Schlagwort: Prüfungen

Anspruch auf Auskunft und unentgeltiche Kopie der eigenen Prüfungsklausuren

23. Juli 2021

Ein Examensabsolvent hat Anspruch auf zur Verfügung Stellung einer kostenfreien Kopie der eigenen Examensklausuren mitsamt Prüfergutachten. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) mit Urteil vom 08.06.2021, 16 A 1582/20 entschieden und folgt damit einer extensiven Auslegung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

Das Verfahren

Dem Rechtsstreit vorausgegangen war ein Antrag des Klägers aus dem Jahr 2018 auf kostenlose Übersendung von Kopien seiner angefertigten Examensklausuren. Da das Prüfungsamt dem Examensabsolventen die Kopien seiner Examensklausuren nur gegen Zahlung eines Vorschusses zur Verfügung stellen wollte, zu dessen Zahlung der Kläger unter Berufung auf die Datenschutz-Grundverordnung nicht bereit war, erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Das VG Gelsenkirchen verurteilte das Land NRW dazu, dem Kläger unentgeltlich Kopien seiner Examensklausuren nebst Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen.

Die dagegen eingelegte Berufung des Landesjustizprüfungsamts (LJPA) hat das OVG Münster zurückgewiesen und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz.

Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DSGVO einen Anspruch auf unentgeltliche zur Verfügung Stellung einer Kopie seiner Examensklausuren nebst Prüfergutachten habe.

Der Auskunftsanspruch

Art. 15 DSGVO gewährt betroffenen Personen das Recht von einem Verantwortlichen z.B. einem Unternehmen oder einer Behörde Auskunft über ihre dort gespeicherten personenbezogenen Daten zu verlangen und verpflichtet dabei zugleich den Verantwortlichen, der betroffenen Person bestimmte Informationen auf Antrag zur Verfügung zu stellen. Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, der betroffenen Person zur Verfügung. Welche Daten und Informationen von diesem Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst sind, ist umstritten. Insbesondere über die Frage, ob Prüfungsklausuren nebst Prüfergutachten von diesem Anspruch umfasste Informationen darstellen können, besteht Uneinigkeit.

Während eine Auffassung davon ausgeht, der Auskunftsanspruch müsse auf solche Informationen beschränkt werden, die Art. 15 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich nennt, so dass betroffene Personen nur eine Kopie der Informationen darüber verlangen können, ob ihre personenbezogenen Daten gespeichert werden und um welche es sich dabei ggf. handelt (sog. enge/restriktive Auslegung). Geht eine andere Meinung – so auch das OVG Münster – von einer weiten Auslegung des Auskunftsanspruchs aus.

Die Entscheidung

Im vorliegenden Fall entschied das OVG daher, dass es sich bei den angefertigten Klausuren und den dazugehörigen Prüfergutachten um personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO handle, die durch das LJPA i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet wurden und daher vom Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst seien. Diese Auffasung, so das OVG Münster, würde auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigt. So hat der EuGH u.a. in einem Urteil vom 20. Dezember 2017 entschieden, dass die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu Informationen über den Prüfling und damit personenbezogene Daten darstellen.

Offengelassen hat das OVG, ob der Ausnahmetatbestand des Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO auch Fälle umfasst, in denen betroffene Personen mit der Ausübung des Auskunftsanspruchs allein oder ganz überwiegend datenschutzfremde Zwecke verfolgt.

Auswirkungen auf die Praxis:

Ob andere Gerichte dieser extensiven Auslegung des Auskunftsanspruchs folgen werden, bleibt abzuwarten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das OVG die Revision zugelassen. Das Urteil dürfte aber auch für die Praxis und Unternehmen, die Prüfungen abseits von juristischen Staatsexamensklausuren anbieten, von Bedeutung sein. Inbesondere dann, wenn die zur Verfügung Stellung von Prüfungsunterlagen auch Auswirkungen auf das Geschäftsmodell und interne Prüfungsabläufe hat, kann dieses Urteil Verantwortliche bei der Erfüllung des Auskunftsbegehrens vor neue Herausforderungen – nicht nur finanziell – stellen. Auch der Nachweis, ob datenschutzfremde Zwecke verfolgt werden, dürfte in der Praxis nur schwer zu erbringen sein.

Im Lichte von Schrems II: Koordinierte Prüfung internationaler Datentransfers durch Datenschutzbehörden

9. Juni 2021

In vor kurzem herausgegebenen Pressemitteilungen verschiedener Datenschutzbehörden (etwa Berlin, Brandenburg, Bayern, Saarland, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hamburg) kündigen diese an, im Rahmen einer bundesländerübergreifenden Kontrolle Datenübermittlungen in Staaten außerhalb der europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums zu kontrollieren.

Hintergrund und Anlass der Kontrolle ist die bereits im Juli 2020 ergangene „Schrems II“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). In diesem erklärte der EuGH den Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission zum „EU-U.S. Privacy Shield“ für ungültig und sorgte damit für große Unsicherheit hinsichtlich des transatlantischen Datentransfers (wir berichteten).

Nun haben die Aufsichtsbehörden der verschiedenen Länder angekündigt, im Rahmen einer bundesländerübergreifenden Kontrolle die Datenübermittlungen von ausgewählten Unternehmen in Staaten außerhalb der Europäischen Union zu überprüfen. Das Ziel der Behörden ist dabei klar definiert und soll der „breiten Durchsetzung“ der Anforderungen des EuGHs aus der „Schrems II“-Entscheidung dienen, wie das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht in seiner Pressemitteilung verlauten lässt.
Neben den einzelnen Pressemitteilungen haben die Aufsichtsbehörden auch ihre sehr umfangreichen Fragebögen veröffentlicht. Diese können beispielsweise unter den folgenden Links abgerufen werden:

Beachtet werden sollte beim Verwenden der Fragebögen allerdings, dass bisher nicht ersichtlich ist, welche Behörde tatsächlich welchen Fragebogen verwendet. Die Entscheidung darüber, welcher Themenkomplex überprüft werden soll, obliegt jeder Behörde individuell. Wie großflächig die Überprüfungen tatsächlich stattfinden, wird sich erst in Zukunft zeigen. Über weitere Entwicklungen werden wir Sie hier im Datenschutzticker auf dem Laufenden halten.