Kritik an Plänen der Bundesregierung zu Gesichtserkennung

6. September 2024

Nach dem Messer-Angriff in Solingen hat die Bundesregierung am 29.08.2024 ein erstes Maßnahmenpaket verabschiedet, dass mehr Kompetenzen für die Strafverfolgung einräumen soll. Die Pläne der Bundesregierung zur Ausweitung der Gesichtserkennung begegnen nun jedoch erster Kritik, so etwa in einer Pressemitteilung vom 03.09.2024 von der Landesdatenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen (LfD NRW). Während die Regierung den Ausbau als notwendige Modernisierung der Ermittlungsarbeit ansieht, warnen Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen vor einer möglichen Überwachungsinfrastruktur, die die Grundrechte gefährdet.

Maßnahmenpaket der Bundesregierung

Der Angriff in Solingen hat die Debatte um die Gesichtserkennung in Deutschland weiter befeuert. Nun möchte die Bundesregierung zur besseren Bekämpfung von „islamistischem Extremismus“ mit einem neu verabschiedetem Maßnahmenpaket die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden erweitern. Mithilfe von Algorithmen sollen zukünftig biometrische Daten mit öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet abgeglichen werden. Das Ziel ist es, Verdächtige oder andere gesuchte Personen so schneller finden zu können. Dabei betont die Regierung, dass dies im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der Verordnung für Künstliche Intelligenz (KI-VO) geschehen soll.

Argumente der Befürworter

Anja Hajduk, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, die Wirtschaftsminister Robert Habeck vertrat, betont, dass es längst überfällig sei, den Ermittlern solche Mittel zur Verfügung zu stellen. Das neue Maßnahmenpaket sei sowohl ausgewogen als auch wirksam. Dass Bundesinnenministerium, geleitet von Nancy Faeser, die sich auch stark für die Vorratsdatenspeicherung einsetzt, arbeitete bereits zuvor an einer Gesetzesänderung. Bayern startet zudem ab September Palanatirs Überwachungssoftware. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Einsatz der Software in Anwendungsfällen in Hessen und Hamburg bereits für verfassungswidrig erklärt. Bayern plant nun durch den richtigen Einsatz ein Vorreiter für andere Bundesländer zu werden.

Kritik: Datenschutz und Bürgerrechte in Gefahr

Kritiker dieser Maßnahmen sehen in der Ausweitung der Gesichtserkennung eine ernste Bedrohung für die Grundrechte. Der Chaos Computer Club (CCC) sieht die Gefahr einer Totalüberwachung des öffentlichen Raums in Form eines „biometrischen Überwachungsexzess“ als real an. Für diesen Angriff auch die Privatsphäre gäbe es keine eindeutige Notwendigkeit. Weiter weist der CCC in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die KI-VO genau solche Vorhaben verbiete. Bei ihrem Vorgehen missachte die Bundesregierung zudem die Fehleranfälligkeit von KI-Systemen. Dem fügt der Deutsche Anwaltsverein hinzu, dass so „jedes Smartphone zu einer potenziellen staatlichen Videoüberwachungsanlage“ würde.

Der Kritik schloss sich nun auch die LfD NRW, Bettina Gayk, an, die vor einem Überwachungsstaat warnte. Um dies zu verhindern, sei „das Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren“. Wolle man solche Maßnahmen zulassen, bräuchte man enge und präzise Grenzen.

Auch die neue Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Louisa Specht-Riemenschneider, hatte in ihrer ersten offiziellen Rede bereits darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang unbedingt der Datenschutz zu beachten sei und bei mehr Überwachungsmaßnahmen auch das Risiko von falschen Verdächtigungen steige.

Fazit

Die Pläne zur Ausweitung der Gesichtserkennung scheinen aus datenschutz- und grundrechtlicher Sicht bedenklich. Während die eine Seite den Sicherheitsgewinn in den Vordergrund stellt, sieht die andere Seite die Bürgerrechte in Gefahr. Zunächst bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber die neuen Befugnisse konkret ausgestalten und beschränken wird. Klar ist jedoch, dass mehr Überwachung nicht zwangsläufig zu mehr Sicherheit führt, aber in der Regel die Freiheit und die Privatsphäre drastisch einschränkt.

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