KI-Kompetenz: Wie GenAI das kritische Denken verändert und was Arbeitgeber jetzt tun müssen
Die rasante Entwicklung generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) transformiert zunehmend die Arbeitswelt und eröffnet neue Potenziale für Effizienz, Kreativität und Automatisierung. Gleichzeitig wirft ihr Einsatz Fragen im Hinblick auf kognitive Prozesse, insbesondere das kritische Denken, auf. Eine aktuelle Studie von Microsoft untersucht genau die Frage wie GenAI das kritische Denken verändert. Sie liefert wertvolle Erkenntnisse für Organisationen, die GenAI-Systeme einsetzen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der seit Februar 2025 geltenden EU-KI-Verordnung. Diese verpflichtet Betreiber und Anbieter von KI-Systemen zur Vermittlung von KI-Kompetenz.
Die Studie im Überblick
Grundlage der Studie ist eine Umfrage unter 319 GenAI-Nutzenden, die regelmäßig mit Tools wie ChatGPT oder Copilot arbeiten. Aus insgesamt 936 konkreten Fallbeispielen analysierte das Forschungsteam, wie der Einsatz von GenAI die Wahrnehmung, Ausübung und den Aufwand kritischen Denkens beeinflusst. Die Ergebnisse zeigen eine klare Verschiebung kognitiver Prozesse: Kritisches Denken verlagert sich weg von traditionellen Aufgaben wie Problemanalyse oder Wissenssicherung hin zur Verifikation von KI-generierten Inhalten, deren Integration in bestehende Arbeitskontexte sowie zur übergeordneten Verantwortung für die Gesamtaufgabe.
Veränderte Anforderungen an das kritische Denken durch GenAI
Die Studie zeigt deutlich, dass sich der Charakter des kritischen Denkens im Umgang mit generativer KI grundlegend verändert. Kognitive Tätigkeiten wie Wissensabruf, Problemlösung oder Analyse werden durch den Einsatz von GenAI subjektiv als weniger aufwendig empfunden. Gleichzeitig verschiebt sich das kritische Denken weg von klassischer Analyse hin zur Verifikation von Informationen, Integration von KI-Antworten in den Arbeitskontext und einer übergeordneten Aufgabenverantwortung.
Auffällig ist dabei die Rolle des Vertrauens. Ein höheres Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von GenAI ging mit einer geringeren Ausübung kritischen Denkens einher. Umgekehrt führte ein starkes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den KI-Ergebnissen – auch wenn dies als kognitiv anspruchsvoller erlebt wurde.
Als zentrale Motivatoren für kritisches Denken identifizierte die Studie Qualitätsanspruch, Fehlervermeidung und den Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung. Dem standen jedoch Hürden wie Zeitdruck, mangelndes Problembewusstsein und Unsicherheiten bei der Bewertung von KI-Antworten gegenüber. Die Forscher warnen vor einer wachsenden Überabhängigkeit von GenAI, die langfristig die eigenständige Problemlösungskompetenz untergraben könnte.
KI-Verordnung: Pflicht zur Vermittlung von KI-Kompetenz
Die EU-KI-Verordnung (KI-VO) macht die Vorbereitung der Belegschaft auf den Umgang mit KI-Systemen zur Pflicht. Gemäß Artikel 4 der KI-VO, der seit dem 2. Februar 2025 gilt, müssen Unternehmen nachweisen, dass ihre Mitarbeitenden über ausreichende KI-Kompetenz verfügen. Diese Verpflichtung betrifft sowohl Anbieter als auch Betreiber von KI-Systemen.
