Kategorie: EU-Datenschutzgrundverordnung

EuGH verhandelt zur deutschen Vorratsdatenspeicherung

15. September 2021

Am 13.09.2021 begann vor der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) die mündliche Verhandlung zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Ausgangspunkt dafür war ein Rechtsstreit zwischen der Bundesnetzagentur und der Telekom sowie dem Internetanbieter SpaceNet. Telekom und SpaceNet wehren sich gegen die § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Telekommunikationsgesetz (TKG), die die Vorratsdatenspeicherung regeln. Nach diesen Vorschriften sollen bestimmte Daten über Kunden aufbewahrt werden, falls Polizei- und Strafverfolgungsbehörden darauf Zugriff benötigen. Bei diesen Daten handelt es sich nicht um Gesprächsinhalte, sondern um IP-Adressen, Verbindungs- und Standortdaten. Der Rechtsstreit ist momentan beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) anhängig. Das BVerwG stellte sich die Frage, ob eine solche Regelung mit Unionsrecht vereinbar sein kann und legte die Regelung dem EuGH zur Kontrolle vor. Die Pflicht zur Speicherung ist in Deutschland seit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster im Jahr 2017 durch die Bundesnetzagentur ausgesetzt, sodass eine Vorratsdatenspeicherung im Sinne dieser Normen momentan nicht stattfindet.

Die Vorratsdatenspeicherung ist in Europa schon seit Jahren ein umstrittenes Thema. Erst im Oktober 2020 urteilte der EuGH, dass die damals vorgelegten Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung unzulässig sei. Die damaligen Regelungen kamen aus Frankreich, Belgien und Großbritannien. Sie sahen eine pauschale Vorratsdatenspeicherung vor. Der EuGH stellte damals fest, dass eine anlasslose Speicherung nur ausnahmsweise dann zulässig sein könne, wenn dieses zur Bekämpfung schwerer Kriminalität oder einer konkreten Bedrohung der nationalen Sicherheit notwendig sei.

Die EU-Mitgliedsstaaten, sowie die EU-Kommission setzen sich seit Jahren für eine Vorratsdatenspeicherung ein, da dies die Aufklärung schwerer Kriminalität erleichtern kann. DatenschützerInnen sind hingegen um die Sicherheit der gespeicherten Daten besorgt und darüber, dass Daten von jedem Bürger gespeichert werden sollen, nicht nur von strafrechtlich Auffälligen. Einen Kompromiss könnte der EuGH in dem erwarteten Urteil z.B. mit kürzeren Speicherfristen finden. Auch über das sogenannte “quick freeze” wird nachgedacht, ein anlassbezogenes rasches Einfrieren von Verbindungsdaten.

Gleichzeitig mit der deutschen Vorratsdatenspeicherung wird der EuGH auch über Fälle aus Irland und Frankreich entscheiden. Mit einem Urteil kann frühestens ab Februar 2022 gerechnet werden.

225 Millionen Euro Strafe gegen WhatsApp

3. September 2021

WhatsApp wurde von der irischen Datenschutzbehörde zu einer Rekordstrafe von 225 Millionen Euro verurteilt. Da WhatsApp zu Facebook gehört und der EU-Hauptsitz der Social-Media-Plattform in Irland liegt, ist die irische Aufsichtsbehörde für WhatsApp zuständig.

Die Strafe ist die Folge einer seit drei Jahren laufenden Untersuchung. Zu dem Zeitpunkt wurde in der EU eine neue DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) aktiv, bei der es um personenbezogenen Datenaustausch zwischen Firmen und Nutzern geht. Gerügt wurde, dass das Unternehmen gegen die Transparenz bei der Weitergabe von Personendaten an andere Facebook-Unternehmen verstoßen habe. Auch habe es die Nutzer nicht ausreichend über die Verarbeitung ihrer Daten informiert. WhatsApp hat bereits angekündigt Berufung einzulegen.  


