Kategorie: Aufsichtsbehördliche Maßnahmen
1. Februar 2024
Italien erhebt wiederholt schwere Vorwürfe gegen OpenAI, weil ChatGPT sich nicht an Datenschutzrecht halte. Die Datenschutzvorwürfe gegen ChatGPT aus Italien könnte sich neben dem KI-Chatbot auch auf die Verabschiedung der KI-Verordnung auswirken. Diese soll noch diese Woche von allen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden. (mehr …)
24. Januar 2024
Datenschutzbeauftragte (DSB) spielen eine entscheidende Rolle im Schutz personenbezogener Daten. Ein am 17.01.2024 veröffentlichter Bericht des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) hebt die Ergebnisse einer EU-weiten Untersuchung im Rahmen des koordinierten Durchsetzungsrahmens (CEF) über die Benennung und Rolle von Datenschutzbeauftragten hervor. Diese Analyse wirft ein Licht auf Herausforderungen, die DSB meistern müssen, und gibt Empfehlungen für eine stärkere Stellung. (mehr …)
14. Dezember 2023
Das Outlook-Update scheint nicht datenschutzkonform zu sein. Nun hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ein Rundschreiben vom 08.12.2023 zum neuen Outlook an alle Bundesministerien und obersten Bundesbehörden veröffentlicht. (mehr …)
8. November 2023
Anfang des Monats haben wir davon berichtet, dass der Betreiber der Dating-App Grindr eine 5,8 Millionen Euro Strafe an die norwegische Datenschutzbehörde zahlen muss. Nun geht Grindr gegen die Millionenstrafe vor. Laut Aussage seiner Datenschutzbeauftragten gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Norwegens (NRK) vom 30.10.2023 leitet das Unternehmen rechtliche Schritte gegen das verhängte Bußgeld ein. Durch das Vorgehen der Behörde werde das Geschäftsmodell und die Betrugsbekämpfungsstrategien bezweifelt.
Hintergrund der Debatte
Ursprünglich sollte das Unternehmen Grindr etwa 10 Millionen Euro Strafe zahlen. Allerdings reduzierte man das Bußgeld wegen kooperativem Verhalten auf 5,8 Millionen Euro. Der hiergegen erhobene Einspruch von Grindr hatte keinen Erfolg. Rechtliche Ursache des Bußgeldes war die Weitergabe personenbezogener Daten für gezielte Werbung ohne die Einwilligung der Nutzer.
Grindr leitet nun rechtliche Schritte ein
Nun wehrt sich Grindr gegen diese Strafe. Das Unternehmen argumentiert, dass die norwegischen Datenschutzbehörden die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) falsch interpretiert hat. Nicht sämtliche gesammelten Informationen seien als sensible Daten zu werten. Das damalige Vorgehen habe einem Industriestandard entsprochen, der mittlerweile nicht mehr verwendet werde.
Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde könne dazu führen, dass entsprechende Dienst zukünftig in Europa nicht mehr angeboten werden könnten. Die Datenschutzbeauftragte Kelly Peterson Miranda führt aus, dass neben der gesamten Datenverarbeitung des Unternehmens auch Prozesse zur Betrugsbekämpfung und kontextbezogenen Werbung erheblich erschwert werden könnten.
Datenschutzbehörde bleibt standhaft
Die norwegische Datenschutzbehörde bleibt bei ihrer Entscheidung und betont, dass die Privatsphäre der Nutzer immer wieder von großen kommerziellen Unternehmen infrage gestellt wird. Solche Großkonzerne besäßen umfangreiche Ressourcen und seien bereit diese einzusetzen, um ihr Geschäftsmodell zu verteidigen.
Fazit
Dass Grindr gegen die Millionenstrafe vorgeht, überrascht wenig. Es handelt sich hier um den alten Kampf zwischen Datenschutz und Geschäftsinteressen mit dem Wunsch die Geldstrafe zu reduzieren und das Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten. Erneut versucht ein Großkonzern mit dem Argument des vollständigen Rückzugs aus dem Markt Druck auf eine Aufsichtsbehörde auszuüben. Ob dieses Argument bei der norwegischen Behörde anschlagen wird, bleibt sehr fraglich. Schließlich hat die Realität doch schon häufig gezeigt, dass es am Ende für die betroffenen Unternehmen doch – wenn auch gegebenenfalls nicht ganz so lukrative – Lösungen gibt, um weiterhin den Dienst datenschutzkonform in Europa anzubieten.
