Kategorie: EU-Datenschutzgrundverordnung
13. März 2023
In der Entscheidung C-460/20 vom 8.12.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber entschieden, wer die Beweislast trägt, wenn eine Person die Entfernung von Links zu Webseite-Beiträgen aus der Liste der Suchergebnisse im Internet beantragt. Mit anderen Worten, die Entscheidung klärt, wer beweisen muss, ob ein solcher Antrag gerechtfertigt ist oder nicht.
Die Entscheidung des EuGH
Die Argumente des EuGH zur Beweislast in Bezug auf Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind von großer Bedeutung für die Praxis. Insbesondere ging es darum, wer die Beweislast im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Artikels 17 Absatz 3 Buchstabe a DSGVO trägt, wenn eine betroffene Person die Löschung von bestimmten Daten beantragt und behauptet, dass diese unrichtig seien.
Der EuGH stellte fest, dass die betroffene Person den Nachweis erbringen muss, dass die Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein nicht unbedeutender Teil davon offensichtlich unrichtig ist, um den Löschungsantrag zu rechtfertigen. Jedoch darf die Beweislast nicht zu einer übermäßigen Belastung führen, die das Recht auf Löschung beeinträchtigt. Die betroffene Person kann daher nicht gezwungen werden, eine gerichtliche Entscheidung gegen den Betreiber der Website zu erlangen.
Auf der anderen Seite kann der Verantwortliche für die Datenverarbeitung nicht dazu verpflichtet werden, den Sachverhalt zu ermitteln und eine kontradiktorische Debatte mit dem Anbieter der Inhalte zu führen. Der EuGH ist der Meinung, dass der Verantwortliche nicht aktiv an der Suche nach Tatsachen mitwirken muss, die den Löschungsantrag nicht unterstützen, um zu prüfen, ob der Antrag gerechtfertigt ist.
Auf Art. 16 DSGVO übertragbar?
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im März 2022 betraf einen Fall, in dem eine betroffene Person die Berichtigung von Daten nach Artikel 16 DSGVO beantragt hatte. Das Gericht betonte, dass die objektive Wirklichkeit der Maßstab für die Qualifizierung eines Datums als “richtig” oder “unrichtig” im Sinne von Artikel 16 Satz 1 DSGVO ist. Es wurde auch festgestellt, dass Artikel 5 Absatz 2 DSGVO eine spezifische Bestimmung enthält, wer die Beweislast für die Richtigkeit des neu einzutragenden Datums trägt, wenn die Einhaltung der Grundsätze des Artikels 5 Absatz 1 DSGVO in einem Rechtsstreit zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person im Streit steht.
Das Gericht entschied, dass im Falle eines Berichtigungsanspruchs, bei dem die Richtigkeit des Datums umstritten ist, die Nichterweislichkeit der Richtigkeit des Datums zu Lasten der betroffenen Person geht. Wenn die Beweislast für die Richtigkeit des Datums beim Verantwortlichen liegt, muss er zukünftig nachweisen, dass ein von ihm verarbeitetes Datum richtig ist. Wenn jedoch die betroffene Person nicht nachweisen kann, dass das Datum unrichtig ist, kann der Verantwortliche nicht verpflichtet werden, das von der betroffenen Person genannte Datum einzutragen und weiterzuverarbeiten.
Fazit
Beide Entscheidungen enthalten relevante Klarstellungen zur Beweislast in der Praxis, wenn es um die Bearbeitung von Betroffenenansprüchen geht. Unternehmen, die häufig mit solchen Anfragen konfrontiert sind, können sich bei der Beurteilung der Frage, ob sie die Daten berichtigen oder löschen müssen, an den Gründen dieser Entscheidungen orientieren.
8. März 2023
Seitdem im Jahr 2020, mit dem Urteil Schrems II, der bis dahin geltende Angemessenheitsbeschluss (Privacy Shield) für ungültig erklärt worden ist, gilt die USA als ein unsicheres Drittland für Datenübermittlungen. Ein großes Problem in diesem Kontext war unter anderem die nachrichtendienstliche Datenerhebung in den USA. Diese war gewissermaßen anforderungslos für Geheimdienste möglich. Nachdem die US-Regierung gezwungen war, im Oktober 2022 Maßnahmen zu ergreifen, folgte ein Beschlussentwurf der Europäischen Kommission. Die genannten Maßnahmen sollten die zwei Hauptprobleme der fehlenden Verhältnismäßigkeit und dem Fehlen wirksamer Rechtsbehelfe im Bezug auf Überwachungsmaßnahmen lösen. So soll insbesondere die Exekutivverordnung über die Verbesserung der Garantien für US-Signalspionagetätigkeiten nun in die Richtung eines neuen Angemessenheitsbeschlusses führen.
