BAG: Grenzen der Arbeitnehmerüberwachung

11. November 2024

Laut eines am 29.10.2024 bereitgestellten Urteils hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Arbeitgeber bei der Beauftragung einer Überwachung eines Arbeitnehmers durch eine Detektei und der anschließenden Dokumentierung des Gesundheitszustands Gesundheitsdaten verarbeitet hat. Insofern setzt das BAG deutliche Grenzen der Arbeitnehmerüberwachung.

Zugrundeliegender Sachverhalt

Dem Fall liegt ein seit dem 01.09.2009 bestehendes Arbeitsverhältnis zugrunde. Vom 25.02.2022 bis zum 04.03.2022 ließ die Arbeitgeberin von einer Detektei zumindest stichprobenartig den Arbeitnehmer überwachen, nachdem die Arbeitgeberin das Vorliegen einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit angezweifelt hatte. Die Überwachung fand in einem Zeitraum statt, in dem der Arbeitnehmer krankgeschrieben war, und dokumentierte unter anderem sein Verhalten im öffentlichen Raum und auf seinem Grundstück. Insbesondere wurde auch seine Hausarztpraxis aufgesucht. Im Bericht der Detektei wurde etwa festgehalten, dass der Arbeitnehmer sperrige und schwere Gegenständige ohne große Mühe hob. Andererseits wurde bei einem Badbesuch das Nachziehen des linken Beins festgestellt.

Klage auf immateriellen Schadensersatz

Nachdem die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer den Vorwurf der Täuschung schilderte, erklärte dieser, dass die Beobachteten Tätigkeiten den Heilungsprozess nicht beeinträchtigt hätten. Allerdings sah der Arbeitnehmer hierin eines Datenschutzverletzung und einen schwerwiegenden Eingriff in seine Privatsphäre und forderte deshalb den Ersatz eines immateriellen Schadens in Höhe von 25.000 € nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Für die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten habe es keinen ausreichenden Anlass gegeben.

Beschattung laut Arbeitgeber notwendig

Die Arbeitgeberin rechtfertigt die Maßnahme mit einem berechtigten Interesse, da objektive Anhaltspunkte den Verdacht auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit stützten. Sie argumentiert, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zweifelhaft sei, da sich der Arbeitnehmer zur fraglichen Zeit eigentlich in einer anderen Stadt hätte aufhalten müssen. Andere Überprüfungsmöglichkeiten, wie etwa die Einschaltung des Medizinischen Diensts der gesetzlichen Krankenkassen, seien aufgrund der privaten Krankenversicherung des Arbeitnehmers nicht möglich gewesen. Zudem deute bereits früheres Verhalten auf eine Täuschung hin, was auch der Detektivbericht bestätige.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat und das Berufungsgericht nur eine Entschädigung in Höhe von 1.500 € gewährte, fordert der Kläger weiter die restlichen 23.500 €, währen die Arbeitgeberin die vollständige Zurückweisung der Berufung begehrt.

Datenschutzrechtlicher Hintergrund

Grundsätzlich verbietet Art. 9 Abs. 1 DSGVO die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, wozu Gesundheitsdaten gehören. Eine Ausnahme besteht nach Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO, wenn die Verarbeitung erforderlich ist, um arbeitsrechtliche Rechte auszuüben, sofern das nationale Recht dies erlaubt und Schutzmaßnahmen für die betroffenen Personen vorsieht. In Deutschland wird dieses Verbot durch § 26 Abs. 3 BDSG modifiziert, der die Verarbeitung unter bestimmten Voraussetzungen im Beschäftigungskontext erlaubt.

Urteil des BAG

Mit Urteil (8 AZR 225/23) vom 25.07.2024 hat das BAG sich nun der Bewertung des Landesarbeitsgerichts angeschlossen und einen Schadensersatz in Höhe von 1.500 € anerkannt.

Zunächst liege im Vorgehen der Arbeitgeberin ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), da sie als Verantwortliche ohne Erfordernis im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Gesundheitsdaten verarbeitet habe. Insbesondere bei der Dokumentation des Gangs des Arbeitnehmers handle es sich um die Verarbeitung von Informationen über den Gesundheitszustand.

Damit die Verarbeitung der Gesundheitsdaten durch einen Detektiv erforderlich ist, müsse der Beweiswert einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erschüttert sein „und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse“ nicht möglich oder objektiv eine Klärung nicht erfolgsversprechend sein. Die Observation ist daher nur als letztes Mittel zulässig, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind. Im konkreten Fall sei der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert. Das ergebe sich auch nicht aus den konfliktbelasteten Gesamtumständen der vergangenen Jahre.

Infolge der Beschattung habe der Kläger deshalb einen immateriellen Schaden erlitten. Dieser liege im „Kontrollverlust und insbesondere im Verlust der Sicherheit vor Beobachtung im privaten Umfeld“. Das ergebe sich vor allem aus der „mehrtägigen Überwachung, die eine heimliche Beobachtung und Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers umfasste und ihn auch im Außenbereich seines Wohnhauses betraf“. Im Anbetracht der Ausgleichsfunktion beschränke sich der hier eingetretene Schaden jedoch lediglich auf 1.500 €.

Fazit

Zusammengefasst stellt das Urteil klar, dass die Überwachung von Mitarbeitern auch bei Verdacht auf vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit, nur unter sehr strengen Bedingungen zulässig ist. Dies erfordert stets eine sorgfältige Abwägung der Interessen und den Nachweis konkreter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit sowie die Ausschöpfung milderer Mittel.