KI als Gerichtsgutachter in der Sachverständigen-Branche – Geht das?

18. März 2025

KI als Gerichtsgutachter in der Sachverständigen-BrancheKünstliche Intelligenz (KI) durchdringt immer mehr Unternehmensbereiche und Einsatzgebiete – so auch die Gutachter- und Sachverständigen-Branche. Von der Immobilienbewertung über medizinische Gutachten bis hin zur Analyse von Bauschäden, die Potenziale sind vielfältig. Doch mit dem Einsatz von KI rücken auch wichtige Fragen des Datenschutzes nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der KI-Verordnung (KI-VO) sowie der rechtlichen Zulässigkeit und der damit verbundenen Haftungsfragen in den Vordergrund.

Einsatzmöglichkeiten

Künstliche Intelligenz (KI) bietet vielseitige Einsatzmöglichkeiten im Gutachter- und Sachverständigenwesen, indem sie Routineaufgaben übernimmt und so Zeit- sowie Kostenaufwände reduziert. Neben der Automatisierung von Recherchearbeiten, der Unterstützung in der E-Mail-Kommunikation oder der Qualitätskontrolle kann KI insbesondere in spezifischen Bereichen wertvolle Dienste leisten.

Sie unterstützt bei der Erkennung und Analyse relevanter Sachverhalte, etwa bei der Identifikation von Baumängeln, der Schadensbewertung an Fahrzeugen oder der Rekonstruktion von Unfall– oder Tathergängen anhand von Bild- und Sensordaten. Zudem ermöglicht sie präzise ökonomische Bewertungen, indem sie Immobilien- oder Fahrzeugwerte unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren wie Markttrends, Zustand und Standort berechnet. Auch in der Versicherungsbranche optimiert KI die Prüfung von Schadensmeldungen und hilft, Betrug schneller zu identifizieren. Darüber hinaus kommt KI im medizinischen Bereich zum Einsatz, etwa bei der Analyse von Röntgenbildern oder der Diagnosestellung, wodurch sie auch für (rechts-)medizinische Gutachten von Bedeutung sein kann.

Rechtliche Zulässigkeit von KI im Gutachterwesen

Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen spezielle Vorschriften über die Zulässigkeit des Einsatzes von KI bei der Erstellung von Privat- oder Gerichtsgutachten. Daher gelten die allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bei Privatgutachten, der Zivilprozessordnung (ZPO) bei Gerichtsgutachten, sowie den Grundsätzen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der (noch nicht vollständig in Kraft getretenen) KI-Verordnung. Aus diesen ergeben sich allgemeine und spezielle Sorgfaltspflichten.

Öffentlich bestellte Sachverständige verpflichten sich in einem Eid, ihre Aufgaben unabhängig, gewissenhaft und unparteiisch zu erfüllen und die Vertraulichkeit zu wahren. Rechtsgrundlage für die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger durch die Handwerkskammer ist § 91 Absatz 1 Ziffer 8 der Handwerksordnung in Verbindung mit der Sachverständigenordnung der zuständigen Handwerkskammer.

Bei Gerichtsgutachten, die aufgrund eines gerichtlichen Beweisbeschlusses und einer gerichtlichen Bestellung erfolgen, gilt zusätzlich der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Sachverständigen gemäß § 407a Abs. 3 ZPO gilt. Daher dürfen gerichtliche Sachverständige ihre Aufgaben nicht ohne Weiteres von KI-Systemen erledigen lassen. Je nach technologischer Entwicklung kann der Einsatz bestimmter KI-Systeme kann in manchen Bereichen hilfreich oder sogar fachlicher Standard sein.

Pflichten beim Einsatz von KI im Gutachten

Beim Einsatz von KI in der Gutachter- und Sachverständigen-Branche gelten neben den allgemeinen Pflichten aus der DSGVO und der KI-Verordnung zusätzlich spezielle tätigkeitsspezifische Pflichten. Dazu gehört beispielsweise die Offenlegung der Verwendung von KI-Tools, soweit diese über den gängigen Standard hinausgehen (vgl. einer Hilfsperson, § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO).

Grundrechte-Folgenabschätzung (FRIA)

Einige Einsatzgebiete von KI-Systemen im Gutachterwesen, fallen unter die erweiterten Vorschiften zu Hochrisiko-KI-Systemen nach der KI-Verordnung. Dazu zählt beispielsweise die Rechtspflege oder Strafverfolgung (vgl. Anhang III). Bevor ein Hochrisiko-KI-System in Betrieb genommen wird, müssen bestimmte Betreiber nach Art. 27 KI-VO eine Grundrechte-Folgenabschätzung durchführen. Das gilt für öffentliche Einrichtungen, private Unternehmen, die öffentliche Dienste erbringen, und Betreiber spezifischer Hochrisiko-KI-Systeme.