Der Europäische Datenschutzausschuss heißt die Einführung von Anforderungen an Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit für die nachrichtendienstliche Datenerhebung in den USA für gut. Außerdem begrüßt er den neuen Rechtsbehelfsmechanismus für betroffene Personen aus der EU. Dennoch liegt nicht nur ein reiner Zustimmungsgedanke vor. Zu bestimmten Rechten betroffener Personen, der Weiterübermittlung personenbezogener Daten, dem Umfang der Ausnahmen sowie der vorübergehenden Massenerfassung von Daten und der praktischen Funktionsweise des Rechtsbehelfsmechanismus bleiben Fragen offen. Auch die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder unterstützt die Position des Europäischen Datenschutzausschusses ausdrücklich.
Es bleibt nun lediglich abzuwarten, wie sich ein neuer Angemessenheitsbeschluss für die Übermittlung von Daten in die USA entwickeln wird.
28. Februar 2023
Wie der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) Wojciech Wiewiórowski bekanntgab, hat seine Behörde einen Rahmenvertrag mit einem in der EU ansässigen Dienstleister der Open Source-Software Nextcloud und LibreOffice geschlossen.
Datenschutzkonforme Gesamtlösung für EU-Einrichtungen
Mit Nextcloud und LibreOffice können in einer gesicherten Cloud-Umgebung beispielsweise Dateien ausgetauscht, Nachrichten versendet oder auch Videoanrufe getätigt werden. Der gewählte Dienstleister ist in der EU ansässig und nach Aussage des EDSB für alle Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der EU zugänglich. Dabei sei die Einhaltung des Datenschutzrechts sowie weiterer spezieller Vorschriften gewährleistet.
Vermeidung von Drittlandstransfers und Unterauftragsverarbeitern
Anders als bei anderen Anbietern sei hier gewährleistet, dass keine Datenübertragung in Nicht-EU-Länder stattfinde. Zudem werde der Einsatz von Unterauftragsverarbeitern vermieden. Der Rahmenvertrag soll damit eine bessere Kontrolle über personenbezogene Daten ermöglichen. Dabei möchten die EU-Institutionen mit gutem Beispiel vorangehen, um digitale Rechte zu schützen und Daten verantwortungsvoll zu verarbeiten.
Alternative zu Microsoft und co.
Bisher bestanden und bestehen vor allem Verträge mit Microsoft für die Office-Produkte in den EU-Institutionen. Bereits 2020 hatte der EDSB deren Einsatz als problematisch eingeordnet. Auch in Deutschland haben die Datenschutzbehörden erhebliche Bedenken gegenüber dem Einsatz der cloudbasierten Microsoft-Produkte geäußert und zuletzt im Rahmen der Datenschutzkonferenz einen datenschutzkonformen Einsatz von Microsoft 365 in öffentlichen Stellen für nicht möglich erachtet. Problematisch ist hier insbesondere, dass Verantwortliche unter Umständen keine Kontrolle über Datentransfers haben.
Vorbild für den nichtöffentlichen Bereich?
Auch im nichtöffentlichen Bereich stellt sich oft die Frage nach datenschutzkonformen Cloud-Lösungen. Hier könnte der Rahmenvertrag des EDSB ein Vorbild sein. Jeder nach dem Datenschutzrecht Verantwortliche muss sich schließlich damit auseinandersetzen, ob die von ihm gewählten Programme datenschutzkonform nutzbar sind. Dabei kann es helfen, solche zu nutzen, die vom EDSB als datenschutzkonform eingeordnet werden. Allerdings ist in jedem Fall eine Einzelfallabwägung erforderlich, die die eigenen Bedürfnisse und Risiken für die Daten berücksichtigt.
Seit Inkrafttreten der RL (EU) 2019/1024 vom 20.6.2019 über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (PSI-RL) wurden die sog. hochwertigen Datensätze neu eingeführt. Am 20.1.2023 wurde im Amtsblatt der EU die Durchführungsverordnung VO (EU) 2023/138 der Kommission zur Festlegung bestimmter hochwertiger Datensätze und der Modalitäten ihrer Veröffentlichung und Weiterverwendung veröffentlicht. In dem Beitrag geht es um einen Überblick über die Inhalte der neuen VO (EU) 2023/138 und dem Zusammenhang mit dem Datenschutzrecht.
Was sind hochwertige Datensätze?
Die Legaldefinition von hochwertigen Datensätzen in Art. 2 Nr. 10 PSI-RL bezieht sich auf Dokumente, die wichtige Vorteile für die Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft bieten. Außerdem sind die thematischen Kategorien hochwertiger Datensätze sind in Anhang I der PSI-RL aufgeführt und können durch die EU-Kommission erweitert werden. Art. 14 Abs. 1 UAbs. 1 PSI-RL verpflichtet die EU-Kommission zur Festlegung einer Liste von hochwertigen Datensätzen im Besitz öffentlicher Stellen oder öffentlicher Unternehmen. Diese Festlegung muss auf einer Bewertung des Potenzials der Datensätze basieren, hinsichtlich sozioökonomischer oder ökologischer Vorteile, Nutzen für eine große Zahl von Nutzern, Einnahmen und Kombinierbarkeit mit anderen Datensätzen.
Grund der Unterscheidung zu „nicht-hochwertigen“ Datensätzen
Die Einstufung von Dokumenten als hochwertige Datensätze ist relevant für die Anforderungen der PSI-RL bezüglich Format und kostenfreier Zurverfügungstellung durch öffentliche Stellen. Hochwertige Datensätze müssen in maschinenlesbarem Format über geeignete APIs und als Massen-Download zur Verfügung gestellt werden, ohne dass Kompensationszahlungen erhoben werden dürfen, außer in Ausnahmefällen. Im Gegensatz dazu können für nicht-hochwertige Datensätze Erstattungen für Grenzkosten verlangt werden, die durch Reproduktion, Bereitstellung und Verbreitung von Dokumenten sowie durch die Anonymisierung personenbezogener Daten und Maßnahmen zum Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen verursacht werden.
Inhalt der neuen Verordnung
Die EU-Kommission hat mit der VO (EU) 2023/138 für jede der sechs Kategorien in Anhang I PSI-RL eine Liste hochwertiger Datensätze erstellt und Modalitäten für deren Veröffentlichung und Weiterverwendung festgelegt. Ziel ist es, öffentliche Daten mit hohem sozioökonomischem Potenzial leicht zugänglich und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die VO (EU) 2023/138 besteht aus 14 Erwägungsgründen und sechs Artikeln, in denen der Gegenstand der Durchführungsverordnung, Begriffsbestimmungen, Veröffentlichungs- und Weiterverwendungsmodalitäten sowie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Übermittlung von Berichten über die Durchführung der Durchführungsverordnung festgelegt sind.
Weiterhin soll die VO (EU) 2023/138 sicherstellen, dass öffentliche Daten mit hohem Potenzial für die Gesellschaft leicht zugänglich und kostenlos zur Verfügung stehen. Die Modalitäten für Veröffentlichung und Weiterverwendung werden für jede Kategorie festgelegt, wobei Ausnahmen und Einschränkungen in einigen Kategorien vorgesehen sind. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Berichte über die Durchführung der Durchführungsverordnung zu erstellen und einzureichen. Der Anhang der Durchführungsverordnung enthält detaillierte Informationen zu den erfassten Datensätzen und den kategoriespezifischen Regelungen für ihre Veröffentlichung und Weiterverwendung.
Bleibt der Datenschutz auf der Strecke?
Hochwertige Datensätze können personenbezogene Daten enthalten, die durch das Datenschutzrecht geschützt sind. Der EU-Gesetzgeber hat bei der VO (EU) 2023/ keine Ausnahme vom Datenschutzrecht gemacht. Um die Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten in hochwertigen Datensätzen zu gewährleisten, empfiehlt der Text den Einsatz von verschiedenen Techniken, wie Generalisierung, Aggregierung, Anonymisierung, differenzieller Privatsphäre oder Randomisierung. Diese Methoden können dazu beitragen, dass personenbezogene Daten nicht mehr identifizierbar sind und damit der Datenschutz gewahrt bleibt. Solche Maßnahmen können jedoch auch Kosten verursachen. Deswegen können diese bei der Festlegung von angemessenen Entgelten und Gebühren auch berücksichtigt werden.
Weitere Überlegungen zum Datenschutz sind in den Lizenzen und Datenschutz-Folgenabschätzungen gemäß Art. 35 DS-GVO enthalten. In Lizenzen können Bedingungen festgelegt werden, die den Schutz personenbezogener Daten bei der Weiterverwendung durch den Lizenznehmer sicherstellen. Unter bestimmten Umständen müssen auch Datenschutz-Folgenabschätzungen durchgeführt werden, um mögliche Risiken für die Privatsphäre der betroffenen Personen zu identifizieren.
Die Mitgliedstaaten müssen über solche Bewertungen der EU-Kommission Bericht erstatten, um sicherzustellen, dass der Datenschutz bei der Verwendung von hochwertigen Datensätzen gewahrt bleibt.
Fazit
Die EU-Kommission hat mit der Verabschiedung der VO (EU) 2023/138 einen weiteren Schritt zur Förderung der gemeinsamen Datennutzung und eines innovationsfreundlichen europäischen Binnenmarkts gemacht. Dabei müssen die Mitgliedstaaten müssen nun unter anderem APIs für die hochwertigen Datensätze bereitstellen, Datenschutz-Folgenabschätzungen durchführen und entscheiden, ob Ausnahmen von der unentgeltlichen Zurverfügungstellung der Datensätze für bestimmte Stellen erforderlich sind. Es bleibt abzuwarten, wie die Mitgliedstaaten mit den Mindestanforderungen für die Datensätze und Modalitäten für die Weiterverwendung umgehen werden. Die Verordnung trat am 9. Februar 2023 in Kraft und gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.
17. Februar 2023
Die Europäische Kommission hatte im Dezember 2022 den Entwurf eines Angemessenheitsbeschlusses für die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auf Grundlage des neuen „EU-US Datenschutzrahmens“ veröffentlicht. Am 14. Februar 2023 forderte nun der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments die Europäische Kommission in einer Stellungnahme dazu auf, den möglichen Angemessenheitsbeschluss auf der Grundlage des vorgeschlagenen EU-US-Datenschutzrahmens nicht anzunehmen. Der Ausschuss argumentierte, dass der Rahmen keine tatsächliche Gleichwertigkeit mit der Europäischen Union (EU) in Bezug auf das Datenschutzniveau herstelle.
Rechtsverletzungen und zu große Unsicherheit
In der Stellungnahme wird zunächst auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und ihre Artikel über den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz verwiesen. Sie zitiert auch die Schrems I und II Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), in denen die Abkommen Safe Harbour und Privacy Shield für ungültig erklärt wurden. In der Stellungnahme wird betont, dass der wahllose Zugriff von Nachrichtendiensten auf die elektronische Kommunikation das Grundrecht auf Vertraulichkeit der Kommunikation und das Wesen des Rechts auf einen Rechtsbehelf verletzte.
Darüber hinaus werden auch die jüngsten Entwicklungen in den USA erwähnt, darunter Präsident Bidens Executive Order 14086 (EO) über die Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen für die Aktivitäten der US-Signalaufklärung und die vom US-Justizminister erlassene Verordnung über das Datenschutzprüfungsgericht. Man erkenne an, dass die USA Schritte unternommen hätten, um Bedenken im Zusammenhang mit Überwachung und Datenschutz auszuräumen, betone jedoch, dass ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten unerlässlich sei.
Die inhaltlichen Definitionen der Begriffe “Verhältnismäßigkeit” und “Notwendigkeit” in der Executive Order, die den Rahmen bildet, stimmten nicht mit ihrer Bedeutung und Auslegung in der EU überein. Darüber hinaus könne der US-Präsident diese ändern, wodurch sie unklar, ungenau und in ihrer Anwendung unvorhersehbar seien. Das Gericht für die Überprüfung des Datenschutzes sei nicht transparent, unabhängig oder unparteiisch und Entscheidungen würden nicht veröffentlicht oder den Beschwerdeführern zugänglich gemacht. Schließlich verfügten die Vereinigten Staaten auch nicht über ein Bundesdatenschutzgesetz. Dabei wurden bestehende datenschutzrechtliche Gesetze der Bundesstaaten sowie branchenspezifische Bundesgesetze allerdings außer Acht gelassen.
Fazit und Ausblick
Der Ausschuss kommt zu dem Schluss, dass der Datenschutzrahmen zwischen der EU und den USA keine tatsächliche Gleichwertigkeit des Schutzniveaus herstellt und fordert die Kommission auf, die Verhandlungen mit ihren US-amerikanischen Partnern fortzusetzen, um so einen Mechanismus zu schaffen, der eine solche Gleichwertigkeit gewährleistet und das angemessene Schutzniveau bietet, das nach dem Datenschutzrecht der Union und der Charta in der Auslegung durch den EuGH erforderlich ist. Er fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Angemessenheitsentscheidung nicht anzunehmen. Es ist wahrscheinlich, dass sich das EU-Parlament dieser Haltung anschließen wird.
Die Aufforderung des Ausschusses an die Kommission, unter diesen Voraussetzungen keine neue Angemessenheitsentscheidung in Bezug auf die USA zu erlassen, ist nicht bindend. Die Einwände des Ausschusses und seine Forderung nach sinnvollen Reformen sind angesichts der Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten allerdings nachvollziehbar. Die vom Ausschuss hervorgehobenen Probleme müssen angegangen werden, um sicherzustellen, dass personenbezogene Daten in einem Abkommen zwischen der EU und den USA angemessen geschützt werden. Andernfalls gilt es als wahrscheinlich, dass auch dieses Abkommen der Rechtsprechung und Auslegung des EuGH nicht standhalten würde.
30. Januar 2023
Ein Arbeitskomitee des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) hat einen Bericht über Cookie-Banner vorgelegt. Wenn die Datenschutzbehörden diesen Bericht umsetzen, könnten irreführende Cookie-Banner bald Geschichte sein.
Der Bericht regelt auch die Anwendung der ePrivacy Richtlinie und dessen nationalen Umsetzungen, wie dem TTDSG in Deutschland, da es im Anwendungsbereich der Richtlinie keinen einheitlichen Mechanismus gibt. Das bedeutet, dass die Aufsichtsbehörden nicht verpflichtet sind, bei grenzüberschreitenden oder EU-weiten Verarbeitungen eine europaweite Absprache vorzunehmen. Der Bericht bietet jedoch eine abgestimmte Positionierung zu einigen Aspekten, was aus Sicht der Praxis von Vorteil ist.
Abgrenzung ePrivacy Richtlinie und DSGVO
Die Aufsichtsbehörden klären im Bericht das Verhältnis zwischen der ePrivacy Richtlinie und der DSGVO. Sie stellen fest, dass für die Verarbeitungen, die nach der Speicherung von oder dem Zugang zu Informationen auf dem Gerät eines Nutzers stattfinden, wie das Setzen oder Lesen von Cookies, die DSGVO als relevante Rahmengestaltung gilt.
Ablehnung von Cookies auf erster Ebene
Der Berichtsentwurf ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Datenschutzbehörden im Rahmen des EDSA-Ausschusses für Cookie-Banner. Dieser Entwurf bestätigt bestehende Gesetze und legt eine Mindeststandards für die Bewertung von Cookie-Bannern fest. Viele nationale Richtlinien gehen jedoch weiter.
Laut dem Bericht des EDSA sollen folgenden Praktiken als rechtswidrig angesehen werden:
- Fehlende Ablehn-Option auf derselben Ebene wie die Zustimmung
- Bereits angekreuzte Kästchen anstelle einer aktiven Zustimmung
- Eingebettete Textlinks zur Ablehnung
- Links außerhalb des Cookie-Banner zur Verweigerung der Zustimmung
- der Vorwand des berechtigten Interesses an der Installation nicht notwendiger Cookies
- Keine permanente Möglichkeit, die Zustimmung zu widerrufen
Der EDSA verlangt – präzise formuliert – eine Möglichkeit, die Einwilligung bereits “auf der ersten Ebene” nicht zu erteilen. Dabei müssen Schaltflächen nicht eins zu eins gleich gestaltet sein. Die Ablehnungsmöglichkeit ist, wenn sie in einem Fließtext eingebettet besonders hervorgehoben und sich vom restlichen Text abhebt, wohl zulässig. Dafür genügt etwa Fettdruck, Unterstreichung oder eine andere Farbe.
Dagegen werden einige Fragen im Berichtsentwurf des EDSA nicht vollständig beantwortet. So hat die Taskforce beispielsweise keine Entscheidungen über irreführende Farben und Kontraste von Schaltflächen getroffen und auch nicht geklärt, wo ein gut sichtbarer und standardisierter Ort für die Widerrufserklärung liegen sollte. Die endgültige Version des EDSA-Berichts ist noch nicht veröffentlicht worden.
25. Januar 2023
Bereits 2021 hatte die Europäische Kommission eine Zielvorstellung für digitale Veränderungen in Europa präsentiert, die bis 2030 umgesetzt werden soll. Kurz gefasst sollen dadurch Kompetenzen, digitale Infrastruktur, Digitalisierung in Unternehmen und öffentlichen Diensten gestärkt werden.