30. Oktober 2023
Die Debatte um Datenschutz und Künstliche Intelligenz (KI) geht weiter. Diesmal wurden Fragen von Landesdatenschutzbeauftragten an das KI-Sprachmodell ChatGPT gesendet. Sowohl Prof. Dr. Dieter Kugelmann, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz als auch der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Prof. Dr. Alexander Roßnagel sendeten Fragebögen zur Datenverarbeitung an OpenAI, den Betreiber des Chatsystems. Der Fragenkatalog enthält 79 Fragen und wurde innerhalb der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) abgestimmt. Er baut auf einem ersten Auskunftsersuchen auf, das die DSK bereits im April 2023 erarbeitet hatte.
Datenschutzrechtliche Relevanz des Auskunftsersuchens
Kugelmann betont am 26.10.2023, dass die Prüfung des KI-Systems von Bedeutung ist, um sicherzustellen, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das informationelle Selbstbestimmungsrecht bei der Datenverarbeitung durch ChatGPT eingehalten werden. Roßnagel gab am 24.10.2023 an, dass OpenAI auf den ersten Fragebogen bereits im Juni ausführlich und kooperativ eingegangen ist. Dennoch sind sich beide einig, dass die Auswertung der Antworten verdeutlicht, dass es weiteren Klärungsbedarf gibt.
Weitere Prüfung notwendig
Trotz der umfangreichen Beantwortung der ursprünglichen Fragen bestehen für Roßnagel weiterhin Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung aus dem Internet für das KI-Training. Deswegen will er weitere Erkenntnisse über das KI-System sammeln, um die Gewährleistung des Datenschutzes sicherzustellen. Auch laut Kugelmann ist es erforderlich die Hintergrundprozesse des Programms transparent begreifen zu können. Der neue Fragebogen solle nun zu mehr Nachvollziehbarkeit dessen führen, was hinter der Oberfläche passiere.
Beide wollen dabei den besonders sensiblen Datenkategorien gemäß Art. 9 DSGVO besondere Aufmerksamkeit widmen, die unter anderem Informationen zur Religion, politischen Meinung oder sexuellen Orientierung betreffen. Ebenso kontrolliere man die Umsetzung der Rechte der Betroffenen, wie das Auskunfts- oder Löschungsrecht. Die Landesdatenschutzbeauftragten wollen auch erfahren, inwieweit persönliche Daten während des Trainings und bei der Chatverwendung als solche identifiziert und entsprechende Schutzvorkehrungen getroffen werden.
Laut Roßnagel sollen durch die Fragen Datenschutzmissachtungen identifiziert und im Anschluss durch entsprechende Maßnahmen verhindert und gegebenenfalls bestraft werden. Er verlangt von amerikanischen KI-Betreibern die gleiche datenschutzrechtliche Sorgfalt wie von europäischen Unternehmen.
Zuständigkeit für rechtliche Bewertung
Solange OpenAI keine Niederlassung in der EU hat, bleiben sämtliche europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden in ihrem jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereich verantwortlich. Auch wenn der Betrieb in Zukunft eine Niederlassung in der EU eröffnen sollte, würde die datenschutzrechtliche Prüfung nicht enden, da die Kontrolle die aktuellen und vergangenen Verhältnisse betrifft. Selbst für zukünftige Situationen würden deutsche Datenschutzbehörden zuständig bleiben, solange ChatGPT weiterhin in Deutschland angeboten wird. Allerdings würde die Kontrolle dann in Zusammenarbeit mit der Behörde am Ort der Hauptniederlassung in der EU erfolgen. Aktuell ist es denkbar, dass dies die in letzter Zeit stark kritisierte irische Data Protection Commission werden könnte.
