Kategorie: Online-Datenschutz

Der EU Cyber Solidarity Act

24. April 2023

Am 18. April 2023 stellte die Europäische Kommission den EU Cyber Solidarity Act vor, um die Prävention, Erkennung und Reaktion auf Cyber-Sicherheitsvorfälle in der gesamten EU zu verbessern.

Verbesserung der Cyber-Sicherheit in der EU

Das Ziel des EU Cyber Solidarity Act sei es, die Kapazitäten in der EU zu stärken, um bedeutende und groß angelegte Cyber-Sicherheitsbedrohungen und Angriffe zu erkennen und darauf zu reagieren. Der Vorschlag umfasst ein europäisches Cyber-Sicherheitsschild, das aus miteinander verbundenen Security Operations Centres (SOCs) bestehen soll, sowie einem umfassenden Cyber-Sicherheits-Notfallmechanismus, um die Cyber-Sicherheit der EU zu verbessern.

Die Security Operations Centres sollen in mehreren länderübergreifenden SOC-Plattformen zusammengefasst werden. Diese SOCs sollen dabei fortschrittliche Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Datenanalyse einsetzen, um Bedrohungen zu erkennen Dies soll eine schnellere und effizientere Reaktion auf größere Bedrohungen ermöglichen. Das Cyber-Sicherheitsschild soll insgesamt die Erkennung, Analyse und Reaktion auf Cyber-Bedrohungen verbessern.

Cyber-Sicherheits-Notfallmechanismus

Der Cyber-Sicherheits-Notfallmechanismus soll sicherstellen, dass die Vorbereitung und Reaktionen auf Cyber-Sicherheitsvorfälle verbessert werden. Dieses Ziel möchte man durch die Folgenden Schritte erreichen:

  • Unterstützung bei Vorbereitungsmaßnahmen
  • Überprüfung von Einrichtungen in wichtigen Sektoren wie Finanzen, Energie und Gesundheitswesen auf potenzielle Schwachstellen, die sie anfällig für Cyber-Bedrohungen machen könnten
  • Gemeinsamen Risikobewertung auf EU-Ebene
  • Schaffung einer EU Cyber-Sicherheitsreserve
  • Gegenseitige Unterstützung innerhalb der EU

Cybersecurity Incident Review Mechanism

Schließlich sieht der EU Cyber Solidarity Act auch die Einrichtung eines Cybersecurity Incident Review Mechanism vor. Dieser Mechanismus wird dazu beitragen, spezifische Cybersecurity-Zwischenfälle zu analysieren und Empfehlungen zur Verbesserung der Reaktion auf solche Vorfälle abzugeben.

Die Europäische Agentur für Cybersicherheit (ENISA) wird für die Überprüfung spezifischer oder groß angelegter Cybersecurity-Zwischenfälle verantwortlich sein. ENISA soll dann einen Bericht erstellen, der Lehren aus dem Zwischenfall zieht und gegebenenfalls Empfehlungen zur Verbesserung der EU-Cyberabwehr enthält.

Finanzierung

Die Umsetzung des EU Cyber Solidarity Act werde durch den Digital Europe Programme (DEP) finanziert. Der DEP unterstützte die digitale Transformation Europas und habe unter anderem den Auftrag, die europäische Cybersecurity zu stärken.

Für den EU Cyber Solidarity Act werden insgesamt 842,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, wovon 100 Millionen Euro aus anderen Bereichen des DEP umgeschichtet werden. Dies soll die Umsetzung des Cybersecurity-Ziels des DEP verstärken.

Ein Teil der zusätzlichen 100 Millionen Euro werde dazu verwendet, das Budget des European Cybersecurity Competence Center (ECCC) zu stärken, um Maßnahmen im Bereich der SOCs und der Vorbereitung umzusetzen. Der Rest des Geldes werde zur Unterstützung der Einrichtung des EU Cybersecurity Reserve eingesetzt. Zusätzlich zu den Mitteln des DEP erwarte man auch auch Beiträge der Mitgliedstaaten, die das Budget des EU Cyber Solidarity Act auf bis zu 1,109 Milliarden Euro erhöhen könnten.

Fazit

Der EU Cyber Solidarity Act ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Cybersecurity in Europa. Durch die Einrichtung von SOCs, die Unterstützung der Vorbereitungsmaßnahmen und die Schaffung eines EU Cybersecurity Reserve würde die EU besser auf zukünftige Cybersecurity-Bedrohungen vorbereitet sein. Gleichzeitig wird die Einrichtung eines Cybersecurity Incident Review Mechanism dazu beitragen, dass die EU aus vergangenen Zwischenfällen lernen und ihre Cyberabwehr stetig verbessern kann.

Gesetz gegen digitale Gewalt und seine Kritik

17. April 2023

Vergangene Woche veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz (BMJ) seine Eckpunkte zum Gesetz gegen digitale Gewalt. Ziel des Vorhabens sei es betroffenen Personen digitaler Gewalt, beispielsweise von Beleidigungen auf Internetplattformen bei der Durchsetzung ihrer Rechte und dem Schutz vor weiteren Rechtsverletzungen zu helfen. Das Vorhaben blieb allerdings nicht ohne Kritik.

