Kategorie: DSGVO

BGH: Löschen von Suchergebnissen

24. Juli 2023

Mitte Mai setzt sich der Bundesgerichtshof (BGH), in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung (Az. VI ZR 476/18) mit der Frage auseinander, wann ein Anspruch auf Löschung von Sucherergebnisse bei einer Suchmaschine bestehen. Insbesondere wenn eine entsprechenden Suche negative Ergebnisse anzeigt, kann die betroffene Person ein Interesse auf Löschung der Ergebnisse haben.

Die Hintergründe

Der Kläger ist als Leitungsorgan verschiedener Unternehmen tätig, die zusammen eine Gesellschaftsgruppe bilden. Über die in Anspruch genommene Suchmaschine ließen sich verschiedene Berichte über die einzelnen Gesellschaften der Gruppe sowie über den Kläger in seinen unternehmensinternen Funktionen selbst, finden. Zu großen Teilen handelte es sich dabei um Artikel, die negativ über die Geschäftspraktiken der Gesellschaften berichteten.

Der Kläger wandte sich daraufhin an die Suchmaschine, um Unterlassungsansprüche durchzusetzen. Sein Ziel war es, bei einer Suche nach seinem Namen die oben genannten Artikel nicht mehr zu finden sein würden.

Entscheidungsgründe des BGH

Aus Sicht des BGH sei für einen Teil der Suchergebnisse die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bereits sachlich nicht anwendbar. Grund hierfür sei, dass die Suchergebnisse gerade nicht bei der Suche nach dem Namen des Klägers vorgeschlagen würden. Viel mehr müsse ein interessierter Nutzer nach den Namen der Gesellschaften suchen, damit eine Suche die kritischen Artikel zeige. Demnach fehle es an einem Personenbezug.

Ein anderes gelte aber für einen anderen Teil der Suchergebnisse. Diese ließen den Bezug zum Kläger als natürliche Person zu, sodass die DSGVO grundsätzlich anwendbar sei. Dennoch habe der Kläger keinen Anspruch auf eine sog. Auslistung. Demnach könne nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO (Recht auf Vergessen) eine betroffene Person einen Anspruch auf Löschen der Entsprechenden Artikel bei einer Suche geltend machen.

Dieser Anspruch bestehe allerdings nur insofern, dass die im angezeigten Artikel enthaltenen Informationen tatsächlich unwahr seien. Hinsichtlich des konkreten Inhalts der entsprechenden Artikel müsse die betroffene Person nachzuweisen, dass „(…) die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil diese Informationen offensichtlich unrichtig ist“ (BGH, Urteil vom 23.5.23, VI ZR 476/18, Rn. 33). Nur dann könne sie eine Auslistung von der Suchmaschine verlangen.

Für den erforderlichen Nachweis seien insbesondere zwei Umstände von Bedeutung. Einerseits seien keine zu strengen Anforderungen diesen zu stellen. Die konkret erforderlichen Voraussetzungen richteten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Andererseits sei kein Mitwirken der Suchmaschine bei dem Nachweis erforderlich.

Fazit  

Hie habe der Kläger die Unwahrheit gerade nicht nachweisen können. Demnach müsse Art. 17 Abs. 1 DSGVO hinter der Meinungs- und Informationsfreiheit zurücktreten. Das Urteil zeigt vor allem, dass auch bei unerwünschter Berichterstattung die DSGVO möglicherweise Abhilfe schaffen kann.

Fotos im Internet veröffentlichen: Was ist zu beachten?

10. Juli 2023

Unternehmen nutzen die Veröffentlichung von Fotos und Videos im Internet aus verschiedenen Gründen. Datenschutzrechtliche Aspekte werden relevant, sobald Personen auf den Aufnahmen erkennbar sind, beispielsweise in Marketingvideos, bei der Mitarbeitergewinnung oder in Erklärungs- und Anleitungsvideos für Produkte. Diese Veröffentlichungen können sowohl auf Websites als auch über soziale Medien oder in Apps erfolgen.

Einwilligung als Rechtsgrundlage unsicher

Ein häufig gewählter Ansatz zur rechtlichen Absicherung ist die Einholung einer Einwilligung von den abgebildeten Personen. Solange diese Einwilligung freiwillig erfolgt und die betreffenden Personen angemessen über die Art und Weise der Veröffentlichung informiert werden, ist dies rechtlich akzeptabel. Allerdings hat die Verwendung von Einwilligungen als Rechtsgrundlage einen entscheidenden Nachteil: Einwilligungen können jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.

Im Falle eines solchen Widerrufs muss die Veröffentlichung unverzüglich beendet werden. Die betroffene Person muss aus den Aufnahmen entfernt oder unkenntlich gemacht werden. Für Unternehmen kann dies sehr unangenehm sein, insbesondere wenn hohe Produktionskosten für die Aufnahmen angefallen sind oder die Veröffentlichung der Aufnahmen von großer Bedeutung ist.

