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Was die Übernahme von WhatsApp durch Facebook für den Datenschutz bedeutet

25. März 2014

Das große Technik-Thema der letzten Tage ist zweifellos die Übernahme von WhatsApp durch Facebook. Es stellt sich unweigerlich die Frage: Wie ist der Kauf aus datenschutzrechtlicher Sicht zu bewerten?

Ungeachtet oder gerade wegen ihrer großen Beliebtheit geraten beide Unternehmen regelmäßig wegen ihres lapidaren oder eigenwilligen Umgangs mit Nutzerdaten und der Datensicherheit in die Kritik: Kommunikation im Klartext, unverschlüsseltes Bezahlen via In-App-Payment, Angriffe auf die Firmenserver, Auslesen der Kontaktdatenbank auf mobilen Nutzer-Geräten, eigenwillige und höchst umstrittene Datenschutzbestimmungen, die sich oft ändern und selten klar sind. Das sind die wohl am häufigsten beklagten Sorgen der Datenschützer und Verbraucherzentralen, wenn sie an Facebook und WhatsApp denken.

Die strategischen Gründe für die Übernahme liegen auf der Hand und sind aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar. Der Wert des Unternehmens, die Zahl der Nutzer, das enorme Wachstum, die Markt- und damit Konkurrenzstellung, die Implementierung auf mobilen Geräten und natürlich das strategische Potential für noch mehr Erfolg. So wird der hohe Kaufpreis von Experten durchaus als passend vorgerechnet. Wenn zwei Unternehmen dieser Größenordnung zu einem verschmelzen, kann dies durchaus große Vorteile für die Nutzer haben. Allein das technische und kaufmännische Know-how und die finanziellen Mittel, die durch Facebook nun auch WhatsApp zur Verfügung stehen, lassen vermuten, dass dem Nutzer noch mehr Möglichkeiten angeboten werden.

Der hohe Kaufpreis lässt aber auch noch eine andere Rechnung zu. Umgerechnet 42 US-Dollar zahlt Facebook pro WhatsApp-Nutzer, wie Chip Online schreibt. Es lässt sich also nicht verbergen, dass bei der Übernehme wohl ein großes Augenmerk auf den Nutzerdaten selbst liegt. Mit dem Kauf werden natürlich wirtschaftliche Interessen verfolgt. Daten sind wertvoll. Wie wertvoll, wird einem bewusst, wenn man sich ausmalt, welch großer Datensatz entsteht, wenn die Datenbestände beider Unternehmen zusammengeführt werden. Name und E-Mail-Adresse und die Information wer mit wem in Kontakt steht plus Telefonnummern, Kontodaten und eventuell sogar Ortungsdaten ergeben ein umfassendes Profil jedes einzelnen Nutzers. Und Nutzerprofile wiederum geben Aufschluss über Nutzerverhalten, Konsumverhalten und sogar über Sozialverhalten.

Datenschützer schlagen Alarm. Prof. Dr. Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, geht davon aus, dass bei dem hohen Kaufpreis eine Kapitalisierung über die personenbezogenen Daten erfolgen werde, wie Heise Online schreibt. Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert rät nach dem Kauf von WhatsApp durch Facebook sogar zum Verzicht der beiden Dienste. Der Zusammenschluss der beiden Unternehmen sei von „höchster Datenschutzrelevanz“, sagt das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz. Noch klarere Worte findet die saarländische Datenschutzbeauftragte Judith Thieser im SR-Fernsehen: „Wir sagen heute ganz klar zu den Leuten: Ihr müsst euch einen neuen Messenger suchen!“ .

Alles hat seinen Preis. Wer viel Wert auf ein großes Netzwerk, großes technisches Know-how, einfache Bedienung, viele nette kleine Gimmicks und natürlich die Tatsache der entgeltlosen (oder zumindest zu sehr geringen Kosten) Nutzung legt, muss sich bewusst sein, dass im Gegenzug seine persönlichen Daten möglicherweise weit weniger geschützt werden, als bei anderen Diensten. Letztlich sind nämlich die eigenen Daten Teil des Produkts eines wirtschaftlich denkenden Unternehmens.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass bereits am Tag nach der Übernahme alternative Kurznachrichtendienste wie Threema und Telegram die Download-Charts der App-Stores emporkletterten. Und dennoch verzeichnet WhatsApp weitere Wachstumszahlen. Wie Heise Online vor zwei Tagen berichtete, habe die App mittlerweile 480 Millionen aktive Nutzer – 31 Millionen davon allein in Deutschland – und wachse somit genau so schnell weiter wie vor der Übernahme. WhatsApp-Gründer Jan Koum wies derweil die Bedenken der Nutzer und Datenschützer zurück. Koum erklärte, dass ihm persönlich der Datenschutz sehr wichtig sei, was er vor allem mit seiner Kindheit in der Sowjetunion begründet. In einem Blogeintrag erklärt Koum weiter, WhatsApp sei um den Grundsatz herum aufgebaut, so wenig wie möglich über seine Nutzer zu erfahren und er hätte einer Übernahme durch Facebook nicht zugestimmt, wenn dies hätte geändert werden sollen.

Sicherheitsbedenken bleiben dennoch, wie heise online schreibt. Denn der Dienst bietet keine Ende-zu-Ende-Kryptographie an, weshalb der Betreiber auf dem Server mitlesen kann. Und der Betreiber ist jetzt nun mal Facebook.
Auch in den USA ruft die Übernahme von WhatsApp durch Facebook die Verbraucherschützer auf den Plan, die bereits Beschwerde vor der Handelsaufsicht FTC eingereicht haben. Der Kern der Beschwerde richtet sich auf die unterschiedlichen Geschäftsbedingungen beider Unternehmen, wie Heise schreibt. Die Verbraucherschützer gehen davon aus, dass künftig die Nutzerdaten von WhatsApp ebenso für Werbezwecke genutzt werden könnten, wie es bereits bei Facebook der Fall ist. Weil sich aber viele WhatsApp-Nutzer gerade wegen des Nichtverwendens ihrer Daten für den Dienst entschieden haben, soll nun geprüft werden, ob es zu „unfairen und täuschenden Geschäftspraktiken“ kommen könne, meldet Heise Online. Es bleibt abzuwarten, ob die Handelsaufsicht FTC die Beschwerde annehmen wird.