Kategorie: DSGVO

EuGH entscheidet über die Anwendbarkeit der DSGVO auf parlamentarische Petitionsausschüsse – und über die Unabhängigkeit deutscher Gerichte

8. Juli 2020

Am morgigen Donnerstag – den 09.07.2020 – entscheidet der EuGH in Luxemburg über ein Vorabentscheidungsersuchen des VG Wiesbaden (Rechtssache C-272/19). Dabei hat der EuGH zwei Vorlagefragen zu beantworten. Die erste Frage befasst sich mit dem Anwendungsbereich der DSGVO, konkret auf Petitionsausschüsse eines Landtags. Die zweite Vorlagefrage hat keinen expliziten datenschutzrechtlichen Hintergrund, ist aber auch für die Belange des Datenschutzes nicht ohne Belang. Das VG Wiesbaden stellt nämlich in Frage, ob es überhaupt als ein “Gericht” im europarechtlichen Sinne angesehen werden kann. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die deuschen Gerichte bzw. Richterinnen und Richter unabhängig genug sind, oder ob eine insitutionelle Abhängigkeit gegeben ist. Diese Entscheidung könnte für sämtliche Gerichte Deutschlands enorme Bedeutung haben.

Erste Vorlagefrage: Anwendbarkeit der DSGVO

Die erste Frage betrifft die Anwendbarkeit der DSGVO auf den Petitionsausschuss als Teil des Hessischen Landtags, und ob dieser als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO zu qualifizieren ist. Dabei ist der Hessische Landtag – vertreten durch seinen Präsidenten – der Auffassung, es handle sich beim Petitionsverfahren um eine parlamentarische Aufgabe, sodass der Ausschuss nicht in den (sachlichen) Geltungsbereich der DSGVO falle (Rn. 3). Dieser Ansicht folgend enthalten das Hessische Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG, § 30 Abs. 1), die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags (§ 112 Abs. 6) sowie deren Datenschutzordnung und weitere Richtlinien entsprechende Regelungen, welche die Anwendbarkeit der DSGVO unter anderem für den Petitionsausschuss verneinen bzw. wegen eines erforderlichen Geheimnisschutzes Auskunftsansprüchen wie Art. 15 DSGVO entgegenstehen. Diese Regelungen seien anzuwenden, wenn der Petitionsausschuss nicht unter die DSGVO fällt (Rn. 13).

Die erste Vorlagefrage bezieht sich daher darauf, ob die DSGVO auf Petitionsausschüsse als Teil des Parlaments eines Gliedstaates (Hessen) eines Mitgliedsstaats (Deutschland) Anwendung findet und insoweit als eine Behörde im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO zu behandeln ist. Der Petitionsausschuss sei zwar eine Behörde im organisationsrechtlichen Sinne, fraglich sei aber ob ihre Aufgaben dem Bereich der öffentlichen Verwaltung unterliegen. Jedenfalls sei der Ausschuss weder der Judikative noch der Legislative zuzuordnen (Rn. 42ff). Für die Definition der “Behörde” im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO sei von einem weiten Verständnis der Verwaltung und somit einem umfassenden Behördenbegriff auszugehen (Rn. 48). Auch erschließe sich nicht, warum Behörden – gegenüber denen nach hessischem Recht ebenfalls eine Petition eingereicht werden kann – der DSGVO unterliegen, diese auf den Petitionsausschuss hingegen keine Anwendung finden sollte; das VG Wiesbaden geht deshalb davon aus, dass der Petitionsausschuss unter Art. 4 Nr. 7 DSGVO zu subsumieren ist (Rn. 51).

Zweite Vorlagefrage: Unabhängikeit deutscher Gerichte

Die zweite Vorlagefrage des VG Wiesbaden befasst sich ebenfalls mit europarechtlichen Vorschriften, konkret mit Art. 267 Abs. 2 AEUV und der Frage, ob das VG Wiesbaden – und mittelbar sämtliche deutsche Gerichte – überhaupt als ein “Gericht” im Sinne dieser Norm zu qualifizieren und somit vorlagebefugt sind. Im Fokus steht hier insbesondere die institutionelle Unabhängigkeit der Gerichte.