Datenschutzrechtliche Einordnung

Die Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO dient als rechtliche Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Allerdings ist gemäß Art. 7 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eine solche Einwilligung frei widerruflich. Kommentare zur DSGVO stellen klar, dass Einschränkungen des Widerrufsrechts nicht zulässig sind. Folglich entfällt ab dem Zeitpunkt des Widerrufs die rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung von Aufnahmen der widerrufenden Person. Bis zum Zeitpunkt des Widerrufs bleibt die Verwendung der Aufnahmen rechtmäßig, danach dürfen sie nicht mehr verwendet werden. Argumente wie hohe Produktionskosten, unverhältnismäßige Rechtsfolgen oder sonstige negative Auswirkungen auf das Unternehmen können nicht als Grund für die Aufrechterhaltung der Veröffentlichung angeführt werden.

Vor Inkrafttreten der DSGVO wurde für die Veröffentlichung von Aufnahmen das Kunsturheberrechtsgesetz herangezogen, insbesondere § 22 KunstUrhG, der die Einwilligung regelt. In der Rechtsprechung wurde anerkannt, dass diese Einwilligung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen werden konnte.

Das Verhältnis zwischen dem Kunsturheberrechtsgesetz und der DSGVO ist nach wie vor umstritten. Jedoch kann mit Gewissheit gesagt werden, dass die DSGVO und ihre Bestimmungen zur Einwilligung und ihrem Widerruf Vorrang haben. Das bedeutet, dass nun kein wichtiger Grund mehr für einen Widerruf erforderlich ist, da die DSGVO eine solche Einschränkung nicht vorsieht.

Alternative zur Einwilligung

Unternehmen können die rechtlich ungünstige Situation bei der Verwendung von Fotos oder Videos vermeiden, indem sie mit den betroffenen Personen, wie Mitarbeitenden oder Testimonials, sogenannte Modelverträge abschließen. In diesem Fall dient der Modelvertrag als rechtliche Grundlage für die Verwendung der Aufnahmen (gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO) und nicht eine Einwilligung. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass ein Vertrag nicht einfach widerrufen werden kann, im Gegensatz zu einer Einwilligung. Ein Modelvertrag gibt dem Nutzer der Aufnahmen die Gewissheit, dass es keinen Widerruf geben kann.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass im Modelvertrag den betroffenen Personen eine Gegenleistung für die Einräumung der Verwendungsrechte an den Aufnahmen gewährt wird. Diese Gegenleistung besteht oft in Form einer Geldzahlung. Die Höhe der Gegenleistung sollte in angemessenem Verhältnis zu den eingeräumten Verwendungsrechten stehen, insbesondere bei umfangreichen und weitreichenden Veröffentlichungen sollte die Gegenleistung entsprechend höher ausfallen.

Fazit

Bei Foto- und Videoaufnahmen, bei denen ein Widerruf einer Einwilligung besonders unerwünscht wäre, beispielsweise im Rahmen einer Werbekampagne, sollten Unternehmen besser auf Modelverträge anstelle von Einwilligungen setzen. Fotos von Weihnachtsfeiern, Betriebsausflügen, Firmenläufen oder ähnlichen Veranstaltungen können natürlich weiterhin mit Einwilligung der Personen veröffentlicht werden, beispielsweise im Intranet, da ein Widerruf in der Regel keine größeren Auswirkungen hätte.

Kategorien: DSGVO · Online-Datenschutz
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CNIL: 40 Mil. EUR Bußgeld

4. Juli 2023

Vor rund zwei Wochen veröffentlichte die französische Datenschutzbehörde „Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés“ (CNIL), dass sie eine Geldstrafe in Höhe von 40 Mil. EUR verhängt habe. Adressat der Strafe sei „Criteo“, ein Unternehmen, dass Softwarelösungen für Werbeanzeigen im Bereich des Online-Marketings anbiete.

Hintergründe

Der Grund für das Bußgeld sei gewesen, dass Criteo nicht überprüft habe, ob Personen, deren Daten es verarbeitet habe, eine Einwilligung erteilt hätten. Anlass für die Untersuchungen der Behörde bei Criteo seien Beschwerden der Organisationen Privacy International und „None of your business“ gewesen,

Das Unternehmen Criteo habe sich auf das sog. „Retargeting“ spezialisiert. Dies sei eine bestimmte Methode des Online-Marketings. Auf Webseiten von Partnern setzt Criteo eigene Cookies ein. Diese könnten Navigationsdaten der Nutzers tracken. Über die gesammelten Daten ließen sich anschließend personalisierte Werbeanzeigen schalten. Insbesondere könne dem Nutzer Werbeanzeigen zu Produkten angezeigt werden, für die er sich wahrscheinlich interessieren würde.

Verstöße

CNIL stellte zunächst fest, dass bei der Verwendung von Cookies zu Werbezwecke eine Einwilligung der betroffenen Person eingeholt werden müsse. Wenn ein Unternehmen auf seiner Webseite die Cookies von Criteo einsetze, müsse es eine solche Einwilligung einholen. Criteo müsse sicherstellen, dass die entsprechenden Unternehmen diese Einwilligung tatsächlich einholten und dies dokumentieren. Die Pflicht zur Einholung einer Einwilligung sei allerdings nie Vertragsbestandteil im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zu Criteo. Damit verstoße das Marketingunternehmen gegen die Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO).

Außerdem verstoße Criteo gegen seine Informationspflichten. Das Unternehmen informiere nicht vollständig über die Zwecke der Datenverarbeitungsvorgänge.