Fazit
Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht der Schutz der Privatsphäre und die Einhaltung der DSGVO. Mit dem Senden der Fragen an ChatGPT durch die Landesdatenschutzbeauftragten ist man erneut bestrebt, sicherzustellen, dass solche KI-Systeme transparent und nachvollziehbar sind. Die Prüfung und der Dialog mit KI-Unternehmen sind wichtig, um Datenschutz im Zeitalter von KI zu gewährleisten und gleichzeitig technischen Fortschritt nicht zu behindern. Interessant bleibt hierbei insbesondere die Frage, wie sich der Umfang der Behördenprüfung verändern wird, falls sich OpenAI in Irland niederlässt.
12. Oktober 2023
Die jüngsten Entwicklungen in Irland werfen einen bedenklichen Schatten auf die Pressefreiheit. Das irische Parlament hat im Juni 2023 ein neues Gesetz verabschiedet, das erhebliche Auswirkungen auf die Berichterstattung über die irische Datenschutzbehörde haben könnte. Am 04.10.2023 hat sich nun auch der Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) hierzu geäußert.
Hintergrund der Debatte
Gemäß der One-Stop-Shop-Regelung nach Art. 56 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist die Data Protection Commission (DPC) (irische Datenschutzbehörde) die zuständige federführende Aufsichtsbehörde in Verfahren gegen Giganten wie Apple, Google und Meta. Diese Prozesse dauern häufig sehr lange und Bußgelder werden oft zu niedrig angesetzt bzw. erst nach Intervention des EDSA erhöht. Deswegen und wegen der Bedeutung dieser Internet-Riesen steht die DPC schon lange in der Kritik.
Neues irisches Gesetz als Reaktion?
Man könnte fast meinen, dass der irische Gesetzgeber genug von der ständigen Nörgelei hat. Die neue Courts and Civil Law (Miscellaneous Provisions) Bill 2022 gestattet es nun der DCP, eine Vielzahl an Verfahren als „vertraulich“ zu klassifizieren und sogar Strafe zu verhängen.
Die Neuregelung bestimmt in Art. 26A des irischen Data Protection Act (DPA), dass die DPC Informationen als vertraulich einstufen kann und Anweisungen erteilen darf, den Inhalt nicht offenzulegen. Nach Abs. 5 gelten Informationen als vertraulich, wenn ihre Offenbarung zu einem finanziellen Schaden führen würde oder ihre Veröffentlichung Verhandlungen beeinträchtigen könnte. Zudem sind Informationen umfasst, die im Vertrauen mitgeteilt wurden und deren Offenlegung weiteren relevanten Informationsfluss beeinträchtigen könnte. Zuletzt fallen hierunter auch Informationen, deren Offenlegung eine effektive Aufgabenwahrnehmung der DPC gefährden könnte. Diese drei Varianten ermöglichen das Subsumieren eines breiten Spektrums an Fällen, auch wenn sie nicht wirtschaftlich sensibel sind. Gekrönt wird das Ganze mit einer möglichen Geldstrafe von bis zu 5.000 € bei einer Missachtung der Anordnung.
Heftige Kritik an der Regelung
Jedenfalls hat das Gesetz nicht unmittelbar zu einer Kritikreduzierung gegenüber Irland geführt. Hauptsächlich wird es als Beschneidung der Pressefreiheit angesehen. Noch im Juni 2023 hatte sich der Irish Council for Civil Liberties (ICCL) gegen das Gesetz ausgesprochen. Amnesty International meint das Gesetz diene nur dem Schutz großer Technologieunternehmen.
Aussage des Europäischen Datenschutzausschusses
Als Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten des europäischen Parlaments, Sophie in ´t Veld, reagierte nun auch der EDSA. Dieser erkennt die Bedeutung der Vertraulichkeit an, stellt jedoch klar, dass dies normalerweise nur auf Dritte und nicht auf den Informationsaustausch zwischen Aufsichtsbehörden zutrifft. Er weist auch darauf hin, dass die geplante Aktualisierung der DSGVO auch das Verfahren mit vertraulichen Informationen behandeln wird. Die geänderte Verordnung würde dann harmonisierend regeln, welche Informationen abgesehen von Geschäftsgeheimnissen sensibel sind. Es scheint vor allem fraglich, ob die so in der neuen Verordnung nicht vorgesehenen Bußgeldbefugnisse des DPA weiterbestehen könnten.
