Sozialgerichte könne für Schadensersatzklagen wegen Datenpannen zuständig sein

19. April 2023

Ein Bürger hat eine gesetzliche Krankenkasse verklagt, da er der Meinung ist, dass ihm eine Datenauskunft nach Artikel 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu spät erteilt wurde. Er verlangt eine Schadensersatzsumme von 2.000 EUR und reichte im Juni 2021 eine Klage beim Sozialgericht Frankfurt/Main ein. Das Sozialgericht wies die Klage jedoch zurück, da es sich nicht zuständig fühlte. Das Hessische Landessozialgericht bestätigte diese Entscheidung. Schließlich wurde der Fall beim Bundessozialgericht (BSG) landete, welches entschied, dass die Sozialgerichte für Schadensersatzklagen nach Artikel 82 DSGVO zuständig sein können. Das BSG begründete dies damit, dass es sich bei den gespeicherten Daten um Sozialversicherungsdaten handelte und somit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Es wurde klargestellt, dass nicht jede Schadensersatzklage gegen eine Krankenkasse als öffentlich-rechtliche Streitigkeit betrachtet wird. Im Falle eines Datenschutzverstoßes in Bezug auf eine Personalakte eines Mitarbeiters der Krankenkasse müssten beispielsweise Arbeitsgerichte entscheiden.

Regelung über Datenschutzverstößen in § 81b SGB X

Dass die Sozialgerichte zuständig sind, über die Folgen von Datenschutzverstößen zu entscheiden, ist in § 81b SGB X ausdrücklich geregelt:

„Für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Absatz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.“

Bei dem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO handelt es sich – so das BSG – um ein „Recht der betroffenen Person“ gemäß § 81b SGB X. Dieses Recht stehe den Rechten gleich, die in den Art. 12 ff. DSGVO ausdrücklich als „Rechte der betroffenen Person“ bezeichnet werden.

Bis hierhin ist der Argumentationsgang überzeugend. Es bleibt jedoch die Frage offen, ob Art. 82 DSGVO in Fällen, in denen es um Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen geht, als Amtshaftungsanspruch betrachtet werden kann. Gemäß Art. 34 Satz 3 GG sind für solche Ansprüche die ordentlichen Gerichte, also die Zivilgerichte, zuständig. Ein Amtshaftungsanspruch bezieht sich darauf, dass der Staat für einen Schaden haftbar gemacht wird, der einem Bürger durch das Handeln eines Amtsträgers zugefügt wurde. Es scheint auf den ersten Blick durchaus wahrscheinlich zu sein, dass Art. 82 DSGVO einen solchen Schaden abdeckt, da die Haftung gemäß Art. 82 Abs. 3 DSGVO eine “Verantwortlichkeit” erfordert und somit ein Verschulden voraussetzt.

Begründung des BSG

Das BSG meint dennoch (anders als die Vorinstanzen), es handele sich bei Art. 82 DSGVO auch im Bereich des öffentlichen Rechts nicht um einen Amtshaftungsanspruch, sodass Art. 34 Satz 3 GG nicht anwendbar ist. Die Begründung fällt kurz aus (Rn. 24 des Beschlusses):

„Der Schadenersatzanspruch aus Art 82 Abs 1 DSGVO ist schon deshalb kein Amtshaftungsanspruch iS des Art 34 Satz 1 und 3 GG, weil er sich nicht gegen einen Amtswalter richtet und sodann auf den Staat übergeleitet wird, sondern unmittelbar gegen den Verantwortlichen (ausführlich dazu auch BFH vom 28.6.2022 – II B 92/21 – BFHE 275, 571 = BStBl II 2022, 535, RdNr 18, 21). Dies ist hier die beklagte KK. Auf ein etwaiges Fehlverhalten der Amtswalter, die im Dienst des Verantwortlichen stehen, kommt es nicht an. Diese sind prinzipiell keine Verantwortlichen im Sinne der DSGVO (Bieresborn, ZFSH/SGB 2020, 436, 438; Leopold in BeckOGK, § 67 SGB X RdNr 54, Stand: 1.8.2022; Gola in Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl 2022, Art 4 DS-GVO RdNr 63).“

Fazit

Insgesamt dürfte die Entscheidung des BSG somit richtig sein. In Zukunft werden sich nicht nur Zivil-, Arbeits- und Finanzgerichte (siehe auch die Entscheidung des BFH vom 28.6.2022 – Az. II BB 92/21), sondern auch Sozialgerichte mit Schadensersatzansprüchen der Bürger gemäß Art. 82 DSGVO auseinandersetzen müssen.