Zusätzlich hätten betroffene Person nicht hinreichend Gebrauch von ihrem Recht auf Widerruf der Einwilligung und Löschung personenbezogener Daten nach Art. 7 Abs. 3 und Art. 17 Abs. 1 DSGVO machen können. Den betroffenen Person seien lediglich keine Werbeanzeigen mehr gezeigt worden. Allerdings habe das Unternehmen Kennungsdaten der Nutzer weiter behalten.

Abschließend stellte die CNIL fest, dass Criteo mit seinen Geschäftspartnern keine Vereinbarung über eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO abgeschlossen habe.

Bußgeld

Die CNIL bewertete bei der Bestimmungen der Höhe des Bußgeldes negativ, dass das Unternehmen über die Daten einer sehr großen Personenanzahl verfüge. Außerdem sei, laut CNIL negativ in die Bewertung mit eingeflossen, dass das Unternehmen sich ausschließlich darauf spezialisiert habe, für eine bestimmte Zielgruppe relevante Werbung anzuzeigen. Demnach sei es das Geschäftsmodell des Unternehmens gerade personenbezogene Daten zu sammeln und zu verarbeiten.

Fazit

Alle angesprochenen Kritikpunkte konnte Criteo nach den Untersuchungen der CNIL einstellen. Dabei ist auffällig, dass das Thema Cookies weiterhin Grund für Datenschutzverstöße ist (hier berichten wir über weitere Cookie-Verstöße).

EuGH entscheidet über Auskunftsanspruch

3. Juli 2023

Vergangene Woche entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens (Az. C-579/21) über die Reichweite des Auskunftsanspruchs. Nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) habe die betroffene Person auch das Recht zu erfahren, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen die Mitarbeiter eines Verantwortlichen ihre personenbezogenen Daten abfragten.

Sachverhalt

Das Verfahren findet seinen Ursprung bei einem Bankmitarbeiter. Dieser hatte, neben der arbeitsvertraglichen Beziehung auch ein Konto bei der betroffenen Bank. Er erfuhr, dass andere Mitarbeiter der Bank seine Kundendaten mehrmals abgefragt hatten. Daraufhin wollte die betroffene Person wissen, welcher Mitarbeiter seine Kundendaten abgefragt hatten.

Das vorlegende Gericht wollte nun vom EuGH wissen, ob Art. 15 DSGVO den Zugang zu Informationen darüber umfasse, wer die personenbezogenen Daten der betroffenen Person wann und zu welchem Zweck verarbeitet habe.

Weiter Umfang des Art. 15 DSGVO

Ausgangspunkt der Entscheidung über diese Vorlagefrage ist Art. 4 Abs. 1 DSGVO. Die Norm definiert „personenbezogene Daten“ als „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen (…)“. Laut des Gerichtshofs habe der Unionsgesetzgeber im Rahmen seiner Definition „personenbezogenen Daten“ eine weite Bedeutung beimessen wollen. Demnach umfasse das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO die weite Vielfalt aller Informationen, die ein Verantwortlicher verarbeiten könne. Das Ziel des Auskunftsrechts sei es dabei eine faire und transparente Verarbeitung zu gewährleisten. Die betroffene Person solle sich über den Verarbeitungsvorgang als solchen informieren können. Das Informationsrecht umfasse auch solche Informationen, die notwendig seien, um die transparente Verarbeitung zu gewährleisten.

Der EuGH stellte klar, dass zu den notwendigen Informationen auch der Zeitpunkt der Verarbeitung zähle. Zusätzlich sei es ggf. erforderlich, dass ein Verantwortlicher der betroffenen Personen auch Auszüge aus Dokumenten oder Datenbanken zur Verfügung stelle. Damit könne die betroffene Person auch Informationen über den Kontext der Verarbeitung erhalten, die möglicherwiese erforderlich seien, um die Datenverarbeitung richtig einordnen zu können.

Demnach könne sich aus den zur Verfügung gestellten Dokumenten bereits ergeben, wann und in welchem Umfang Mitarbeiter personenbezogene Daten abfragen würden.

Einschränkungen

Es sei aber wichtig zu erkennen, dass Mitarbeiter eines Verantwortlichen keine Empfänger im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO seien. Nur auf letztere beziehe sich das Auskunftsrecht einer betroffenen Person. Mitarbeiter dürften personenbezogene Daten nach Art. 29 DSGO gerade nur auf Weisung des Verantworltichen verarbeiten.

Welcher Mitarbeiter konkret personenbezogene Daten verarbeite, sei eine Frage, die nur beantwortet werde könne, wenn die Rechte Anderer nicht beeinträchtigt würden. Einerseits könne die Information über den konkreten Mitarbeiter die Transparenz fördern. Andererseits seien die Rechte und Freiheiten der Mitarbeiter zu beachten. Demnach könne die betroffene Person in der Regel nach Art. 15 DSGVO keine Informationen zur Identität eines Mitarbeiters erhalten, der personenbezogene Daten auf Weisung des Verantwortlichen verarbeite.

Fazit

Mit seiner Entscheidung nuanciert der EuGH das Auskunftsrecht der DSGVO und zeigt auf, dass auch die DSGVO keine Gesetzestext ist, der hierarchisch an erster Stelle steht.