Konkrete Vorschläge

Mit dem neuen Gesetz gegen digitalisierte Gewalt will das BMJ effektiver gegen beleidigenden Äußerungen und diffamierende Inhalten im Internet vorgehen. Diese Aufgabe sollte bisher das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) übernehmen. Dieses soll allerdings durch den Digital Service Acts ab dem Zeitpunkt seiner Geltungswirkung ersetzt werden.

Nach dem Eckpunkte-Papier des BMJ sieht das Gesetz gegen digitale Gewalt zwei wesentliche Änderungen vor. Erstens solle es möglich sein, dass betroffene Personen digitalisierter Gewalt einen besseren Auskunftsanspruch über den Verfasser des rechtsverletzenden Textes erhielten. Außerdem sollte den betroffenen Personen künftig ein Anspruch auf Sperrung eines Accounts zustehen, der besonders häufig Rechtsverletzungen begehe.

Konkret sei es das Ziel des BMJ, dass das Gesetz gegen digitale Gewalt das Auskunftsverfahren verbessere. Demnach könne eine betroffene Person, die Opfer einer Beleidigung oder anderen Straftat sei, umfangreichere Nutzungsdaten bei dem Betreiber sozialer Medien erfragen. Statt lediglich der Name und der E-Mail-Adresse sei so ein Auskunftsanspruch auf Erhalt der IP-Adresse möglich. Die Durchsetzung des Auskunftsanspruch sollte kostenlos vor Gericht erfolgen.

Außerdem bekämen die betroffenen Personen die Möglichkeit bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen die Sperrung des verursachenden Accounts zu veranlassen.

Kritik

Insbesondere der Chaos Computer Club (CCC) reagierte mit Kritik auf die Vorschläge des BMJ. Grund für die Kritik ist u.a. die Absicht des BMJ Dienstleister Sozialer Medien dazu zu verpflichten, die Bestands- und Nutzungsdaten der Verfasser von rechtswidrigen Inhalten zu speichern. Demnach sollten die Dienstleister im Falle eines Auskunftsverfahrens verpflichtet sein, die entsprechenden Daten abzusichern.

Der CCC sieht darin eine „Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür“. Aus Sicht des Clubs sei es problematisch, dass die Ziele des BMJ nur erreicht werden könnten, wenn Dienstleister Sozialer Medien eine Vielzahl von Daten speicherten. Allerdings würden einmal gespeicherte Daten häufig für andere, nicht vorhergesehene Zwecke genutzt werden. Außerdem sei es besonders bedenklich, dass die Pflicht zur Speicherung eine mögliche Profilbildung für verpflichtete Dienstleister erleichtere. Demnach könnten sie bereits vorhandene Daten mit Identifikationsdaten kombinieren. Die Folge seien erhebliche Risiken für die informationelle Selbstbestimmung.

Fazit

Bereits in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 hatte die Ampelregierung ihre Absicht festgelegt, ein Gesetz gegen digitale Gewalt zu verabschieden. Es bleibt abzuwarten, ob die veröffentlichten Eckpunkte, so wie sie derzeit vorliegen Eingang in einen Gesetzesentwurf finden werden.

Verbot für ChatGPT

6. April 2023

Vergangene Woche teilte die italienische Datenschutzbehörde mit, dass das Chat-Tool „ChatGPT“ in Italien künftig verboten sei. Aufgrund verschiedener datenschutzrechtlicher Bedenken sei es nicht mehr möglich die Internetseite, über die ChatGPT zur Verfügung gestellt wird, in Italien aufzurufen.

Wenige Informationen und kein Jugendschutz

Als Grund für das Verbot nannte die italienische Datenschutzbehörde verschiede Gründe. Ausschlaggebend für das Aus sei zunächst ein Mangel an Informationen. Demnach informieren ChatGPT im Rahmen seiner Anwendung den Nutzer nicht darüber, welche personenbezogenen Daten sie sammele und zu welchem Zweck dies geschehe. Aus Sicht der Behörde sei es eindeutig, dass ChatGPT personenbezogene Daten der Nutzer zusammentrage und speichere. Allerdings sei es unklar, was mit den Daten geschehe und ob das hinter ChatGPT stehende Unternehmen „Open AI“ diese ggf. weiterveräußere.  Außerdem gebe das Unternehmen nicht an, auf welcher Rechtsgrundlage es personenbezogene Daten verarbeite.

Darüber hinaus dürfen nur Nutzer, die über 13 Jahre alt seien ChatGPT verwenden. Allerdings bestehen derzeit keine Kontrollmöglichkeit, mit der das Alter der Nutzer überprüft werde. Folglich sei es möglich, dass Kinder und Jugendliche auf Inhalte Zugriff erhielten, die für sie nicht bestimmt seien.

Des Weiteren könne es dazu kommen, dass über ChatGPT falsche Informationen verbreitet werden. Demnach antworte der Chat nicht immer richtig, sodass ungenaue personenbezogene Daten verarbeitet werden.

Verbot in Deutschland?

In Deutschland kann die Chat-Anwendung derzeit noch genutzt werden. In einem Kommentar  betonte eine Vertreterin des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), dass ChatGPT auf seine datenschutzrechtliche Konformität hin überprüft werden solle. Insoweit warte man auf Informationen der italienischen Datenschutzbehörde, damit sich die Datenschutzbehörden der Bundesländer genauer mit dem Verbot auseinandersetzen können.