In dem Vorabentscheidungsersuchen setzt sich das Gericht diesbezüglich zunächst ausführlicher mit den rechtlichen Grundlagen der richterlichen und gerichtlichen Unabhängigkeit auseinander (Rn. 17ff.). Das VG Wiesbaden kommt dabei zu dem Schluss, dass die deutsche Verfassungslage nur die funktionale richterliche Unabhängigkeit, aber keine institutionelle Unabhängigkeit der Gerichte gewährleiste (Rn. 59). Grund dafür sei, dass die Richterinnen und Richter durch den jeweiligen Justizminister der Länder ernannt, beurteilt und befördert werden und das Beamtenrecht auf die Richterinnen und Richter Anwendung findet. Erforderlich sei jedoch eine “völlige Unabhängigkeit”, wonach keinerlei Einflussnahme irgendeiner Art – mit Ausnahme von Kontrollstellen -, weder unmittelbar noch mittelbar, bestehen dürfe (Rn. 64). Es sei nun aber fraglich, ob Richterinnen und Richter von einer solchen Einflussnahme ausgenommen sind, jedenfalls in solchen Streitigkeiten, in denen das jeweilige Justizministerium beteiligt ist (Rn. 65). Aber auch grundsätzlich sieht das VG Wiesbaden eine äußere Einflussnahme durch das Justizministerium gegeben, indem es über Planstellen, Anzahl des nichtrichterlichen Personals und Ausstattung der Gerichte – und somit letztlich auch über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch entsprechende EDV – entscheidet (Rn. 67). Auch durch die bloße Gefahr einer politischer Einflussnahme werde die institutionelle Unabhängigkeit beeinträchtigt (Rn. 73). Demgemäß sieht das VG Wiesbaden sich selbst nicht als unabhängig und unparteiisch im Sinne des Art. 47 Abs. GrCH (Rn. 74).

Einschätzung

Es wird spannend sein zu sehen, wie der EuGH mit den beiden Vorlagefragen umgehen wird. Die Frage der Auslegung des Art. 4 Nr. 7 DSGVO, konkret in Bezug auf “Behörde, Einrichtung oder andere Stelle”, dürfte für einige Insitutionen relevant sein, die sich nicht eindeutig der öffentlichen Verwaltung zuordnen lassen und somit davon ausgehen, nicht den Regelungen der DSGVO zu unterliegen.

Weitreichendere Bedeutung könnte aber die Vorlagefrage zur Unabhängigkeit deutscher Gerichte haben. Geht der EuGH hier ebenfalls davon aus, dass die institutionelle Unabhänigkeit deutscher Gerichte und ihrer Richterinnen und Richter nicht gegeben ist, wird sich die Frage stellen müssen, wie diese Unabhängigkeit künftig sichergestellt werden kann. Jedenfalls dürfte die Entscheidung des EuGH dazu dienen, der durch die Richtervereinigungen geführten Diskussion zur Selbstverwaltung der Justiz neue Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Bundeskartellamt wirft Smart-TV-Herstellern massive Verstöße gegen die DSGVO vor

3. Juli 2020

Das Bundeskartellamt hat schwere Verstöße beim Datenschutz und der IT-Sicherheit bei Smart-TVs festgestellt und fordert von den Herstellern umfangreiche Nachbesserungen. Zu diesem Schluss kommt das Bundeskartellamt im Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zu Smart-TVs.

Smart-TVs gehören zu den am weitesten verbreiteten Geräten des Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Mutmaßliche Verbraucherschutzverstöße betreffen daher viele Menschen aller Bevölkerungsgruppen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundeskartellamt auf der Basis seiner verbraucherrechtlichen Kompetenzen im Dezember 2017 eine Sektoruntersuchung zu Smart-TVs eingeleitet und veröffentlichte nun seinen Abschlussbericht mit Stand vom Juli 2020.

