Schlagwort: Whistleblowing

Hinweisgeberschutzgesetz tritt noch im Juni in Kraft

31. Mai 2023

Am 17. März 2023 wurde eine überarbeitete Version des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) erneut im Bundestag behandelt. Da eine Zustimmung des Bundesrates immer noch fraglich war, wurde der Entwurf nicht weiterverfolgt und der Vermittlungsausschuss eingeschaltet. Am 9. Mai 2023 haben sich Vertreter des Bundestages und Bundesrates im Vermittlungsausschuss auf Änderungen am HinSchG geeinigt. Das Gesetzgebungsverfahren wurde dann schnell abgeschlossen. Der Bundestag verabschiedete das Gesetz am 11. Mai 2023 mit den Änderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses und der Bundesrat stimmte dem Gesetzesentwurf am 12. Mai 2023 zu. Mit der Zustimmung des Bundesrates ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Das Gesetz kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es wird voraussichtlich Mitte Juni 2023 in Kraft treten.

Kompromiss im Vermittlungsausschuss

Der Vermittlungsausschuss hat Änderungen vorgenommen, darunter eine Beschränkung auf den beruflichen Kontext, einen Kompromiss bezüglich anonymer Meldungen und niedrigere Bußgelder mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten. Falsche Meldungen können jedoch Konsequenzen haben, und in Fällen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Weitergabe unrichtiger Informationen ist die hinweisgebende Person zum Schadensersatz verpflichtet.

Wesentliche Inhalte des Hinweisgeberschutzgesetzes

Das HinSchG zielt darauf ab, den Schutz von Hinweisgebern zu verbessern und die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Es enthält Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern, zur Beweislastumkehr für Arbeitgeber und zur Verhinderung von Benachteiligungen oder Repressalien gegenüber Hinweisgebern. Das Gesetz gilt sowohl für Hinweisgeber als auch für Personen, die sie unterstützen, sowie für Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder von einer Meldung betroffen werden.

Das Hinweisgeberschutzgesetz umfasst verschiedene Rechtsgebiete, in denen Hinweisgeber Verstöße melden können. Dazu gehören Strafvorschriften nach deutschem Recht, bußgeldbewehrte Verstöße, die dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder den Rechten von Beschäftigten dienen, sowie Verstöße gegen Rechtsnormen zur Umsetzung europäischer Regelungen. Letztere umfassen eine Vielzahl von Bereichen wie Geldwäschebekämpfung, Produktsicherheit, Umweltschutz, Datenschutz und Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften.

Wahl zwischen “interner” und “externer” Meldestelle

Hinweisgeber haben die Wahl, sich entweder an eine interne Meldestelle im Unternehmen oder an eine externe Meldestelle bei den Behörden zu wenden. In Fällen, in denen intern effektiv gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind, wird empfohlen, die Meldung an eine interne Meldestelle vorzuziehen.

Schutzbereich des HinSchG

Das HinSchG umfasst eine breite Palette von Unternehmen und Organisationen. Dazu gehören juristische Personen des Privatrechts wie eingetragene Vereine, eingetragene Genossenschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Stiftungen des Privatrechts. Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, wie Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften und Verbandskörperschaften auf Bundes- und Landesebene, sowie rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen werden erfasst.

Darüber hinaus werden Anstalten wie die Landesrundfunkanstalten, öffentlich-rechtliche Stiftungen, die evangelische und katholische Kirche mit ihren Kirchengemeinden sowie sonstige religiöse Gemeinschaften und Religionsgemeinschaften ebenfalls vom HinSchG erfasst.

Die Verpflichtung zur Einrichtung einer internen Meldestelle gilt für Beschäftigungsgeber mit mehr als 250 Mitarbeitenden ab Mitte Juni 2023. Für kleinere Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Mitarbeitenden gilt die Verpflichtung ab dem 17. Dezember 2023. Unternehmen mit einer Mitarbeiteranzahl zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden können eine gemeinsame Meldestelle betreiben.

Die internen Meldestellen müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Die Meldekanäle müssen so gestaltet sein, dass nur befugte Personen Zugriff auf die Meldungen haben. Es müssen sowohl mündliche als auch schriftliche Meldungen möglich sein, und auf Wunsch der hinweisgebenden Person muss eine persönliche Zusammenkunft mit der Meldestelle ermöglicht werden.