Neue Leitlinien zur Bußgeld-Berechnung

19. Juni 2023

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) veröffentlichte vor kurzem überarbeitete Leitlinien zur Berechnung von Bußgeldern (Guidelines 04/2022). Danach legte die EDSA ein fünfstufiges System zur Berechnung von Bußgeldern fest.

Schwere des Verstoßes bestimmt Bußgeld

Nach Art. 83 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sollen Bußgelder wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Demzufolge seien die Bußgelder unter anderem anhand der Schwere des Verstoßes zu bemessen. Den Schweregrad eines Verstoßes teilte die EDSA aufgrund ihrer Auswirkungen in drei Niveaus ein, niedrig, mittel und schwer. Zu Verstößen mit einem niedrigen Schweregrad zählt zum Beispiel die Überschreitung der nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO vorgesehenen Monatsfrist zur Beantwortung von Betroffenenanfragen. Zu einem Verstoß auf mittlerem Niveau zählten beispielsweise fehlende Sicherheitsvorkehrungen vor dem unautorisierten Zugriff auf Gesundheitsdaten. Dies sei der Fall, wenn in einem Unternehmen, die Mitarbeitenden Gesundheitsdaten von Kunden einzusehen könnten, ohne eine Autorisierung für diesen Zugriff zu haben. Auf der letzten Ebene des schwerwiegendsten Grades eines Verstoßes stünden beispielsweise ungefragte Telefonanrufe. So bei Anrufen eines Unternehmens bei seinen Kunden zu Werbezwecken, ohne dass eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung bestehe. Die Schwere des Verstoßes diene als Richtwert für das zu verhängende Bußgeld.

Zusätzlich sei der Verstoß seiner Art nach, zu kategorisieren und der Umsatz des Unternehmens bei der Berechnung zu beachten.

Fazit

Nachdem der EDSA die neuen Leitlinien nach der öffentlichen Konsultation angenommen hatten, veröffentlichte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) eine Pressemitteilung. Darin sagte er, dass es mit den neuen Leitlinien erstmals „eine Vereinheitlichung der Bußgeldpraxis von Datenschutzbehörden in unterschiedlichen Mitgliedstaaten“ gebe.

Es bleibt folglich zu beachten, dass sich die Leitlinien an Aufsichtsbehörden richten. Demnach sollten Verantwortliche mögliche Bußgelder nicht im Vorfeld kalkulieren, sondern versuchen Verstöße gegen die DSGVO zu verhindern.

EuGH: Verstoß gegen Art. 26 und 30 DSGVO unrechtmäßige Verarbeitung?

8. Mai 2023

Vergangene Woche traf der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Entscheidungen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, die die Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) betrafen (Urteil immaterieller Schadensersatz bei DSGVO-Verstößen- wir berichteten -).

Unter anderem entschied der EuGH (Rs. Az. C-60/22) über die Frage, ob ein unrechtmäßige Datenverarbeitung iSd Art. 17 Abs. 1 lit. d und Art. 18 Abs. 1 lit. b DSGVO vorliege, soweit ein Verantwortlicher seiner Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO nicht nachkomme. Dabei sei der Rechenschaftspflicht unzureichend nachgekommen worden, aufgrund einer fehlenden Vereinbarung über die gemeinsame Verantwortlichkeit (Art. 26 DSGVO) und einem unvollständigen Verzeichnis für Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 DSGVO).

Die Hintergründe

Dem Ausgangsverfahren lag der Antrag des Klägers auf internationalen Schutz beim zuständigen Bundesamt zu Grunde. Seine Entscheidung traf das Bundesamt unter Verwendung einer elektronischen Akten. Anschließend klagte der Betroffene vor dem Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung auf internationalen Schutz. Im Rahmen des Prozesse übermittelte das Bundesamt dem Verwaltungsgericht die elektronische Akte des betroffenen Klägers, sodass Bundesamt und Verwaltungsgericht gemeinsam verantwortlich nach Art. 26 DSGVO waren. Aus Sicht des Klägers verstieß das Verwaltungsgericht gegen seine Rechenschaftspflicht aus der DSGVO, indem es weder einen Vertrag über die gemeinsame Verantwortlichkeit vorlegen konnte noch die Übermittlung in das Verzeichnis für Verarbeitungstätigkeiten aufgenommen hatte.

Keine unrechtmäßige Verarbeitung

Der EuGH äußerte sich dazu, ob die fehlende Vereinbarung über eine gemeinsame Verantwortlichkeit und das lückenhaft Verzeichnis für Verarbeitungstätigkeiten eine unrechtmäßige Verarbeitung iSd DSGVO sei. Danach richte sich, ob die betroffene Person ein Recht auf Löschung der verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 17 Abs. 1 lit. d und ein Recht auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 lit. b DSGVO habe.

Dazu führte der Gerichtshof erstens aus, dass ein Verantwortlicher nach Art. 5 Abs. 1 und 2 DSGVO sicherstellen müsse, dass die Datenverarbeitung rechtmäßig sei. Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung regele die DSGVO nach Art. 6. Demnach müsse eine der nach Abs. 1 lit. a bis f DSGVO alternativ aufgeführten Bedingungen erfüllt sein. Die nach Art. 26 und 30 DSGVO vorgesehenen Pflichten seien aber „(…) nicht zu den in nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 genannten Gründen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung [zu] zählen.“ (EuGH, Urteil vom 4.5.2023, C-60/22 Rn. 59) Die Pflichten nach Art. 26 und 30 DSGVO seien nicht dafür gedacht die Anforderungen an eine rechtmäßige Verarbeitung iSd nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO genauer zu bestimmen.

