Schlagwort: Beschluss

Erstes Kohärenzverfahren der europäischen Aufsichtsbehörden – Thema: Bußgeld gegen Twitter

22. Dezember 2020

Nicht selten steht der unterschiedliche Umgang der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden mit Datenschutzverstößen in der Kritik. Insbesondere der irischen Aufsichtsbehörde – welche u.a. für die Big-Tech-Konzerne Facebook und Twitter zuständig ist – wird regelmäßig ein zu lasches Vorgehen gegen die ihr unterstellten Konzerne vorgeworfen, selbst von anderen Behörden. Hintergrund der Kritik ist auch, dass Datenschutzverstöße solcher Big-Player regelmäßig die Bürger aller EU-Staaten betreffen, es aber grundsätzlich in der Hand einer Behörde liegt, die Verstöße zu ahnden. Um hier ein einheitliches Vorgehen der nationalen Behörden zu gewährleisten, wurde in der Datenschutz-Grundverordnung das sog. Kohärenzverfahren geregelt (Art. 63 ff. DS-GVO). In diesem Verfahren tauschen sich die Aufsichtsbehörden – ggf. unter Einbindung der Kommission – untereinander aus, um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Besteht diesbezüglich Uneinigkeit, ist es Aufgabe des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA), die Streitigkeiten zwischen den nationalen Behörden über den Umgang mit Datenschutzverstößen beizulegen. Zum ersten Mal hat der EDSA nun einen solchen Beschluss erlassen und sich dabei auch zur Berechnung von Bußgeldern geäußert.

Datenpanne durch Veröffentlichung geschützter Tweets

Grundlage des Kohärenzverfahrens war eine Datenpanne bei Twitter, welche durch eine fehlerhafte Programmierung ausgelöst wurde. Änderten Nutzer auf Android-Geräten ihre zum Account gehörende E-Mail-Adresse, wurden alle geschützten Tweets der Nutzer öffentlich (über die Follower hinaus), ohne dass dies für den Nutzer ersichtlich war. Die Datenpanne wurde im Dezember 2018 bekannt. Insgesamt waren wohl 88.726 Nutzer innerhalb der EU/des EWR von der Datenpanne betroffen. Bei der Überprüfung der Datenpanne durch die zuständige irische Aufsichtsbehörde stellte diese Verstöße gegen Art. 33 Abs. 1 DS-GVO (Verletzung der Mitteilungspflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde) und Art. 33 Abs. 5 DS-GVO (Verletzung der entsprechenden Dokumentationspflicht) fest und schlug ein Bußgeld in Höhe von 135.000 bis 275.000 Euro in Bezug auf die Verletzung dieser Kooperationspflichten vor.

Nachdem die irische Behörde diese Informationen entsprechend Art. 60 Abs. 3 DS-GVO an die anderen europäischen Aufsichtsbehörden übermittelte, erhoben einige Behörden – insbesondere aus Deutschland – Einspruch gegen diese Entscheidung. Gerügt wurde u.a. die Berechnung der Bußgeldhöhe. Der EDSA befasste sich eingehend mit den erhobenen Rügen, wies aber eine Vielzahl davon als unzulässig ab. Geprüft wurde aber insbesondere, ob die Berechnung der Bußgeldhöhe korrekt erfolgte. Dabei stellte der EDSA ausdrücklich fest, dass das Kohärenzverfahren auch dazu dienen soll, die Höhe der Bußgelder in den Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen.

EDSA zur Bußgeldberechnung

Der EDSA weist in seiner Entscheidung ausdrücklich und wiederholt darauf hin, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Dadurch soll verhindert werden, dass sie in anderen Fällen als Präzedenzfall herangezogen werden kann. Nichtsdestotrotz können aus der Entscheidung Rückschlüsse gezogen werden, insbesondere was die Berechnung der Bußgeldhöhe anbelangt. Wichtig ist aber die Feststellung, dass sich die Aussagen auf die Verletzung der Pflichten aus Art. 33 Abs. 1 und Abs. 5 DS-GVO beziehen, also auf Pflichten im Rahmen der Kooperation mit der Aufsichtsbehörde. Dabei sind insbesondere folgende Feststellungen interessant:

  • Werden Kooperationspflichten verletzt, seien diese Verstöße der Höhe des Bußgeldes zugrunde zu legen, nicht die eigentliche Datenpanne (Veröffentlichung der Tweets).
  • Es müsse berücksichtigt werden, ob die Betroffenen die Absicht hatten, den Personenkreis einzuschränken, welcher von den Daten (Tweets) Kenntnis erlangen soll.
  • Hinsichtllich “Art” und “Umfang” der Verarbeitung sei auf die ursprüngliche Verarbeitung abzustellen, nicht auf die konkrete Datenpanne oder den Datenschutzverstoß (hier also auf die Kommunikation per Tweet).
  • Kenntnis von der Datenpanne (im Sinne des Art. 33 Abs. 1 DS-GVO) habe der Verantwortliche erst, wenn dieser “einen gewissen Grad an Gewissheit” darüber besitze, dass eine Datenpanne aufgetreten ist.
  • Gehört die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Kern der Tätigkeiten des Verantwortlichen, müsse man erwarten können, dass dieser geeignete Maßnahmen implementiert hat, um Datenpannen und Abhilfemaßnahmen dokumentieren und somit seinen Pflichten nachkommen zu können. Werden die Kooperationspflichten dennoch verletzt, sei dies nachteilig zu bewerten.
  • Die Aufsichtsbehörde müsse konkret darlegen, aufgrund welcher Kriterien die vorgeschlagene Bandbreite des Bußgeldes (0.25% bis 0.5% des maximalen Bußgeldes) ermittelt wurde.

Letztendlich rügte der EDSA vor allem die Berechnung des Bußgeldes und verwies die Sache zurück an die irische Datenschutzbehörde. Diese müsse die Höhe des Bußgeldes neu berechnen. Darauf hin hat die irische Behörde nun das Bußgeld auf 450.000 Euro erhöht.

VG Wiesbaden: Klärung des Anwendungsbereichs der DSGVO

6. Juni 2019

Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden (Beschluss vom 28.03.2019 – 6 K 1016/15) Klage erhoben, da der beklagte Präsident des Hessischen Landtags das Begehren auf Auskunft bzw. Akteneinsicht über die beim Petitionsausschuss des Hessischen Landtags gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers ablehnte.

Grundsätzlich stünde dem Kläger ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zu, wenn der Petitionsausschuss unter den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 DSGVO fällt und es sich bei ihm um eine Behörde i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO handeln würde.

Danach sind Behörden alle öffentlichen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Das Gericht ist der Ansicht, dass es sich bei dem Petitionsausschuss um eine eigenständige Stelle, d.h. um eine Behörde im organisationsrechtlichen Sinne handelt.

Aus diesem Grund bestünden keine Versagungsgründe einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Der Petent hat somit nach Ansicht des Gerichts einen Anspruch auf Auskunft über die über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten.

Das Verfahren wurde ausgesetzt und gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.