Transparenz und Erklärbarkeit

Des Weiteren bedarf es der sorgfältigen Auswahl des geeigneten KI-Systems, und die Sachverständigen müssen sich zumindest in Grundzügen über deren Funktionsweise informieren. Die KI-Verordnung fordert explizit die „Transparenz“ und damit Erklärbarkeit von KI-Systemen (Erwägungsgrund 27). Nicht umsonst werden KI-Systeme oft als „Blackbox“ bezeichnet. Die Forscher um M. Rüther stellten sich daher in „KI in der Rechtsmedizin – von der Forschung in die Praxis“ die Frage, ob künftig neben Rechtsmedizinern auch KI-Experten vor Gericht geladen werden müssen, um die Entscheidungsprozesse von KI-Systemen nachvollziehbar erklären zu können. Da die KI-Verordnung insbesondere für hochriskante Anwendungen (Erwägungsgrund 59) eine Verpflichtung zur Erklärbarkeit vorsieht, könne dies in der Praxis notwendig werden.

Überprüfung und Vermeidung von Datenbias

Die mithilfe von KI-Systemen gewonnenen Ergebnisse müssen zudem auf ihre Richtigkeit oder Plausibilität überprüft werden. Der vom Fraunhofer Institut entwickelte KI-basierte Gutachten-Assistent für Bauchsachverständige oder Googles NotebookLM bieten durch ihre Quellenangaben ein effiziente Nachverfolgbarkeit und Überprüfbarkeit des Gutachtens.

Je nachdem in welcher Gutachten- oder Sachverständigen-Branche (Bau, Medizin, KFZ usw.) KI-Systeme zum Einsatz kommen, sind diese durch beispielsweise zu kleine Datengrundlagen nicht repräsentativ und diskriminierend. Wie Bias in KI-Systemen entsteht und behoben werden kann, hat Dr. Shrishak im Auftrag des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) untersucht.

Schutz personenbezogener Daten

Der Einsatz von KI in der Gutachter- und Sachverständigen-Branche ist untrennbar mit der Verarbeitung von Daten verbunden, darunter häufig auch personenbezogene Daten. Zentrales Anliegen sollte daher immer die DSGVO-konforme Verarbeitung sein. Vertrauliche Informationen des Gutachtens dürfen nur unter strengen Voraussetzungen an KI-Anbieter weitergegeben werden. Wenn möglich sollten abstrakte Anfragen gestellt werden, die auch im Kontext keinerlei Rückschlüsse zulassen. Soweit es erforderlich ist, fallspezifische Dokumente hochzuladen, sollten diese vorher vollständig anonymisiert sein. Gutachter und Sachverständige müssen sorgfältig prüfen, ob und inwieweit vertrauliche Mandanteninformationen in KI-Systeme eingespeist werden dürfen („Need-to-know-Prinzip“). Insoweit möchten wir auf die Datenschutzhinweise der Datenschutzkonferenz (abrufbar hier) vom 06.05.2024 hinweisen.

Notwendigkeit menschlicher Expertise

Auch in Zukunft wird die Expertise und Erfahrung des Sachverständigen unerlässlich bleiben. KI kann unterstützen, aber nicht ersetzen. Gemäß Art. 4 KI-Verordnung müssen Personen, die mit der Nutzung von KI‑Systemen befasst sind, über ein ausreichendes Maß an KI‑Kompetenz verfügen. Sachverständige müssen sich daher kontinuierlich über die neuesten Entwicklungen im Bereich KI und die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen informieren. Als KI-Beauftragter bieten wir bei der KINAST Rechtsanwaltsgesellschaft Schulungen, Risikobewertungen und die Erstellung maßgeschneiderter KI-Leitfäden und Richtlinien für Ihr Unternehmen an.

Fazit

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Gutachterwesen bietet erhebliche Chancen, indem Effizienz, Datenanalyse und Entscheidungsprozesse verbessert werden können. Dennoch bleibt die Rolle des menschlichen Sachverständigen unerlässlich, da Erfahrung und Fachwissen für die Beurteilung und Verifizierung von KI-Ergebnissen entscheidend sind. Gleichzeitig bringt die Nutzung von KI Herausforderungen mit sich, insbesondere hinsichtlich Datenschutz, Transparenz und Haftungsfragen. Die Einhaltung der KI-Verordnung, die Vermeidung von Daten-Bias und ein kritischer Umgang mit KI-Ergebnissen sind essenziell, um fundierte und rechtssichere Gutachten zu gewährleisten. Eine verantwortungsvolle Nutzung von KI erfordert daher Fachwissen über rechtliche Rahmenbedingungen, sorgfältige Prüfung der eingesetzten KI-Systeme sowie kontinuierliche Weiterbildung. Sachverständige, die sich aktiv mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen, können die Vorteile der KI optimal nutzen, ohne die Integrität ihrer Gutachten oder ihre rechtliche Position zu gefährden.