Schlagwort: Art. 12 Abs. 5 DSGVO

Rechtsschutzbedürfnis und Missbrauch bei Geldangeboten für Verzicht auf Beschwerde

9. August 2023

Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde zur Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO

In einer Entscheidung Anfang 2023 hat die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) klare Kriterien für die Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO hinsichtlich offensichtlich unbegründeter oder exzessiver Anfragen festgelegt. Die Angelegenheit dreht sich um einen Beschwerdeführer, der dem Verantwortlichen eine Zahlung von 2.900 EUR für den Verzicht auf eine Beschwerde bei der DSB sowie auf eine gerichtliche Verfolgung angeboten hatte. In diesem Kontext befasst sich der vorliegende Artikel mit den Hintergründen der Entscheidung, ihrer Bedeutung und möglichen Implikationen für die Anwendung von Betroffenenrechten gemäß Art. 15 DSGVO.

Sachverhalt und DSB-Entscheidung

Der Beschwerdeführer bot an, gegen eine Zahlung von 2.900 EUR auf eine Beschwerde bei der DSB sowie auf eine gerichtliche Verfolgung zu verzichten. In der weiteren Entwicklung des Streitfalls reichte der Betroffene dennoch eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein. Die DSB lehnte die Beschwerde unter Berufung auf Art. 57 Abs. 4 DSGVO ab und qualifizierte das Verhalten des Beschwerdeführers als rechtsmissbräuchlich. Die Behörde argumentierte, dass kein tatsächliches Rechtsschutzbedürfnis beim Beschwerdeführer bestehe und die Beschwerde somit als unredlich einzustufen sei.

Die Entscheidung der DSB betont die Parallele zwischen Art. 12 Abs. 5 und Art. 57 Abs. 4 DSGVO, in denen beide Regelungen die Möglichkeit vorsehen, bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anfragen Maßnahmen zu ergreifen. Hierbei wird insbesondere auf den EDSA verwiesen, der in seinen Leitlinien zu Art. 15 DSGVO eine ähnliche Situation als exzessiven Antrag beschreibt. Die DSB stellte jedoch klar, dass sie den Fall nicht als exzessiv, sondern als offensichtlich unbegründet einstufte.

Übertragung auf Betroffenenrechte

Die Entscheidung wirft eine interessante Frage auf: Können Verantwortliche bei Angeboten zur Unterlassung von Beschwerden gegen Geldzahlungen auf Art. 12 Abs. 5 DSGVO zurückgreifen? Beide Artikel setzen die gleichen Voraussetzungen voraus: ein offenkundig unbegründeter oder exzessiver Antrag. Während es unwahrscheinlich ist, dass Betroffene direkt Zahlungen für den Verzicht auf Rechtsverfolgung anbieten, könnte dies in Situationen auftreten, in denen der Verantwortliche die Fristen zur Erfüllung der Auskunftsansprüche nicht einhält.

In der Praxis können Verantwortliche nun auf die österreichische Entscheidung verweisen, um das Fehlen eines echten Rechtsschutzbedürfnisses bei einer Zahlung für den Verzicht auf Beschwerden oder Klagen zu betonen. Es ist jedoch ratsam, vorsichtig zu sein, insbesondere wenn die Erfüllung der Betroffenenrechte nach Ansicht des Betroffenen nicht korrekt erfolgt ist, bevor solch ein “Angebot” überhaupt gemacht wird.

Fazit

Die Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde bietet wertvolle Klarstellungen zur Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO im Zusammenhang mit offensichtlich unbegründeten Anfragen und rechtsmissbräuchlichem Verhalten von Beschwerdeführern. Dieser Fall verdeutlicht, dass es in der Praxis wichtig ist, das Rechtsschutzbedürfnis bei der Geltendmachung von Betroffenenrechten zu berücksichtigen. Verantwortliche könnten auf diese Entscheidung verweisen, um den Missbrauch von Betroffenenrechten zu bekämpfen, insbesondere in Fällen, in denen finanzielle Anreize für den Verzicht auf Beschwerden angeboten werden. Die Anwendung von Art. 57 Abs. 4 DSGVO könnte somit als zusätzliches Instrument dienen, um die Integrität und den ernsthaften Charakter von Datenschutzbeschwerden zu wahren. Es bleibt abzuwarten, wie andere Datenschutzbehörden auf internationaler Ebene auf solche Angebote reagieren werden und ob ähnliche Entscheidungen ergehen werden.

 

Finanzamt kann das pauschale Verlangen auf Zurverfügungstellung einer Kopie der gesamten Steuerakte verweigern

18. März 2022

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat jede betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen Auskunft darüber zu verlangen, ob und wenn ja, welche personenbezogene Daten von dieser Person verarbeitet werden. Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO hat der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.

Mit Urteil vom 27.10.2021 (Az. 16 K 5148/20) verneinte das Finanzgericht Berlin-Brandenburg den Anspruch eines Steuerpflichtigen gegen ein Finanzamt auf Zurverfügungstellung einer physischen oder elektronischen Kopie der Steuerakten jedoch. Begründet wurde dies damit, dass das pauschale Auskunftsverlangen des gesamten Inhalts der vom Finanzamt geführten Steuerakten zu exzessiv sei. Zwar sei, so das Gericht, der Anwendungsbereich der DSGVO auch im Bereich der Steuerverwaltung eröffnet. Auch die weiteren Voraussetzungen der DSGVO seien gegeben, insbesondere stellten alle in einer Steuerakte erfassten Informationen personenbezogene Daten des Steuerpflichtigen dar. Das Recht auf eine umfassende Zurverfügungstellung der gesamten Steuerakte verneinte das FG Berlin-Brandenburg dennoch.

Zur Begründung führte es aus, dass das Recht auf Auskunft und das Recht auf Kopie aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen einheitlichen Anspruch darstelle und das Recht auf Erhalt einer Kopie daher auf die Kataloginformationen des Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DSGVO beschränkt sei, ohne weitere Ansprüche der Betroffenen zu begründen. Insbesondere sei nicht erforderlich eine betroffene Person über sämtliche beim Finanzamt gespeicherte Dokumente oder Dateien zu informieren. Das Ziel des Steuerpflichtigen, eine Überprüfung zu ermöglichen würde erreicht, wenn man ihm die Informationen aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO zur Verfügung stelle, d.h. grundlegende Informationen zur Verarbeitung.

Schließlich stünde dem Begehren des Steuerpflichtigen nach Ansicht des Gerichts auch Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO entgegen. Danach kann der Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen einer betroffenen Person, entweder ein angemessenes Entgelt verlangen oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden. Im vorliegenden Fall habe der auskunftsbegehrende Steuerpflichtige mit seinem pauschalen Auskunftsverlangen auf Überlassung sämtlicher Akten des Finanzamt in Bezug auf seine Person offensichtlich überschießend gehandelt. Daher konnte das Finanzamt ohne Nachweis für den exzessiven Charakter des Begehrens dieses verneinen. Außerdem diente das Bestreben des Steuerpflichtigen nach Einschätzung des Gerichts auch nicht den Zielen der DSGVO, d.h. dem Schutz seiner Privatsphäre. Auch weitere Anspruchsgrundlagen verneinte das Gericht.