Warum ist uns das besonders wichtig? Digitale Veränderungen beinhalten Chancen und Risiken – auch für den Datenschutz.
Die Ziele
Die Europäische Kommission hat ihre Ziele und Strategien im digitalen Kompass zusammengefasst. Ein zentrales Ziel sei unter anderem die digitale Souveränität Europas, die anhand folgender Kernpunkte erreicht werden sollen.
Eine digital befähigte Bevölkerung und hoch qualifizierte digitale Fachkräfte
Bis 2030 sollen etwa 20 Millionen Informations- und Kommunikationstechnologische Fachkräfte weitergebildet werden.
Sichere, leistungsfähige und tragfähige digitale Infrastrukturen
Alle europäischen Haushalte sollen Zugang zu einer Gigabit-Leitung und alle besiedelten Gebiete 5G erhalten. Der weltweit europäische Anteil am Halbleitermarkt soll verdoppelt und 10.000 klimaneutrale, hochsichere Randknoten in der EU errichtet werden.
Digitalisierung von Unternehmen
Die Digitaltechnik soll auf 75% der Unternehmen erhöht werden, indem sie Cloud-Computing, Big Data und künstliche Intelligenz in ihr Unternehmen integrieren
Digitalisierung öffentlicher Dienste
Ziel sei zum Beispiel, dass jeder europäischen Bürger Online-Zugang zu wesentlichen öffentlichen Diensten und ihren elektronischen Patientenakten bekommt
Folgen für den Datenschutz
Die Umsetzung der geplanten Ziele hat weitreichende Folge auf dem Gebiet des Datenschutzes. Es stellen sich diverse Herausforderungen für Verantwortliche.
Förderung von Datenschutzbeauftragten
Die Weiterentwicklung und Erhöhung digitaler Fachkräfte betrifft zum einen die Förderung von Datenschützern und deren Ausbildung. Zum anderen steigt der Bedarf an Sensibilisierung anderer Fachkräfte durch Datenschutzbeauftragte. Nimmt die Verbreitung digitaler Infrastruktur zu und erhöht sich der Stand der Digitaltechnik auf 75%, müssen sämtliche Bereiche ihre Kenntnisse im Datenschutz stärken, um der DSGVO gerecht werden zu können.
Der internationale Datentransfer
Digitale Infrastrukturen sind im Rahmen der digitalen Ziele und damit nicht zuletzt auch beim Datenschutz von Bedeutung. Insbesondere bei der Auftragsverarbeitung (Art. 28 DSGVO) wird auf Dienstleister zurückgegriffen, die Daten in der Cloud von Drittländern verarbeiten. Hier müssen die Bestimmungen des Art. 44 DSGVO beachtet werden, was häufig zu Herausforderungen in Verbindung mit Drittlandtransferprüfungen und Subdienstleistern führt. Im Zuge einer erweiterten digitalen Infrastruktur in der EU könnte eine Alternative zu Drittlandtransfers ausgebaut werden. Anfänge dafür sieht man z.B. an Projekten wie der EU Data Boundary von Microsoft.
Öffentliche und nicht-öffentliche Dienste
Die EU möchte auch die Digitalisierung der öffentlichen Dienste sowie den einfachen Zugang zu Patienten-/Bürgerakten, die sensible Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO enthalten können, vorantreiben. An den Schnittstellen dieser Dienste wird eine große Menge von Daten zwischen öffentlichen Stellen und Privatpersonen aber auch nicht öffentlichen Stellen ausgetauscht werden. Vor allem an diesen Stellen herrscht ein hohes Risiko, welches mehr Aufwand wie unter Umständen eine Datenschutz-Folgenabschätzungen und damit das Einführen zusätzlicher Schutzmaßnahmen zur Folge haben kann.
Fazit
Im Ergebnis müssen, trotz der positiven Auswirkungen der Digitalisierung, dennoch die vielseitigen Risiken für den Datenschutz beachtet werden, damit die Digitalisierung Europas ein tatsächlicher Erfolg wird. Leider besteht bislang auf europäischer Ebene Uneinigkeit darüber, wie mit der Lösung dieser Probleme umgegangen werden soll und welche Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Es bleibt abzuwarten, welche Gesetzgebungsvorhaben in Zukunft durchgesetzt werden, um das komplexe Zusammenspiel von Datenschutz und Bereichsregulierung zu ordnen.