Fazit
Die irische Regelung kann durchaus als Einschnitt in die Pressefreiheit gewertet werden. Zwar ist die Notwendigkeit des Schutzes vertraulicher Informationen verständlich, allerdings bietet die offene Definition von „vertrauliche Informationen“ einen unkontrollierbar weiten Subsumtionsrahmen. Gerade da es die in der Kritik stehende DPC selbst ist, die über die Vertraulichkeit der Informationen entscheiden darf und keine unabhängige Instanz, birgt diese Konstellation erhebliches Gefahrenpotential. Die Zukunft wird zeigen, wie sich diese Regelung auf die Pressefreiheit und den Datenschutz in Irland auswirkt. Jedenfalls lässt die Antwort des EDSA und der Vorschlag für die neue DSGVO erahnen, dass die aktualisierte DSGVO nicht mit diesem Teil des DPA übereinstimmen wird. Zumindest ist zu erwarten, dass der EDSA sich die Regelungen genauer anschauen wird. Ob daraus ein Vertragsverletzungsverfahren folgen wird, bleibt mangels eindeutiger Antwort des EDSA abzuwarten.
11. September 2023
In einer Entscheidung vom 1. April 2022 beschäftigte sich die schwedische Datenschutzbehörde (IMY) mit der Beschwerde eines Kunden eines Online-Dienstes für den digitalen Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften. Die Entscheidung wirft ein Licht auf die Bedeutung des Datenschutzes in Bezug auf solche Dienste und könnte Auswirkungen auf ähnliche Geschäftsmodelle haben.
Der Sachverhalt
Ein Kunde meldete sich bei dem Online-Dienst an und lehnte gleichzeitig ab, in Zukunft E-Mails von dem Unternehmen zu erhalten. Trotz dieser Ablehnung erhielt er mehrere E-Mails von dem Unternehmen. Nachdem er sich an den Kundendienst des Unternehmens gewandt hatte, wurde der Versand von E-Mails eingestellt. Das Unternehmen argumentierte, dass es einen Unterschied zwischen E-Mails gibt, die auf einem Vertrag beruhen, und Marketing-E-Mails, die auf einem berechtigten Interesse basieren. Die E-Mails, die der Kunde erhielt, sollten dazu dienen, den Nutzer über den Dienst zu informieren und hatten den Vertrag als Rechtsgrundlage. Das Unternehmen behauptete, dass die persönlichen Daten nicht zu Marketingzwecken verarbeitet wurden.
Die Entscheidung der IMY
Die IMY hatte zu prüfen, ob die Verarbeitung der persönlichen Daten auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO gestützt werden konnte. Dies erfordert, dass die Verarbeitung zur Erfüllung eines Vertrags erforderlich ist, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen. Die IMY stellte fest, dass einige der E-Mails Informationen darüber enthielten, wie der Kunde den Dienst personalisieren und personalisierte Empfehlungen basierend auf seinem Leseverhalten erhalten könne. Das Unternehmen informierte auch darüber, dass es personalisierte Inhalte anbietet. Die IMY argumentierte jedoch, dass ein durchschnittlicher Nutzer dies nicht als notwendigen Bestandteil des Dienstes verstehen würde.
Ein weiteres Argument der IMY war, dass das Unternehmen die Möglichkeit bietet, sich von solchen E-Mails abzumelden. Dies legte nahe, dass die Verarbeitung der persönlichen Daten nicht zur Vertragserfüllung notwendig war.
Die IMY verlangte, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche nachweist, dass die Verarbeitung tatsächlich erforderlich ist, um den Hauptzweck des Vertrags zu erfüllen. Die IMY argumentierte, dass die E-Mails, die der Kunde erhielt, nicht notwendig waren, um den Hauptzweck des Vertrags zu erfüllen, nämlich das Lesen digitaler Zeitungen und Zeitschriften.
