Datenschutz als Vollbremsung für KI-Training?
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) steht kurz davor, eine richtungsweisende Stellungnahme zur Nutzung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) in Europa vorzulegen. Während KI als Schlüsseltechnologie für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gilt, warnt Bitkom in einer Pressemitteilung vom 10.12.2024 vor einer drohenden Überregulierung, die weitreichenden Folgen für Unternehmen und den digitalen Fortschritt mit sich bringen könnte. Besonders umstritten ist der mögliche Ausschluss des berechtigten Interesses als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Kontext von KI-Training.
Spannungsfeld zwischen Datenschutz und KI-Innovation
Der richtige Einsatz von KI hat das Potential zu gesellschaftlichem Fortschritt und wirtschaftlichem Wachstum zu führen. Noch Anfang dieser Woche haben wir darüber berichtet, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen die Relevanz von Datenschutz im Zusammenhang mit KI betont hat. Zentral sei, Datenschutz von Beginn an in die Entwicklung von KI-Systemen zu integrieren, um so von Anfang an Vertrauen und Akzeptanz in die neue Technologie zu schaffen.
Doch die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen in Europa stehen auch immer mehr in der Kritik, die Entwicklung und den Einsatz dieser Schlüsseltechnologie zu behindern. So weist der Digitalverband Bitkom in einer Pressemitteilung darauf hin, dass aktuelle Entwicklungen auf europäischer Ebene das Training von KI-Systemen zukünftig noch mehr erschweren könnten.
EDSA-Stellungnahme noch dieses Jahr
Bitkoms Befürchtung beruht auf einer Stellungnahme des EDSA, die noch für Dezember geplant sei. Viele Unternehmen greifen für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu Zwecken des KI-Trainings auf die Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zurück. Bitkom befürchtet, dass der EDSA diese Möglichkeit in seiner Stellungnahme auf Ausnahmefälle beschränken könnte. Stellungnahmen und Leitlinien des EDSA entfalten zwar keine rechtliche Bindungswirkung, beeinflussen jedoch maßgeblich die Praxis nationaler Datenschutzbehörden sowie Gerichtsentscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene.
Kritik von Bitkom
Sollte das befürchtete Szenario eintreffen, sollten Unternehmen laut Bitkom zumindest aus Rechtssicherheitsaspekten künftig entweder auf Anonymisierung setzen oder eine Einwilligung der Betroffenen einholen – beide Optionen seien in der Praxis mit erheblichen Hürden verbunden. Eine Anonymisierungslösung stelle eine enorme technische und teilweise auch überhaupt nicht vollständig überwindbare Hürde dar, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen auch mit enormen Kosten verbunden ist. Die jederzeitig Widerrufbarkeit einer Einwilligung führe hingegen faktisch dazu, dass ein datenschutzkonformes KI-Training kaum möglich sei, da einmal eingespeiste Daten praktisch nicht wieder löschbar sind. Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung, bedauert vor allem, „dass der EDSA im Vorfeld einer Entscheidung mit solcher möglichen Tragweite keinen echten Dialog mit der Wirtschaft gesucht oder ermöglicht“ habe. Der Verband warnt davor, dass eine Verschärfung des Datenschutzrechts im KI-Bereich Europa als Innovationsstandort schwächen könnte.
Positionspapier von Bitkom: Datenschutz pragmatisch gestalten
Deshalb hat Bitkom nun selbst ein Positionspapier veröffentlicht, indem eine klare und pragmatische Ausgestaltung der Datenschutzvorgaben gefordert wird. Das berechtigte Interesse von Unternehmen sollte auch künftig als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Kontext von KI-Training gelten, sofern eine Interessenabwägung nicht zugunsten der Betroffenen ausfällt. Zugleich bedürfe es klarer Leitlinien für die Durchführung der Interessenabwägung, um Unternehmen Rechtssicherheit zu bieten. Darüber hinaus fordert Bitkom die Etablierung verpflichtender Konsultationsverfahren zwischen dem EDSA und Wirtschaftsakteuren. Nur durch einen transparenten Dialog könnten auch technische und praktische Herausforderungen hinreichend bedacht werden.
Fazit
Die bevorstehende Stellungnahme des EDSA könnte weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung und Nutzung von KI in Europa haben. Während Datenschutz ein fundamentaler Bestandteil der europäischen Werteordnung ist, darf er nicht zu einem Innovationshemmnis werden. Zunächst bleibt es nun spannend, wie die Stellungnahme des EDSA konkret ausgestaltet sein wird.