeicherung für rechtmäßig, wenn sie sich auf bestimmte Personengruppen oder bestimmte Gebiete bezieht und auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt ist. Hier sollen Behörden Provider überdies über diese bestimmten Zeiträume hinaus zur Datenspeicherung anhalten können. Hierbei ist wieder Voraussetzung, dass die Vorratsdatenspeicherung Maßnahmen zur Aufklärung von schweren Verbrechen oder von Angriffen auf die nationale Sicherheit dient, oder wenn solche konkreten Anlassfälle vermutet werden.

In Deutschland wird die Vorratsdatenspeicherung momentan ohnehin aufgrund eines früheren Urteils des EuGH ausgesetzt. Ein gesondertes Verfahren vor dem EuGH hierzu ist derzeit noch anhängig.

Zeugen Jehovas müssen Datenschutzbestimmungen beachten (EuGH)

13. Juli 2018

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat auf ein Vorabentscheidungsersuchen aus Finnland am 10.07.2018 (Az.: C-25/17) entschieden, dasss die Zeugen Jehovas bei ihren Hausbesuchen die EU-Vorschriften hinsichtlich des Datenschutzes beachten müssen.

Wie wir bereits berichteten, hat das finnische Oberste Verwaltungsgericht den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahren um Klärung ersucht. Der finnische Datenschutzbeauftragte ist der Ansicht, dass es sich bei den Notizen der Zeugen Jehovas um eine Datenerhebung handelt, für die sowohl die einzelnen Mitglieder als auch die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas als solche verantwortlich sind und die dem europäischen Datenschutzrecht unterfällt.

Dieser Ansicht wurde bereits von dem Generalanwalt, in seinem vorbereitenden, Schlussantrag, gefolgt. Diesem sind die Richter nun gefolgt: Die notierten Daten, wie etwa Name, Adresse und religiöse Orientierung unterfallen den EU-Vorschriften  und sowohl die Mitglieder als auch die Gemeinschaft als solche sind verantwortlich für die Datenverarbeitung.

Der EuGH begründet die Entscheidung folgendermaßen: zunächst ist keine der normierten Ausnahmen einschlägig, was insbesondere damit zusammenhängt, dass es sich nicht um eine ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit handelt. Eine andere Sichtweise ergibt sich auch nicht daraus, dass die Verkündungstätigkeit unter Art. 10 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta fällt, denn sie geht über die private Sphäre hinaus. Darüber hinaus wendet der EuGH einen weiten “Datei”-Begriff an, der nicht notwendigerweise ein Speichern im technischen Sinne vorsieht. Ausreichend ist, die strukturierte Sammlung personenbezogener Daten nach bestimmten Kriterien, damit sie in der Praxis zur späteren Verwendung leicht wiederauffindbar sind. Diese Voraussetzungen sah der EuGH als gegeben an.

Zu beachten ist, dass die Fragen sich auf die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG bezogen, welche am 25.05.2018 von der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) abgelöst wurde. Nichts desto trotz ist davon auszugehen, dass dieses Urteil auch den Anforderungen der DSGVO genügt, denn die DSGVO ist in ihren Voraussetzungen strenger als die alte Richtlinie.

Datenschutzkonferenz: Kritik an Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten

13. November 2017

Jede Flugreise bringt eine Flut von Daten mit sich. Wie bereits berichtet, werden Fluggastdaten auch in Deutschland ab Mai 2018 gespeichert – ähnlich wie in Großbritannien und den USA. EU-Sicherheitsbehörden können im Zuge des Fluggastdatengesetzes (FlugDaG) bis zu 60 verschiedene Datenkategorien bei Fluggesellschaften abfragen. Das Gesetz strebt die Bekämpfung von Terror und schwerer Kriminalität an.

In einer Entschließung der Datenschutzkonferenz sprachen sich die unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder für eine Nachbesserung des FlugDaG aus. Insbesondere kritisieren die Behörden die langfristige Speicherung von Fluggastdaten (Passenger Name Records – PNR) aller Passagiere. Sie berufen sich dabei auf den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), der in seinem Gutachten vom 26. Juli 2017 das Fluggastdaten-Abkommen der EU mit Kanada für nicht mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar erklärt hat.

Unter dem Deckmantel von Grundsätzen der Datensparsamkeit und der Erforderlichkeit argumentieren die Behörden im Sinne des EuGH. Die öffentliche Sicherheit und der Schutz vor Terrorismus rechtfertigen nicht die Erhebung und Verarbeitung sensibler Daten wie rassische und ethnische Herkunft, religiöse Überzeugungen oder das Sexualleben. Eine präzisere und besonders fundierte Begründung sei dazu nötig.

Wenn es während eines Aufenthalts eines Reisenden keine Anhaltspunkte für terroristische oder schwere Straftaten gibt, habe sich der Zweck der Datenübermittlung erfüllt. Wie der EuGH fordern die Datenschutzbehörden dann eine weitere Speicherung zu verbieten. Nach Ausreise sei eine Vorratsdatenspeicherung ohne objektive Anhaltspunkte für geplante Straftaten nicht gerechtfertigt.