24. Januar 2023
Es gibt Neuigkeiten! Vierzehn Jahre nach der Einführung durch den kanadischen Datenschutzbeauftragten ist „Privacy by Design“ (PbD) im Begriff, ein internationaler Datenschutzstandard für den Schutz von Verbraucherprodukten und -dienstleistungen zu werden.
Doch was versteht man unter PbD? Hinter dem Begriff „Privacy by design“ verbirgt sich nichts Anderes als „Datenschutz durch Technikgestaltung“. Dahinter steckt der Gedanke, dass der Datenschutz bei Datenverarbeitungsvorgängen am besten eingehalten wird, wenn er bei deren Erarbeitung bereits technisch integriert ist. Das Konzept wurde 2009 vorgestellt und besteht aus einer Reihe von Grundsätzen, die die Berücksichtigung des Datenschutzes im gesamten Datenmanagementprozess einer Organisation fordern. Seitdem wurden sie von der Internationalen Versammlung der Datenschutzbeauftragten und -behörden angenommen und in die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aufgenommen.
Wer ist die ISO?
Die ISO ist ein Netzwerk von 167 nationalen Normungsgremien. Sie legt über 24.000 Normen fest, darunter die ISO 27001 für Informationssicherheits-Managementsysteme, deren Einhaltung Organisationen nach einer Prüfung durch Wirtschaftsprüfungsunternehmen wie Deloitte, KPMG und PwC zertifiziert werden kann.
Die Verabschiedung durch die ISO gibt der Operationalisierung des Konzepts „Privacy by Design Leben“, so Ann Cavoukian, die PbD-Erfinderin, „und hilft Organisationen, herauszufinden, wie sie es umsetzen können. Der Standard ist so konzipiert, dass er von einer ganzen Reihe von Unternehmen genutzt werden kann – von Start-ups über multinationale Unternehmen bis hin zu Organisationen jeder Größe. Bei jedem Produkt kann dieser Standard eingesetzt werden, weil er einfach zu übernehmen ist. Wir hoffen, dass der Datenschutz proaktiv in die Gestaltung der Abläufe [einer Organisation] eingebettet wird und die Datenschutzgesetze ergänzt.“
Was kommt auf uns zu?
In seiner ursprünglichen Fassung umfasst PbD sieben Grundsätze, darunter die, dass der Datenschutz die Standardeinstellung einer Organisation sein sollte, dass er in die Gestaltung von IT-Systemen und Geschäftspraktiken eingebettet ist und dass er Teil des gesamten Datenlebenszyklus ist.
Die endgültige ISO-Norm 31700 ist detaillierter und enthält 30 Anforderungen verteilt auf 32 Seiten. Sie enthält allgemeine Anleitungen zur Entwicklung von Funktionen, die es den Verbrauchern ermöglichen, ihre Datenschutzrechte durchzusetzen, zur Zuweisung relevanter Rollen und Befugnisse, zur Bereitstellung von Datenschutzinformationen für Verbraucher, zur Durchführung von Datenschutzrisikobewertungen, zur Festlegung und Dokumentation von Anforderungen an Datenschutzkontrollen, zur Gestaltung von Datenschutzkontrollen, zum Datenmanagement über den gesamten Lebenszyklus und zur Vorbereitung auf und zum Umgang mit Datenschutzverletzungen.
In der vorgeschlagenen Einleitung wird darauf hingewiesen, dass sich PbD auf verschiedene Methoden für die Entwicklung von Produkten, Prozessen, Systemen, Software und Dienstleistungen bezieht. Die vorgeschlagene Bibliographie, die dem Dokument beiliegt, verweist auf andere Normen mit detaillierteren Anforderungen an die Identifizierung personenbezogener Daten, Zugangskontrollen, die Zustimmung der Verbraucher, Corporate Governance und andere Themen.
Zusammen mit der Norm wird ein separates Dokument mögliche Anwendungsfälle skizzieren.
Ausblick
Cavoukian wiederholte das Argument, das sie schon seit Jahren vorbringt: Datenschutz kann ein Wettbewerbsvorteil für Unternehmen sein, die ihn annehmen. „Wir müssen uns von dem veralteten Entweder-Oder-Modell von Datenschutz und Geschäft verabschieden“, so ihr Standpunkt. „Das kann eine Win-Win-Situation sein. Es geht um Datenschutz und Geschäftsinteressen. You can do both.“
ISO 31700 wird allerdings zunächst kein Konformitätsstandard sein.
