Nichtigkeitsverfahren gegen Entwurf für DSGVO-Verfahrensverordnung?
Die Europäische Union steht davor, mit der neuen Verfahrensverordnung zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein Regelwerk zu verabschieden, das eigentlich den Anspruch hatte, Datenschutzverfahren europaweit zu vereinheitlichen und zu beschleunigen. Der aktuell im Trilog verhandelte Kompromissvorschlag droht aus Sicht von noyb allerdings zu einer ernsthaften Schwächung der Grundrechte zu werden und auch für Unternehmen kostspielige Konsequenzen zu haben. Laut einer Pressemitteilung vom 20.05.2025 prüft die Bürgerrechtsorganisation deshalb aktuell, ein Nichtigkeitsverfahren gegen den Entwurf für die neue DSGVO-Verfahrensverordnung einzureichen.
Entwurf für neue Verfahrensverordnung
Die Durchsetzung einheitlicher Datenschutzstandards stockt insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalte. Der sogenannte One-Stop-Shop-Mechanismus bestimmt nämlich, dass die federführende Datenschutzbehörde am Sitz des betroffenen Unternehmens zuständig ist. Diese soll mit den anderen betroffenen Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten. In der Praxis ist die Kooperation jedoch durch national unterschiedliche Verwaltungsverfahren und unklare Zuständigkeiten geprägt, sodass sich Fälle häufig um Jahre verzögern oder sogar komplett unbearbeitet bleiben.
Deshalb hat die EU-Kommission im Juli 2023 eine Reform vorgeschlagen. Das EU-Parlament hat im April 2024 dann bekannt gegeben, dass sich seine Mitglieder auf eine Position zu neuen Verfahrensregeln geeinigt haben. Es soll vor allem spezielle Streitbeilegungsmechanismen und bestimmte vereinheitlichte Verfahrensvorschriften geben. Um Verfahren effizienter zu gestalten, sollen auch klare und harmonisierte Fristen und Zuständigkeiten festgelegt werden.
Kritik an den Entwürfen
Schon der erste Entwurf der Kommission offenbarte eklatante Mängel. Insofern listet der BEUC verschiedene Vorschläge auf, die für eine effizientere Durchsetzung sorgen könnten. Ein zentraler Punkt war die Einführung klarer Zeitlimits für die Bearbeitung von Beschwerden sowie ein Recht auf Anhörung auf jeder Verfahrensstufe. Im April äußerte dann auch noyb erste Zweifel. Der Entwurf sei zunächst nicht mit hinreichender Expertise erarbeitet worden. Außerdem reiche die geplante Anhörung erst zum Ende des Verfahrens nicht aus. Im Übrigen seien die Fristen unbestimmt oder zu lang. All dies führe zu einem undurchschaubaren Labyrinth aus formalen Hürden, was auch für Unternehmen für Rechtsunsicherheit sorgen würde.
Stand des Gesetzgebungsprozesses
Der ursprüngliche Entwurf des EU-Parlaments zur Verfahrensverordnung habe deutlich stärkere Rechte für Betroffene, kürzere Fristen und verbindlichere Transparenzstandards vorgesehen. Im Laufe der Trilogverhandlungen seien jedoch nahezu alle dieser Positionen aufgegeben. Die Vorschläge der Kommission und der Mitgliedstaaten setzen sich laut der Pressemitteilung von noyb nahezu unverändert durch. Die letzte Runde der Trilog-Verhandlungen sollte letzte Woche erfolgen.
Nach Wissensstand von noyb habe es gerade bezüglich der Fristen „noch keine endgültige Einigung“ gegeben. Aufgrund der aktuell lang angesetzten Fristen und der Dauer der Verabschiedung der Verordnung sei es „wahrscheinlich, dass der erste Fall […], der auf eine Frist hinausläuft, um das Jahr 2029 herum sein wird“.
Statt Vereinfachung bürokratische Aufblähung
Die neue Verordnung widerspreche außerdem nicht nur ihrem Ziel der Verfahrensbeschleunigung, sie hindere auch die EU-Agenda zur Entbürokratisierung. Statt zentrale digitale Abläufe zu etablieren, entstehe eine zusätzliche Berichtspflicht, doppelte Dokumentation sowie redundante Mitteilungswege zwischen mehr als 40 europäischen Datenschutzbehörden. Eine Vereinfachung sieht anders aus. Hierbei handle es sich um ein ressourcenintensives bürokratisches Monstrum, dass zudem auch Unternehmen organisatorisch und/oder finanziell belasten könne.
Noyb prüft Klage
Zudem sieht noyb eine strukturelle Benachteiligung von Betroffenen gegenüber Unternehmen. Während datenverarbeitenden Unternehmen umfassende Mitwirkungs- und Anhörungsrechte eingeräumt würden, etwa durch Zugang zu allen Dokumenten bei der zuständigen Behörde und mündliche Anhörungen, blieben betroffenen Personen lediglich eingeschränkte und erschwerte Möglichkeiten.
Angesichts dessen stelle sich die Frage, ob der Verordnungsentwurf mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Noyb erwägt deshalb derzeit ein Nichtigkeitsverfahren gegen den Entwurf für die DSGVO-Verfahrensverordnung vor dem EuGH einzureichen, falls der Entwurf in seiner aktuellen Form verabschiedet wird. Die vorgeworfenen Verstöße reichen vom Recht auf eine gute Verwaltung (Art. 41), dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 47) bis zum Gleichheitssatz (Art. 20) sowie zur effektiven Durchsetzbarkeit des Rechts auf Datenschutz (Art. 8).
Fazit
Die angestrebten Änderungen bringen neue bürokratische Pflichten, langwierige Verfahrenswege und Unsicherheit mit sich. Sollte die Verordnung in ihrer aktuellen Form beschlossen werden, besteht für datenverarbeitende Unternehmen, insbesondere solche mit grenzüberschreitender Tätigkeit, die Gefahr von langwierige und komplexen Kooperationsverfahren mit Aufsichtsbehörden. Über alle aktuellen Entwicklungen bleiben Sie bei uns auf Datenschutzticker.de auf dem Laufenden.