Schwerwiegende Transparenzmängel bei der Privatsphäre der Verbraucher

Das Bundeskartelamt rügte gleich eine Vielzahl von Mängeln. Insbesondere ergab die Untersuchung, dass die Hersteller intime Nutzungsdaten der Verbraucher sammeln. Dazu gehören etwa das generelle Sehverhalten eines Verbrauchers, die App-Nutzung, das Surf- und Klickverhalten oder auch biometrische Daten wie Stimme oder Cursorbewegungen sowie die im Einzelnen über den Fernseher abgespielten Inhalte. Diese Daten würden dann für personalisierte Werbung verwendet werden.

Das kann der Verbraucher allerdings erst dann stoppen, wenn er die betreffenden Einstellungen an seinem Fernsehgerät ändert und sich dazu durch vielschichtige Menüs klickt. Sich über die Datenschutzbestimmungen bereits vor dem Kauf zu informieren, sei oft nicht oder nur mit großem Aufwand möglich. Bei der Ersteinrichtung – dies kann wahrscheinlich jeder Leser aus eigener Erfahrung bestätigen – willigten die meisten Verbraucher in die angezeigten Bedingungen ein, da dies alternativlos sei.

Selbst wenn sich der Verbraucher die Datenschutzbestimmungen aufmerksam durchlesen würde, wäre er danach in den meisten Fällen kein Deut schlauer als vorher. Denn diese enthielten in vielen Fällen keine Angaben, mit denen der Verbraucher in der Praxis etwas anfangen kann. Insbesondere Pauschalierungen würden dazu führen, dass die Datenschutzbestimmungen erheblich an Informationsgehalt einbüßen. “Dies führt sehr häufig zu Verstößen gegen die DSGVO”, teilte das Bundeskartellamt mit.

Mangelnde IT-Sicherheit

Zahlreiche Hersteller gewährleisten zudem nicht, dass der Standard der Fernsehgeräte für IT-Sicherheit auch in den Jahren nach des Erwerbs durch Software-Updates aufrechterhalten wird. Verbindliche Angaben der Unternehmen hierzu existieren nicht. Für die Verbraucher sei diese Information aber unerlässlich, “um einschätzen zu können, wie lange sie das Gerät uneingeschränkt gefahrlos verwenden können”.

Methodik

Für die nun veröffentlichte Sektoruntersuchung zu Smart-TVs befragte das Bundeskartellamt im vergangenen Jahr 32 Unternehmen sowie mehrere Marktteilnehmer und Experten. Die Ermittlungen betrafen rund 20 Anbieter, die in Deutschland internetfähige Fernsehgeräte unter eigenen Marken absetzen. Der komplette Bericht ist unter diesem Link abrufbar.

Erstinstanzliches Urteil in der Rechtssache Schrems ./. Facebook Ireland Limited ergangen

In dem Rechtsstreit Max Schrems gegen die Facebook Ireland Limited ist am 30.06.2020 – Aktenzeichen 3 Cg 52/14k-91 – ein Urteil ergangen. Hier hat das “Landesgericht für ZRS Wien” entschieden, dass


1. die Beklagte dem Kläger binnen vierzehn Tagen schriftlich und kostenlos vollständig Auskunft über alle von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers unter Angabe der genauen Herkunft und gegebenenfalls der genauen Empfänger der Daten zu erteilen.
2. Dem Kläger binnen vierzehn Tagen einen Betrag von 500 € zu zahlen. (Redaktionelle Leitsätze)

Sachverhalt
Der Kläger stellte in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2015 und zuletzt 2019 Auskunftsbegehren nach Maßgabe des Art. 15 DSGVO. Diese beantwortete die Beklagte zunächst mit einer 18-Seitigen Pdf-Datei vom 09.06.2011 und einer CD-Rom mit weiteren PDF im Umfang von 1.222 A4-Seiten. Der Kläger sah sich trotz erteilter Auskunft in seinen durch die DSGVO normierten Rechten verletzt. Die bereitgestellten Informationen waren aus seiner Perspektive weder inhaltlich ausreichend, noch genügte ihm die Anzahl der Antworten im Verhältnis zur Anzahl der gestellten Begehren.