Die irische Datenschutzbehörde teilte mit, dass sie ihre Entscheidung, wie in der DSGVO vorgeschrieben, “nach einer langwierigen und umfassenden Untersuchung” anderen nationalen Datenschutzbehörden vorgelegen und Einwände aus acht Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, erhalten habe. Dabei stimmten einige Länder in gewissen Punkten nicht mit der irischen Aufsichtsbehörde überein; u.a. was die Höhe der Geldstrafe angehe oder auch gegen welche spezifischen Artikel der DSGVO vorliegend verstoßen werde.  Ende Juli forderte der Europäische Datenschutzausschuss die irische Datenschutzbehörde dann dazu auf, ihre Feststellungen zu überarbeiten und die vorgeschlagene Geldbuße neu zu bewerten.
Eine höhere Strafe gab es bisher nur bei Amazon, die im Juli von der luxemburgischen Datenschutzbehörde eine Strafe in Höhe von 886,6 Millionen Euro auferlegt bekommen haben.

Ein Firmensprecher erklärte, WhatsApp sei bestrebt, einen sicheren und privaten Dienst anzubieten. „Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die von uns bereitgestellten Informationen transparent und umfassend sind, und werden dies auch weiterhin tun.“ WhatsApp sei mit der aktuellen Entscheidung der irischen Datenschutzkommission in Bezug auf die Transparenz, die man den Menschen im Jahr 2018 geboten haben, nicht einverstanden. Die Strafe sei völlig unverhältnismäßig. „Wir werden gegen diese Entscheidung Rechtsmittel einlegen“, erklärte der WhatsApp-Sprecher.

Neues Datenschutzgesetz in China verabschiedet

1. September 2021

Am 01.09.2021 tritt das neue Datensicherheitsgesetz in China in Kraft. Doch daneben gibt es auch ein neues Datenschutzgesetz, das am 01.11.2021 in Kraft treten soll. Damit reagiert die Zentralregierung der Kommunistischen Partei auf die Sorgen der chinesischen Bevölkerung über Datenmissbrauch, insbesondere durch große Technologie- und Internetkonzerne. Auf den ersten Blick gibt es Ähnlichkeiten zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung, es lohnt sich jedoch, einen zweiten Blick auf das Gesetz zu werfen.

Zu den Ähnlichkeiten zählt zunächst der recht weite Anwendungsbereich des neuen chinesischen Datenschutzgesetzes. Der Umgang mit personenbezogenen Daten muss einen angemessenen Zweck verfolgen und auf den minimalen Umfang beschränkt werden. Außerdem gibt es Einschränkungen für Profiling und die Information und Zustimmung der Betroffenen wird wichtiger. Richtlinien zur Übermittlung der Daten ins Ausland sind ebenso vorhanden wie die Pflicht ausländischer Unternehmen, einen Verantwortlichen als Ansprechpartner für chinesische Behörden zu benennen.

Neben diesen Aspekten, die so oder ähnlich in der DSGVO zu finden sind, fehlen jedoch wesentliche Prinzipien derselben. Zwar können einzelne Personen in Zukunft Rechtsmittel bei Datenpannen einlegen, den Strauß an Betroffenenrechten der DSGVO sucht man jedoch vergebens. Ein Pendant zur Datenschutzrichtlinie für Polizei und Justiz gibt es ebenfalls nicht. Der größte Unterschied ist jedoch, dass staatliche Akteure größtenteils nicht unter die neuen Regelungen fallen.

Der chinesische Staat sammelt selbst große Mengen an Daten über seine Einwohner, inklusive eines großen Sozialkreditsystems. Dies wird auch durch das neue Gesetz nicht unterbunden werden, es geht eher darum, große Technologiekonzerne zu regulieren. Unternehmen wie Alipay oder Wechat wurden in den letzten Jahren kaum reguliert und haben dadurch eine Vormachtstellung eingenommen. Das Gesetz könnte daher in Zukunft auch dazu eingesetzt werden, diese Vormachtstellung der Technologiekonzerne einzudämmen, in der Vergangenheit wurde dafür beispielsweise auch das Kartellrecht genutzt.