Grundsätzlich bleibt abzuwarten, wie die Verwendung von ChatGPT in Deutschland künftig aussehen wird und ob OpenAI datenschutzrechtliche Nachbesserungen treffen wird.

Umgang mit einem vertragsunwilligen Auftragsverarbeiter im Sinne der DSGVO

3. April 2023

Manchmal kommt es auch Jahre nach der Einführung der DSGVO immer noch vor, dass Dienstleister, die personenbezogene Daten verarbeiten sollen, nicht auf Anfragen zum Abschluss, zur Überarbeitung oder zur Aktualisierung eines Auftragsverarbeitungsvertrags reagieren. Dies stellt Datenschutzbeauftragte vor Herausforderungen, da die Verarbeitung personenbezogener Daten durch einen Auftragsverarbeiter nur auf der Grundlage eines Vertrags oder eines anderen Rechtsinstruments erfolgen darf, der den Auftragsverarbeiter in Bezug auf den Verantwortlichen bindet. Wenn der Dienstleister jedoch nicht bereit ist, eine solche Vereinbarung abzuschließen, fragt sich, welche Optionen der Verantwortliche hat.

Es ist wichtig zu betonen, dass es im Interesse des Dienstleisters oder Auftragnehmers liegt, einen Vertrag zur Auftragsverarbeitung abzuschließen. Wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Vertrag durchgeführt wird, verstoßen beide Parteien gegen ihre Pflichten aus der DSGVO. Dies kann zu Bußgeldern führen. Wenn eine Anfrage zum Abschluss eines Vertrags unbeantwortet bleibt, sollten Verantwortliche darauf hinweisen, dass dies ein rechtliches Erfordernis ist und eine Vereinbarung zum Vorteil aller Beteiligten ist.

Der Fall Kolibri Images

Empfehlenswert und notwendig ist es, den Datenschutzbeauftragten bei der Angelegenheit einzubeziehen. Außerdem ist es sinnvoll, dem Dienstleister einen Vertragsentwurf zur Überprüfung vorzulegen. Ein Beispiel für die Bedeutung eines solchen Vertrags ist der Fall des Unternehmens Kolibri Images, gegen das 2018 von der Datenschutzaufsichtsbehörde in Hamburg ein Bußgeld verhängt wurde. Das Unternehmen hatte einen spanischen Dienstleister ohne entsprechenden Auftragsverarbeitungsvertrag eingesetzt, und obwohl Kolibri Images den Dienstleister mehrfach zur Übermittlung eines Vertragsentwurfs aufgefordert hatte, verweigerte dieser dies. Kolibri Images weigerte sich schließlich auch, einen eigenen Entwurf zu erstellen, was zur Verhängung des Bußgeldes führte.

Obwohl die Aufsichtsbehörden später den Bußgeldbescheid zurücknahmen, zeigt der Fall doch, dass sie von Verantwortlichen den Abschluss von Auftragsverarbeitungsverträgen fordern. Allerdings können Dienstleister nicht einfach “gezwungen” werden, einen solchen Vertrag abzuschließen, auch wenn sie gute Argumente haben. Wenn eine Erklärung der datenschutzrechtlichen Situation und die proaktive Zusendung eines Vertragsentwurfs keine Wirkung zeigen, sollten Verantwortliche darüber nachdenken, zu “drastischeren” Mitteln zu greifen, wie zum Beispiel einer anderweitigen Vergabe des Auftrags oder einer Kündigung, wenn der Auftragsverarbeitungsvertrag nicht innerhalb einer vorher definierten Frist abgeschlossen wird. Wenn auch das keine Wirkung zeigt, sollten Verantwortliche die Dienstleistung ohne einen Auftragsverarbeitungsvertrag nicht weiter in Anspruch nehmen, da dies gegen die Vorschriften der DSGVO verstößt und ein Bußgeldrisiko birgt.

Fazit

Wenn Verantwortliche Dienstleister auswählen, die Zugriff auf personenbezogene Daten erhalten sollen, sollten sie den Datenschutz von Anfang an berücksichtigen und die Bereitschaft zum Abschluss eines Vertrags zur Auftragsverarbeitung als Kriterium für die Beauftragung verwenden. Wenn Dienstleister bereits im Einsatz sind, ohne dass ein Vertrag besteht, sind die oben genannten Schritte die einzigen Optionen, und als letztes Mittel kann eine Trennung vom jeweiligen Dienstleister eingeleitet werden, falls dieser keine Einigung erzielen kann.

Russland bereitet laut Medienberichten Cyberangriffe vor

31. März 2023

Nach umfassenden Recherchen durch mehrere Medien aus acht verschiedenen Ländern, darunter der Spiegel, das ZDF, der Guardian und die Washington Post, wurde bekannt, dass russische Geheimdienste in Zusammenarbeit mit einer Moskauer IT-Firma weltweit Cyberangriffe auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur planen.

Die „Vulkan-Files“, die aus den Jahren 2016 bis 2021 stammen, wurden von einem anonymen Whistleblower veröffentlicht, der über den Krieg Russlands in der Ukraine verärgert war.

