LAG Berlin-Brandenburg: Einsichtnahme des Arbeitgebers in dienstliche E-Mails

2. August 2011

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg) hat mit nun veröffentlichtem Urteil am 16.02.2011 (Az.: 4 Sa 2132/10) entschieden, dass ein Arbeitgeber bei krankheitsbedingter Abwesenheit des Arbeitnehmers dessen dienstliche E-Mails auch bei gestatteter Privatnutzung ohne Einwilligung ausnahmsweise einsehen und zur Bearbeitung von Kundenanfragen oder anderer geschäftlicher Belange verwenden darf.

Die bei der Beklagten beschäftigte Klägerin meldete sich für einen längeren Zeitraum ab, ohne für die E-Mail-Korrespondenz eine Stellvertretungsregelung getroffen zu haben. Ein Zugriff auf das der Klägerin zugeordnete E-Mail-Postfach war ausgeschlossen. Da mehrere bearbeitungsbedürftige Kundenanfragen zugegangen waren, versuchte die  Beklagte mehrfach erfolglos Kontakt zu der Klägerin aufzunehmen, um über die geplante Einsichtnahme in den dienstlichen E-Mail-Verkehr zu informieren. Daraufhin ermöglichte die IT-Abteilung der Beklagten den Zugriff auf den E-Mail-Account der Klägerin. Die privaten und dienstlichen E-Mails wurden – mit Beteiligung des Betriebsrates und der Sozialbetreuerin –zunächst gesichtet, die dienstlichen E-Mails geöffnet, ausgedruckt und zur Bearbeitung weitergeleitet. Die gemäß der Betriebsvereinbarung als „Privat“ gekennzeichneten E-Mails der Klägerin wurden nicht eingesehen. Die Klägerin hält dies ohne ihre explizite Einwilligung für unzulässig. Jede Öffnung des Postfaches schließe auch die Möglichkeit ein, private E-Mails zu lesen.
Das vorinstanzliche Arbeitsgericht Berlin schloss sich dieser Auffassung nicht an (Urteil vom 17.08.2010, Az.: 36 Ca 236/10). Auch das LAG Berlin-Brandenburg wies als zuständiges Berufungsgericht die Berufung als unbegründet zurück. Der Arbeitgeber sei nicht als Provider im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) anzusehen, so dass weder § 88 TKG noch § 206 Strafgesetzbuch (StGB) einschlägig seien. Auch hätte die Beklagte nicht gegen § 202a StGB verstoßen, da der Zugriff wegen der ausschließlichen Sichtung dienstlicher E-Mails befugt erfolgt sei. Nach Auffassung des Gerichts ist auch kein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin gegeben. Eine Güterabwägung zwischen den betroffenen Rechtsgüter ergebe, dass dem Interesse der Beklagten, den ungestörten Arbeitsablauf zu gewährleisten und finanziellen Schaden von dem Unternehmen abzuwenden, Vorrang einzuräumen sei. Insbesondere habe die Beklagte nachweisen können, alle Maßnahmen getroffen zu haben, um einen Zugriff auf private E-Mails zu verhindern und eine Rechtsverletzung auszuschließen. (sa)