Zweitens führte das Gerichts aus, dass die Rechtmäßigkeit zu den Grundsätzen der Datenverarbeitung zähle. Stattdessen seien die Vereinbarung über die gemeinsame Verantwortlichkeit und das Verzeichnis über Verarbeitungstätigkeiten allgemeine Pflichten des Verantwortlichen.

Außerdem führte der Gerichtshof drittens aus, dass bei einem Verstoß gegen Art. 26 und 30 DSGVO noch keine Verletzung des Grundrechts auf den Schutz personenbezogener Daten vorliege.

Fazit

Abschließend stellte der Gerichtshof fest, dass der Verstoß gegen Art. 26 und 30 DSGVO keine unrechtmäßige Verarbeitung nach Art. 17 Abs. I lit. d und Art. 18 Abs. 1 lit. b DSGVO sei. Da das Urteil erst vor kurzem erschienen ist, bleiben Reaktionen der Aufsichtsbehörden noch abzuwarten.

Vorzeitiges Löschen von personenbezogenen Daten als Verantwortlicher möglich?

Wenn man sich mit dem Thema Datenschutz auseinandersetzt, kommt man irgendwann auf die Frage, wann bestimmte Daten gelöscht werden müssen. Es ist allgemein bekannt, dass die langfristige Aufbewahrung von personenbezogenen Daten Konsequenzen haben kann. Aber ist es auch möglich, dass eine vorzeitige Löschung die Rechte der betroffenen Person verletzt?

Alte Dokumenten vor Nachfrage gelöscht

Ein Bankkunde wandte sich an die Aufsichtsbehörde, nachdem er von der Bank keinen Nachweis über eine vorübergehende Kontovollmacht erhalten hatte. Die Bank hatte die entsprechenden Unterlagen aufgrund von Aufbewahrungsfristen gelöscht. Der Kunde beschwerte sich darüber, dass die Bank ihre Aufbewahrungspflichten verletzt hatte, indem sie den Vollmachtsnachweis gelöscht hatte. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg beschäftigte sich mit diesem Fall und berichtet darüber in seinem Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2022 (S. 95).

Rechtsgrundlagen für vorzeitiges Löschen?

Gemäß Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kann auch eine Bank dazu verpflichtet sein, personenbezogene Daten zu löschen, wenn dies von der betroffenen Person verlangt wird. Das Recht auf Löschung muss jedoch auch unter Berücksichtigung von Art. 17  Abs. 3 DSGVO betrachtet werden, der besagt, dass das Recht auf Löschung nicht besteht, wenn die Verarbeitung der Daten aus anderen, wichtigeren Gründen erforderlich ist, wie z. B.

• zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information
• zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung
• aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit
• für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke
• zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.

Banken sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Daten für einen bestimmten Zeitraum gemäß § 257 des Handelsgesetzbuchs und § 147 der Abgabenordnung aufzubewahren. Solange diese Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind, darf die Bank die Daten nicht freiwillig löschen.

Berechtigtes Interesse des Verantwortlichen

Falls die Bank nicht gemäß Art. 17 DSGVO verpflichtet ist, personenbezogene Daten zu löschen, kann sie möglicherweise gemäß Artikel 6 Abs. 1 lit. f DSGVO eine (freiwillige) Löschung in Betracht ziehen. Gemäß dieser Bestimmung ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur dann rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist, um die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten zu wahren und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen.

Um die Daten vorzeitig löschen zu können, müsste die Bank ein berechtigtes Interesse an der Löschung haben. Allerdings besteht ein solches Interesse nicht, wenn die Unterlagen aufbewahrungspflichtig sind und die Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind.

Im konkreten Fall kam der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg zu dem Schluss, dass sowohl die Über- als auch die Unterschreitung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen gegen die DSGVO verstoßen hat. Er überlegte daraufhin, ob dieser Verstoß im Rahmen einer Betroffenenbeschwerde gemäß Art. 77 Abs. 1 DSGVO angegriffen werden kann. Denn der Anwendungsbereich dieser Bestimmung wird durch EG 141 Satz 1 Var. 1 dahingehend eingeschränkt, dass der Betroffene in seinen Rechten aus der DSGVO verletzt sein muss.

Kann zu frühes Löschen eine Rechtsverletzung sein?

Um beurteilen zu können, ob eine vorzeitige Löschung von Daten eine Verletzung der Rechte des Betroffenen darstellt, muss man zunächst den Schutzzweck der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen betrachten. Diese Bestimmungen dienen in erster Linie dem Schutz der ordnungsgemäßen Buchführung, die als grundlegende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Wirtschaftsführung gilt. Die Buchführungspflicht gemäß § 238 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet die Bank als Kaufmann im handelsrechtlichen Sinn dazu, Bücher zu führen und ihre Handelsgeschäfte sowie die Lage ihres Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung darzustellen. Ziel ist dabei der Schutz des Wirtschaftsverkehrs. Darüber hinaus soll die Aufbewahrung von Unterlagen nach der Abgabenordnung eine ordnungsgemäße Besteuerung sicherstellen. Die Aufbewahrungspflichten dienen jedoch nicht den möglichen Beweisführungsinteressen der Bankkunden. Daher ist eine vorzeitige Löschung von Daten in diesem Zusammenhang keine Verletzung der Datenschutzrechte der betroffenen Person.