Großbritannien will sich von DSGVO lösen

30. August 2021

Letzten Donnerstag kündigte die britische Regierung an, sich zukünftig von den wesentlichen Inhalten der DSGVO trennen und ein neues Gesetz einführen zu wollen. Der Datenschutz solle weniger bürokratisch sein und einige Vorschriften sollen abgeschafft werden. Konkret als Beispiele wurden dabei die Cookie-Banner genannt, die von Minister Oliver Dowden in vielen Fällen als ‚sinnlos‘ angesehen werden. Diese Banner, die vom Webseiten-Besucher eine Einwilligung in das Speichern seiner Daten durch Cookies verlangen, sollen nach dem Willen der britischen Regierung zukünftig nur noch erforderlich sein, wenn ein hohes Risiko für die Privatsphäre der Besucher besteht. Dabei sollen vor allem kleine Unternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen entlastet werden. Nach der Aussage von Oliver Dowden soll von diesen nicht dasselbe verlangt werden, wie von riesigen Social-Media-Unternehmen.

Auch freiere internationale Datenflüsse sind geplant. Dazu will Großbritannien Datenschutzvereinbarungen mit weiteren Staaten abschließen, u.a. den USA und Dubai. Die Abkommen sollen dabei z.B. Online-Banking und die Strafverfolgung regeln.

Eingerichtet werden soll auch ein ExpertInnen-Rat, der “International Data Transfers Expert Council”. Dieser Rat soll Vereinbarungen treffen und gleichzeitig auf die Einhaltung des Datenschutzes achten.

Der Vorschlag für das neue Gesetz soll im Laufe des Septembers veröffentlich werden. Die EU-Kommission plant dann eine sofortige Überprüfung, ob das geplante Gesetz dem Datenschutzniveau der EU entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte dies Folgen für den erst seit zwei Monaten bestehenden Angemessenheitsbeschluss. Dieser kann jederzeit ausgesetzt und beendet werden, bekräftigte ein Kommissionsprecher. Dann würde die Datenübertragung zwischen Großbritannien und der EU wieder wesentlich komplizierter. Da Datentransfers sodann einer erneuten Überprüfung unterliegen und zum Beispiel Standardvertragsklauseln geschlossen werden müssen. Großbritanniens Minister Dowden versichert hingegen, das Datenschutzniveau der EU würde beibehalten.

Es ist das erste Mal seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU, dass die britische Regierung europäische Regeln verwerfen will. Die weitere Entwicklung bliebt abzuwarten und wird maßgeblich von dem Inhalt des Gesetzesentwurfes abhängen.

Schrems vs. Facebook: Vorlagefragen des OGH an den EuGH

27. August 2021

Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) hat im Rechtsstreit von Max Schrems gegen Facebook den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, um einzelne Fragen überprüfen zu lassen. Die Fragen beziehen sich auf die Rechtmäßigkeit der Datennutzung durch Facebook bei allen Nutzer:innen innerhalb der EU. 

Das zuständige Landesgericht urteilte im Sommer, dass die Datenverarbeitung vertrags- und rechtskonform sei. Diese Ansicht teilte auch das Oberlandesgericht Wien. Im März wandte sich Schrems dann an den OGH.

Einwilligung oder Vertrag zur Datennutzung

In dem Rechtsstreit geht es unter anderem um die Frage, ob Nutzer:innen tatsächlich eine Einwilligung oder einen Vertrag mit Facebook schließen, da Facebook als angebliche “Leistung” Werbung anbiete. Da diese beiden Rechtsgrundlagen in der DSGVO verschieden geregelt seien, argumentiert Facebook, dass die Regeln der DSGVO zur Einwilligung nicht mehr anwendbar wären. Laut Schrems wären damit die Vorschriften, die vorgeben, wie eine eindeutige Zustimmung aussehen müsse (und auch jederzeit widerrufen werden könne), hinfällig. Dies sei eine rechtswidrige Umgehung der DSGVO.

