EuGH zur Verwendung von Beweismitteln aus EncroChat

7. Mai 2024

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 30.04.2024 die Voraussetzungen für die Verwendung von Beweismitteln aus EncroChat präzisiert.

Der EncroChat-Fall

Bei EncroChat handelt es sich um einen Messenger-Dienst, den kriminelle Organisationen für verschlüsselte Telekommunikation genutzt haben. Dies taten sie, um illegalen Handel mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen. Die französische Polizei konnte mit Unterstützung niederländischer Experten den Dienst infiltrieren und somit relevante Beweismittel sichern. Diese wurden infolge einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) der deutschen Staatsanwaltschaft in deutschen Ermittlungs- und Strafverfahren genutzt. So konnten sie umfangreich Chatverläufe über organisierte Kriminalität verfolgen und zahlreiche Verdächtige festnehmen.

Hieraus folgte ein von der Berliner Staatsanwaltschaft eingeleitetes Strafverfahren gegen die Tatverdächtigen. Im Rahmen der Hauptverhandlung stellte das Landgericht (LG) Berlin an den EuGH die Frage, ob die durch die deutsche Staatsanwaltschaft erlangten Informationen im Strafverfahren verwertbar sind, ohne dass gegen EU-Vorschriften verstoßen wird. Für die Richter war fraglich, ob für das Erheben von Beweismitteln eine gerichtliche Genehmigung eingeholt werden muss oder ob die Anordnung der Staatsanwaltschaft reicht.

Bewertung der Generalanwältin

Nach Auffassung der Generalanwältin des EuGH, Tamara Ćapeta, war der Encrochat-Datenbezug aus dem gehackten Kommunikationsdienst durch die deutsche Staatsanwaltschaft zulässig. Die Encrochat-Daten seien im Rahmen internationaler Rechtshilfe an deutsche Ermittlungsbehörden rechtmäßig übertragen worden.

Die Entscheidung des EuGH

Nun hat auch der EuGH sich mit seinem Urteil (C-670/22) zur Verwendung von Beweismitteln von EncroChat geäußert. Er legt fest, dass ein Staatsanwalt die Übermittlung von Beweismitteln aus einem Mitgliedstaat an einen anderen unter bestimmten Bedingungen mittels der Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) anordnen kann. Dafür müsse die Staatsanwaltschaft „in einem rein innerstaatlichen Verfahren dafür zuständig“ sein, „die Übermittlung bereits erhobener Beweise anzuordnen“. Eine explizite Richtergenehmigung sei dann nicht einzuholen. Im Übrigen müssten die Voraussetzungen an die Erhebung der Beweismittel im anordnenden Mitgliedstaat nicht erfüllt sein.

Nichtsdestotrotz müsse vor Gericht eine Kontrolle der Einhaltung der Grundrechte weiterhin möglich sein. Des Weiteren sei laut der Pressemitteilung (abrufbar hier) des EuGH der Mitgliedstaat, in dem die Überwachung durchgeführt wird, rechtzeitig hiervon zu unterrichten. Dieser könnte dann der Überwachungsmaßnahme widersprechen. Das diene der Souveränität der Mitgliedstaaten und dem Schutz des Individuums. Außerdem dürfe das Strafgericht Beweismittel nicht berücksichtigen, „wenn die betroffene Person nicht in der Lage ist, dazu Stellung zu nehmen“, und wenn diese Beweismittel die Würdigung der Tatsachen maßgeblich beeinflussen könnten.

Fazit

Das Urteil des EuGH trägt dazu bei, die rechtlichen Grundlagen für die Zusammenarbeit und den Datenaustausch in grenzüberschreitenden Strafverfahren zu klären. Insgesamt lässt sich aus den Ausführungen des EuGH auch ein individualschützender Charakter der EEA-Normen erkennen. Sie stellen sicher, dass die Grundrechte der Beteiligten gewahrt bleiben, während gleichzeitig die Effektivität der Strafverfolgung in der EU unterstützt wird. Nun muss das LG Berlin entscheiden, ob die Beweismittel unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH verwertbar sind.