Gezielte Angriffe auf die Infrastruktur

Offiziell gibt sich NTC-Vulkan als ein Beratungsunternehmen für Cybersicherheit aus. Das Unternehmen ist allerdings Teil des militärisch-industriellen Komplexes in Russland. Ein kürzlich aufgetauchtes Leck vertraulicher Dateien hat aufgedeckt, dass sie an der Förderung von Putins Cyberwarfare-Fähigkeiten beteiligt sind. Diese durchgesickerten Dokumente, die Tausende von Seiten umfassen, zeigen, wie die Vulkan-Ingenieure mit dem russischen Militär und den Geheimdiensten zusammenarbeiten. Ihre Arbeit umfasst die Unterstützung von Hacking-Operationen, die Ausbildung von Agenten für Angriffe auf die nationale Infrastruktur, die Verbreitung von Desinformationen und die Kontrolle über bestimmte Teile des Internets. Die Verbindung des Unternehmens mit dem föderalen Geheimdienst Russlands (FSB), den operativen und nachrichtendienstlichen Abteilungen der Streitkräfte (GOU und GRU) und dem Auslandsgeheimdienst (SVR) wurde durch diese Dokumente nachgewiesen.

Sowohl NTC-Vulkan als auch der Kreml wurden mehrfach um eine Stellungnahme gebeten, dort wollte man sich jedoch nicht zu den Enthüllungen äußern. Die Echtheit der Vulkan-Dateien wurde allerdings von fünf westlichen Geheimdiensten bestätigt. Die durchgesickerten Dokumente enthalten auch Beispiele für potenzielle Ziele, darunter eine Karte mit Punkten, die Orte in den USA markieren, sowie Details über ein Kernkraftwerk in der Schweiz.

Verbindungen zu westlichen Konzernen

Nachdem sie NTC-Vulkan verlassen hatten, arbeiteten mehrere ehemalige Mitarbeiter für große westliche Unternehmen wie Amazon und Siemens. Beide Unternehmen haben die Beschäftigung dieser ehemaligen Vulkan-Mitarbeiter eingeräumt, aber erklärt, dass ihre internen Kontrollen einen unbefugten Zugang zu sensiblen Informationen verhinderten. Einige dieser ehemaligen Mitarbeiter leben nun in EU-Ländern, darunter Deutschland, und arbeiten nach Angaben verschiedener Medien für globale Technologieunternehmen. Das Sicherheitsrisiko, das von diesen ehemaligen Vulkan-Ingenieuren ausgehe, sei unklar, ebenso wie die Frage, ob sie die Aufmerksamkeit westlicher Spionageabwehrbehörden auf sich gezogen haben oder nicht.

Bedrohungen auf dem Vormarsch

Die Enthüllungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Bedrohung durch Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur und die Spannungen mit Russland zunehmen. Eine solche Infrastruktur umfasst wichtige Systeme wie Stromnetze, Wasserwerke, Krankenhäuser und Transportnetze, die von Regierungen und Unternehmen auf der ganzen Welt betrieben werden.

Die potenziellen Auswirkungen solcher Angriffe auf die kritische Infrastruktur sind enorm. Sie könnten nicht nur die betroffenen Einrichtungen lahmlegen, sondern auch zu einer Kaskade von Problemen führen, die sich auf andere Bereiche ausbreiten können. Zum Beispiel könnte ein Angriff auf das Stromnetz in einer Stadt dazu führen, dass Krankenhäuser ohne Strom bleiben und lebenswichtige medizinische Geräte nicht mehr funktionieren. Die Entdeckung der Vulkan Files ist ein alarmierendes Zeichen dafür, dass solche Angriffe immer gezielter und aggressiver werden.

Wie können sich Regierungen und Unternehmen vor diesen Bedrohungen schützen?

Insgesamt sind die Vulkan Files ein alarmierendes Beispiel für die Bedrohung durch Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur und verschärfen zusätzlich den Konflikt mit Russland. Die Sicherheitsmaßnahmen müssen verstärkt werden, um Angriffe zu verhindern oder schnell darauf reagieren zu können. Das bedeutet, dass ein stärkeres Bewusstsein für Cyber-Sicherheitsrisiken in allen Bereichen geschaffen werden muss. Regierungen müssen sicherstellen, dass ihre kritische Infrastruktur ausreichend geschützt ist, und Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Netzwerke sicher und robust sind.

Meta- Tracking- Tools rechtswidrig

16. März 2023

Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen den US-Konzern „Meta“ stellte die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) die Rechtswidrigkeit der durch Meta zur Verfügung gestellten Tools „Facebook Logins“ und „Meta Pixel“ fest. Grund für diese Entscheidung sei der rechtswidrige Drittlandstransfer personenbezogener Daten in die USA.

Hintergründe

Zu der Entscheidung der DSB kam es aufgrund einer durch die Datenschutzorganisation „none of your business“ (noyb) angestrengten Beschwerde. Diese strengte noyb zusammen mit weiteren 100 Beschwerden gegen verschiedene Webseitenbetreiber an, die auf ihren Seiten Anwendungen von Meta und Google implementiert hatten (wir berichteten).