Der Schutz der Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person ist von großer Bedeutung. Die Identität sollte grundsätzlich nur den zuständigen Personen der Meldestelle bekannt sein und nur in Ausnahmefällen, z.B. in Strafverfahren auf Anforderung der Strafverfolgungsbehörden, offengelegt werden.

Die mit den Aufgaben der internen Meldestelle betrauten Personen müssen unabhängig sein und über die erforderliche Fachkunde verfügen. Die genaue Bedeutung des Begriffs “Fachkunde” wird vom Gesetzgeber nicht näher erläutert.

Für kleinere oder mittlere Unternehmen kann es effizienter sein, eine erfahrene externe Ombudsperson mit der Entgegennahme und ersten Bearbeitung von Hinweisen zu beauftragen. Der Gesetzgeber nennt externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter als mögliche Dritte, die eine interne Meldestelle betreiben können.

Umgang mit anonymen Hinweisen

Der umstrittenste Bereich des Hinweisgeberschutzgesetzes bezieht sich auf den Umgang mit anonymen Hinweisen. Gemäß § 16 HinSchG besteht keine Verpflichtung zur Entgegennahme anonymer Meldungen, sondern lediglich eine “soll”-Regelung. Unternehmen, die eine Zertifizierung nach den ISO-Normen 37301 und 37001 anstreben, müssen jedoch die Möglichkeit zur Bearbeitung anonymer Hinweise in ihrem Hinweisgeberverfahren ermöglichen.

Das Verfahren bei internen Meldungen

Für interne Meldungen gelten gemäß § 17 HinSchG bestimmte Verfahrensregeln. Diese umfassen die Bestätigung des Eingangs an die hinweisgebende Person innerhalb von sieben Tagen, die Prüfung des gemeldeten Verstoßes, die Kontaktaufnahme mit der hinweisgebenden Person für weitere Informationen, die Prüfung der Stichhaltigkeit der Meldung, die Ergreifung angemessener Folgemaßnahmen und die Rückmeldung an die hinweisgebende Person innerhalb von drei Monaten. Die Rückmeldung sollte geplante und bereits ergriffene Folgemaßnahmen sowie die entsprechenden Gründe enthalten. Dabei ist darauf zu achten, dass die Rechte der betroffenen Personen nicht beeinträchtigt und interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht gefährdet werden. Die Hinweise müssen vertraulich behandelt und für eine angemessene Zeit dokumentiert werden.

Die Einrichtung interner und kostengünstiger Meldekanäle kann gegen das Vertraulichkeitsgebot des HinSchG verstoßen. Eine interne E-Mail-Adresse oder Telefonnummer ermöglicht möglicherweise unbefugtem Personal Zugriff auf die Meldungen, was dem Gesetz widerspricht. Daher bleiben als Optionen die Einrichtung eines IT-gestützten Systems oder die Entgegennahme telefonischer Hinweise über eine externe Nummer mit unterdrückter Rufnummer des Anrufers.

Schadensersatz, Sanktionen und Bußgelder bei Verstoß gegen das HinSchG

Um den Schaden einer absichtlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung zu begrenzen, ist die Person, die den Hinweis gibt, verpflichtet, den entstandenen Schaden zu erstatten. Verstöße gegen die wesentlichen Bestimmungen des HinSchG können mit Geldbußen geahndet werden. Dies betrifft insbesondere Unternehmen, die keine interne Meldestelle einrichten, Meldungen behindern oder Repressalien gegen den Hinweisgeber ergreifen. Die Bußgelder für Verstöße gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle treten jedoch erst sechs Monate nach Veröffentlichung des HinSchG in Kraft. Das bewusste Offenlegen falscher Informationen wird ebenfalls mit Bußgeldern belegt.

Hinweisgeber- und Datenschutz

Die deutschen Datenschutzbehörden sind der Ansicht, dass die Einrichtung und Nutzung interner Meldewege durch Unternehmen “datenschutzgerecht” erfolgen kann, wobei besondere Rücksicht auf den Zweck des Unternehmens und die Modalitäten der Einrichtung genommen werden sollte. Da die Meldung von Missständen nach Ansicht der Datenschutzbehörden ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen birgt, ist in jedem Fall eine Datenschutz-Folgenabschätzung erforderlich. Weitere Informationen dazu finden sich in der “Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörden zu Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz”.