Werbe-Targeting und Verarbeitung sensibler Daten

Entscheiden soll der EuGH nun auch konkrete Fragen rund ums Werbe-Targeting. Dazu gehört auch die Fragestellung, ob die Verwendung aller personenbezogener Daten der Nutzer:innen auf Facebook sowie aus vielen anderen Quellen, wie etwa Websites, die Facebook “Like”-Buttons oder Werbung verwenden, mit der DSGVO und dem Grundsatz der “Datenminimierung” vereinbar ist.

Des Weiteren beziehen sich die Fragen auch auf die Problematik der Filterung und Verwendung sensibler Daten, wie beispielsweise politische Ansichten oder sexuelle Orientierung für personalisierte Werbung. “Diese weiteren Fragen sind extrem wichtig, da Facebook dann selbst bei einer gültigen Einwilligung möglicherweise nicht mehr alle Daten für Werbung nutzen darf”, so Schrems dazu. Zusätzlich müsste der Konzern dann möglicherweise sensible Daten wie politische Ansichten oder Daten zur sexuellen Orientierung herausfiltern.

Anspruch auf Schadensersatz möglich

Vor dem OGH konnte Schrems bereits einen Teilerfolg verbuchen. Das Gerichts sprach ihm 500 Euro Schadensersatz zu, da Facebook ihm keinen vollen Zugang zu den über ihn gespeicherten Daten gewährt hatte. Der Konzern habe Schrems damit „massiv genervt“, daraus begründe sich ein berechtigter Anspruch auf Schadensersatz.

“Verliert Facebook vor dem EuGH, müssten sie nicht nur damit aufhören Daten zu missbrauchen und illegal gesammelte Daten löschen, sondern auch Millionen von Nutzer:innen Schadenersatz zahlen. Wir sind über die Vorlage daher sehr glücklich”, so Max Schrems.

Höchstes Bußgeld in der Geschichte der Datenschutzgrundverordnung geht an Amazon

24. August 2021

Medienberichten zufolge sieht sich der Digitalkonzern Amazon mit dem höchsten Bußgeld in der Geschichte der Datenschutzgrundverordnung konfrontiert. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, hat die Luxemburger Datenschutzbehörde Commission nationale pour la protection des données (CNPD) dem Konzern ein Bußgeld in Höhe von 746 Millionen Euro auferlegt. Dies geht auch aus dem Quartalsbericht des Unternehmens hervor.

Dem Beschluss vorangegangen war eine Beschwerde der französischen Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net und mehr als zehntausend Unterstützerinnen und Unterstützern aus Mai 2018. In dieser beanstandet die Organisation, dass Nutzerinnen und Nutzer den Einsatz personalisierter Werbung auf der Webseite des Online-Marktplatzes nicht ablehnen könnten. Dabei sähe die Datenschutzgrundverordnung eine freie Wahl diesbezüglich vor. Auch die Luxemburger Datenschutzbehörde sah den freien Willen der Nutzerinnen und Nutzer und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung derer verletzt. Durch das von der Einverständniserklärung der Nutzerinnen und Nutzer losgelöste Werbe-Targeting durch den Konzern könnten Grundprinzipien der Datenschutzgrundverordnung verletzt worden sein.