Im konkreten Fall ging noyb gegen den Betreiber eines Online-Nachrichtenportals vor. Dieser hatte u.a. die von Meta zur Verfügung gestellten Tools Facebook Logins und Meta Pixel auf seiner Webseite implementiert. Insoweit sei es fraglich gewesen, ob die aufgrund der Implementierung erfolgte Datenübermittlung in die USA durch eine geeignete Garantie nach Art. 45 DSGVO oder eine Ausnahme nach Art. 49 DSGVO erlaubt sei.

Facebook Logins und Meta Pixel

Facebook Login sei, laut Meta eine Anwendung, die die Nutzererfahrung verbessere. Der Nutzer einer Webseite müsse sich kein neues Benutzerkonto anlegen, sondern könne sein Facebook-Profil zur Anmeldung verwenden. Die DSB stellte allerdings fest, dass aufgrund der Implementierung von Facebook Logins eine Vielzahl personenbezogener Daten der Nutzer in die USA übermittelt werden. Dazu zählen u.a. die IP-Adresse, Ort und Datum des Webseitenbesuches und die Nutzer-ID.

Meta Pixel sei, wie der Konzern erklärt, eine Anwendung, die es Webseitenbetreibern ermögliche, das Verhalten ihrer Nutzer nachzuvollziehen. Alle Handlungen, die ein Nutzer auf der Webseite vornehme, wie beispielweise das Hinzufügen eines Artikels in den Warenkorb, könne die Anwendung dokumentieren. Wie auch bei Facebook-Logins, komme es bei Meta Pixel zu einer Datenübermittlung in die USA. Zu diesen personenbezogenen Daten zählen u.a. die IP-Adresse und die Klickdaten für Buttons des Endgerätes.

Feststellung der DSB

Hinsichtlich der Datenübermittlung in die USA stellt die DSB einen Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze der Datenübermittlung nach Art. 44 ff. DSGVO fest.  Obwohl zu dem fraglichen Zeitpunkt der EuGH den „Privacy Shield“, also den Angemessenheitsbeschluss für die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA, bereits für unwirksam erklärt habe, sollte auf seiner Grundlage eine Datenübermittlung erfolgen. Demnach reichten später eingeführte Standardvertragsklauseln aus Sicht der DSB nicht zur rechtwirksamen Datenübermittlung. Die untersuchte Datenübermittlung sei vor Einführung der Vertragsklauseln erfolgt. Eine Ausnahme iSd Art. 49 DSGVO habe die Webseite nicht für die Datenübermittlung vorgesehen.

Fazit

Vorsitzender der Organisation noyb, Max Schrems, betonte, dass erstmalig eine Aufsichtsbehörde einem Webseitenbetreiber die Illegalität der Facebook-Tracking-Technologie aufgezeigt habe.

Abschließend bleibt fraglich, wann und ob mehr Rechtssicherheit in Bezug auf die Datenübermittlung in die USA einkehren wird.

Immer Ärger mit TikTok

15. März 2023

TikTok: eine harmlose Plattform für Jugendliche zum Teilen unterhaltsamer Videos mit dem Wunsch viral zu gehen oder eher eine Gefährdung für Regierungen und Gesellschaften? Zwei Standpunkte, die nicht weiter entfernt voneinander sein könnten. Eine Plattform mit mehr als einer Milliarden Nutzer*innen weltweit sorgt bei mehreren Anlaufstellen für Bauchschmerzen. Darunter ist die EU-Kommission sowie das Federal Bureau of Investigation (FBI). Selbst der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, wollte den Dienst vollends verbieten.

Über TikTok

Mit mehr als einer Milliarde Nutzer*innen ist die Plattform im Weltweiten Ranking lediglich auf Platz vier. Zur Veranschaulichung der Nutzerzahlen ist Meta (ehemalig Facebook) mit 2,9 Milliarden Nutzer*innen auf dem ersten Platz. Hinter dem Dienst steht das chinesische Unternehmen ByteDance. Zu den Problemfeldern zählt insbesondere der nach westlichen Standards mangelnde Daten- und Jugendschutz, eine umfangreiche politische Zensur, die Verbreitung von Fake News, Werbung für Fake-Markenartikel, betrügerische Inhalte bis hin zu möglicher Spionage des chinesischen Staates durch die Auswertung von Nutzerprofilen. Verantwortliche Sprecher*innen des Dienstes streiten nach autokratischem Muster alle Anschuldigungen immer wieder konstant ab.

Datenschutzrechtliche Bedenken

Mit einer Social-Media-App wie TikTok wird europaweit ein kaum vorstellbares Maß an personenbezogenen Daten generiert. Fraglich ist an dieser Stelle natürlich, wie mit diesen Daten verfahren wird und wer am Ende wirklich Zugriff auf diese haben könnte. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) formuliert Bedenken gegenüber TikTok eher zurückhaltend. So erklärt das BSI, dass sich mit dem Aufstieg des Dienstes auch immer wieder warnende Stimmen zu Wort melden, die einen Abfluss der Benutzerdaten nach China befürchteten. China, ein Land ohne Angemessenheitsbeschluss.

Bringt der Digital Services Act die Lösung?