Am Dienstag, den 17. Januar 2023, fand vor dem Europäischen Gerichtshof die mündliche Verhandlung im Fall “Deutsche Wohnen” (C-807/21) statt. Das Unternehmen war von der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit mit einem Bußgeld von 14,5 Millionen Euro wegen der unangemessenen Speicherung von Mieterdaten bestraft worden. Der EuGH wird sich nun mit der Frage beschäftigen, ob eine juristische Person in Deutschland nach EU-Recht direkt für Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bestraft werden kann, ohne dass eine Verletzung durch eine identifizierte natürliche Person festgestellt werden muss. Diese Anforderungen sind in der DSGVO nicht vorgesehen.
Der Europäische Gerichtshof hat in der mündlichen Verhandlung ein besonderes Interesse daran gezeigt, wie die Regelungen in Deutschland die europäische Harmonisierung beeinflussen. Da der Fall von großer Bedeutung ist, hat sich die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) vor der Verhandlung mit einer rechtlichen Stellungnahme positioniert.
Marit Hansen, Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein und Vorsitzende der Datenschutzkonferenz für das Jahr 2023: „Die Entscheidung in diesem Verfahren wird für Deutschland eine grundlegende Weichenstellung bedeuten. Sie wird daher von den deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden mit Spannung erwartet.“
Meike Kamp, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit: „Die Sanktionierung von Datenschutzverstößen durch Unternehmen ist in Deutschland gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten derzeit deutlich erschwert. Dies widerspricht dem Ziel einer einheitlichen Durchsetzung europäischen Rechts und steht nicht im Einklang mit der DSGVO. Gerade bei großen Konzernen ist der Nachweis einer persönlichen Verursachung in der Unternehmensleitung häufig kaum zu führen. Das Verfahren vor dem EuGH wird hoffentlich in dieser Frage die erforderliche Rechtssicherheit für Unternehmen und Aufsichtsbehörden schaffen.“
17. Januar 2023
Mit Urteil vom 12. Januar 2023 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgesehenen verwaltungs- und zivilrechtlichen Rechtsbehelfe nebeneinander und unabhängig voneinander eingelegt werden können (C-132/21).
Hintergrund
Grundlage der Entscheidung war die Vorlage des Hauptstädtischen Stuhlgerichts Budapests. Die betroffene Person „BE“ hatte zum einen gegen eine Entscheidung der Datenschutzaufsichtsbehörde vor dem vorlegenden Gericht geklagt, welches der Verwaltungsgerichtsbarkeit angehört. Zum anderen hatte er vor dem Zivilgericht Klage gegen den datenschutzrechtlichen Verantwortlichen erhoben, über dessen Verarbeitung er sich bei der Aufsichtsbehörde beschwert hatte.
Beide Rechtswege sind in der DSGVO vorgesehen. Gegen den Verantwortlichen können betroffene Personen nach Art. 79 DSGVO vorgehen. Gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörde gewährt ihnen Art. 78 DSGVO den Rechtsweg.
Das vorlegende Gericht störte sich daran, dass es „denselben Sachverhalt und dieselbe Behauptung eines Verstoßes gegen die Verordnung 2016/679 prüfen müsse, über die das Fővárosi Ítélőtábla (Hauptstädtisches Tafelgericht, Ungarn) bereits rechtskräftig entschieden habe.“ Daher wollte es wissen, „in welchem Verhältnis die von einem Zivilgericht vorgenommene Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des Verantwortlichen für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu dem Verwaltungsverfahren steht“. Es sei nämlich möglich, dass widersprüchliche Entscheidungen erlassen würden.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH betonte, dass die von der DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfe gleichwertig nebeneinander stehen. Die DSGVO sehe weder „weder eine vorrangige oder ausschließliche Zuständigkeit vor[sieht] noch einen Vorrang der Beurteilung der genannten Behörde oder des genannten Gerichts zum Vorliegen einer Verletzung der durch diese Verordnung verliehenen Rechte.“ Aus diesem Grund könnten die Rechtsbehelfe „nebeneinander und unabhängig voneinander eingelegt werden.“
Es obliege „den Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie die Modalitäten des Zusammenspiels dieser Rechtsbehelfe zu regeln“. Dabei sei die effektive Umsetzung der DSGVO zu berücksichtigen, um die Rechte betroffener Personen effektiv zu schützen und die DSGVO einheitlich anzuwenden.
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