EuGH: Offenlegung von Gesellschafterinformationen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit Urteil vom 12.09.2024 in den Rechtssache C-17/22 und C-18/22 mit der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beschäftigt. Konkret geht es in der EuGH-Entscheidung darum, ob die Offenlegung von Gesellschafterinformationen an andere Gesellschafter gegen die DSGVO verstößt.
Zugrundeliegender Sachverhalt
Das EuGH-Urteil betrifft zwei Investmentgesellschaften, die über eine Treuhandgesellschaft mittelbar an Investmentfonds beteiligt sind. Diese Fonds sind als Publikumskommanditgesellschaften organisiert und dienen als wirtschaftliche Anlage. Die vor dem Amtsgericht (AG) München klagenden Investmentgesellschaften fordern von den Treuhandgesellschaften die Herausgabe der Namen und Adressen aller mittelbar beteiligten Gesellschafter. Die Beklagten verweigern die Herausgabe der Daten, da sie befürchten, die Klägerinnen könnten die Informationen für eigene wirtschaftliche Interessen nutzen, z.B. für Werbung oder den Ankauf der Anteile unter Wert.
Vorabentscheidungsersuchen des AG München
Mit Entscheidung vom 21.12.2021 reichte das AG München hierzu ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH ein. Das vorlegende Gericht verweist auf deutsche Rechtsprechung, die vor der Einführung der DSGVO ergangen ist. Diese besagt, dass Gesellschafter ein unverzichtbares Recht auf die Namen und Adressen ihrer Mitgesellschafter haben. Diese Informationen seien für die effektive Nutzung der Gesellschafterrechte notwendig. Dies gelte auch für indirekt beteiligte Gesellschafter. Der Zugang zu diesen Daten könne nicht vertraglich ausgeschlossen werden, da dies ein wesentliches Gesellschafterrecht beseitigen würde. Das AG München bezweifelt jedoch, ob diese umfassende Offenlegung auch nach Einführung der DSGVO noch gültig ist.
Urteil des EuGH
Die Entscheidung des EuGH (C-17/22) gibt Kriterien vor, unter denen eine solche Datenoffenlegung im Sinne der DSGVO zulässig sein könnte.
Verarbeitung zur Vertragserfüllung
Der EuGH stellte klar, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Vertragserfüllung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO nur dann rechtmäßig ist, wenn sie „objektiv unerlässlich“ für einen Zweck ist, der integraler Bestandteil der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den betroffenen Partnern ist. Mit anderen Worten: Die Datenverarbeitung muss so eng mit der Erfüllung des Hauptzwecks des Vertrags verbunden sein, dass dieser ohne sie nicht erreicht werden kann. Der EuGH stellt hier jedoch fest, dass die relevanten Beteiligungs- und Treuhandverträge es ausdrücklich untersagen, Daten über mittelbare Anleger offenzulegen. Dies spreche gegen eine rechtmäßige Datenverarbeitung auf dieser Grundlage
Verarbeitung wegen berechtigter Interessen
Zusätzlich betonte der EuGH, dass die Datenverarbeitung im Rahmen berechtigter Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO nur dann rechtmäßig ist, wenn sie strikt notwendig zur Verfolgung dieses Interesses ist. Darüber hinaus müssten die Interessen der betroffenen Person im Rahmen einer Abwägung berücksichtigt werden. Auf der einen Seiten wollen die Klägerinnen mit anderen mittelbaren Gesellschaftern, „über den Abkauf ihrer Gesellschaftsanteile […] verhandeln oder […] sich mit ihnen zur gemeinsamen Willensbildung im Rahmen von Gesellschafterbeschlüssen“ abstimmen. Dem gegenüber stehen die Interessen der mittelbaren Gesellschafter an Anonymität. Zu bedenken gibt der EuGH, dass es eine weniger einschneidende Lösung sein könnte, wenn die Gesellschaft Kontaktanfragen weiterleitet und die Gesellschafter selbst entscheiden können, ob sie die Anfrage beantworten oder anonym bleiben möchten. Deshalb erachtet der EuGH die Datenverarbeitung aufgrund berechtigter Interessen als zweifelhaft. Wie die Abwägung ausfällt, muss jedoch abschließend das AG München anhand des Einzelfalls entscheiden.
Verarbeitung aufgrund gesetzlicher Verpflichtung
Schließlich führt der EuGH aus, dass die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO gerechtfertigt ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erforderlich ist. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei es jedoch fraglich, ob es nicht Maßnahmen gäbe, die „die Transparenz unter den Gesellschaftern“ wahren und trotzdem die Vertraulichkeit personenbezogener Daten sicherstellen.
Fazit
Bezüglich der Offenlegung von Gesellschafterinformationen zu Transparenzzwecken tendiert der EuGH somit dazu, den Schutz der personenbezogenen Daten der mittelbaren Gesellschafter überwiegen zu lassen. Abschließend obliegt diese Beurteilung allerdings dem AG München als national zuständiges Gericht.