Das neue EU-Gesetz ermöglicht ggf. ein Verbot. EU-Kommissar Thierry Breton äußerte sich folgendermaßen dazu: „Wir werden nicht zögern, alle möglichen Sanktionen zu beschließen, wenn Prüfungen nicht die volle Einhaltung erkennen lassen“. Der Digital Services Act (DSA) wird ab dem 1. September dieses Jahres für große Plattformen anwendbar sein. Es bleibt abzuwarten, wie scharf das Schwert des DSA sein wird. Eine drastische Anpassung der internationalen Tech-Giganten an europäische Standards würde wohl von mehreren Stellen begrüßt werden.

 

EuGH Entscheidung: Beweislast bei unrichtigen Daten

13. März 2023

In der Entscheidung C-460/20 vom 8.12.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber entschieden, wer die Beweislast trägt, wenn eine Person die Entfernung von Links zu Webseite-Beiträgen aus der Liste der Suchergebnisse im Internet beantragt. Mit anderen Worten, die Entscheidung klärt, wer beweisen muss, ob ein solcher Antrag gerechtfertigt ist oder nicht.

Die Entscheidung des EuGH

Die Argumente des EuGH zur Beweislast in Bezug auf Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind von großer Bedeutung für die Praxis. Insbesondere ging es darum, wer die Beweislast im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Artikels 17 Absatz 3 Buchstabe a DSGVO trägt, wenn eine betroffene Person die Löschung von bestimmten Daten beantragt und behauptet, dass diese unrichtig seien.

Der EuGH stellte fest, dass die betroffene Person den Nachweis erbringen muss, dass die Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein nicht unbedeutender Teil davon offensichtlich unrichtig ist, um den Löschungsantrag zu rechtfertigen. Jedoch darf die Beweislast nicht zu einer übermäßigen Belastung führen, die das Recht auf Löschung beeinträchtigt. Die betroffene Person kann daher nicht gezwungen werden, eine gerichtliche Entscheidung gegen den Betreiber der Website zu erlangen.

Auf der anderen Seite kann der Verantwortliche für die Datenverarbeitung nicht dazu verpflichtet werden, den Sachverhalt zu ermitteln und eine kontradiktorische Debatte mit dem Anbieter der Inhalte zu führen. Der EuGH ist der Meinung, dass der Verantwortliche nicht aktiv an der Suche nach Tatsachen mitwirken muss, die den Löschungsantrag nicht unterstützen, um zu prüfen, ob der Antrag gerechtfertigt ist.

Auf Art. 16 DSGVO übertragbar?

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im März 2022 betraf einen Fall, in dem eine betroffene Person die Berichtigung von Daten nach Artikel 16 DSGVO beantragt hatte. Das Gericht betonte, dass die objektive Wirklichkeit der Maßstab für die Qualifizierung eines Datums als “richtig” oder “unrichtig” im Sinne von Artikel 16 Satz 1 DSGVO ist. Es wurde auch festgestellt, dass Artikel 5 Absatz 2 DSGVO eine spezifische Bestimmung enthält, wer die Beweislast für die Richtigkeit des neu einzutragenden Datums trägt, wenn die Einhaltung der Grundsätze des Artikels 5 Absatz 1 DSGVO in einem Rechtsstreit zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person im Streit steht.

Das Gericht entschied, dass im Falle eines Berichtigungsanspruchs, bei dem die Richtigkeit des Datums umstritten ist, die Nichterweislichkeit der Richtigkeit des Datums zu Lasten der betroffenen Person geht. Wenn die Beweislast für die Richtigkeit des Datums beim Verantwortlichen liegt, muss er zukünftig nachweisen, dass ein von ihm verarbeitetes Datum richtig ist. Wenn jedoch die betroffene Person nicht nachweisen kann, dass das Datum unrichtig ist, kann der Verantwortliche nicht verpflichtet werden, das von der betroffenen Person genannte Datum einzutragen und weiterzuverarbeiten.

Fazit

Beide Entscheidungen enthalten relevante Klarstellungen zur Beweislast in der Praxis, wenn es um die Bearbeitung von Betroffenenansprüchen geht. Unternehmen, die häufig mit solchen Anfragen konfrontiert sind, können sich bei der Beurteilung der Frage, ob sie die Daten berichtigen oder löschen müssen, an den Gründen dieser Entscheidungen orientieren.

Sind IP-Adressen immer personenbeziehbar?

7. März 2023

Der Schutz von IP-Adressen gewinnt in der datenschutzrechtlichen Praxis zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei der Einbindung von Drittdiensten in Webseiten und der Nutzung von IP-Adressen im Zensus 2022. Es wird jedoch oft pauschal angenommen, dass dynamische IP-Adressen personenbeziehbar sind, was nicht zwingend der Fall ist. Es wird unterstellt, dass dynamische IP-Adressen personenbeziehbar nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO seien. Findet sich eine Begründung, wird auf das Urteil des EuGH in der Rs. Breyer verwiesen.

Da IP-Adressen bei jeder Internet-Kommunikation unvermeidlich sind und ihre Bedeutung mit dem Auslaufen von cookiebasiertem Tracking weiter zunehmen wird, ist es wichtig, den angeblichen Personenbezug von dynamischen IP-Adressen kritisch zu hinterfragen.

Was steht in der DS-GVO?