Die Kosten für die Entwicklung einer internen Lösung, die allen gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, sind erheblich, daher liegt es nahe, einen externen Anbieter zu nutzen. Bei der Auswahl eines externen Anbieters sollten jedoch insbesondere die Anforderungen an die getrennte Datenverarbeitung für größere Tochtergesellschaften und die Anforderungen der Datenschutzbehörden beachtet werden. Das KINAST Whistleblowing Hinweisgebersystem ist unsere Lösung für Unternehmen, die ein rechtskonformes Meldesystem bereitstellen und zum eigenen Vorteil nutzen möchten.

Fazit

Unternehmen und Organisationen, die zur Einrichtung einer internen Meldestelle verpflichtet sind, sollten sich rechtzeitig auf die Umsetzung vorbereiten. Es ist zu bedenken, dass viele Unternehmen und Behörden betroffen sein werden und die Nachfrage nach IT-gestützten Hinweisgebersystemen mit der Einführung des Gesetzes deutlich steigen wird.

Wir liefern Ihnen die komplette technische und rechtliche Umsetzung, d.h. Einrichtung und Betrieb des Meldesystems. Und wir unterstützen sie bei der Kommunikation des Hinweisgebersystems in Ihrer Organisation. Wir handhaben alles, Sie haben nur minimalen Aufwand im Fall einer begründeten Meldung.

Besserer Schutz für Hinweisgeber – einheitliche Standards für die EU geplant

21. März 2019

Über Whistleblowing-Hotlines erhalten Mitarbeiter und Externe die Möglichkeit, auf Missstände im Unternehmen aufmerksam zu machen, Fälle sexueller Belästigung zu melden oder auch einfach Fragen zu stellen. Dabei sind aufgrund der beteiligten Parteien und entgegenstehender Interessen datenschutzrechtliche Aspekte immer zu berücksichtigen.

Im November 2018 hatte bereits die Datenschutzkonferenz eine Orientierungshilfe zu Whisteblowing-Hotlines veröffentlicht. Mitte März 2019 wurde nunmehr auf europäischer Ebene ein einheitlicher Schutz beschlossen, das aber erst durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgewandelt werden muss. In der Pressemitteilung heißt es: “Hinweisgeber tun das Richtige für die Gesellschaft und sollten von uns geschützt werden, damit sie dafür nicht bestraft, entlassen, degradiert oder vor Gericht verklagt werden.” So der Erste Vizepräsident Frans Timmermans.

Mitgliedsstaaten werden mithin aufgefordert, umfassende Rahmenbedingungen für den Schutz von Hinweisgebern zu schaffen. Neben dem Datenschutz decken die neuen Vorschriften ebenfalls z.B. Bereiche wie die Geldwäschebekämpfung, Unternehmensbesteuerung oder Umweltschutz ab. Es stehe überdies den Mitgliedsstaaten frei, diese Vorschriften auf andere Bereiche auszuweiten.

Zu den geforderten Rahmenbedingungen gehören:

  • klare Meldeverfahren und Pflichten für Arbeitgeber
  • sichere Meldekanäle
  • Vermeidung von Vergeltungsmaßnahmen und wirksamer Schutz

Diese vorläufige Einigung muss nun sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat förmlich gebilligt werden.

Grund für diesen Beschluss ist die uneinheitliche Regelung des Schutzes von Hinweisgebern in der EU. In den meisten Ländern wird nur teilweise Schutz in bestimmten Wirtschaftszweigen oder für gewisse Kategorien von Arbeitnehmern gewährleistet.

Verfassungsbeschwerde gegen Straftatbestand der „Datenhehlerei”

13. Januar 2017

Widerstand gegen den im Jahre 2015 in das Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommenen Paragraphen 202d formiert sich unter einem Bündnis aus Bürgerrechtsorganisationen und Journalisten, darunter die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), welche bereits im Dezember 2016 beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingerichtet hat.