Amazon hingegen wies den Vorwurf zurück und kündigte Berufung an. Laut einem Sprecher des Unternehmens gab es “keine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten, und es wurden keine Kundendaten an Dritte preisgegeben“. Weiterhin führte er aus, dass es im Hinblick darauf, wie Amazon Kundinnen und Kunden relevante Werbung anzeige, die Entscheidung der CNDP auf subjektiven und ungeprüften Auslegungen des europäischen Datenschutzes beruhe und die beabsichtigte Geldbuße selbst bei dieser Auslegung in keinem Verhältnis stünde. Als Reaktion auf diese Stellungnahme konterte La Quadrature de Net in seinem Beitrag über den Beschluss, dass Amazon insofern Recht habe, als dass die Entscheidung nicht Datenpannen zum Gegenstand hatte. Vielmehr ginge es um das Target-Advertising selbst und damit um ein Herzstück der Big-Tech-Unternehmen.

Nach der angekündigten Berufung werden die Gerichte entscheiden. Diese hatten in der Vergangenheit bei hohen Bußgeldern zumeist zugunsten der angeklagten Unternehmen mildere Strafen erlassen, als die Datenschutzbehörden. So musste die Fluggesellschaft British Airways wegen einer Datenschutzpanne 22 Millionen Euro Bußgeld bezahlen – statt zunächst verhängten 204 Millionen Euro. Diese Herabsetzung war jedoch insbesondere mit den wirtschaftlichen Einbußen des Unternehmens in der Corona-Pandemie begründet. Eine ähnliche Begründung würde aufgrund des enormen Zuwachses des Online-Händlers, insbesondere zu Beginn der Corona-Pandemie, jedoch nicht zu erwarten sein.

Kein Schadensersatz für verspätete Auskunftserteilung

6. August 2021

Auskunftsanspruch

In Kapitel 3 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) werden die Rechte von Betroffenen, deren Daten verarbeitet werden umfassend normiert. So regelt Art. 15 Abs. 1 DSGVO beispielsweise das Auskunftsrecht von betroffenen Personen gegenüber dem Verantwortlichen. Danach hat jede Person, deren Daten von einem Verantwortlichen, beispielsweise einem Unternehmen oder einer Behörde verarbeitet werden, einen Anspruch darauf zu erfahren, ob und wenn ja, welche sie betreffenden personenbezogene Daten von diesem Verantwortlichen verarbeitet, z.B. gespeichert werden. Macht die betroffene Person ein solches Auskunftsverlangen geltend, hat der Verantwortliche dem Betroffenen gem. Art. 12 Abs. 3 DSGVO die verlangte Auskunft unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung zu stellen. Der Betroffene kann über diese Daten gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO auch eine Kopie verlangen. Die Auskunftserteilung muss zudem kostenlos erfolgen, so dass der Verantwortliche nach Art. 12 Abs. 5 DSGVO nur bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person ein angemessenes Entgelt verlangen oder die Auskunft verweigern darf.

Welche Daten und Informationen von diesem Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst sind und damit wie umfassend eine solche Datenauskunft zur erfolgen hat, ist umstritten. Wir berichteten.

Sachverhalt

In einem dem Landgericht Bonn (LG Bonn) zugrundeliegenden Fall hat die Klägerin einen Anspruch auf Datenauskunft gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO i.V.m. Art. 12 DSGVO gegenüber ihrem ehemaligen Anwalt, dem Beklagten geltend gemacht. Sie verlangte von diesem eine vollständige Datenauskunft zu den bei ihm über die Klägerin vorhandenen personenbezogenen Daten nebst Zurverfügungstellung einer Datenkopie. Da der Beklagte diesem Begehren länger als acht Monate nicht nachkam, erhob die Klägerin Klage vor dem LG Bonn und verlangte u.a. neben der vollständigen Datenauskunft auch Schmerzensgeld für die verzögerliche Erteilung der Datenauskunft.

Entscheidung

Das LG Bonn, dass das Auskunftsbegehren nach Art. 15 DSGVO zwar bejahte, verneinte eine Entschädigung für die verspätete Datenauskunft gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen.

