Verfassungsbeschwerde zur Vorratsdatenspeicherung angepasst
Die 2016 mit prominenter Unterstützung eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung wird mit einem Ende vergangener Woche gestellten Antrag angepasst auf die Gesetzesreform des TKG von Anfang Dezember. Nach der Gesetzesreform befinden sich die angegriffenen Regelungen nun in den Paragrafen 176 und 177 TKG. Von den Beschwerdeführern wird geltend gemacht, dass die ursprünglich angegriffenen Regelungen im Rahmen der Novellierung des TKG nicht in dem Sinne aufgehoben wurden, als dass sie ersatzlos entfallen wären – im Gegenteil seien die Regelungen lediglich “verschoben” worden. In der Konsequenz handele es sich bei der Novellierung um eine bewusste Perpetuierung der ursprünglichen Rechtslage und damit um nach Auffasung der Beschwerdeführer verfassungswidrige Regelungen.
Zu einigen Punkten der Ausgangsbeschwerdeschrift nehmen die Beschwerdeführer noch einmal ergänzend Stellung. Im Fokus liegt dabei insbesondere die umstrittene Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält Vorgaben zum flächendeckenden Aufbewahren von Telekommunikationsdaten auf Vorrat unverhältnismäßig und sieht darin einen Verstoß gegen die europäischen Grundrechte. Für das flächendeckende Aufbewahren von IP-Adressen allerdings nimmt der EuGH eine Ausnahme vor. Da die IP-Adresse eines Nutzers für sich genommen nicht auf den Kommunikationspartner schließen lasse, bringe die Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen im Vergleich zu der Erfassung von Verbindungs- und Standortdaten weniger schwerwiegende Grundrechtseingriffe mit sich und sei deshalb “milderes” Mittel im Vergleich zu einer Erfassung von Verbindungs- und Standortdaten.
Dieser Annahme tritt die erweiterte Argumentation der Beschwerdeführer vehement entgegen. Warum die Identifizierbarkeit eines Teilnehmers anhand einer IP-Adresse unter geringeren Voraussetzungen möglich sein soll als bei anderen Kennungen sei schlechthin nicht zu rechtfertigen. Dies verdeutliche bereits ein simples Beispiel. Ruft jemand mit unterdrückter Rufnummer einen bekannten Zielanschluss an, so darf dies nicht auf Vorrat gespeichert werden. Erfolge der Anruf dagegen über einen anonymen Internetdienst, wäre der Anrufer dagegen über seine IP-Adresse identifizierbar. Zudem sei nicht die IP-Adresse selbst entscheidend sondern ihre Nutzbarkeit. Mit ihrer Hilfe lasse sich nicht nur auf einen Kommunikationspartner schließen sondern die gesamte Internetnutzung rekonstruieren und so ein detailliertes Persönlichkeitsprofil erstellen – anders als bei anderen Verbindungdaten. Nach dieser Argumentation wäre die Speicherung von IP-Adressen mitnichten weniger eingriffsintensiv, sondern geradezu das Ende der Anonymität im Internet.
Die meisten EU-Mitgliedstaaten wollen laut einem diplomatischen Bericht das EuGH-Urteil ausschöpfen. Der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hingegen will die Vorratsdatenspeicherung „endgültig aus dem Gesetz streichen“. Die FDP schlägt stattdessen das sogenannte Quick Freeze Verfahren vor. In solchen Fällen werden Vorratsdaten erst nach einem konkreten Anfangsverdacht und einer gerichtlichen Anordnung „eingefroren“ und Ermittlungsbehörden zur Auswertung übergeben. Ein solches Vorgehen wäre, so Buschmann, “ein Gewinn für Freiheit und Sicherheit zugleich.”