E-Mail-Dienst als Anbieter nach § 21 TDDDG
Bewertungsplattformen gehören mittlerweile zum festen Bestandteil des digitalen Alltags. Ob bei der Wahl eines Arbeitgebers, eines Produkts oder eines Dienstleisters – für viele Menschen sind Erfahrungsberichte eine zentrale Informationsquelle. Die Zulassung von anonymen Verfassern soll dabei sicherstellen, dass möglichst viele Nutzer ihre Meinung frei äußern. Doch mit anonymer Kritik gehen auch oft gezielte Schmähung oder strafbare Rufschädigung einher. Hierzu hat sich das Landgericht (LG) München I am 19.02.2025 (25 O 9210/24) mit dem Auskunftsanspruch bei Schmähkritik auseinandergesetzt. Der Anspruch richtet sich gegen einen E-Mail-Anbieter und sollte zur Feststellung der Identität des Verfassers dienen. Insbesondere klärt das Gericht, wann ein E-Mail-Dienst als Anbieter nach § 21 TDDDG zur Auskunft über Bestandsdaten verpflichtet ist, auch wenn die beanstandete Äußerung nicht über dessen Dienst verbreitet wurde.
Zugrundeliegender Fall
Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Bewertungsplattform, auf der Arbeitnehmer, Bewerber und Auszubildende anonym Arbeitgeber beurteilen können. Innerhalb kurzer Zeit wurden dort mehrere kritische Einträge über ein Automobilunternehmen veröffentlicht. Darunter waren auch solche, die nach Einschätzung des LG strafrechtlich relevante Inhalte im Sinne der §§ 185–187 StGB enthielten.
Das Unternehmen wehrte sich zunächst erfolgreich gegen die Plattformbetreiberin selbst. Im Wege eines gerichtlichen Verfahrens erhielt es Auskunft über die zu den Bewertungen hinterlegten E-Mail-Adressen. Mangels daraus hervorgehender Informationen über Name und Anschrift, beantragte das Unternehmen im Anschluss Auskunft über die Nutzerdaten beim jeweiligen E-Mail-Anbieter.
Rechtsgrundlage für die Auskunft: § 21 TDDDG
Kernpunkt der Entscheidung war die Auslegung des § 21 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes (TDDDG), der Auskunftsansprüche gegen Anbieter digitaler Dienste regelt. Nach Abs. 2 sind Anbieter im Einzelfall dazu verpflichtet, Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche etwa wegen der Verletzung §§ 185 bis 187 StGB erforderlich ist.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 TDDDG ist ein Anbieter von digitalen Diensten jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde digitale Dienste erbringt, an der Erbringung mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung von eigenen oder fremden digitalen Diensten vermittelt.
Entscheidung des LG München
Das Gericht stellte klar, dass der betroffene E-Mail-Anbieter ein Anbieter im Sinne von § 21 TDDDG sei. E-Mail-Dienste dienten ihrer Natur nach der elektronischen Übermittlung von Nachrichten. Die monetäre Komponente ergebe sich daraus, dass „sämtliche E-Maildienste ihre Leistungen entweder gegen monetäre Bezahlung erbringen […] oder aber die Nutzer den Dienst dadurch bezahlen, dass sie ihre Daten dem Betreiber zum Zwecke der Auswertung […] zur Verfügung stellen“. Außerdem schade es nicht, dass ein E-Mail-Anbieter auch als Telekommunikationsdienst nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) zu qualifizieren ist. Ein Exklusivitätsverhältnis sei nicht zu erkennen.
Besonders relevant ist der zweite Teil der Entscheidung, in dem das Gericht der Auffassung des E-Mail-Anbieters eine klare Absage erteilt, wonach § 21 TDDDG nur dann greife, wenn die in Rede stehende Äußerung über den Dienst des Anbieters verbreitet wurde. Das Gericht widersprach dieser engen Auslegung, da weder der Wortlaut noch die Systematik oder Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine solche inhaltliche Verbindung zwischen der rufschädigenden Aussage und dem digitalen Dienst erkennen lasse. Andernfalls würde der gesetzliche Auskunftsanspruch in vielen Fällen leerlaufen, da anonyme Nutzer oft keine echten Klarnamen angeben und nur eine E-Mail-Adresse hinterlassen. Diese sei dann der einzige Anhaltspunkt, um einen Anspruch durchzusetzen.
Zuletzt sei der E-Mail-Anbieter dadurch geschützt, dass ihm wegen § 21 Abs. 3 S. 7 TDDDG keine Kosten entstehen. Eine unzumutbare Belastung für Anbieter sei daher nicht zu befürchten – zumal es sich lediglich um die Herausgabe bereits gespeicherter Bestandsdaten handle.
Grenzen des Auskunftsanspruchs: Keine Geburtsdaten erforderlich
Trotz des weitreichenden Tenors der Entscheidung verweigert das Gericht in seinem Urteil den Antrag auf Herausgabe der Geburtsdaten. Nach dessen Auffassung seien Name und Anschrift bereits ausreichend, um zivilrechtliche Schritte gegen die Verfasser einzuleiten.
Fazit
Die Entscheidung ist richtungsweisend insbesondere im Umgang mit anonymen rufschädigenden Äußerungen im Internet. Laut dem LG München I sind E-Mail-Dienst als Anbieter nach § 21 TDDDG zu qualifizieren. Es schafft Klarheit darüber, dass auch E-Mail-Anbieter unter bestimmten Voraussetzungen zur Auskunft über Nutzerdaten verpflichtet sind, selbst wenn der beanstandete Inhalt nicht über deren eigenen Dienst veröffentlicht wurde. Für Unternehmen ergibt sich daraus die klare Empfehlung, bei rufschädigenden Äußerungen auf Bewertungsplattformen den gesamten Informationspfad bis zum E-Mail-Anbieter zu verfolgen. Die Rechtsgrundlagen dafür sind nun durch die Entscheidung des LG München I gestärkt und damit auch der Schutz der Reputation in der digitalen Öffentlichkeit.