 

Generalanwalt des EuGH: Keine Haftung von WLAN-Anbietern für Rechtsverletzungen Dritter

18. März 2016

Stellt ein Unternehmen ein kostenloses, offenes WLAN-Netz zur Verfügung, so haftet dieses nicht für durch Nutzer begangene Urheberrechtsverletzungen. Das ist der Tenor eines Gutachtens des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs, welches am 16.3.2016 verkündet wurde.

Bisher ist es vor allem das Instrument der sogenannten Störerhaftung, das dem flächendeckenden, offenen Ausbau von öffentlichen WLAN-Netzen verhindert. Dabei haftet der Anbieter für Rechtsverstöße, welche ein Nutzer des bereitgestellten Netzwerks begeht, so zum Beispiel im Falle illegalen Downloads von Musik- oder Videodateien im Rahmen von urheberechtsgesetzlichen Haftungsnormen.

Nach Auffassung des Generalanwalts kann der Betreiber des WLAN-Netzes zwar zu einer Beendigung oder künftigen Verhinderung der Rechtsverletzung verpflichtet werden, soweit Nutzer wie beispielsweise Kunden eines Gastronomiebetriebs über dessen offenes Netz illegal Dateien downloaden. Der Betreiber eines kostenlosen WLAN-Netzes kann vom Rechteinhaber aber nicht verpflichtet werden, dieses stillzulegen, durch ein Passwort zu schützen oder die Kommunikationsvorgänge zu überwachen; auch Schadensersatzansprüche oder eine Geltendmachung der Mahn- und Gerichtskosten bestehen demnach gegen den Betreiber nicht.

Hintergrund des Gutachtens ist der Rechtstreit zwischen Sony und einem Geschäftsinhaber, der in seinem Betrieb ein für Kunden offenes WLAN anbietet. Über dieses wurde ein Musikwerk illegal heruntergeladen, für das Gericht glaubhaft aber nicht vom Betreiber selbst, sondern von einem anderen Nutzer. Das zuständige Landgericht München hatte den Europäischen Gerichtshof um Hilfe bei der Auslegung der Europäischen Richtlinie über den Elektronischen Rechtsverkehr dahingehend gebeten, ob diese auch auf Betriebe anzuwenden sei, die ein WLAN-Netz bloß im Rahmen einer anderen Hauptdienstleistung „nebenbei“ anbieten.

Der Auslegung des Generalanwalts muss der Europäische Gerichtshof zwar nicht folgen. Ein abweichendes Urteil wäre jedoch die Ausnahme.

US-Regierung reagiert unzufrieden auf EuGH-Entscheidung zu Safe-Harbor

9. Oktober 2015

Unzufriedenheit und Unverständnis kennzeichneten die Reaktion der US-Regierung zur wegweisenden Entscheidung des Europäischen Gereichtshof, welche die Ungültigkeit des Safe-Harbor-Abkommens feststellte.”Wir sind zutiefst enttäuscht von der heutigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, das erhebliche Unsicherheit für US- und EU-Firmen und Verbraucher schafft”, sagte Handelsministerin Penny Pritzker. Einigkeit besteht zwischen den USA und der EU jedoch insoweit, dass der Abschluss eines neuen Abkommens unerlässlich sei. Zumindest ein US-Bürger reagierte ausdrücklich postiv und bedankte sich per Twitter bei Europa: Edward Snowden.

Regierungsentwurf zur Vorratsdatenspeicherung: Voßhoff zweifelt an Vereinbarkeit mit der Europäischen Grundrechtecharta

21. April 2015

Einer Pressemitteilung vom gestrigen Tage zufolge, ist für die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Andrea Voßhoff fraglich, ob der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf für eine Vorratsdatenspeicherung den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs entsprechen kann. So ist sie der Auffassung, dass die Kernfrage, an der sich ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung messen lassen müsse, sein werde, ob und wie die vom Europäischen Gerichtshof aufgeworfene Problematik der anlasslosen Speicherung gelöst werden solle. Aus den nun vorgelegten Leitlinien von Bundesjustizminister Heiko Maas lasse sich jedenfalls nicht erkennen, ob die geplanten Regelungen mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar seien. Eine valide Beurteilung dieser sowie aller weiteren Fragen werde jedoch erst erfolgen können, wenn der konkrete Gesetzesentwurf vorliegen.

Erst in der vergangenen Woche hatte der Bundesjustizminister mit Innenminister Thomas de Maizière die “Leitlinien des BMJV zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten” vorgestellt, womit die Bundesregierung ihren Plan zur heftig umstrittenen Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung offenlegte. Es beschreibt die Pläne der Bundesregierung, die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten für Zwecke der Strafverfolgung wieder zu erlauben. Es solle danach eine Verpflichtung für Telekommunikationsanbieter bestehen, in Zukunft erneut Standortdaten für vier sowie weitere Verkehrsdaten für zehn Wochen zu speichern.

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