BVerfG lehnt Beweisverwertungsverbot im Encrochat-Fall ab
Die am 03.12.2024 veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 01.11.2024 (2 BvR 684/22) bringt Klarheit in eine der umstrittensten strafrechtlichen Fragen der letzten Jahre: Dürfen in Deutschland Beweise verwendet werden, die aus Encrochat-Daten stammen und von französischen Ermittlungsbehörden erhoben wurden? Die Antwort des BVerfG lautet: Ja. In dem Beschluss bestätigt das Gericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach kein generelles Beweisverwertungsverbot für diese Daten besteht, und erklärt dies als verfassungskonform.
Hintergrund: EncroChat und der Ursprung der Daten
Bei Encrochat handelt es sich um einen Messenger-Dienst, den kriminelle Organisationen für verschlüsselte Telekommunikation genutzt haben. Dies taten sie, um illegalen Handel mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen. Die französische Polizei konnte mit Unterstützung niederländischer Experten den Dienst infiltrieren und somit relevante Beweismittel sichern.
Diese wurden infolge einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) der deutschen Staatsanwaltschaft in deutschen Ermittlungs- und Strafverfahren genutzt. So konnten sie umfangreich Chatverläufe über organisierte Kriminalität einsehen und zahlreiche Verdächtige festnehmen. Hieraus folgte ein von der Berliner Staatsanwaltschaft eingeleitetes Strafverfahren gegen die Tatverdächtigen. In diesem Zusammenhang stellte sich insbesondere die Frage, ob die durch die deutsche Staatsanwaltschaft erlangten Informationen im Strafverfahren verwertbar sind oder ob dies gegen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte verstößt.
Die Rolle des EuGH
Der BGH entschied im März 2022 schließlich, dass bezüglich Encrochat-Daten kein generelles Beweisverwertungsverbot besteht (5 StR 457/21). Parallel dazu befasste sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren mit der Verwertbarkeit. Nachdem bereits die Generalanwältin des EuGH die Auffassung vertreten hatte, dass der Encrochat-Datenbezug durch die deutsche Staatsanwaltschaft zulässig war, schloss sich dem auch der EuGH in seinem Urteil im Frühjahr an. Die Encrochat-Daten seien im Rahmen internationaler Rechtshilfe an deutsche Ermittlungsbehörden rechtmäßig übertragen worden. Jedoch müsse vor Gericht eine Kontrolle der Einhaltung der Grundrechte weiterhin möglich sein.
Die Argumentation des BVerfG
Die jüngste Entscheidung des BVerfG beruht auf einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die Verwertung der Beweise in einem Strafverfahren richtet. In seiner Argumentation bestätigt das BVerfG nun die bisherige Position der Rechtsprechung. Eine Verletzung des allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz lehnte das Gericht laut seiner Pressemitteilung ab. Selbst die Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweisen sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Entscheidend sei vielmehr eine Abwägung im Einzelfall, die den Schweregrad der Rechtsverletzung und die Interessen des Rechtsstaats berücksichtige. In seinem Beschluss erklärt das BVerfG, dass der Rechtsstaat nur funktionieren könne, wenn Straftäter wirksam verfolgt und bestraft würden.
Fazit
Obwohl das BVerfG mit seiner Entscheidung eine wesentliche Frage geklärt hat, sind noch andere Verfassungsbeschwerden anhängig. Kritiker bemängeln weiterhin die mangelnde Transparenz der Überwachungsmaßnahmen und die mögliche Missachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben. Es bleibt nun vorerst abzuwarten, wie die weiteren Verfahren ausgehen werden. Trotzdem stärkt die Entscheidung des BVerfG schon jetzt die Position der Strafverfolgungsbehörden und schafft mehr Rechtssicherheit.