Zugriff auf Mobiltelefone nicht nur bei schwerer Kriminalität
Der Zugriff auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen kann einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte einer betroffenen Person darstellen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jedoch in einem aktuellen Urteil vom 04.10.2024 klargestellt, dass der Zugriff der Polizei auf Daten im Mobiltelefon nicht nur bei schwerer Kriminalität zulässig ist. Ein Fall aus Österreich, in dem die Polizei versucht hat, ohne Genehmigung ein Mobiltelefon zu entsperren, hat diesen Diskurs ins Rampenlicht gerückt.
Zugrundeliegender Sachverhalt
Dem Urteil liegt ein Fall zugrunde, indem die österreichische Polizei nach der Entdeckung eines Pakets mit einem Inhalt von 85g Cannabis das Mobiltelefon des Empfängers sicherstellte. Darauf folgte ohne gerichtliche oder staatsanwaltliche Genehmigung der Versuch der Entsperrung, der allerdings fehlschlug. Eine Dokumentation des Versuchs fand ebenso wenig statt, wie eine Informierung des Empfängers über das Vorgehen. Die führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die schließlich im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH landete. Insbesondere soll geklärt werden, ob eine Regelung, die dieses Vorgehen auch schon bei Vergehen gestattet, gegen die Richtlinie für den Bereich Justiz und Inneres (EU) 2016/680 verstößt.
Die Entscheidung des EuGH
Differenzierung bei Beschlagnahmung und Durchsuchung erforderlich
Zunächst stellt der EuGH fest (C-548/21), dass die Richtlinie auch bereits für einen Versuch einschlägig ist. Der EuGH erklärt in seiner Pressemitteilung (abrufbar hier), dass der Zugriff auf die personenbezogenen Mobiltelefondaten sogar einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Privatsphäre (Art. 7 EU-Grundrechtecharta) und Datenschutz (Art. 8 EU-Grundrechtecharta) darstellen kann. Das begründet er damit, dass die auf einem Mobiltelefon gespeicherten Informationen gewöhnlich Rückschlüsse auf das Privatleben und Zugriff auf besonders sensible Daten gewähren. Deshalb bedürfe es strenger Voraussetzungen für eine Rechtfertigung.
Zugriff nicht nur bei schwerer Kriminalität zulässig
Trotzdem sei der Zugriff auf Mobiltelefone nicht zwingend nur bei schwerer Kriminalität zulässig. Dies würde die Ermittlungsbehörden in Fällen geringerer Kriminalität unangemessen einschränken und zu einer „Gefahr der Straflosigkeit von Straftaten im Allgemeinen“ führen. Jedoch betonte der EuGH, dass der nationale Gesetzgeber klare Kriterien festlegen muss, unter welchen Bedingungen ein solcher Zugriff gerechtfertigt ist. Hierbei muss vor allem „die Art oder die Kategorien der betreffenden Straftaten, hinreichend präzise“ definiert werden.
Vorherige Kontrolle durch unabhängige Stelle
Zudem müsse im Voraus die Genehmigung eines Gerichts oder einer sonstigen unabhängige Verwaltungsstelle eingeholt werden. In Ausnahmefällen könne bei einer hinreichend begründeten akuten Gefahr diese Voraussetzung wegfallen. Dann müsse eine Kontrolle jedoch „kurzfristig erfolgen“. Dies führe zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sobald eine Informierung die Strafermittlung nicht mehr beeinträchtigen kann, müsse die betroffene Person über den Zugriff und dessen Grund benachrichtigt werden.
Fazit
Das Urteil des EuGH betont, dass der Zugang nicht nur bei schwerer Kriminalität zulässig ist, stellt jedoch strikte Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit und die vorherige Kontrolle durch unabhängige Stellen. Da auch die deutsche Strafprozessordnung bezüglich Beschlagnahmung und Durchsuchung momentan nicht zwischen digitalen Datenträgern und sonstigen Objekten differenziert, könnte die Entscheidung auch in Deutschland Auswirkungen haben.