Koalitionsvertrag löst Datenschutzbedenken aus

17. April 2025

Am 09.04.2025 haben sich die Regierungspartner auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die Bundesregierung plant eine tiefgreifende Reform der Datenschutzaufsicht. Zuständigkeiten, die bisher bei den Landesdatenschutzbehörden liegen, sollen künftig bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) gebündelt werden. Ziel ist ein effizienterer Vollzug, weniger Bürokratie und niedrigere Kosten für Unternehmen. Laut Kritikern löst der Koalitionsvertrag Datenschutzbedenken aus, da hierin die Gefährdung von gewachsenen Strukturen, Beratungsmöglichkeiten und demokratischer Mitgestaltung liegt.

Neues Rechtsgebiet: Datenrecht

Schon vor einigen Wochen hat sich aus den Koalitionsverhandlungen herauskristallisiert, dass ein Wechsel von „Datenschutz“ hin zu „Datennutzung“ erfolgen könnte. Passend dazu soll im Rahmen einer Reform der Datenschutzaufsicht das Amt der BfDI zur „Beauftragte für Datennutzung“ werden. Im Koalitionsvertrag wird erstmals der Begriff „Datenrecht“ erwähnt. Hierfür will die Regierung ein eigenes Datengesetzbuch erschaffen, durch das insbesondere die Datenverfügbarkeit vereinfacht werden soll. Durch Absicherung der Daten soll ein Datentreuhandmodell dienen, dass als Zwischeninstanz zwischen Dateninhabern, Nutzern und Dritten die Daten rechtssicher verteilen und schützen soll.

Zentralisierung der Datenschutzaufsicht

Neben der Umbenennung soll die BfDI auch die Datenschutzaufsicht im nicht-öffentlichen Bereich erhalten, womit einer Zentralisierung der Datenschutzaufsicht erreicht werden soll. Bislang hat sie neben den Bundesbehörden lediglich die Aufsicht über Post- und Telekommunikationsdienstleister. In einer Pressemitteilung hat die BfDI bereits ihre Bereitschaft, „diese neue Verantwortung anzunehmen“ bekundet. Im Übrigen ist sie ebenfalls der Meinung, „dass Datenschutz der Datennutzbarkeit zusammengedacht werden müssen“.

Beratung braucht Nähe – nicht Anonymität

Schon vor einigen Wochen hatte sich die Datenschutzkonferenz (DSK) kritisch zu den Plänen geäußert und verschiedene Forderungen an die künftige Regierung gestellt. In einer Pressemitteilung kritisiert nun auch Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Bettina Gayk, das Vorhaben. Aus dem Text ergebe sich, dass es sich um einen unausgereiften Plan handle. Während einerseits von Effizienz die Rede sei, reduziere eine Zentralbehörde weder Bürokratie noch spare sie Kosten. Vielmehr drohte es Unternehmen, Rechte, Ansprechpartner und Mitwirkungsmöglichkeiten zu verlieren. Die Komplexität des Datenschutzrechts erfordere gerade für kleinere Unternehmen und ehrenamtlich geführte Organisationen eine ortsnahe Beratung. Kurze Wege, persönliche Ansprechpartner und Kenntnis regionaler Besonderheiten machen laut Gayk den Unterschied. Dafür spricht sich auch der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg, Tobias Keber, in einer Pressemitteilung aus.

Institutionalisierung der DSK

Ein beliebtes Argument der Zentralisierungsbefürworter lautet, dass die föderale Datenschutzaufsicht uneinheitlich, inkonsequent und innovationsfeindlich sei. Gayk hält dem entgegen, dass dies weniger an föderaler Datenschutzaufsicht, sondern mehr am ungeliebten Datenschutzrecht selbst liege. Denn schon heute sorge die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden (DSK) für eine koordinierte Rechtsauslegung im Bundesgebiet. Diese wollen die Regierungsparteien laut Koalitionsvertrag nun sogar institutionalisieren. Zudem sei durch den Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) eine europaweite Harmonisierung gewährleistet. Im Übrigen würden 99 Prozent der deutschen Wirtschaft kleine und mittlere Unternehmen ausmachen, „die sowieso nur in einem Bundesland ansässig und tätig sind“. Für diese spiele eine Zentralisierung keine Rolle, da es für sie nur jeweils eine zuständige Landesbehörde gibt.

Mehrkosten durch Zentralisierung

Laut Gayk wäre eine Zentralisierung zudem mit „Mehrkosten in Millionenhöhe“ verbunden. Denn eine zentralisierte Aufsicht müsse nicht nur die rund 70.000 Anfragen, Beschwerden und Beratungen jährlich übernehmen, die derzeit etwa 450 Beschäftigten in den Ländern bearbeiten. Sie müsste zugleich das regionale Wissen und die sektoralen Besonderheiten abbilden, für die es heute bereits eingearbeitete spezialisierte Fachleute vor Ort gibt. Daneben entstünde während der Umstrukturierung ein Beratungsvakuum. Zudem sei eine vollständige Zentralisierung gar nicht möglich. Die Datenschutzaufsicht über öffentliche Stellen bleibe nämlich bei den Ländern. Eine komplette Aufgabenverlagerung sei also ausgeschlossen.

Fazit

Die von der Bundesregierung angestrebte Zentralisierung der Datenschutzaufsicht verspricht Bürokratieabbau, Rechtssicherheit und Innovationsförderung. Doch tatsächlich löst der Koalitionsvertrag Datenschutzbedenken aus. Bei näherer Betrachtung bleiben die Versprechen vage oder könnten sich mit bestehenden Mitteln – etwa einer gestärkten DSK – ebenfalls erreichen sollen. Für eine dezentrale Aufsicht sprechen schnellere Wege, lokale Expertise und eine vertrauensvolle Beratungskultur. Zudem stammen die Forderungen nach Zentralisierung häufig aus Kreisen stammen, die sich von weniger Aufsicht mehr Freiheiten beim Umgang mit persönlichen Daten erhoffen. Doch Datenschutz ist kein Standortnachteil, sondern ein Standortvorteil – wenn man ihn richtig organisiert.

Kategorien: Gesetzesvorhaben · Politik