Nach Ablauf der Aufbewahrungspflichten

Der Datenschutz-Beauftragte von Baden-Württemberg stellt fest, dass eine betroffene Person nur bei einer Überschreitung von handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten eine Beschwerdebefugnis hat, nicht jedoch bei deren Unterschreitung. Obwohl dies für die betroffene Person unzufriedenstellend ist, zeigt der Fall, dass Verantwortliche für die Datenverarbeitung sich über den Sinn und Zweck von geltenden Pflichten und Fristen Gedanken machen sollten. Es stellt sich die Frage, wie im Unternehmen verfahren werden soll, wenn Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind oder eine betroffene Person die Löschung ihrer Unterlagen verlangt. Dazu müssen Fragen wie der Löschprozess, die Art der Datenlöschung (Vernichtung oder Anonymisierung), und die Überwachung und Verantwortung geklärt werden. Eine mögliche Lösung ist die Dokumentation in einem Löschkonzept, das als Leitfaden für die Umsetzung im Unternehmen dient.

 

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EuGH-Urteil zum immateriellen Schadensersatz bei DSGVO-Verstößen

4. Mai 2023

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am 04.05.2023 über eine wichtige Grundsatzfrage zum Schadensersatzanspruch (Rechtssache C-300/21). Dabei ging es insbesondere um die Frage, unter welchen Umständen es bei Verstößen gegen den Datenschutz zu Schadensersatzforderungen kommen kann.

Vorgeschichte

Im Jahr 2017 hatte die Österreichische Post begonnen, Informationen über die politischen Präferenzen der österreichischen Bevölkerung zu sammeln. Mithilfe eines Algorithmus wurden aus verschiedenen sozialen und demografischen Merkmalen “Zielgruppenadressen” definiert, die dann an verschiedene Organisationen verkauft wurden, um ihnen gezielte Werbung zu ermöglichen. Dabei wurden Kundendaten wie Name, Geschlecht und Alter mit verschiedenen Wahl-Statistiken kombiniert, um herauszufinden, welcher politischen Partei ihre Kunden nahestanden. Mehr als zwei Millionen Österreicher waren von diesem Vorfall betroffen.

Der Kläger, der nicht der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zugestimmt hatte, fühlte sich beleidigt, als die Österreichische Post aufgrund ihrer Datenverarbeitung eine hohe Affinität zu einer bestimmten politischen Partei bei ihm feststellte. Er reichte Klage gegen die Österreichische Post ein, um die Verarbeitung seiner Daten zu stoppen und eine Entschädigung für den immateriellen Schaden zu erhalten, den er erlitten hatte. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gab ihm in Bezug auf die Verarbeitung seiner Daten Recht, lehnte jedoch sein Schadenersatzbegehren ab.

Das Oberlandesgericht Wien bestätigte das erstinstanzliche Urteil und verwies auf die Vorschriften der DSGVO in Bezug auf die zivilrechtliche Haftung. Es stellte fest, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten nicht automatisch zu einem immateriellen Schaden führe und nur dann einen Schadenersatzanspruch begründete, wenn ein solcher Schaden eine “Erheblichkeitsschwelle” erreiche. In diesem Fall sah das Gericht keine Erheblichkeitsschwelle überschritten.

Vorlage an den EuGH

Der Oberste Gerichtshof Österreichs bestätigte die Entscheidung des Landesgerichts in Bezug auf die Unterlassungsverpflichtung der Österreichischen Post, gab jedoch dem Schadenersatzbegehren des Klägers vorerst nicht statt. Das Verfahren wurde ausgesetzt und der Gerichtshof bat nun den EuGH um Klärung der folgenden Fragen:

  • Erfordert der Zuspruch von Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO neben einer Verletzung von Bestimmungen der DSGVO auch, dass der Kläger einen Schaden erlitten hat oder reicht bereits die Verletzung von Bestimmungen der DSGVO als solche für die Zuerkennung von Schadenersatz aus?
  • Bestehen für die Bemessung des Schadenersatzes neben den Grundsätzen der Effektivität und Äquivalenz weitere Vorgaben des Unionsrechts?
  • Ist die Auffassung mit dem Unionsrecht vereinbar, dass Voraussetzung für den Zuspruch immateriellen Schadens ist, dass eine Konsequenz oder Folge der Rechtsverletzung von zumindest einigem Gewicht vorliegt, die über den durch die Rechtsverletzung hervorgerufenen Ärger hinausgeht?

Schadenersatzanspruch setzt Verstoß, Schaden und Kausalzusammenhang voraus

Der EuGH stellte klar, dass die Begriffe der DSGVO für die Anwendung der Verordnung als autonome Begriffe des Unionsrechts anzusehen seien, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind. Der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zeige, dass das Vorliegen eines Schadens eine der Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch sei, zusammen mit einem Verstoß gegen die DSGVO und einem Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Eine Auslegung, dass jeder Verstoß gegen die DSGVO automatisch den Schadenersatzanspruch eröffnet, würde dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO widersprechen. Dies werde auch durch den Zusammenhang bestätigt, in den sich diese Bestimmung einfüge, sowie durch die Erläuterungen in den Erwägungsgründen 75, 85 und 146 der DSGVO.

