Schlagwort: Generalanwalt beim EuGH

EuGH: Generalanwalt zur nationalen Umsetzung des Art. 88 DSGVO

7. Oktober 2022

Vor kurzem legte der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona seine Schlussanträge in der Rechtssache C-34/21 vor. Darin befasste er sich u.a. mit der Frage, ob § 23 des Hessischen Landesdatenschutzgesetzes (HDSIG) eine „spezifische Vorschrift“ im Sinne des Art. 88 DSGVO darstelle. Obwohl § 23 HDSIG eine landesrechtliche Vorschrift ist, könnten die Schlussanträge nationale Beachtung erlangen. Grund dafür ist, dass § 23 HDSIG gleichlautend mit § 26 BDSG ist.

Hintergrund

Die Vorlagefrage wurde dem EuGH vom VG Wiesbaden vorgelegt. In der Rechtssache stritten die beteiligten Parteien über die Durchführung von Online-Unterricht mittels eines Videokonferenzsystems. Konkret stand zur Debatte, ob Schulen die personenbezogenen Daten von Lehrkräften auf Grundlage einer Einwilligung verarbeiten können, oder ob als Rechtsgrundlage das berechtigte Interesse heranzuziehen sei.

Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob § 23 HDSIG als „(…) eine „spezifischere Vorschrift“ hinsichtlich der Verarbeitung von personenbezogenen Beschäftigtendaten nach Art. 88 DSGVO anzusehen sei.“ (GA Sánchez-Bordona, Schlussanträge vom 22.09.22, Rs. C-34/21, Rn. 11)

Nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO können die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Datenverarbeitung im Beschäftigtenkontext nationale Regelungen erlassen. Der Generalanwalt Sánchez-Bordona stellte fest, dass eine spezifischere Vorschrift nur vorliege, wenn die Voraussetzungen des Art. 88 Abs. 2 DSGVO erfüllt seien. Die Norm müsse „geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der Beschäftigten enthalten.“

Argumente

Aus Sicht des Generalanwaltes Sánchez-Bordona sei § 23 HDSIG keine speziellere Regelung im Sinne des Art. 88 DSGVO. Diese Ansicht begründete der Generalanwalt mit der Systematik und dem Wortlaut der Normen. Nach § 23 HDSIG könne ein Verantwortlicher die personenbezogenen Daten von Beschäftigten verarbeiten, wenn dies für einen bestimmten Zweck erforderlich sei. Die nationale Norm lege als Zwecke konkret „(…) die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses (…) die Durchführung, Beendigung oder Abwicklung“ des Beschäftigtenverhältnisses fest.

Insoweit treffe § 23 HDSIG keine Bestimmung, die von Art. 6 Abs. lit. b DSGVO abweiche. Die Norm lege keine Regelung fest, die dem Schutz der Beschäftigtenrechte bei Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten diene. Dies sei aber für die Anforderung an eine „speziellere“, den Art. 88 DSGVO konkretisierende Norm erforderlich.

Fazit

Bei seiner Entscheidung ist der EuGH nicht an den Vortrag des Generalstaatsanwaltes gebunden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Stellungnahme im Rahmen des Beschäftigtendatenschutzes künftig Beachtung findet.

Datenschutzpflicht der Zeugen Jehovas

14. Februar 2018

Die Zeugen Jehovas sind dafür bekannt, dass sie von Tür zu Tür ziehen um mit den angetroffenen Menschen über deren Glauben zu reden.

Dabei machen sie sich häufig Notizen über den Gesprächsverlauf. Diese Notizen beinhalten insbesondere Angaben über Religionszugehörigkeit und Familienstand des Gesprächspartners.

In einem Rechtsstreit, der vor dem finnischen Obersten Verwaltungsgericht anhängig ist, wurde die Frage relevant, ob es sich bei diesen Notizen um Datenverarbeitung handelt, auf die das europäische Datenschutzrecht Anwendung findet. Diese Frage legte das Gericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, welches nun entscheiden muss.

Der finnische Datenschutzbeauftragte ist der Ansicht, dass es sich um eine Datenerhebung handelt, für die sowohl die einzelnen Mitglieder als auch die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas als solche verantwortlich sind und die dem europäischen Datenschutzrecht unterfällt.

Die Zeugen Jehovas hingegen berufen sich darauf, dass die Notizen nur von ihren Mitgliedern im Rahmen ihrer Religionsausübung angefertigt und nicht weiter gegeben werden, sodass eine Verantwortlichkeit für die Daten im Sinne des Datenschutzrechts nicht besteht.

Der Generalanwalt am EuGH, Paolo Mengozzi, ist in seinem, die Entscheidung des EuGH vorbereitenden, Schlussantrag, der Einschätzung des finnischen Datenschutzbeauftragten gefolgt: Es kommt gerade nicht darauf an, ob Zugriff auf die personenbezogenen Daten besteht, sondern dass die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Erhebung besteht. Nach seinem Antrag handelt es sich bei den Notizen auch nicht um Aufzeichnungen die durch eine natürliche Person zu ausschließlich privaten Zwecken erfolgt sind.

Das Gutachten des Generalanwalts ist nicht bindend, in den meisten Fällen folgen die EuGH-Richter jedoch den Einschätzungen des Generalanwalts. Das Urteil wird für die nächsten Monate erwartet.

Generalanwalt beim EuGH: Dynamische IP-Adressen sind personenbezogene Daten

13. Mai 2016

In Kürze wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) über eine Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs entscheiden. Dabei geht es u. a. um die Frage, ob dynamische IP-Adressen als personenbezogene Daten anzusehen sind und in Folge dem Schutz des Bundesdatenschutzgesetzes unterliegen. Dies ist in juristischen Fachkreisen ein seit Jahren umstrittenes Thema. Am gestrigen Tag hat der Generalanwalt beim EuGH Manuel Campos Sánchez-Bordoma seine Schlussanträge vorgestellt. Er schlägt dem EuGH im Hinblick auf die Einordnung dynamischer IP-Adressen vor, auch diese als personenbezogenes Datum zu klassifizieren.

Gemäß Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sei eine dynamische IP-Adresse, über die ein Nutzer die Internetseite eines Telemedienanbieters aufgerufen hat, für Letzteren ein „personenbezogenes Datum“, soweit ein Internetzugangsanbieter über weitere zusätzlichen Daten verfügt, die in Verbindung mit der dynamischen IP-Adresse die Identifizierung des Nutzers ermöglichen.

Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH den Vorschlägen des Generalanwalts Folge leisten wird. In der Regel ist dies der Fall.