Ferner störte sich der Kläger an der Datenverarbeitung durch Drittunternehmen. Hierzu führte aus, er sei “Verantwortlicher” im Sinne der DSGVO. Die daraus resultierenden Anforderungen habe die Beklagte nicht erfüllt. Abschließend habe die Beklagte gegen Art. 9 DSGVO verstoßen, indem sie eine Einwilligung in Bezug auf seine Interessen nicht eingeholt habe.

Das Urteil reiht sich in eine Vielzahl von Klagen Herrn Schrems gegen Facebook ein. So hatte dieser bereits im August 2014 in Wien eine Sammelklage gegen Facebook eingereicht. Ziel der Klage war unter anderem, von Facebook einen symbolischen Schadenersatz von 500 Euro für jeden Beteiligten der Klage erstreiten. Hierzu beschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Januar 2018, dass derartige Sammelklagen unzulässig seien.

Entscheidung
Das Wiener Gericht gibt dem Kläger teilweise Recht. So habe die Beklagte die ihre Auskunftspflicht dadurch verletzt, dass sie trotz neuerlich begehrter Auskunft sämtliche personenbezogenen Daten mitgeteilt hätte, die Gegenstand der Verarbeitung seien. Der konkrete Umfang sei sowohl durch das Gesetz auch auch in den Erwägungsgründen (hier: EG 63) niedergelegt.

Auch begründe die Regelmäßigkeit der Anfragen keine Möglichkeit der Verweigerung, da ein Jahresabstand der Anfragen angemessenen im Sinne der DSGVO sei.

Entgegen der Ansicht des Klägers sei er jedoch kein „Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO. Diese sei auf den Kläger in seiner Funktion als privater Nutzer des Dienstes nicht anwendbar. Überdies greife die Haushaltsausnahme aus Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO mangels Anwendbarkeit nicht.

Die abschließend gerügte Verletzung aus Art. 9 DSGVO sei jedenfalls im konkreten Fall nicht tatsächlich feststellbar gewesen. So habe der Kläger die für die Informationen selbst veröffentlicht, weshalb eine Einwilligung gemäß Art. 9 DSGVO nicht erforderlich gewesen sei.

Praktische Relevanz
Die praktische Relevanz scheint aus aktueller Perspektive überschaubar. So ist weder abschließend zu beurteilen, wie sich das Verhalten auf die künftige Unternehmensführung auswirkt noch steht fest, ob das Urteil überhaupt rechtskräftig wird. So kündigte der Kläger auf der Homepage des Unternehmens NOYB bereits die Einhegung einer Berufung an.

Bußgeld in Höhe von 1,24 Millionen Euro gegen die AOK Baden-Württemberg verhängt

1. Juli 2020

Wie der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) Baden-Württemberg mit einer Pressemitteilung vom 30.06.2020 mitteilte, wurde gegen die AOK Baden-Württemberg wegen Datenschutzverstößen ein Bußgeld in Höhe von 1.240.000 Euro verhängt. Grund für das verhängte Bußgeld sei ein Verstoß gegen die Pflichten zur sicheren Datenverarbeitung nach Art. 32 DS-GVO.

Der Sachverhalt

Die AOK Baden-Württemberg hatte im Zeitraum von 2015 bis 2019 verschiedene Gewinnspiele durchgeführt, und die dabei erhobenen personenbezogenen Daten auch zu Werbezwecken verwendet. Diese Weiterverarbeitung sollte jedoch nur dann erfolgen, wenn die Teilnehmer in diese ausdrücklich eingewilligt haben. Die AOK Baden-Württemberg versuchte mittels technischer und organisatorischer Maßnahmen (sog. TOMs) nach Maßgabe des Art. 32 DS-GVO sicherzustellen, dass nur die Daten derjenigen Teilnehmer zu Werbezwecken verwendet werden, die tatsächlich eine entsprechende Einwilligung abgegeben hatten. Zu diesen Maßnahmen gehörten u.a. Datenschutzschulungen und interne Richtlinien. Diese TOMs seien jedoch nicht ausreichend gewesen, sodass mehr als 500 Gewinnspielteilnehmer Werbung erhielten, obwohl sie keine Einwilligung abgegeben hatten.