Modalitäten müssen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz entsprechen

Das Urteil kommt zu dem Ergebnis, dass es mangels einschlägiger Unionsregeln nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats sei, die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe, die zum Schutz der Rechte der Bürger bestimmt sind, festzulegen. Dies setze allerdings voraus, dass diese Modalitäten bei unter das Unionsrecht fallenden Sachverhalten nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz). Darüber hinaus dürften sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Es sei somit Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die im österreichischen Recht vorgesehenen Modalitäten für die gerichtliche Festsetzung des Schadenersatzes, der aufgrund des in Art. 82 DSGVO verankerten Schadenersatzanspruchs geschuldet werde, die Ausübung der durch das Unionsrecht und insbesondere durch diese Verordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Im Übrigen sei eine auf Artikel DSGVO gestützte finanzielle Entschädigung als „vollständig und wirksam“ anzusehen, wenn sie es ermögliche, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen.

Keine Erheblichkeitsschwelle für immaterielle Schäden 

Das Gericht bejaht die Frage, ob nationale Regelungen oder Praktiken, die den Ersatz eines immateriellen Schadens von einer bestimmten Erheblichkeit abhängig machen, mit Art. 82 Abs. 1 DSGVO unvereinbar sind. Die DSGVO definiere den Begriff “Schaden” nicht und lege keine Erheblichkeitsschwelle fest. Die Definition des Begriffs “Schaden” sollte den Zielen der DSGVO in vollem Umfang entsprechen. Eine Erheblichkeitsschwelle würde die Kohärenz der DSGVO beeinträchtigen, da sie je nach Beurteilung durch die Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen könnte. Allerdings sei eine betroffene Person weiterhin verpflichtet, nachzuweisen, dass sie einen immateriellen Schaden erlitten habe.

Fazit

Das Urteil aus Luxemburg hat mehrere wichtige Aspekte der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beleuchtet. Zunächst betont das Gericht, dass das Recht auf Entschädigung gemäß der DSGVO drei kumulative Bedingungen unterliegt: Verstoß gegen die DSGVO, materieller oder immaterieller Schaden infolge dieses Verstoßes und ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Daher führt ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO nicht automatisch zu einem Entschädigungsanspruch. Diese Interpretation entspricht der Formulierung und den Erwägungsgründen der DSGVO.

Zweitens hat das Gericht klargestellt, dass keine Anforderung besteht, dass der erlittene immaterielle Schaden einen bestimmten Schweregrad erreichen muss, um ein Recht auf Entschädigung zu begründen. Dies bedeutet, dass jeder Art von immateriellem Schaden, unabhängig von seiner Schwere, potenziell zu einer Entschädigung führen kann, wenn die anderen beiden Bedingungen erfüllt sind.

Die Entscheidung des Gerichts ist bedeutend, da sie bestätigt, dass das Recht auf Entschädigung für immaterielle Schäden infolge rechtswidriger Datenverarbeitung eine wichtige Sicherung der Datenschutzrechte von Einzelpersonen darstellt. Es erkennt auch die breite Auffassung zum “Schaden” an, die von der EU-Gesetzgebung übernommen wurde, zu der jegliche Art von Schaden gehört, den eine Person erleidet. Das Gericht betonte jedoch auch, dass die DSGVO keine spezifischen Regeln zur Bewertung von Schäden enthält und es den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleibt, den Umfang der in diesem Zusammenhang zu leistenden Entschädigung festzulegen. Solange die Grundsätze der Gleichwertigkeit und Wirksamkeit eingehalten werden, sind die Mitgliedstaaten frei, die detaillierten Regeln für Maßnahmen zur Sicherung der Rechte festzulegen, die Einzelpersonen aus der DSGVO ableiten, und insbesondere die Kriterien zur Bestimmung des Umfangs der in diesem Zusammenhang zu zahlenden Entschädigung.

Insgesamt unterstreicht dieser Gerichtsbeschluss die Bedeutung des Schutzes der Datenschutzrechte von Einzelpersonen und der Gewährleistung wirksamer Abhilfemaßnahmen für jeglichen Schaden, der als Folge rechtswidriger Verarbeitung personenbezogener Daten erlitten wurde. Er hebt auch die Notwendigkeit hervor, dass die Mitgliedstaaten klare und wirksame Mechanismen zur Bestimmung von Entschädigungen in Fällen von immateriellen Schäden infolge von DSGVO-Verstößen schaffen.