Fazit und Auswirkungen
Diese Entscheidung der IMY könnte Auswirkungen auf ähnliche Geschäftsmodelle haben, wenn andere Datenschutzbehörden eine ähnlich strenge Auslegung des Erforderlichkeitsmerkmals in Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO verfolgen. Unternehmen, die personalisierte Dienste anbieten und die Verarbeitung auf dieser Grundlage begründen möchten, sollten sicherstellen, dass ihre Begründung konsistent ist und die Betroffenenrechte angemessen berücksichtigt werden.
Die Entscheidung zeigt auch, wie wichtig es ist, Datenschutzrichtlinien und -praktiken sorgfältig zu prüfen und sicherzustellen, dass sie den Anforderungen der DSGVO entsprechen. Datenschutz ist ein wesentlicher Aspekt des Vertrauens zwischen Unternehmen und Kunden, und Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie die Privatsphäre ihrer Kunden respektieren und schützen.
30. August 2023
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schlägt einen bedeutenden Paradigmenwechsel in der Datenschutzaufsicht im Gesundheitswesen vor. Im Referentenentwurf des Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) wird eine Neuregelung des § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vorgeschlagen, die auf eine Zentralisierung der Datenschutzaufsicht abzielt.
Ein neuer Absatz für eine breitere Zuständigkeit
Der Referentenentwurf des GDNG sieht vor, einen neuen Absatz 3 in § 9 BDSG einzuführen. In diesem Absatz wird dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) die exklusive Zuständigkeit für die Aufsicht über Stellen übertragen, die gesundheitsbezogene Sozialdaten im Sinne des § 67 SGB X verarbeiten. Diese Zuständigkeit erstreckt sich auch auf die Kranken- und Pflegekassen, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen und weitere relevanten Einrichtungen.
Die Motivation für diese Änderung liegt laut der Begründung des Entwurfs darin, eine einheitliche Datenschutzpraxis sicherzustellen. Die unterschiedliche Auslegung durch verschiedene Aufsichtsbehörden hat bisher die Entwicklung einer konsistenten Datenschutzpraxis erschwert.
Ausbau der Zuständigkeit des BfDI
Mit dieser vorgeschlagenen Änderung würde der BfDI eine erweiterte Zuständigkeit erhalten. Bisher war der BfDI nur für bundesunmittelbare Krankenkassen verantwortlich, die in mehreren Bundesländern tätig sind. Doch nun würde der BfDI die Aufsicht über sämtliche Krankenkassen übernehmen, einschließlich derjenigen, die nur in einem Bundesland tätig sind, sowie Betriebskrankenkassen von Unternehmen.
Dies hätte zur Konsequenz, dass die Aufsicht innerhalb eines Konzerns oder einer Unternehmensgruppe fragmentiert würde. Eine Übersicht aller gesetzlichen Krankenkassen findet man beim GKV. Der BfDI wäre somit für sämtliche gesetzliche Krankenkassen alleinig zuständig.
Brisante Ausweitung der Zuständigkeit
Besonders brisant ist nicht nur die geplante Ausweitung der Zuständigkeit auf Krankenkassen, sondern auch der Vorschlag zur alleinigen Zuständigkeit für „Stellen, die gesundheitsbezogene Sozialdaten im Sinne des § 67 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch verarbeiten“. Diese Definition schließe eine Vielzahl von Einrichtungen ein, wie Jobcenter, Rentenversicherungen, Unfallversicherungen und Jugendämter, wie die Landesdatenschutzbehörden in ihrer Stellungnahme darauf hinweisen.