Begründung der Bußgeldhöhe

Die Höhe des Bußgeldes sei insbesondere durch die Größe und Bedeutung der AOK Baden-Württemberg gerechtfertigt. Positiv sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass die TOMs intern überprüft worden seien, wodurch der Datenschutzverstoß überhaupt erst aufgefallen sei. Bei Bekanntwerden des Vorganges habe die AOK Baden-Württemberg alle vertrieblichen Maßnahmen eingestellt, eine Task Force für Datenschutz im Vertrieb gegründet, interne Prozesse und Kontrollstrukturen angepasst und erweitert sowie umfassend und konstruktiv mit dem LfDI zusammengerarbeitet. Dadurch sei kurzfristig eine Steigerung des Schutzniveaus für die Daten der Betroffenen ermöglicht worden.

Weiterhin sei bei der Bemessung der Bußgeldhöhe der gesetzliche Auftrag der AOK Baden-Württemberg innerhalb des Gesundheitssystems zu berücksichtigen gewesen. Um dieser Aufgabe – Sicherstellung der Gesundheitsversorgung – weiterhin effektiv nachkommen zu können, müsse das Bußgeld verhältnismäßig ausfallen. Zudem seien die Auswirkugen der Corona-Pandemie, welche auch die gesetzlichen Krankenkassen treffen, mit in die Erwägungen mit einzubeziehen gewesen.

Fazit

Dr. Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden-Württemberg, betonte noch einmal die Bedeutung der technischen und organisatorischen Maßnahmen für die Sicherstellung eines angemessenen Schutzniveaus. Dieses könne jedoch nur dann erreicht werden, wenn alle implementierten TOMs regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden. Datensicherheit sei eine “Daueraufgabe”, und nicht mit der einmaligen Implementierung der TOMs erledigt.

Neben diesem Punkt macht der vorliegende Fall aber auch noch einmal deutlich, dass durch interne Kontrollen, einer zügigen Reaktion auf Datenschutzverstöße und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den zuständigen Aufsichtsbehörden die Höhe eines fälligen Bußgeldes erheblich reduziert werden kann. Das Bußgeld für die AOK Baden-Württemberg wäre sicherlich auch trotz Corona-Pandemie erheblich höher ausgefallen, wäre nicht angemessen auf den aufgedeckten Datenschutzverstoß reagiert worden.

Auskunftsanspruch im Arbeitsverhältis

30. Juni 2020

Gegen einen Anspruch auf Datenkopie des Art. 15 Abs. 3 DSGVO eines Arbeitnehmers kann sich der Arbeitgeber wehren, wenn der dafür erforderliche Aufwand in groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse steht. Das hat jedenfalls das AG Düsseldorf entschieden (noch nicht rechtskräftig).

Das Gericht gestand dem Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch im Grundsatz zu. Dazu führt es aus, dass die Auskunft vollständig und so konkret und detailliert sein muss, dass sich der Betroffene ein Bild davon machen kann welche Datenverarbeitungen zu welchen Zwecken erfolgen.

Der Arbeitgeber hat in der erteilten Auskunft pauschal erklärt, dass die Datenverarbeitung zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, namentlich zu dessen Abwicklung und Beendigung, zur Erfüllung bestehender rechtlicher Verpflichtungen und zur Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 26 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 lit. b, c und f DSGVO erfolge. Diese Auskunft stelle keine konkrete und detaillierte Zwecksetzungen dar, so das Gericht. Verstärkt werde dies dadurch, dass der Arbeitgeber auf einen Anhang verwiesen hatte. Die Bezugnahme auf einen Anhang, erst recht wenn er Hunderte Seiten umfasst, ersetze keine Mitteilung in Form und Sprache gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 DSGVO.

Besonders interessant sind die Ausführungen zum weiteren Klagebegehren des Arbeitnehmers – der Herausgabe einer Datenkopie. Das AG Düsseldorf folgert aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 8 Abs. 2 S. 1 GRCh und Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO, der für die gesamte Datenverarbeitung gelte, dass dem Verantwortlichen per se kein unverhältnismäßiger Aufwand abverlangt werden könne. Der Aufwand, nach personenbezogenen Daten des Klägers in sämtlichen Servern, Datenbanken, Web-Anwendungen, E-Mail-Postfächern, Verzeichnisstrukturen, Speichermedien, Smartphones, Notebooks und diversen anderen Endgeräten der Beklagten nebst aller Vorgesetzten und Kollegen des Klägers zu suchen, um sie in Kopie herausgeben zu können, stehe in grobem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Arbeitnehmers.

Immer öfter beschäftigen sich Gerichte mit der Frage, wie weit der Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO geht. Wir berichteten bereits über ein Urteil des LG Heidelberg. Hier wies das Gericht ein Auskunftsbegehren mit der Begründung ab, dass die Wiederherstellung und Aufbereitung der Daten aus einem Backup in dem konkreten Fall einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellten. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftige Rechtsprechung auf dieser Linie bleibt.

Bußgeld in Höhe von 1000 Euro für Direktwerbung

29. Juni 2020

Die belgische Datenschutzbehörde hat eine Geldbuße in Höhe von 1.000 EUR gegen eine Vereinigung verhängt, die auf der Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses E-Mails mit werblichen Inhalten an ehemalige Spender für ihre Spendenaktion versandt hat.

Die betroffene Person erhielt von der beschuldigten Vereinigung mehrfach E-Mails mit werblichen Inhalten. Sie machte von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch und verlangte auch die Löschung ihrer Daten. Nachdem die Vereinigung nicht reagierte und weiterhin E-Mails mit Werbung an die betroffene Person versandte, beschwerte sie sich bei der belgischen Datenschutzaufsichtsbehörde.

Zunächst stellt die Aufsichtsbehörde fest, dass die Vereinigung dem Löschersuchen und dem Widerspruchsrecht der betroffenen Person nicht nachgekommen ist. Außerdem vertrat die Behörde die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Vereinigung ihr berechtigtes Interesse nicht wirksam als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung geltend machen könne, da sie die Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht erfüllt habe. Konkret stellte die Aufsichtsbehörde fest, dass bezweifelt wird, ob die betroffene Person vernünftigerweise erwarten kann, dass ihre Daten noch Jahre nach der Datenerhebung für Direktmarketingzwecke verarbeitet werden.

Die Aufsichtsbehörde entschied, dass die Vereinigung hierdurch gegen die Artikel 6 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1, c) und d), Art. 21 Abs. 3 und 4 der Datenschutzgrundverordnung verstoßen habe.

Bay LDA veröffentlicht “Best-Practice” Checkliste für Home-Office

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (Bay LDA) hat auf seiner Website eine Checkliste zur selbstständigen Prüfung datenschutzrechtlicher Konformität der Home-Office Regelungen in Unternehmen veröffentlicht.

So habe die Corona-Pandemie viele Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler mit der Frage konfrontiert, wie die Arbeitsfähigkeit bei gleichzeitiger Infektionsprävention realisiert werden könne. Insoweit seien viele Home-Office Plätze geschaffen worden.

Die ausgegebene Handreichung solle einen Überblick über die wichtigsten Praxismaßnahmen im Homeoffice entsprechend den geltenden gesetzlichen Datenschutzvorgaben geben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die aufgeführten Aspekte nicht abschließend seien. Vielmehr entsprächen sie einem Best-Practice-Ansatz, wenngleich nicht zugleich nicht immer alle Punkte notwendig seien. Insoweit sei eine kurze kritische Prüfung des Grundes samt kurzer Dokumentation anzuraten.