§ 202d StGB  regelt die Strafbarkeit für die Weitergabe von „geleakten“ Daten wie aus den bekannten sogenannten Whistleblower-Fällen, in denen vertrauliche Informationen, welche nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, von Einzelnen publik gemacht werden. Prominente Beispiele, wenn auch außerhalb des deutschen Rechtsraums, sind Edward Snowden, Julien Assange oder Bradley Manning. Von der Strafbarkeit ausgenommen ist die Weitergabe solcher geleakten Information durch bestimmte Amts- oder Berufsträger, so zum Beispiel – natürlich, bedenke man die in Deutschland Praxis gewordenen Verwertung von Steuer-CDs – Finanzbeamte, aber auch Geistliche und Seelsorger, Rechtsanwälte und Journalisten.

Die Beschwerdeführer rügen vor allem hinsichtlich Letzteren den zu engen Wortlaut des Gesetzes, nachdem weder nebenberufliche Journalisten noch Hilfspersonen und externe Berater ausreichend von der Strafverfolgung ausgenommen sind. Darin sehen die Beschwerdeführer außer der Presse- und Rundfunkfreiheit das allgemeine Gleichheitsgebots, die Freiheit der Berufsausübung und den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verletzt.

Dass das Gesetz durchaus auch personenbezogene Daten Dritter schützt, welche durch einen Leak unkontrollierbar veröffentlicht werden, bedenken die Verfechter der Freiheitsrechte hoffentlich auch.

Whistleblower-Schutzgesetz: CDU/CSU lehnt Nachbesserung des gesetzlichen Schutzes für Whistleblower ab

12. November 2014

Am 04.11.2014 haben die Grünen einen Gesetzesentwurf zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in den Bundestag eingebracht. Der Entwurf sieht Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Berufsbildungsgesetz, Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz vor, wonach Hinweisgebern arbeits- bzw. dienstrechtlicher Diskriminierungsschutz gewährt werden soll. Darüber hinaus solle geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen sie sich an eine außerbetriebliche Stelle bzw. andere zuständige Behörde oder außerdienstliche Stelle bzw. direkt an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Änderungen im Strafgesetzbuch sollen darüber hinaus die Hinweisgeber unter bestimmten Bedingungen straffrei stellen. Am Freitag warb Hans-Christian Ströbele im Bundestag noch einmal explizit für einen besseren gesetzlichen Schutz von Whistleblowern. Es sei es dringend erforderlich, das Wirken von Arbeitnehmern zu unterstützen, die Missstände im Betrieb oder in der Behörde aufdecken. Dies hätten auch der Europarat und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angemahnt, so der Grünen-Politiker. Bereits im Jahre 2011 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland mit der Begründung verurteilt, die arbeitsgerichtlich bestätigte Kündigung einer Berliner Whistleblowerin ohne Schutzregelung verletze die Meinungsfreiheit. Dennoch heißt es im Koalitionsvertrag lediglich: „Beim Hinweisgeberschutz prüfen wir, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind.“

Auch die Fraktion die Linke forderte am 04.11.2014 in einem eigenen Antrag die Bundesregierung zum Handeln auf. Sie verlangt darin ebenfalls, die gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anzuerkennen und Hinweisgeber stärker zu schützen. Im Zusammenhang mit diesem Antrag bemerkte die Linke-Politikerin Karin Binder, es sei “höchste Zeit, dass wir endlich ein Whistleblower-Schutzgesetz auf den Weg bringen”. Wer derzeit auf unhaltbare Zustände hinweise, werde häufig einfach entlassen. Wichtig sei es, in den Schutzbereich auch Angehörige von Geheimdiensten und Militär einzubeziehen.

Die CDU/CSU-Fraktion sieht hingegen keinen Handlungsbedarf. Nach Angaben von Heise-online sei Union-Politiker Wilfried Oellers der Auffassung, dass die existierenden Schutzvorgaben wie etwa das „generelle Maßregelverbot“ von Arbeitnehmern im BGB als ausreichend anzusehen seien. Die von Linke und Grünen eingebrachten Vorschläge würden keinen Mehrwert darstellen. Die Bundesregierung prüft – wie auch im Koalitionsvertrag vorgesehen – derzeit noch, ob das deutsche Recht hinsichtlich des Wisthleblower-Schutz im Einklang mit internationalen Übereinkommen oder Empfehlungen steht. Erst 2013 hatte die schwarz-gelbe Koalition Vorstöße von SPD, Linken und Grünen für eine Verbesserung des Schutzes von Hinweisgebern abgeblockt.