Die Definition von KI-Kompetenz ist dabei bewusst weit gefasst. Sie umfasst nicht nur technisches Wissen über die Funktionsweise und Konfiguration von KI-Systemen, sondern auch die Fähigkeit, die Ausgaben dieser Systeme korrekt zu interpretieren und deren Auswirkungen auf Entscheidungen, Arbeitsprozesse und rechtliche Rahmenbedingungen zu verstehen. Die Anforderungen an die Tiefe dieser Kompetenzen variieren je nach Kontext und hängen von Faktoren wie dem Ausbildungs- und Erfahrungsstand der betroffenen Personen oder dem spezifischen Anwendungsbereich der KI ab.
Alle Beteiligten entlang der KI-Wertschöpfungskette müssen regulatorische Vorgaben umsetzen können. Darunter fällt das Personal sowie andere Personen, die im Auftrag mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind. Ohne gezielte Schulungsmaßnahmen drohen hier nicht nur qualitative Defizite, sondern auch rechtliche und wirtschaftliche Risiken.
Kritisches Denken als integraler Bestandteil der KI-Kompetenz
Gerade die Erkenntnisse der Microsoft-Studie verdeutlichen, dass ein rein technisches Verständnis von KI bei Weitem nicht ausreicht, um den regulatorischen Anforderungen zu genügen. Vielmehr gehört die Fähigkeit, KI-generierte Inhalte kritisch zu prüfen, zu reflektieren und in den jeweiligen fachlichen oder rechtlichen Kontext einzuordnen, zum Kern einer verantwortungsvollen KI-Kompetenz. Daneben kann ein unkritischer Umgang mit GenAI – etwa durch die Übernahme fehlerhafter oder datenschutzrechtlich bedenklicher Inhalte –nicht nur die Arbeitsqualität mindern, sondern auch Haftungsrisiken bergen.
Organisationen, die KI-Systeme einsetzen, müssen daher sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden nicht nur in der Anwendung von Tools geschult sind, sondern auch in der Fähigkeit, deren Ergebnisse zu hinterfragen. Dazu gehört das Verständnis, wie KI-Outputs zustande kommen, welche Unsicherheiten oder Verzerrungen darin enthalten sein können, und wie sich daraus resultierende Entscheidungen auf betroffene Personen oder Prozesse auswirken.
Sensibilisierung im Rahmen von KI-Kompetenz-Schulungen
Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, dass der Aufbau von KI-Kompetenz in Organisationen einen starken Fokus auf die Sensibilisierung der Mitarbeitenden hinsichtlich des kritischen Denkens beim Einsatz von KI-Tools legt.
Schulungen sollten verbreitete Fehlannahmen adressieren – etwa die Überschätzung von KI-Outputs oder die unkritische Akzeptanz scheinbar objektiver Informationen. Schulungen sollten gezielt darauf abzielen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Vertrauen und kritischer Distanz zu fördern. Diese Balance kann maßgeblich zur nachhaltigen und sicheren Integration von KI-Systemen beitragen.
Zugleich ist es ratsam, kritisches Denken nicht nur auf individueller Ebene zu fördern, sondern strukturell in die organisatorischen und strategischen Prozesse der KI-Nutzung zu integrieren. Das Vier-Augen-Prinzip für Freigaben ist hier eine mögliche Herangehensweise. Nur so kann verhindert werden, dass durch fehlerhafte, missverstandene oder übernommene KI-Outputs Fehler entstehen, die letztlich die rechtliche Verantwortung des Unternehmens betreffen.
Fazit: KI-Kompetenz braucht kritisches Denken
Die EU-KI-Verordnung bringt klare Pflichten zur KI-Kompetenz mit sich. Die Studie von Microsoft liefert hierfür einen wichtigen Impuls. Sie zeigt, dass GenAI das kritische Denken verändert und KI-Kompetenz mehr sein muss als technisches Know-how. Erst die Fähigkeit, KI kritisch einzuordnen, ihre Grenzen zu erkennen und ihre Ergebnisse zu überprüfen und reflektiert zu nutzen, macht Unternehmen wirklich KI-kompetent und schützt vor Compliance-Verstößen, ethischen Fehltritten und Datenschutzrisiken.
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