BVerfG: Hessische Handyortung teilweise verfassungswidrig

23. September 2024

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat laut einer Pressemitteilung vom 17.09.2024 Teile des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG) für verfassungswidrig erklärt. Im Zentrum der Kritik stehen etwa der Einsatz verdeckter Ermittler und die Abfrage persönlicher Flugdaten. Nach Auffassung der BVerfG-Richter sollen auch die weitrechenden hessischen Befugnisse zur ständigen Handyordnung aufgrund eines Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung teilweise verfassungswidrig sein.

Gesetzesänderung nicht ausreichend

Im Frühjahr 2022 erklärte das BVerfG verschiedene Vorschriften des bayrischen Verfassungsschutzgesetzes für verfassungswidrig. Hierbei stellte das BVerfG auch allgemeine Überwachungsgrundsätze auf, sodass auch in Hessen 2023 eine Gesetzesänderung des HVSG folgte. Dem Beschluss des BVerfG zugrundeliegenden fünf Verfassungsbeschwerden reichten die Neuerungen jedoch nicht. Die Beschwerdeführer sind laut der Pressemitteilung des BVerfG zwei vom Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation, zwei unter Beobachtung stehende Personen und ein mit solchen Personen in Kontakt stehender Journalist. Die Beschwerden monierten das HVSG aufgrund einer Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Bei den kritisierten Regelungen handelt es sich um Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV HE).

Urteil des Bundesverfassungsgerichts 

Am 17.07.2024 entschied das BVerfG nun, dass wesentliche Teile des HVSG mit dem Grundgesetz weiterhin unvereinbar sind (1 BvR 2133/22). Das Gericht gab damit den Verfassungsbeschwerden teilweise statt.

Handyortung

Bezüglich der Handyortung kritisierte das BVerfG § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG, „eine engmaschige und andauernde Überwachung von Bewegungen […], ohne eine dafür hinreichende Eingriffsschwelle vorzusehen“. Dies stellt laut dem Urteil eine verfassungswidrige Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

Verdeckte Ermittler

Besonders schwerwiegend sieht das BVerfG zudem die Regelungen zum Einsatz verdeckter Ermittler. Diese dürfen nach § 12 Abs. 1 S. 1 HVSG Identitäten annehmen, die bei den Betroffenen ein hohes Maß an Vertrauen erzeugen. Solche vermeintlichen Vertrauensbeziehungen können missbraucht werden, um sensible Informationen zu gewinnen. Auch hier fehlt es an hinreichenden Eingriffsschwellen.

Abfrage von Flugdaten

Nach dem HSVG können zudem persönliche Reisedaten erhoben werden. Das BVerfG monierte jedoch, dass für diese Datenverarbeitung keine klaren zeitlichen Grenzen bestehen. Das Gericht kritisierte die unpräzise Formulierung der Regelungen, die potenziell eine unbefristete Überwachung ermöglichen kann.

Datenübermittlung an Strafverfolgungsbehörden

Außerdem sah das Gericht auch die Übermittlung von nachrichtendienstlich ermittelten personenbezogenen Daten an Strafverfolgungsbehörden beim Verdacht besonders schwerer Straftaten nach § 20a S. 1 HVSG als nicht verfassungskonform an.

Erfolg für Datenschützer

Die beteiligten Bürgerrechtsorganisationen feiern das Urteil des BVerfG als Erfolg. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) betonte etwa in einer Pressemitteilung, dass „der hessische Verfassungsschutz […] „nicht einfach nach Belieben verdeckte Ermittler*innen losschicken und Handys orten“ darf. Ebenso begrüßt auch der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI), Alexander Roßnagel, in einer Pressemitteilung das Urteil und sieht es als „wichtige Maßnahme zum Schutz der Grundrechte“. Die FDP-Opposition im hessischen Landtag spreche laut LTO ebenfalls von einem “starken Zeichen für den Schutz der Grundrechte”.

Klarheit für Gesetzgeber

Auf politischer Ebene nehme Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) das Urteil mit dem Hinweis zur Kenntnis, dass die notwendigen Gesetzesänderungen zeitnah auf den Weg gebracht würden. Insofern brächte das Urteil Klarheit. Er betone jedoch auch, dass er sich eine „stärkere Beachtung der Sicherheitsgesichtspunkte gewünscht hätte“, insbesondere angesichts der aktuellen Bedrohungslage durch Terrorismus und Extremismus. Insofern kann die Entscheidung des BVerfG auch darauf hindeuten, dass es nicht mit dem neuen Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Gesichtserkennung und sonstigen den Datenschutzgefährdenden Strafverfolgungsbefugnissen mitschwimmen wird.

Fazit

Das Urteil des BVerfG zum Hessischen Verfassungsschutzgesetz stellt einmal mehr den Konflikt zwischen staatlichen Sicherheitsinteressen und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte in den Mittelpunkt. Der hessische Landesgesetzgeber ist nun gefordert, bis Ende 2025 verfassungskonforme Regelungen vorzulegen, die eine bessere Balance zwischen diesen beiden Polen schaffen. Bis dahin gelten die bisherigen Regelungen in sehr eingeschränkter Form höchstens bis zum 31.12.2025 fort.

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