Fazit: Weitreichende Änderungen in der Datenschutzaufsicht
Die vorgeschlagene Neuregelung des § 9 BDSG im Referentenentwurf des GDNG signalisiert einen bedeutsamen Wandel in der Datenschutzaufsicht im Gesundheitswesen. Die Zentralisierung der Zuständigkeit beim BfDI könnte dazu beitragen, eine einheitlichere Datenschutzpraxis zu etablieren. Allerdings stellen sich auch Fragen bezüglich der praktischen Umsetzbarkeit und der Fragmentierung der Aufsicht innerhalb von Konzernen und Unternehmensgruppen. Die geplante Ausweitung der Zuständigkeit auf Stellen, die gesundheitsbezogene Sozialdaten verarbeiten, erweitert den Einflussbereich des BfDI erheblich. Die genauen Auswirkungen und Implikationen dieser Änderungen auf die Datenschutzaufsicht im Gesundheitswesen bleiben abzuwarten.
17. August 2023
Nach der Ansicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (LfDI RLP) nicht mittels Videoüberwachung. Zu diesem Ergebnis kam der LfDI RLP im Rahmen einer Pressemitteilung, die der Datenschützer vergangene Woche auf der offiziellen Homepage der Behörde veröffentlichte.
Klarstellung von Zeitungsberichten
Anlass zu dieser Pressemitteilung gab ein Zeitungsbericht der Allgemeinen Zeitung Mainz. Unter der Überschrift „Waldalgesheim überwacht Bürger beim Müllentsorgen“ (nicht mehr aufrufbar) berichtete die Zeitung darüber, dass die Gemeinde der Stadt Waldalgesheim Kameras an zwei Glascontainern anbrachte. Ziel der Gemeinde sei es gewesen die illegale Müllentsorgung an den Glascontainern zu unterbinden und Personen, die ihren Müll dort entsorgt hätte, identifizieren zu können. Außerdem habe die Gemeinde herausfinden wollen, durch welche Personen der Bereich um die Container beschädigt und verunreinigt worden wäre.
Aus Sicht des LfDI RLP könne der Eindruck entstehen, dass die Landesdatenschutzbehörde den Einsatz der Videokameras genehmigt hätte. Dies sei gerade nicht der Fall. Die Datenschutzbehörde eröffnete gegen die Gemeinde nun ein förmliches Verfahren, um mögliche Datenschutzverstöße zu untersuchen. Der Datenschutzbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz stellte ferner klar, dass die Videoüberwachung von Glascontainern und anderen Müllablagerungsstätten durch Kommunen grundsätzlich nicht zulässig sei.
Wichtige Orientierungshilfen
Außerdem äußerte sich der Datenschutzbeauftragte auch klarstellend zur, im Zeitungsartikel zitierten „Orientierungshilfe für die Videoüberwachung in Kommunen“. Demnach sei die Datenschutzkonformität der Videoüberwachung immer eine Einzelfallentscheidung.
Für Nicht-Öffentliche Stellen hatte die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) 2020 eine Orientierungshilfe zur Videoüberwachung veröffentlicht. In dieser behandelte die DSK alle für eine Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung einzuhaltenden Voraussetzungen. Dabei ist zu beachten, dass aus Sicht der DSK die Videoüberwachung regelmäßig ausschließlich auf der Grundlage eines berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erfolgen könne. Wolle ein Verantwortlicher beispielsweise ein Gebäude überwachen, müsse er Tatsachen nachweisen können, aus denen sich eine konkrete Gefahrenlage ergeben würden. Dann könne die Kameraüberwachung ein adäquates Mittel zur Prävention und Repression vor dem Eintritt eines Schadens am Gebäude sein. Außerdem müsse jeder Verantwortliche im Rahmen der Kameraüberwachung die nach Art. 12 ff. DSGVO bestehenden Informationspflichten beachten. Hierfür könne man ein Hinweisschild verwenden, welches aber nicht alle nach Art. 13 DSGVO erforderlichen Informationen beinhalten müsse. Stattdessen könnten auf einem Informationsblatt die vollständigen Informationen bereitgestellt werden.
Der Blick in die Orientierungshilfe kann sich lohnen, um die Kameraüberwachung, wenn sie notwendig ist, rechtssicher zu gestalten und um alle Anforderungen an die Datenschutzkonformität einzuhalten.