LAG Schleswig-Holstein: Whistleblowing kann Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen

15. Mai 2012

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden (Urteil v. 20.03.2012, Az. 2 Sa 331/11), dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der seinen Arbeitgeber angezeigt hat, ohne vorher mit ihm eine Klärung versucht zu haben, gerichtlich gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden kann. Eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei dann regelmäßig nicht zu erwarten. Es reiche auch aus, wenn eine Anzeige bei einer Behörde zu Ermittlungen gegen den Arbeitgeber führt. Eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft sei mithin nicht zwingend.

Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger befand sich nach mehreren Monaten der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2009 in Kurzarbeit. Nach erfolglosen Versuch der Beklagten, mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrags zu schließen, kündigte die Beklage im März 2011 das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich, weil zwei eng mit dem Kläger zusammenarbeitende Kollegen, die für hohen Umsatz sorgten, gedroht hätten, bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers selbst zu kündigen. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Lübeck gab der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage statt. Vor dem LAG beantragte die Beklagte, das Arbeitsverhältnis – sofern erforderlich – auch gegen den Willen des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit könne nicht mehr erwartet werden, da der Kläger mehrmals gegenüber der Bundesagentur für Arbeit den Verdacht geäußert hätte, dass die Beklagte gezielt Kurzarbeitsleistungen missbrauche. Darauf erstattete die Bundesagentur für Arbeit eine Strafanzeige gegen die Beklagte. Es folgte die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Beklagte, was noch andauert.

Das LAG hat die Kündigungsschutzklage stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt, gab jedoch dem gestellten Auflösungsantrag statt. Die Voraussetzungen des § 9 Kündigungsschutzgesetz, wonach die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers trotz unwirksamer Kündigung erfolgen kann, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen, lagen nach Auffassung des Gerichts vor. Aufgrund des klägerischen Verhaltens müsse die Beklagte erwarten, dass jede Meinungsverschiedenheit mit dem Kläger zur Einschaltung von Behörden, ggf. zu Strafanzeigen und zu starken Belastungen des betrieblichen Friedens führen wird. Unabhängig vom möglichen Ausgang des Ermittlungsverfahrens könne daher der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht zugemutet werden.

Kategorien: Allgemein
Schlagwörter: ,

Whistleblowing: Gesetzlicher Schutz von Informanten gefordert

25. Juli 2011

In der vergangenen Woche hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Bundesrepublik Deutschland zu einer Entschädigungs- zahlung verurteilt. In der arbeitsgerichtlichen Bestätigung der fristlosen Kündigung einer Pflegekraft, die schwerwiegende Missstände ihres Arbeitgebers bei den zuständigen Behörden angezeigt hatte (sog. Whistleblowing), liegt nach Auffassung des EGMR eine Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der EGMR betonte, dass die Pflegekraft in guter Absicht gehandelt und die Information über Missstände in Heimeinrichtungen im öffentlichen Interesse gelegen habe. Da die Pflegekraft ihren Arbeitgeber vorab wiederholt und erfolglos zur Beseitigung der Missstände aufgefordert und erst als letzte Maßnahme die Behörden eingeschaltet habe, könne keine Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt worden sein.

Wegen der nicht unerheblichen Risiken, die Beschäftigten in Deutschland im Rahmen des Whisleblowing drohen, hat die Konferenz der Datenschutz- beauftragten des Bundes und der Länder in der Vergangenheit bereits mehrfach gefordert, einen Informantenschutz im Beschäftigungsverhältnis gesetzlich festzulegen. Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Dr. Thomas Petri, nahm u.a. das Urteil des EGMR zum Anlass, sich abermals explizit und eindringlich für eine baldige gesetzliche Verankerung auszusprechen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zeige deutlich, dass ein angemessener gesetzlicher Vertraulichkeitsschutz für verantwortungsbewusste Informanten in Beschäftigungsverhältnissen nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden dürfe, so Petri. (sa)