EuGH: Verkauf von Medikamenten über Amazon

9. Oktober 2024

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 04.10.2024 entschieden, dass der Verkauf apothekenpflichtiger Medikamente über Online-Plattformen wie Amazon rechtswidrig ist, wenn keine ausdrückliche Einwilligung der Kunden in die Verarbeitung ihrer Gesundheitsdaten vorliegt.

Der Fall: Medikamentenverkauf bei Amazon

Dem Fall liegt eine Klage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) auf Unterlassung im Rahmen des Verbots unlauteren Wettbewerbs zugrunde. Der Kläger ist Betreiber der Winthir-Apotheke in München, die gegen eine konkurrierende Versandapotheke vorgeht. Der Beklagte, Betreiber der Lindenapotheke verkauft Produkte seit 2017 auch über Amazon-Marketplace. Zu den angebotenen Medikamenten gehören etwa apothekenpflichtige Arzneimittel wie Aspirin und Canesten. Kunden, die über Amazon bestellen, müssen im Bestellprozess persönliche Daten eingeben. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, den Vertrieb über Amazon, ohne datenschutzrechtlich erforderliche Einwilligung zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten zu betreiben.

Bisheriges gerichtliches Verfahren

Die Klage hat zunächst das Landgericht Dessau-Roßlau zugunsten des Klägers entschieden. Das Oberlandesgericht Naumburg wies die Berufung des Beklagten zurück. Sie folgten der Argumentation, dass der Verkauf solcher Arzneimittel ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden eine Verletzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) darstellt. Der BGH hat sich im Anschluss mit einem Vorabentscheidungsersuchen (C 21/23) vom 12.01.2023 mit zwei Fragen an den EuGH gewendet.

Zum einen möchte der BGH wissen, ob der Kläger als Mitbewerber wegen einer Datenschutzverletzung gegen den Konkurrenten vorgehen kann. Außerdem soll der EuGH klären, ob es sich bei den Informationen, die Amazon-Kunden zum Kauf apothekenpflichtiger, aber nicht verschreibungspflichtiger, Medikamente, eintragen müssen, um Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt.

Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts

Im Mai 2024 veröffentlichte der EuGH-Generalanwalt seine Schlussanträge und erklärt, dass Unternehmen in bestimmten Fällen Verstöße gegen die DSGVO geltend machen können, um Ansprüche durchzusetzen, die nicht unmittelbar durch die DSGVO gewährt werden. Dies sei zulässig, solange das Vorgehen nicht die Ziele und die Wirksamkeit der DSGVO beeinträchtige. Der Bundesrat hatte hingegen im Juni 2024 Bestrebungen angestoßen, die den „Abmahnmissbrauch“ im Wettbewerbsrecht verhindern sollen.

Der Generalanwalt führt weiter aus, dass allein die Information, dass gewisse Kunden online nicht verschreibungspflichtige Medikamente bestellen, noch nicht zwangsläufig das Vorliegen von Gesundheitsdaten begründet. Wie das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen erklärt er, dass eine mögliche Schlussfolgerung über den Gesundheitszustand der betreffenden Person hypothetisch oder ungenau sei.

EuGH: Ausdrückliche Einwilligung erforderlich

Zunächst stellte der EuGH in seinem Urteil klar, dass die Abmahnmöglichkeit aufgrund von Datenschutzverstößen nach der DSGVO grundsätzlich zulässig ist, wenn das nationale Recht dies gestattet. Das führe gerade zur Stärkung des Datenschutzes und zur effektiveren Durchsetzung der DSGVO und widerlaufe somit nicht dem Schutzzweck.

Der EuGH führt weiter aus, dass die im Bestellprozess eingegebenen Informationen als Gesundheitsdaten zu behandeln sind, auch wenn es sich um apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Medikamente handelt. Aus den angegebenen Daten könne man Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Kunden oder anderer Personen ziehen, für die die Medikamente bestellt wurden. Eine Unterscheidung zwischen verschreibungspflichtigen und rezeptfreien Arzneimitteln, würde dem Ziel, einen hohen Datenschutzstandard zu sichern, widerlaufen. Daher sei der Betreiber verpflichtet, vor der Verarbeitung dieser Daten die ausdrückliche und informierte Einwilligung der Kunden einzuholen. Dabei müssen Kunden über die spezifischen Umstände und Zwecke der Datenverarbeitung umfassend informiert werden.

Fazit

Das EuGH-Urteil hat weitreichende Konsequenzen für den Online-Verkauf von apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Es verdeutlicht, dass der Schutz der Gesundheitsdaten der Verbraucher höchste Priorität hat und dass Online-Händler strenge Anforderungen an die Verarbeitung dieser Daten erfüllen müssen. Nun muss der BGH unter Berücksichtigung der Feststellungen des EuGH den Fall noch abschließend bewerten.

Kategorien: EuGH-Urteil