Bundesdatenschutzbeauftragter lobt Corona-App, warnt aber auch

17. Juni 2020

Die geplante Corona-Tracing-App ist nach langer Entwicklungszeit und umfangreichen Diskussionen (wir berichteten) am gestrigen Dienstag (16.06.2020) für die Nutzung freigegeben worden. Nachdem sich der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, bereits vor einigen Tagen zufrieden mit der gefundenen Lösung zeigte und die App aus Sicht des Datenschutzes als “solide” bezeichnete, hat seine Behörde (BfDI) in einer Pressemitteilung nun ausführlicher Stellung bezogen.

Lob für Transparenz

Insgesamt sieht Kelber keine Gründe, die aus datenschutzrechtlicher Sicht gegen die Installation sprechen. Dabei sei insbesondere entscheidend, dass sowohl der Quellcode der App als auch die durchgeführte Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DS-GVO (durch welche potentielle Gefahren für die Rechte und Freiheiten der Nutzer ermittelt und mögliche Abhilfemaßnahmen festgelegt werden sollen) für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. “Je transparenter das gesamte Projekt ist, umso mehr Vertrauen werden die Bürgerinnen und Bürger haben”, so Kelber.

Kritik an TAN-Verfahren

Trotz dieser ingesamt positiven Bewertung sieht der Bundesdatenschutzbeauftragte jedoch auch noch “Schwachstellen”, die von den zuständigen Behörden und Unternehmen angegangen werden müssten. Darunter falle insbesondere die Telefonhotline, durch welche der Nutzer eine TAN-Nummer erhält. Mittels dieser Nummer kann der Nutzer dann ein positives Testergebnis über die App melden. Durch diese zusätzliche Sicherheitsmaßnahme soll ein Missbrauch der App durch Meldung falscher Ergebnisse erschwert werden. Kelber sieht diese Lösung jedoch kritisch, weil so eben keine vollständig anonymisierte Nutzung der App möglich sei. Immerhin habe seine Behörde abwenden können, dass eine unangemessene Speicherung personenbezogener Daten aller Anrufer der Hotline stattfindet. Die zuständigen Behörden und Unternehmen müssten nun aber schnellstmöglich daran arbeiten, dass eine vollständig automatisierte Nutzung der App ermöglicht wird. Als zuständige Aufsichtsbehörde werde der BfDI dies überwachen und “alle Möglichkeiten der Datenschutz-Grundverordnung” heranziehen, im Falle von auftretenden Mängeln somit auch entsprechend einschreiten.

Warnung an Dritte vor Einsichtnahmeversuchen

Schließlich spricht der Bundesdatenschutzbeauftragte in der Pressemitteilung noch eine Warnung an alle Personen, Unternehmen und Einrichtungen aus, die auf die Idee kommen könnten, sich durch Einsicht in die Corona App – und somit in die darin gespeicherten personenbezogenen Daten – darüber zu informieren, ob für die betroffene Person ein positives Testergebnis vorliegt oder nicht. Dabei handle es sich um eine Grenze, die nicht überschritten werden dürfe. Wörtlich sagte Kelber: “Es ist in keinem Fall zulässig, dass Dritte Einblick in die App fordern. Ich kann die Inhaber von Geschäften oder öffentlichen Verkehrsmitteln nur dringend warnen: Versucht es erst gar nicht!”

LfDI BW verwarnt Wirtschaftsauskunftei

9. Juni 2020

Neben den vielfach genutzten und in der öffentlichen Berichterstattung präsenten Geldbußen, enthält die DSGVO noch weitere Sanktionsmöglichkeiten. Dazu gehört unter anderem die Verwarnung des Verantwortlichen gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. b) DSGVO.