Das LG Bonn verneinte das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DSGVO wegen der um mehr als einen Monat verspäteten Auskunftserteilung. Art. 82 DSGVO umfasse nur die Fälle, in denen ein Schaden durch eine nicht der DSGVO entsprechenden Verarbeitung entstanden sei. D.h. um einen Schadensersatzanspruch auszulösen, komme – so das Gericht – nur ein verordnungswidriger Verstoß durch die Verarbeitung selbst in Betracht. Eine bloße Verletzung der Informationsrechte der betroffenen Person aus Art. 12-15 DSGVO führe aber nicht schon dazu, dass eine Datenverarbeitung, infolge derer das Informationsrecht entstanden ist, selbst verordnungswidrig ist. Dementsprechend löse auch die um mehr als acht Monate verzögerte Auskunftserteilung grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch aus.

Außerdem habe die Klägerin auch nicht dargelegt, dass ihr ein Schaden entstanden sei. Das bloße “warten” auf eine Auskunftserteilung genügt nach Ansicht des Gerichts jedenfalls nicht, um einen solchen Anspruch zu begründen.

Telefónica: O2-Shops sollen Kunden beim Datenschutz ausgetrickst haben

30. Juli 2021

Wer einen Mobilfunkvertrag in einem O2-Shop abschließt, dem wird scheinbar eine Einwilligung untergejubelt. Einige Verkäufer und Shop-Inhaber bestätigen nun die Vorwürfe, die jüngst durch Recherchen von Netzpolitik ans Licht kamen. Mehrere Shop-Betreiber sollen ungefragt für die Kunden eingewilligt haben, um Boni zu kassieren. 

Telefónica sammle personenbezogene Daten seiner Kunden, um daraus Nutzungsprofile zu erstellen. Die Daten dienen dem internen Marketing, beispielsweise um den Betroffenen weitere Produkte anzubieten. Kommunikationsinhalte sollen dabei nicht gespeichert werden.

Grundsätzlich gilt: Wer einen Vertrag beim Unternehmen Telefónica, zu dem O2 gehört, abschließt oder verlängert, kann der Datenverarbeitung zustimmen oder sie ablehnen. Laut Bericht, geben jedoch mehrere Betreiber von Telefonicá-Ladengeschäften zu, ihren Kunden Pseudo-Einwilligungen unterzujubeln. „Der Verkäufer setzt am Computer einfach alle Einwilligungshäkchen und dreht dem Kunden dann nur noch das Signpad zur Unterschrift rüber“, erklärt ein anonymer Betreiber eines O2-Partnershops gegenüber Netzpolitik.

Das Unternehmen weise alle Vorwürfe ab und behauptet: „In unseren Betreiberinformationen, Prozessdokumentationen sowie Arbeitsanweisungen weisen wir unsere Vertriebspartner stets auf diese datenschutzrechtlichen Vorgaben hin.“

Wie bei einem Franchise-System werden zahlreiche O2-Geschäfte als Partnershops betrieben. Die Betreiber arbeiten nicht direkt für Telefónica, sondern führen ihre Geschäfte unabhängig. Doch scheinbar fühlen sich einige von ihnen von dem Unternehmen dazu gedrängt, möglichst viele Einwilligungen von ihren Kunden einzuholen. Nur wenn sie eine Quote von mehr als 75 Prozent Einwilligungen erreichen, würden sie von Telefónica einen sogenannten Qualitätsbonus erhalten.

Der Fall hat inzwischen auch den Bundesdatenschutzbeauftragten erreicht. „Wir kennen die Vorwürfe gegen den Mobilfunkanbieter und prüfen den Fall derzeit“, erklärte eine Sprecherin. Zu den Vorwürfen könne man sich aufgrund des laufenden Verfahrens aktuell nicht weiter äußern.