Im Gesetzestext der DS-GVO wird nicht explizit auf IP-Adressen eingegangen, jedoch werden sie im Erwägungsgrund 30 erwähnt, wo deutlich wird, dass sie nur in Kombination mit anderen Informationen einen Personenbezug ermöglichen können. Nach Erwägungsgrund 26 sollen dabei nur Zusatzinformationen berücksichtigt werden, die “nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden”, wobei objektive Faktoren wie Kosten und Zeitaufwand zu berücksichtigen sind. Der europäische Verordnungsgeber betrachtet den möglichen Personenbezug von IP-Adressen also differenziert.

Rechtsprechung und Aufsichtsbehörden undifferenziert

In einigen Fällen gehen Gerichte und Datenschutzaufsichtsbehörden reflexartig davon aus, dass eine IP-Adresse einen Personenbezug hat. Zum Beispiel hat das LG München I in einem Fall, der die Google-Fonts-Abmahnwelle ausgelöst hat, entschieden, dass die dynamische IP-Adresse für einen Webseitenbetreiber ein personenbezogenes Datum darstelle, unabhängig davon, ob auch Google die konkrete Möglichkeit hat, die IP-Adresse mit dem Kläger zu verknüpfen. Ähnlich haben auch andere Gerichte im Zusammenhang mit dem Zensus 2022 entschieden. Deutsche Datenschutzaufsichtsbehörden haben seit vielen Jahren die Ansicht vertreten, dass IP-Adressen stets personenbezogene Daten darstellen, und geben in der Regel keine Begründung dafür an. Dies ist auch in der finalen Fassung der DSK-Orientierungshilfe Telemedien der Fall.

Das Breyer-Urteil des EuGH

Das Urteil des EuGH in der Rs. Breyer aus dem Jahr 2016 wurde von vielen als bahnbrechend angesehen, da es den Personenbezug von IP-Adressen anerkannte. Dieses Urteil wurde jedoch oft missverstanden und es ist weniger klar und differenzierter, als es oft angenommen wurde. Der EuGH wurde von der Vorlagefrage des BGH geleitet, die sich auf die Verarbeitung von IP-Adressen durch Webseitenbetreiber bezieht. Der BGH wollte wissen, ob eine IP-Adresse, die von einem Webseitenbetreiber im Zusammenhang mit einem Zugriff auf seine Webseite gespeichert wird, als personenbezogenes Datum anzusehen ist, wenn der Internetzugangsanbieter über das zur Identifizierung der betroffenen Person erforderliche Zusatzwissen verfügt.

Die Vorlagefrage des BGH war relativ eng und bezog sich nur auf die Verarbeitung von IP-Adressen durch Webseitenbetreiber, die diese selbst erhoben haben. Es wurde unterstellt, dass der Internetzugangsanbieter über das erforderliche Zusatzwissen verfügt, um die betroffene Person zu identifizieren. Allerdings blieb die Vorlagefrage unklar, da es unklar war, ob mit der “betroffenen Person” der Inhaber des Internetanschlusses oder der konkrete Nutzer gemeint war, der die betreffende Webseite aufgerufen hatte. In der Praxis fallen diese Gruppen oft auseinander, zum Beispiel bei offenen WLAN-Netzwerken oder wenn sich mehrere Familienmitglieder oder WG-Bewohner einen Internetanschluss teilen.

Es war unklar, ob der BGH den Anschlussinhaber oder den konkreten Nutzer im Sinn hatte, was zu einer Uneinigkeit zwischen dem BGH und dem EuGH führte. Der EuGH interpretierte die Vorlagefrage offenbar dahingehend, dass die “betroffene Person” der Nutzer sei, der die Webseite abgerufen hat. Es scheint, als hätten der BGH in seinem Vorlagebeschluss und der EuGH in seinem Urteil in dieser entscheidenden Frage aneinander “vorbeigeredet”.

Die Frage der Zugänglichkeit der Zusatzinformationen war ebenfalls ein strittiger Punkt zwischen dem BGH und dem EuGH. Der BGH erwähnte in seinem Vorlagebeschluss, dass dem Webseitenbetreiber kein direkter Auskunftsanspruch gegenüber dem Internetzugangsbetreiber zustehe und dass die Zusatzinformationen des Internetzugangsanbieters für den Webseitenbetreiber als nicht zugänglich anzusehen seien. Der EuGH war jedoch der Ansicht, dass es für den Anbieter von Online-Mediendiensten rechtliche Möglichkeiten gebe, um die fraglichen Informationen vom Internetzugangsanbieter zu erlangen und die Strafverfolgung einzuleiten. Das Urteil des EuGH betont, dass die Identifizierung “praktisch durchführbar” sein müsse.

Insgesamt war das Urteil des EuGH in der Rs. Breyer weniger klar und differenzierter als oft angenommen. Es gibt immer noch offene Fragen bezüglich des Personenbezugs von IP-Adressen und der Zugänglichkeit von Zusatzinformationen.

Fazit

Das Breyer-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat zu einer umfangreichen Diskussion darüber geführt, ob dynamische IP-Adressen als personenbezogene Daten zu betrachten sind. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass das Urteil des EuGH auf den Kontext des Vorlagebeschlusses beschränkt ist und lediglich eines von vielen praktischen Szenarien betrifft, in denen IP-Adressen eine Rolle spielen. Die Entscheidung ist somit mit Vorsicht zu genießen. Eine Übertragung auf die Identifizierbarkeit des konkreten Nutzers erscheint zweifelhaft, wenn dieser nicht zugleich der Anschlussinhaber ist.