Die Verwarnung wird als “Gelbe Karte” angesehen. Sie soll den Verantwortlichen darauf aufmerksam machen, dass er durch eine spezielle Datenverarbeitung gegen die Voraussetzungen der DSGVO verstoßen hat. Gemäß Erwägungsgrund 148 S. 1 und 2 zur DSGVO soll die Verwarnung “anstelle einer Geldbuße” verhängt werden. Damit hat sie also, genau wie die Geldbuße, repressiven Charakter und knüpft an einen Verstoß an. Dieser Verstoß wird von der Aufsichtsbehörde aber nicht als so gravierend angesehen, dass eine Geldbuße angezeigt wäre.

Im vorliegenden Fall hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden Württemberg (LfDI BW), Stefan Brink, eine gebührenpflichtige Verwarnung gegen eine Wirtschaftsauskunftei ausgesprochen. Die Höhe der Gebühr wurde nicht veröffentlicht.

Grundlage für die Verwarnung war die Bildung des sogenannten “Scorewertes”. Der Scorewert wird von Kreditgebern herangezogen, um die Kreditwürdigkeit eines potentiellen Kreditnehmers zu beurteilen. Der Stein des Anstoßes und damit Grundlage für den Ausspruch der Verwarnung ist, dass die Auskunfteien, sofern sie keine Daten über den potentiellen Kreditnehmer finden, diesen automatisch als weniger kreditwürdig eingestufen. Dies hat Auswirkungen auf die Höhe des Kreditrahmens. In der Konsequenz kann dies dazu führen, dass Unternehmen oder Privatpersonen einen geringeren oder auch keinen Kredit bekommen. Darüberhinaus könnte der Eindruck entstehen, dass die niedrige Kreditwürdigkeit darauf beruht, dass es in der Vergangenheit zu Zahlungsrückständen kam, führt der LfDI BW aus.

Der LfDI BW Brink stellt zudem klar, dass “eine Bewertung der Kreditwürdigkeit nur rechtmäßig ist, wenn diese Bewertung auf einer ausreichenden und zutreffenden Tatsachengrundlage beruht.”

Aufgrund mangelnder Transparenz hinsichtlich der Bildung des Scorewerts waren Auskunfteien schon häufiger in der Kritik. Unter anderem die Schufa musste diesbezüglich in der Vergangenheit bereits Kritik einstecken.

Mitarbeiterüberwachung: Prüfverfahren gegen Zalando wegen möglicher Datenschutzverstöße eingeleitet

5. Juni 2020

Die Berliner Beauftrage für Datenschutz und Informationsfreiheit, Maja Smoltczyk, prüft ob der Online-Modehändler gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen hat. Dies bestätigte die Aufsichtsbehörde gegenüber Golem.de und verifizierte damit einen Bericht von Business Insider.

Anlass ist der Einsatz der Softwaresysteme “Zalos” und “Zafeto” von Zalando, welche über sogenannte MDs (Mobile Datenspeicher) die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter in den Logistikzentren steuern. Die Geräte teilen den Mitarbeiter die Aufträge zu, einen bestimmten Artikel aus dem Lager zu entnehmen. Dabei werden über das System die Standzeiten ebenso erfasst wie die Menge und Schnelligkeit der erledigten Aufträge (Picks). Die Ergebnisse werden den Mitarbeitern dann in wiederkehrenden Feedbackgesprächen präsentiert. Das Unternehmen nutzt die Systeme nach eigenen Angaben um ihre Arbeitsabläufe zu optimieren.

“sehr überwachungsintensiv”

Die Software erscheine auf den ersten Blick “sehr überwachungsintensiv”, sagte eine Sprecherin der Behörde gegenüber Business Insider. „Es wirkt so, als sei die Kontrolle sehr engmaschig, die Zalando über die beiden Systeme Zalos und Zafeto über seine Mitarbeiter hat. Jetzt wird geprüft, ob das mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar ist.“

Die Berliner Datenschutzbeauftragte prüft außerdem das von Zalando eingesetzte Feedback-Tool „Zonar“, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hat.

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