Anspruch auf Auskunft und unentgeltiche Kopie der eigenen Prüfungsklausuren

23. Juli 2021

Ein Examensabsolvent hat Anspruch auf zur Verfügung Stellung einer kostenfreien Kopie der eigenen Examensklausuren mitsamt Prüfergutachten. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) mit Urteil vom 08.06.2021, 16 A 1582/20 entschieden und folgt damit einer extensiven Auslegung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

Das Verfahren

Dem Rechtsstreit vorausgegangen war ein Antrag des Klägers aus dem Jahr 2018 auf kostenlose Übersendung von Kopien seiner angefertigten Examensklausuren. Da das Prüfungsamt dem Examensabsolventen die Kopien seiner Examensklausuren nur gegen Zahlung eines Vorschusses zur Verfügung stellen wollte, zu dessen Zahlung der Kläger unter Berufung auf die Datenschutz-Grundverordnung nicht bereit war, erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Das VG Gelsenkirchen verurteilte das Land NRW dazu, dem Kläger unentgeltlich Kopien seiner Examensklausuren nebst Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen.

Die dagegen eingelegte Berufung des Landesjustizprüfungsamts (LJPA) hat das OVG Münster zurückgewiesen und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz.

Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DSGVO einen Anspruch auf unentgeltliche zur Verfügung Stellung einer Kopie seiner Examensklausuren nebst Prüfergutachten habe.

Der Auskunftsanspruch

Art. 15 DSGVO gewährt betroffenen Personen das Recht von einem Verantwortlichen z.B. einem Unternehmen oder einer Behörde Auskunft über ihre dort gespeicherten personenbezogenen Daten zu verlangen und verpflichtet dabei zugleich den Verantwortlichen, der betroffenen Person bestimmte Informationen auf Antrag zur Verfügung zu stellen. Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, der betroffenen Person zur Verfügung. Welche Daten und Informationen von diesem Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst sind, ist umstritten. Insbesondere über die Frage, ob Prüfungsklausuren nebst Prüfergutachten von diesem Anspruch umfasste Informationen darstellen können, besteht Uneinigkeit.

Während eine Auffassung davon ausgeht, der Auskunftsanspruch müsse auf solche Informationen beschränkt werden, die Art. 15 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich nennt, so dass betroffene Personen nur eine Kopie der Informationen darüber verlangen können, ob ihre personenbezogenen Daten gespeichert werden und um welche es sich dabei ggf. handelt (sog. enge/restriktive Auslegung). Geht eine andere Meinung – so auch das OVG Münster – von einer weiten Auslegung des Auskunftsanspruchs aus.

Die Entscheidung

Im vorliegenden Fall entschied das OVG daher, dass es sich bei den angefertigten Klausuren und den dazugehörigen Prüfergutachten um personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO handle, die durch das LJPA i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet wurden und daher vom Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst seien. Diese Auffasung, so das OVG Münster, würde auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigt. So hat der EuGH u.a. in einem Urteil vom 20. Dezember 2017 entschieden, dass die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu Informationen über den Prüfling und damit personenbezogene Daten darstellen.

Offengelassen hat das OVG, ob der Ausnahmetatbestand des Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO auch Fälle umfasst, in denen betroffene Personen mit der Ausübung des Auskunftsanspruchs allein oder ganz überwiegend datenschutzfremde Zwecke verfolgt.

Auswirkungen auf die Praxis:

Ob andere Gerichte dieser extensiven Auslegung des Auskunftsanspruchs folgen werden, bleibt abzuwarten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das OVG die Revision zugelassen. Das Urteil dürfte aber auch für die Praxis und Unternehmen, die Prüfungen abseits von juristischen Staatsexamensklausuren anbieten, von Bedeutung sein. Inbesondere dann, wenn die zur Verfügung Stellung von Prüfungsunterlagen auch Auswirkungen auf das Geschäftsmodell und interne Prüfungsabläufe hat, kann dieses Urteil Verantwortliche bei der Erfüllung des Auskunftsbegehrens vor neue Herausforderungen – nicht nur finanziell – stellen. Auch der Nachweis, ob datenschutzfremde Zwecke verfolgt werden, dürfte in der Praxis nur schwer zu erbringen sein.

