BGH: Schadensersatz bei E-Mail-Werbung

9. April 2025

Mit Urteil (VI ZR 109/23) vom 28.01.2025 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Anspruch auf Schadensersatz bei rechtswidrig zugesandter E-Mail-Werbung auseinandergesetzt. Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Verbraucher eine einzelne Werbe-E-Mail erhalten, ohne dass dessen Einwilligung vorlag. Daraufhin machte er 500 Euro „Schmerzensgeld“ wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geltend. Der BGH entschied, dass nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO automatisch einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz auslöst. Ausschlaggebend sei vielmehr, ob tatsächlich ein individueller, nachweisbarer immaterieller Schaden eingetreten ist.

Hintergrund: Datenschutzwidrige Werbe-Mail

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war der Kauf eines Briefkastenaufklebers im Jahr 2019. Obwohl der Kläger nie eine Einwilligung zur Nutzung seiner Daten zu Werbezwecken erteilt hatte, erhielt er zu einem späteren Zeitpunkt vom Verkäufer eine E-Mail mit werbendem Inhalt. Enthalten war ein Hinweis auf die Verfügbarkeit des Services trotz Pandemieeinschränkungen. Der Kläger widersprach unmittelbar der Nutzung seiner Daten und forderte noch am selben Tag immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 500 Euro. Nachdem das Unternehmen auf seinen Widerspruch nicht reagierte, wiederholte der Kläger sein Verlangen per Fax – ebenfalls ohne Resonanz.

Gerichtliches Verfahren

Als auch dies fruchtlos blieb, brachte der Kläger sein Begehren vor Gericht. Der Anspruch auf Unterlassung des Zusendens weiterer Werbung akzeptierte das beklagte Unternehmen bereits in der ersten Instanz. Die zentrale juristische Auseinandersetzung drehte sich daher nur noch um die Frage, ob dem Kläger für den einmaligen, ungewollten Erhalt einer Werbe-E-Mail ein Anspruch auf Schadensersatz zustand.

Sowohl das Amtsgericht Tuttlingen als auch das Landgericht (LG) Rottweil wiesen den Antrag auf Schadensersatz ab. Dabei argumentierte insbesondere das LG mit der fehlenden Erheblichkeit des Eingriffs. Der einmalige Versand einer Werbe-E-Mail überschreite nicht die Bagatellgrenze.

Entscheidung des BGH: Verstoß ja – Schaden nein

Dem Begründungsansatz des LG widerspricht der BGH nun in seinem Urteil, bestätigt aber generell das Ergebnis der Vorinstanzen. Der BGH stellte zunächst klar, dass der Begriff des immateriellen Schadens „autonom unionsrechtlich“ auszulegen ist. Aus der Gesetzesbegründung zur DSGVO ergebe sich eine weite Auslegung des Begriffs (Erwägungsgrund 146 S. 3) Insofern sei zwar keine starre Erheblichkeitsschwelle zu fordern – ein Schaden müsse also nicht besonders schwerwiegend sein –, dennoch bedürfe es eines tatsächlichen Nachweises des Schadens. Ein bloßer DSGVO-Verstoß als solcher reiche deshalb nicht aus. Vielmehr sei ein individueller Nachteil, etwa in Form eines Kontrollverlusts über die eigenen Daten, konkret darzulegen und zu beweisen.

Ein solcher Kontrollverlust lag nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall nicht vor. Der Kläger habe weder belegen können, dass er infolge der E-Mail den Zugriff auf seine personenbezogenen Daten verloren habe, noch habe er eine substantiiert begründete Befürchtung vor einem Missbrauch durch Dritte dargelegt. Auch die bloße Tatsache, dass seine E-Mail-Adresse einmalig und ohne Einwilligung zu Werbezwecken genutzt wurde, genüge nicht, um einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO anzunehmen.

Fazit

Mit seinem Urteil zum immateriellen Schadensersatz bei ungewollter E-Mail-Werbung hat der BGH eine wichtige Linie gezogen: Auch wenn der Begriff des immateriellen Schadens in der DSGVO weit verstanden wird, bleibt er kein Freifahrtschein für pauschale Ersatzforderungen. Der Rechtsverstoß allein begründet noch keinen Anspruch – es braucht einen greifbaren, persönlich erlebten Nachteil. Für Unternehmen schafft die Entscheidung ein gewisses Maß an Rechtssicherheit im Umgang mit Bagatellverstößen, ohne das Schutzniveau der DSGVO grundlegend zu relativieren.