9. August 2023
Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde zur Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO
In einer Entscheidung Anfang 2023 hat die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) klare Kriterien für die Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO hinsichtlich offensichtlich unbegründeter oder exzessiver Anfragen festgelegt. Die Angelegenheit dreht sich um einen Beschwerdeführer, der dem Verantwortlichen eine Zahlung von 2.900 EUR für den Verzicht auf eine Beschwerde bei der DSB sowie auf eine gerichtliche Verfolgung angeboten hatte. In diesem Kontext befasst sich der vorliegende Artikel mit den Hintergründen der Entscheidung, ihrer Bedeutung und möglichen Implikationen für die Anwendung von Betroffenenrechten gemäß Art. 15 DSGVO.
Sachverhalt und DSB-Entscheidung
Der Beschwerdeführer bot an, gegen eine Zahlung von 2.900 EUR auf eine Beschwerde bei der DSB sowie auf eine gerichtliche Verfolgung zu verzichten. In der weiteren Entwicklung des Streitfalls reichte der Betroffene dennoch eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein. Die DSB lehnte die Beschwerde unter Berufung auf Art. 57 Abs. 4 DSGVO ab und qualifizierte das Verhalten des Beschwerdeführers als rechtsmissbräuchlich. Die Behörde argumentierte, dass kein tatsächliches Rechtsschutzbedürfnis beim Beschwerdeführer bestehe und die Beschwerde somit als unredlich einzustufen sei.
Die Entscheidung der DSB betont die Parallele zwischen Art. 12 Abs. 5 und Art. 57 Abs. 4 DSGVO, in denen beide Regelungen die Möglichkeit vorsehen, bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anfragen Maßnahmen zu ergreifen. Hierbei wird insbesondere auf den EDSA verwiesen, der in seinen Leitlinien zu Art. 15 DSGVO eine ähnliche Situation als exzessiven Antrag beschreibt. Die DSB stellte jedoch klar, dass sie den Fall nicht als exzessiv, sondern als offensichtlich unbegründet einstufte.
Übertragung auf Betroffenenrechte
Die Entscheidung wirft eine interessante Frage auf: Können Verantwortliche bei Angeboten zur Unterlassung von Beschwerden gegen Geldzahlungen auf Art. 12 Abs. 5 DSGVO zurückgreifen? Beide Artikel setzen die gleichen Voraussetzungen voraus: ein offenkundig unbegründeter oder exzessiver Antrag. Während es unwahrscheinlich ist, dass Betroffene direkt Zahlungen für den Verzicht auf Rechtsverfolgung anbieten, könnte dies in Situationen auftreten, in denen der Verantwortliche die Fristen zur Erfüllung der Auskunftsansprüche nicht einhält.
In der Praxis können Verantwortliche nun auf die österreichische Entscheidung verweisen, um das Fehlen eines echten Rechtsschutzbedürfnisses bei einer Zahlung für den Verzicht auf Beschwerden oder Klagen zu betonen. Es ist jedoch ratsam, vorsichtig zu sein, insbesondere wenn die Erfüllung der Betroffenenrechte nach Ansicht des Betroffenen nicht korrekt erfolgt ist, bevor solch ein “Angebot” überhaupt gemacht wird.
Fazit
Die Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde bietet wertvolle Klarstellungen zur Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO im Zusammenhang mit offensichtlich unbegründeten Anfragen und rechtsmissbräuchlichem Verhalten von Beschwerdeführern. Dieser Fall verdeutlicht, dass es in der Praxis wichtig ist, das Rechtsschutzbedürfnis bei der Geltendmachung von Betroffenenrechten zu berücksichtigen. Verantwortliche könnten auf diese Entscheidung verweisen, um den Missbrauch von Betroffenenrechten zu bekämpfen, insbesondere in Fällen, in denen finanzielle Anreize für den Verzicht auf Beschwerden angeboten werden. Die Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO könnte somit als zusätzliches Instrument dienen, um die Integrität und den ernsthaften Charakter von Datenschutzbeschwerden zu wahren. Es bleibt abzuwarten, wie andere Datenschutzbehörden auf internationaler Ebene auf solche Angebote reagieren werden und ob ähnliche Entscheidungen ergehen werden.
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