Sozialgerichte könne für Schadensersatzklagen wegen Datenpannen zuständig sein

19. April 2023

Ein Bürger hat eine gesetzliche Krankenkasse verklagt, da er der Meinung ist, dass ihm eine Datenauskunft nach Artikel 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu spät erteilt wurde. Er verlangt eine Schadensersatzsumme von 2.000 EUR und reichte im Juni 2021 eine Klage beim Sozialgericht Frankfurt/Main ein. Das Sozialgericht wies die Klage jedoch zurück, da es sich nicht zuständig fühlte. Das Hessische Landessozialgericht bestätigte diese Entscheidung. Schließlich wurde der Fall beim Bundessozialgericht (BSG) landete, welches entschied, dass die Sozialgerichte für Schadensersatzklagen nach Artikel 82 DSGVO zuständig sein können. Das BSG begründete dies damit, dass es sich bei den gespeicherten Daten um Sozialversicherungsdaten handelte und somit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Es wurde klargestellt, dass nicht jede Schadensersatzklage gegen eine Krankenkasse als öffentlich-rechtliche Streitigkeit betrachtet wird. Im Falle eines Datenschutzverstoßes in Bezug auf eine Personalakte eines Mitarbeiters der Krankenkasse müssten beispielsweise Arbeitsgerichte entscheiden.

Regelung über Datenschutzverstößen in § 81b SGB X

Dass die Sozialgerichte zuständig sind, über die Folgen von Datenschutzverstößen zu entscheiden, ist in § 81b SGB X ausdrücklich geregelt:

„Für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Absatz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.“

Bei dem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO handelt es sich – so das BSG – um ein „Recht der betroffenen Person“ gemäß § 81b SGB X. Dieses Recht stehe den Rechten gleich, die in den Art. 12 ff. DSGVO ausdrücklich als „Rechte der betroffenen Person“ bezeichnet werden.

Bis hierhin ist der Argumentationsgang überzeugend. Es bleibt jedoch die Frage offen, ob Art. 82 DSGVO in Fällen, in denen es um Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen geht, als Amtshaftungsanspruch betrachtet werden kann. Gemäß Art. 34 Satz 3 GG sind für solche Ansprüche die ordentlichen Gerichte, also die Zivilgerichte, zuständig. Ein Amtshaftungsanspruch bezieht sich darauf, dass der Staat für einen Schaden haftbar gemacht wird, der einem Bürger durch das Handeln eines Amtsträgers zugefügt wurde. Es scheint auf den ersten Blick durchaus wahrscheinlich zu sein, dass Art. 82 DSGVO einen solchen Schaden abdeckt, da die Haftung gemäß Art. 82 Abs. 3 DSGVO eine “Verantwortlichkeit” erfordert und somit ein Verschulden voraussetzt.

Begründung des BSG

Das BSG meint dennoch (anders als die Vorinstanzen), es handele sich bei Art. 82 DSGVO auch im Bereich des öffentlichen Rechts nicht um einen Amtshaftungsanspruch, sodass Art. 34 Satz 3 GG nicht anwendbar ist. Die Begründung fällt kurz aus (Rn. 24 des Beschlusses):

„Der Schadenersatzanspruch aus Art 82 Abs 1 DSGVO ist schon deshalb kein Amtshaftungsanspruch iS des Art 34 Satz 1 und 3 GG, weil er sich nicht gegen einen Amtswalter richtet und sodann auf den Staat übergeleitet wird, sondern unmittelbar gegen den Verantwortlichen (ausführlich dazu auch BFH vom 28.6.2022 – II B 92/21 – BFHE 275, 571 = BStBl II 2022, 535, RdNr 18, 21). Dies ist hier die beklagte KK. Auf ein etwaiges Fehlverhalten der Amtswalter, die im Dienst des Verantwortlichen stehen, kommt es nicht an. Diese sind prinzipiell keine Verantwortlichen im Sinne der DSGVO (Bieresborn, ZFSH/SGB 2020, 436, 438; Leopold in BeckOGK, § 67 SGB X RdNr 54, Stand: 1.8.2022; Gola in Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl 2022, Art 4 DS-GVO RdNr 63).“

Fazit

Insgesamt dürfte die Entscheidung des BSG somit richtig sein. In Zukunft werden sich nicht nur Zivil-, Arbeits- und Finanzgerichte (siehe auch die Entscheidung des BFH vom 28.6.2022 – Az. II BB 92/21), sondern auch Sozialgerichte mit Schadensersatzansprüchen der Bürger gemäß Art. 82 DSGVO auseinandersetzen müssen.

HBDI prüft Datenverarbeitung von ChatGPT

18. April 2023

Nachdem vor kurzem die italienische Aufsichtsbehörde ankündigte, dass das Chat-Tool „ChatGPT“, künftig verboten werden würde, kommt nun auch die Diskussion in Deutschland langsam in Fahrt.

Hessischer Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit teilt italienische Ansicht

Aus Hessen kommt Zustimmung zur Auffassung der italienischen Aufsichtsbehörde. Alexander Roßnagel ist der Ansicht, dass ChatGPT möglicherweise gegen Datenschutzgrundsätze aus der Verordnung verstoßen könnte. So sollen die Grundsätze der Zweckbindung und Datenminimierung betroffen sein. Um weitere Entscheidungen treffen zu können müssten dennoch zunächst erst noch weitere Informationen gesammelt werden.

Zukunft des Dienstes ungewiss

Ein großer Abstimmungsbedarf, aufgrund der hohen Relevanz von Anwendungen wie ChatGPT für die Zukunft von Gesellschaften, soll nun auf europäischer Ebene erreicht werden. Demnach soll ChatGPT möglicherweise sogar einer durch den Europäischen Datenschutzausschuss koordinierten datenschutzrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Es bleibt also spannend.

Kategorien: Aufsichtsbehördliche Maßnahmen · DSGVO
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