BVerwG: Telefonwerbung aufgrund von Telefonbucheinträgen
Telefonwerbung bleibt ein sensibles Thema im Datenschutzrecht, insbesondere wenn personenbezogene Daten ohne ausdrückliche oder mutmaßliche Einwilligung verarbeitet werden. Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat nun klargestellt, dass Unternehmen, die Telefonnummern von Zahnarztpraxen aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen für Werbeanrufe nutzen, sich nicht auf das berechtigte Interesse berufen können, wenn keine zumindest mutmaßliche Einwilligung vorliegt. In seinem Urteil vom 29.01.2025 hat das BVerwG deshalb die Telefonwerbung aufgrund von Telefonbucheinträgen als unzulässig erklärt.
Zugrundeliegender Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Zahnarztpraxen Edelmetallreste abkauft. Zur Kontaktaufnahme sammelte sie aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie etwa dem Telefonbuch „Gelbe Seiten“, Namen von Praxisinhabern sowie Adressen und Telefonnummern von Praxen.
Die zuständige saarländische Datenschutzbehörde untersagte dieses Verhalten bereits im Jahr 2017. Sie ordnete – noch unter Berufung auf das damalige Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) – die Einstellung an, falls nicht eine Einwilligung der Praxisinhaber vorliege oder bereits eine Geschäftsbeziehung bestehe.
Bewertung der Vorinstanzen
Nachdem eine erste Klage abgewiesen wurde, beantragte die Klägerin erneut die Aufhebung des Bescheids unter Berufung auf die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie stützte sich insbesondere auf die Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Schon in erster Instanz hatte der Kläger vor dem Verwaltungsgericht des Saarlands keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung zurück, da sich die Rechtslage nicht zugunsten des Klägers verändert habe.
Berechtigtes Interesse
Die nach der DSGVO erforderlich Rechtsgrundlage kann sich tatsächlich aus einem berechtigten Interesse ergeben. Hiernach ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist und nicht die Interessen oder Rechte des Betroffenen überwiegen. Laut aktuellen Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses ist hierfür unteranderem eine Interessenabwägung erforderlich. In die Überlegung müssten Individualinteressen und -erwartungen, die Folgen der Datenverarbeitung und etwaige „Garantien, die die Auswirkungen auf den Einzelnen begrenzen könnten“ einbezogen werden. Diese Abwägung müsse zum Ergebnis kommen, dass die Belange natürlicher Personen nicht das berechtigte Interesse überwiegen. Zudem hat der EuGH im Oktober 2025 entschieden, dass auch rein wirtschaftliche Interessen legitim sein können.
Urteil des BVerwG
Auch das BVerwG stellte nun klar, dass die Telefonwerbung rechtswidrig war. Zwar könne das berechtigte Interesse grundsätzlich als Rechtsgrundlage für eine Interessenabwägung herangezogen werden. Allerdings sei hier die nationalen Vorschriften des § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) in die Bewertung einzubeziehen. Denn diese Norm setze Art. 13 der europäische ePrivacy-Richtlinie (2002/58/EG) um und schütze Betroffene vor unerwünschter elektronischer Werbung. Deshalb sei diese Regelung auch in der Interessenabwägung zu beachten. Das Gericht befand, dass in diesem Fall kein berechtigtes Interesse an der Datennutzung bestehe, da die Telefonwerbung ohne Einwilligung eine unzumutbare Belästigung darstelle.
Anders könne dies nur gesehen werden, wenn von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen sei. Diese wird laut der Pressemitteilung des BVerwG „durch ein sachliches Interesse der Anzurufenden an der Telefonwerbung indiziert“. Ein solches liege aber nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz nicht vor, da die Veröffentlichung der Kontaktinformationen ausschließlich der Kontaktaufnahme durch Patienten diene. Auch mache der Verkauf von Edelmetallresten keinen üblichen oder bedeutenden Anteil der Zahnarzttätigkeit aus.
Fazit
Laut dem Urteil des BVerwG ist Telefonwerbung aufgrund von Telefonbucheinträgen ohne (mutmaßliche) Einwilligung unzulässig. Das Urteil stärkt den Schutz vor unerwünschter Werbung und zeigt deutlich, dass Datenschutz und Lauterkeitsrecht eng miteinander verknüpft sind. Ob allgemein nationale Regelungen auch ohne datenschutzrechtliche Relevanz bei der Interessenabwägung zu beachten sind, hat das BVerwG nicht entschieden. Trotzdem sollten Unternehmen ihre Marketingstrategien sorgfältig überprüfen und sich nicht auf eine vermeintliche Offenheit von Daten in Verzeichnissen pauschal verlassen. Rechtssicherheit bietet dabei eine professionelle Beratung durch einen Externen Datenschutzbeauftragten.