Das Urteil ist nicht ohne Einzelfallprüfung auf Situationen übertragbar, in denen IP-Adressen von anderen Verantwortlichen als dem Webseitenbetreiber verarbeitet werden. Ob auch Drittanbietern nach deutschem Recht die rechtlichen Auskunftsansprüche zustehen, haben weder der Bundesgerichtshof noch der EuGH entschieden. Auch die Frage, ob derartige Ansprüche nach anderen anwendbaren Rechtsordnungen bestehen, wenn die Drittanbieter außerhalb Deutschlands sitzen, ist offen. Die Möglichkeit für Drittanbieter, den Personenbezug auf Grundlage eigener Zusatzinformationen herzustellen, kann nicht einfach unterstellt werden, sondern muss im Einzelfall begründet werden. Erhebliche Zweifel am Personenbezug von IP-Adressen bestehen daher auch beim sog. „Server Side Tracking“.

In Konstellationen, in denen IP-Adressen in anderem Kontext als einem http-Request verarbeitet werden, liegt ein Personenbezug noch ferner. Eine Identifizierbarkeit ist kaum mehr denkbar, wenn die Stelle, die IP-Adressen verarbeitet, nicht über die bei einem http-Request übermittelten weiteren Informationen verfügt. Somit ist eine fundierte Begründung notwendig ist, um festzustellen, ob dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen. Ohne eine solche erscheint die Wertung in vielen Fällen rechtlich angreifbar.

Klar ist, dass die Frage, ob dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen, stets einer fundierten Begründung bedarf. Ohne eine solche erscheint die Wertung in vielen Fällen rechtlich angreifbar.

Bundesregierung muss Facebook-Fanpage abschalten

23. Februar 2023

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Ulrich Kelber veröffentlichte eine Pressemitteilung, der zufolge er der Bundesregierung den Betrieb ihrer Facebookseite untersagt habe. Für die Abschaltung der Facebookseite habe das zuständige Bundespresseamt (BPA) vier Wochen Zeit.

Fehlende Rechtsgrundlage und Cookies

Der Auslöser für die Untersagung sei, neben verschiedener datenschutzrechtlicher Bedenken, ein Gutachten einer Taskforce, die die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) eingesetzt habe. In ihrem Gutachten habe sich die Taskforce mit dem Betrieb von sog. Facebook-Fanpages auseinandergesetzt (wir berichteten). Im Ergebnis habe die Taskforce festgestellt, dass keine wirksame Rechtsgrundlage zum Betrieb einer Facebook-Fanpage bestehe und dass der Betreiber der Seite seinen Informationspflichten nach Art. 12 ff. DSGVO nicht nachkommen könne.

Dementsprechend betonte der BfDI zunächst, dass bei der Erstellung einer Facebookseite eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO bestehe. Der Betreiber einer Fanpage und das Facebook-Mutterunternehmen Meta haben im Hinblick auf die Facebook-Fanpage sich ergänzende Interessen.

Aus der gemeinsamen Verantwortlichkeit folge für das BPA die Pflicht, den datenschutzkonformen Betrieb nachzuweisen. In einem zuvor erfolgten Verfahren sei es dem BPA allerdings nicht gelungen, den BfDI von der Datenschutzkonformität der Facebook-Fanpage zu überzeugen.

Konkret kritisierte der BfDI, dass es an einer für die Datenverarbeitung erforderlichen Rechtsgrundlage fehle. Auch die von der DSK eingesetzte Taskforce habe diesen Umstand in ihrem Gutachten vergangen Jahres bemängelt.

Zusätzliche monierte der BfDI den Einsatz von Cookies auf der Facebookseite. Den Einsatz von Cookies regele das TTDSG. Nach § 25 Abs. 1 TTDSG sei für die Speicherung von Informationen in der Einrichtung des Nutzer oder das Auslesen dieser Informationen, d.h. für den Einsatz von Cookies eine Einwilligung erforderlich. Einer solchen Einwilligung bedürfe es unter anderem nicht, wenn die Speicherung oder das Auslesen von Informationen nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG „unbedingt erforderlich“ sei. Aus Sicht des BfDI sei im Falle der Facebookseite allerdings problematisch, dass Meta nicht unbedingt erforderlich Cookies einsetzte. Für diese Verwendung werde indes keine, mangels Ausnahme erforderliche Einwilligung eingeholt.

Fazit

Die im Ergebnis bestehenden Bedenken der Datenschutzkonformität führen folglich zur Pflicht des BPA, die Facebookseite der Bundesregierung abzuschalten. Gegen die Entscheidung des BfDI könne das BPA Klage erheben.

Bereits vor einem Jahr hatte die DSK, im Zusammenhang mit dem veröffentlichten Gutachten öffentliche Stellen zur Überprüfung und zur eventuell erforderlichen Abschaltung ihrer Facebookseiten aufgerufen. Ob mit der Entscheidung des BfDI die Datenschutzkonformität von Facebookseiten privater Unternehmen vermehrt Aufmerksam erhalten wird, bleibt abzuwarten.

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