Eilanordnung der Hamburgischen Datenschutzaufsichtsbehörde gegen WhatsApp

16. Juli 2021

Der Europäische Datenschutzausschuss erließ seine erste verbindliche Eilentscheidung gemäß Art.66 Abs. 2 DSGVO auf Antrag der HmbBfDI (Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit), nachdem diese die vorläufige Maßnahme gegen Facebook erlassen hatte. Die Maßnahme, die auf der Grundlage von Art. 66 Abs. 1 DSGVO angeordnet wurde, hatte das Verbot der Verarbeitung von WhatsApp-Nutzerdaten durch Facebook zum Gegenstand. Nach Ansicht der HmbBfDI wurde dies mit der diesjährigen von WhatsApp in die Wege geleiteten Änderung der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen für europäische Nutzer begründet.

Hintergrund ist folgender: Im Januar hatte WhatsApp neue Datenschutzbestimmungen angekündgt. Nachdem diese bei den Nutzern auf große Kritik stießen, wurde das von WhatsApp angekündigte Ultimatum bis Mai verlängert und WhatsApp versuchte, die angestrebten Änderungen zu erklären. Letztendlich blieb die Erklärung aus und WhatsApp zog auch im Mai noch keine der angekündigten Konsequenzen. Diese umfassten unter anderem, dass alle, die bis Mai den Bedingungen nicht zugestimmt hätten, WhatsApp nicht mehr hätten nutzen können.

Nun entschied der EDPB im Rahmen des Eilverfahrens, dass die Voraussetzungen für den Nachweis des Vorliegens eines Verstoßes und einer Dringlichkeit nicht erfüllt seien.
Auf der Grundlage der vorgelegten Beweise kam der Europäische Datenschutzausschuss zwar zu dem Schluss, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Facebook bereits Nutzerdaten von WhatsApp als (gemeinsamer) Verantwortlicher für den gemeinsamen Zweck der Sicherheit und Integrität von WhatsApp und den anderen Facebook-Unternehmen verarbeitet. Angesichts der verschiedenen Widersprüche, Unklarheiten und Unsicherheiten, die in den nutzerorientierten Informationen von WhatsApp, in einigen schriftlichen Verpflichtungserklärungen von Facebook und in den schriftlichen Stellungnahmen von WhatsApp festgestellt wurden, entschied sich der Europäische Datenschutzausschuss jedoch dazu, dass er nicht in der Lage ist, mit Sicherheit feststellen zu können, welche Verarbeitungen tatsächlich durchgeführt werden.

Zum Vorliegen der Dringlichkeit vertrat der Europäische Datenschutzausschuss die Auffassung, dass Art.61 Abs. 8 DSGVO nicht anwendbar war. Denn der HmbBfDI konnte nicht nachweisen, dass die irische Datenschutzbehörde es versäumt hat, Informationen im Rahmen eines förmlichen Amtshilfeersuchens gemäß Art. 61 DSGVO bereitzustellen; da Facebook (wie auch WhatsApp) seinen europäischen Sitz in Irland hat, ist die dortige Datenschutzbehörde für das Unternehmen zuständig.

Der Europäische Datenschutzausschuss meldete zudem erhebliche Zweifel an der Rechtsgrundlage an, auf die sich Facebook bei der Nutzung der WhatsApp-Daten für eigene oder gemeinsame Verarbeitungen stützen möchte. Er greift damit wesentliche Teile der Argumentation des HmbBfDI auf.  In Anbetracht der hohen Wahrscheinlichkeit diverser Verstöße, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit und Integrität von WhatsApp und der anderen Facebook-Unternehmen, war der Europäische Datenschutzausschuss der Ansicht, dass diese Angelegenheit zügig weiter untersucht werden muss.

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