Sind Gesundheitsdaten im Arbeitsgerichtsprozess verwertbar ?

16. März 2022

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat kürzlich klargestellt, dass auch Gesundheitsdaten in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren von der Gegenseite vorgetragen werden können (VG Wiesbaden, Urteil vom 19.01.2022 – 6 K 361/21.W). Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung von Gesundheitsdaten in Gerichtsprozessen beurteilt sich nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO iVm Art. 9 DSGVO. Lässt sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung von Gesundheitsdaten durchsetzen, so dürfen diese auch genutzt werden.

Hintergrund

Der Kläger war längere Zeit krankgeschrieben, sodass er seine Arbeitgeberin um ein Gespräch zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 SGB IX bat. Hiernach soll insbesondere nach längerer Krankheit die Rückkehr in die Arbeit erleichtert werden. Der Kläger schlug mehrere Teilnehmer für das BEM Verfahren vor, darunter ein Mitglied des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung, seinen Vorgesetzten und seinen Bruder. Aus dem Gespräch resultierten jedoch keine Lösungen, sodass beide Parteien zu keinem Ergebnis kamen.

Erfolglose Klage auf behindertengerechte Beschäftigung

Daraufhin klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Hannover gegen seine Arbeitgeberin auf eine behindertengerechte Beschäftigung und Schadensersatz. Die Rechtsanwältin seiner Arbeitgeberin trug in den Gerichtsterminen sowie in eingereichten Schriftsätzen an das ArbG Inhalte aus dem Gespräch, welches der Kläger für das BEM-Gespräch hielt, vor. Dadurch seien sensible private und vertraulich ausgesprochene personenbezogene Daten wissentlich der Öffentlichkeit preisgegeben worden. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, da ein Anspruch auf schwerbehindertengerechte Beschäftigung wegen des fehlenden Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX nicht gegeben sei.

Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde

Der Kläger wandte sich daraufhin an die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (LfD). Er beklagte, dass die Rechtsanwältin seiner Arbeitgeberin rechtswidrig Zugang zu der BEM-Akte erhalten und sogar vor Gericht wörtlich daraus zitiert habe. Es gehe folglich um die unbefugte Erhebung, Speicherung und Verwendung seiner höchstpersönlichen personenbezogenen, insbesondere gesundheitlichen und seine Schwerbehinderung betreffende Daten. Die LfD teilte daraufhin dem Kläger mit, dass die Datenverarbeitung durch die Anwältin nicht zu beanstanden gewesen sei.
Rechtsanwälte sind ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, § 1 BRAO. Rechtsanwälte sind berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, § 3 Abs. 1 BRAO. In dieser Eigenschaft verarbeiten sie regelmäßig personenbezogene Daten auf Grund eines Mandats. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt dabei auf der berufsständisch verankerten unabhängigen Tätigkeit. Rechtsanwälte sind daher datenschutzrechtlich selbst als Verantwortlicher einzuordnen.

Klage vor dem Verwaltungsgericht

Dies nahm der Arbeitnehmer zum Anlass vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die LfD zu erheben, damit diese verurteilt werde, gegen die Anwältin vorzugehen.  Die Frage, ob vorliegend eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung durch die Rechtsanwältin besteht, bejaht das Gericht und verweist dazu auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO iVm Art. 9 DSGVO. Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Anwältin ein berechtigtes Interesse hatte, die von ihrer Mandantin, der Arbeitgeberin des Klägers, gemachten Angaben zu verarbeiten, indem diese im Prozess mitgeteilt wurden. Das berechtigte Interesse ergebe sich aus den vertraglichen Verpflichtungen zwischen der Rechtsanwältin und ihrer Mandantin. Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten des Klägers nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist zulässig, denn sie erfüllt die für eine Datenverarbeitung durch den Vortrag und die Speicherung im Prozess geltenden Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO.

Zwar ist vom Grundsatz her die Verarbeitung von Gesundheitsdaten einer natürlichen Person untersagt, aus Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO ergibt sich jedoch, dass dieses Verbot dann nicht gilt, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist.