Schlagwort: Whistleblowing
21. März 2019
Über Whistleblowing-Hotlines erhalten Mitarbeiter und Externe die Möglichkeit, auf Missstände im Unternehmen aufmerksam zu machen, Fälle sexueller Belästigung zu melden oder auch einfach Fragen zu stellen. Dabei sind aufgrund der beteiligten Parteien und entgegenstehender Interessen datenschutzrechtliche Aspekte immer zu berücksichtigen.
Im November 2018 hatte bereits die Datenschutzkonferenz eine Orientierungshilfe zu Whisteblowing-Hotlines veröffentlicht. Mitte März 2019 wurde nunmehr auf europäischer Ebene ein einheitlicher Schutz beschlossen, das aber erst durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgewandelt werden muss. In der Pressemitteilung heißt es: “Hinweisgeber tun das Richtige für die Gesellschaft und sollten von uns geschützt werden, damit sie dafür nicht bestraft, entlassen, degradiert oder vor Gericht verklagt werden.” So der Erste Vizepräsident Frans Timmermans.
Mitgliedsstaaten werden mithin aufgefordert, umfassende Rahmenbedingungen für den Schutz von Hinweisgebern zu schaffen. Neben dem Datenschutz decken die neuen Vorschriften ebenfalls z.B. Bereiche wie die Geldwäschebekämpfung, Unternehmensbesteuerung oder Umweltschutz ab. Es stehe überdies den Mitgliedsstaaten frei, diese Vorschriften auf andere Bereiche auszuweiten.
Zu den geforderten Rahmenbedingungen gehören:
- klare Meldeverfahren und Pflichten für Arbeitgeber
- sichere Meldekanäle
- Vermeidung von Vergeltungsmaßnahmen und wirksamer Schutz
Diese vorläufige Einigung muss nun sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat förmlich gebilligt werden.
Grund für diesen Beschluss ist die uneinheitliche Regelung des Schutzes von Hinweisgebern in der EU. In den meisten Ländern wird nur teilweise Schutz in bestimmten Wirtschaftszweigen oder für gewisse Kategorien von Arbeitnehmern gewährleistet.
13. Januar 2017
Widerstand gegen den im Jahre 2015 in das Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommenen Paragraphen 202d formiert sich unter einem Bündnis aus Bürgerrechtsorganisationen und Journalisten, darunter die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), welche bereits im Dezember 2016 beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingerichtet hat.
§ 202d StGB regelt die Strafbarkeit für die Weitergabe von „geleakten“ Daten wie aus den bekannten sogenannten Whistleblower-Fällen, in denen vertrauliche Informationen, welche nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, von Einzelnen publik gemacht werden. Prominente Beispiele, wenn auch außerhalb des deutschen Rechtsraums, sind Edward Snowden, Julien Assange oder Bradley Manning. Von der Strafbarkeit ausgenommen ist die Weitergabe solcher geleakten Information durch bestimmte Amts- oder Berufsträger, so zum Beispiel – natürlich, bedenke man die in Deutschland Praxis gewordenen Verwertung von Steuer-CDs – Finanzbeamte, aber auch Geistliche und Seelsorger, Rechtsanwälte und Journalisten.
Die Beschwerdeführer rügen vor allem hinsichtlich Letzteren den zu engen Wortlaut des Gesetzes, nachdem weder nebenberufliche Journalisten noch Hilfspersonen und externe Berater ausreichend von der Strafverfolgung ausgenommen sind. Darin sehen die Beschwerdeführer außer der Presse- und Rundfunkfreiheit das allgemeine Gleichheitsgebots, die Freiheit der Berufsausübung und den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verletzt.
Dass das Gesetz durchaus auch personenbezogene Daten Dritter schützt, welche durch einen Leak unkontrollierbar veröffentlicht werden, bedenken die Verfechter der Freiheitsrechte hoffentlich auch.
12. November 2014
Am 04.11.2014 haben die Grünen einen Gesetzesentwurf zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in den Bundestag eingebracht. Der Entwurf sieht Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Berufsbildungsgesetz, Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz vor, wonach Hinweisgebern arbeits- bzw. dienstrechtlicher Diskriminierungsschutz gewährt werden soll. Darüber hinaus solle geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen sie sich an eine außerbetriebliche Stelle bzw. andere zuständige Behörde oder außerdienstliche Stelle bzw. direkt an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Änderungen im Strafgesetzbuch sollen darüber hinaus die Hinweisgeber unter bestimmten Bedingungen straffrei stellen. Am Freitag warb Hans-Christian Ströbele im Bundestag noch einmal explizit für einen besseren gesetzlichen Schutz von Whistleblowern. Es sei es dringend erforderlich, das Wirken von Arbeitnehmern zu unterstützen, die Missstände im Betrieb oder in der Behörde aufdecken. Dies hätten auch der Europarat und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angemahnt, so der Grünen-Politiker. Bereits im Jahre 2011 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland mit der Begründung verurteilt, die arbeitsgerichtlich bestätigte Kündigung einer Berliner Whistleblowerin ohne Schutzregelung verletze die Meinungsfreiheit. Dennoch heißt es im Koalitionsvertrag lediglich: „Beim Hinweisgeberschutz prüfen wir, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind.“
Auch die Fraktion die Linke forderte am 04.11.2014 in einem eigenen Antrag die Bundesregierung zum Handeln auf. Sie verlangt darin ebenfalls, die gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anzuerkennen und Hinweisgeber stärker zu schützen. Im Zusammenhang mit diesem Antrag bemerkte die Linke-Politikerin Karin Binder, es sei “höchste Zeit, dass wir endlich ein Whistleblower-Schutzgesetz auf den Weg bringen”. Wer derzeit auf unhaltbare Zustände hinweise, werde häufig einfach entlassen. Wichtig sei es, in den Schutzbereich auch Angehörige von Geheimdiensten und Militär einzubeziehen.
Die CDU/CSU-Fraktion sieht hingegen keinen Handlungsbedarf. Nach Angaben von Heise-online sei Union-Politiker Wilfried Oellers der Auffassung, dass die existierenden Schutzvorgaben wie etwa das „generelle Maßregelverbot“ von Arbeitnehmern im BGB als ausreichend anzusehen seien. Die von Linke und Grünen eingebrachten Vorschläge würden keinen Mehrwert darstellen. Die Bundesregierung prüft – wie auch im Koalitionsvertrag vorgesehen – derzeit noch, ob das deutsche Recht hinsichtlich des Wisthleblower-Schutz im Einklang mit internationalen Übereinkommen oder Empfehlungen steht. Erst 2013 hatte die schwarz-gelbe Koalition Vorstöße von SPD, Linken und Grünen für eine Verbesserung des Schutzes von Hinweisgebern abgeblockt.
15. Mai 2012
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden (Urteil v. 20.03.2012, Az. 2 Sa 331/11), dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der seinen Arbeitgeber angezeigt hat, ohne vorher mit ihm eine Klärung versucht zu haben, gerichtlich gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden kann. Eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei dann regelmäßig nicht zu erwarten. Es reiche auch aus, wenn eine Anzeige bei einer Behörde zu Ermittlungen gegen den Arbeitgeber führt. Eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft sei mithin nicht zwingend.
Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger befand sich nach mehreren Monaten der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2009 in Kurzarbeit. Nach erfolglosen Versuch der Beklagten, mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrags zu schließen, kündigte die Beklage im März 2011 das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich, weil zwei eng mit dem Kläger zusammenarbeitende Kollegen, die für hohen Umsatz sorgten, gedroht hätten, bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers selbst zu kündigen. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Lübeck gab der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage statt. Vor dem LAG beantragte die Beklagte, das Arbeitsverhältnis – sofern erforderlich – auch gegen den Willen des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit könne nicht mehr erwartet werden, da der Kläger mehrmals gegenüber der Bundesagentur für Arbeit den Verdacht geäußert hätte, dass die Beklagte gezielt Kurzarbeitsleistungen missbrauche. Darauf erstattete die Bundesagentur für Arbeit eine Strafanzeige gegen die Beklagte. Es folgte die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Beklagte, was noch andauert.
Das LAG hat die Kündigungsschutzklage stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt, gab jedoch dem gestellten Auflösungsantrag statt. Die Voraussetzungen des § 9 Kündigungsschutzgesetz, wonach die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers trotz unwirksamer Kündigung erfolgen kann, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen, lagen nach Auffassung des Gerichts vor. Aufgrund des klägerischen Verhaltens müsse die Beklagte erwarten, dass jede Meinungsverschiedenheit mit dem Kläger zur Einschaltung von Behörden, ggf. zu Strafanzeigen und zu starken Belastungen des betrieblichen Friedens führen wird. Unabhängig vom möglichen Ausgang des Ermittlungsverfahrens könne daher der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht zugemutet werden.
25. Juli 2011
In der vergangenen Woche hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Bundesrepublik Deutschland zu einer Entschädigungs- zahlung verurteilt. In der arbeitsgerichtlichen Bestätigung der fristlosen Kündigung einer Pflegekraft, die schwerwiegende Missstände ihres Arbeitgebers bei den zuständigen Behörden angezeigt hatte (sog. Whistleblowing), liegt nach Auffassung des EGMR eine Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der EGMR betonte, dass die Pflegekraft in guter Absicht gehandelt und die Information über Missstände in Heimeinrichtungen im öffentlichen Interesse gelegen habe. Da die Pflegekraft ihren Arbeitgeber vorab wiederholt und erfolglos zur Beseitigung der Missstände aufgefordert und erst als letzte Maßnahme die Behörden eingeschaltet habe, könne keine Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt worden sein.
Wegen der nicht unerheblichen Risiken, die Beschäftigten in Deutschland im Rahmen des Whisleblowing drohen, hat die Konferenz der Datenschutz- beauftragten des Bundes und der Länder in der Vergangenheit bereits mehrfach gefordert, einen Informantenschutz im Beschäftigungsverhältnis gesetzlich festzulegen. Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Dr. Thomas Petri, nahm u.a. das Urteil des EGMR zum Anlass, sich abermals explizit und eindringlich für eine baldige gesetzliche Verankerung auszusprechen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zeige deutlich, dass ein angemessener gesetzlicher Vertraulichkeitsschutz für verantwortungsbewusste Informanten in Beschäftigungsverhältnissen nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden dürfe, so Petri. (sa)