Nutzung genetischer Daten zu Forschungszwecken

21. Mai 2024

Die Verwendung genetischer Daten ist ein zentraler Aspekt der modernen biomedizinischen Forschung. Diese Daten bieten einzigartige Einblicke in die Gesundheit von Individuen und haben das Potenzial, medizinische Fortschritte voranzutreiben. Dennoch birgt die Verarbeitung solcher Daten erhebliche datenschutzrechtliche Risiken. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) fordert daher in einem Positionspapier vom 15.05.2024 strengere Regelungen, um eine datenschutzkonforme Nutzung genetischer Daten zu Forschungszwecken sicherzustellen.

Genetische Daten: Definition

Genetische Daten umfassen personenbezogene Daten zu den ererbten oder erworbenen genetischen Eigenschaften einer natürlichen Person, die eindeutige Informationen über die Physiologie oder die Gesundheit dieser Person liefern und insbesondere aus der Analyse einer biologischen Probe der Person gewonnen wurden (Art. 4 Nr. 13 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Rückschlüsse auf Gesundheitsrisiken, das zu erwartende Lebensalter und vererbliche Erkrankungen bieten.

Bedeutung genetischer Informationen

Diese Daten sind besonders sensibel, da sie nicht nur Rückschlüsse auf die betroffene Person, sondern auch auf ihre biologischen Verwandten zulassen. Dies macht sie anfällig für Missbrauch und Diskriminierung, etwa durch Versicherungen oder Arbeitgeber. Aufgrund ihrer unveränderlichen Natur bleiben genetische Daten ein Leben lang gleich, was den Schutzbedarf zusätzlich erhöht. Auch ist eine vollständige Anonymisierung regelmäßig nicht möglich, da durch eine Kontrolle des Genmaterials der betroffenen Person immer wieder ein Personenbezug herstellbar ist. Insofern berührt die Verwendung dieser personenbezogenen Daten laut der DSK in der Regel den Kernbereich der Persönlichkeit.

Wert für Forschungszwecke

Der Nutzung genetischer Daten zu Forschungszwecken kommt eine enorme Bedeutung zu. Eine umfassende und großflächige Verwendung dieser Daten könnte etwa die Krebsforschung oder die Erforschung seltener Krankheiten stark vorantreiben. Deshalb versuchen aktuell auch der europäische Gesetzgeber mit dem European Health Data Space (EHDS) und der deutsche Gesetzgeber mit dem GDNG diese Daten leicht zugänglich und nutzbar zu machen.

Notwendigkeit spezieller Regelungen

Datenschutz in der Gesundheitsforschung ist auch schon ohne die Verwendung von Genmaterial ein schwieriges Thema. Eine datenschutzkonforme Verarbeitung genetischer Daten setzt nach der aktuellen Gesetzeslage grundsätzlich die ausdrückliche Einwilligung im Sinne der DSGVO voraus. Das Gendiagnostikgesetz (GenDG) liefert bereits spezielle Anforderungen für genetische Untersuchungen, schließt jedoch Forschungszwecke aus (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG).

Um die Zwecke der Verarbeitung für die verschiedenen Forschungsprojekte möglichst weit zu fassen, könne gegebenenfalls auf eine breite Einwilligung (Erwähnungsgrund 33 DSGVO) zurückgegriffen werden. Diesbezüglich seien jedoch zunächst die entsprechenden Anforderungen herauszuarbeiten.

Nach Ansicht der DSK reicht allerdings ohnehin bei Berührung des Kernbereichs der Persönlichkeit eine datenschutzrechtliche Einwilligung nicht mehr aus. Vielmehr brauche man zusätzliche gesetzliche Regelungen, um den Schutz der betroffenen Personen auch bei der Forschung mit Genmaterial zu gewährleisten. Insbesondere fordert sie, „spezifische Garantien und technische sowie organisatorische Schutzmaßnahmen […] und eine[ ] regelmäßige[ ] Prüfung und Aktualisierung“. Diese sollten nicht vom jeweiligen Verantwortlichen selbst ausgearbeitet sein, sondern vorgegeben werden, um dem hohen Schutzniveau gerecht zu werden.

Allgemeine Regelungsvorschläge der DSK

In ihrem Positionspapier (abrufbar hier) fordert die DSK „daher eine datenschutzkonforme wissenschaftliche biomedizinische Forschung zum Wohle der Patientinnen und Patienten“ anhand eines speziellen gesetzlichen Rahmens. Dieser sollte insbesondere das Erfordernis einer ausdrücklichen Einwilligung und auch besondere technische und organisatorische Maßnahmen enthalten.

Besondere Schutzmaßnahmen

Die DSK fordert weiterhin eine Reihe an speziellen Schutzmaßnahmen. Zunächst sei bei der Einholung der Einwilligungserklärung eine Mindestbedenkzeit zu gestatten. Darüber hinaus sollen Betroffene und Angehörige spezielle Hilfsangebote, wie etwa psychosoziale Beratung erhalten.

Außerdem sollen Betroffene eine Aufklärung darüber erhalten, wie sie mit Forschungsergebnissen umgehen wollen und welche Auswirkungen die Kenntnisnahme auf sie und ihre biologisch Verwandten haben könnte. Es soll auch ein Hinweis über die Möglichkeit der Änderung dieser Wahl erfolgen. Zudem sollen Verantwortliche spezielle Transparenzpflichten über Zweck, Reichweite und Risiken der Datenverarbeitung für die betroffene Person einhalten.

Betroffenen soll die einfache und barrierefreie Ausübung ihrer Betroffenen- und Widerrufsrechte über digitale Programme und mittels aktueller Mitteilungen über neue Forschungsprojekte ermöglicht werden. Forschungsvorhaben sollen auch vorher von einer Ethikkommission gestattet werden.

Weiterhin seien, um die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten, Informationen schnellstmöglich zu pseudonymisieren. Zur Wahrung der Integrität seien auch spezielle Speicherbegrenzungen und Löschpflichten sowohl für die personenbezogenen Forschungsergebnisse als auch für das genetische Material erforderlich.

Der Austausch genetischer Daten zwischen Forschungseinrichtungen sei streng zu kontrollieren und auf ein Minimum zu beschränken. Nur qualifizierte Forscher sollen unter strengen Auflagen Zugriff erhalten. Die Übermittlung an andere Interessenten, etwa Arbeitgeber oder Versicherungen, sollte strafbewehrt sein. Gleiches müsse für ohne Kenntnis des Betroffenen erhobene Daten gelten. Der Zugang für berechtigte Dritte dürfe nur nach strengen Spezialregeln erfolgen. Für Ungeborene, Minderjährige und nicht einwilligungsfähige Personen müssten besondere Schutzmaßnahmen existieren.

Fazit

Die Nutzung genetischer Daten zu Forschungszwecken birgt enormes Potenzial für den medizinischen Fortschritt, stellt jedoch gleichzeitig erhebliche datenschutzrechtliche Herausforderungen dar. Eine umfassende gesetzliche Regelung ist unerlässlich, um die Rechte der betroffenen Personen zu schützen und eine verantwortungsvolle und sichere Nutzung dieser sensiblen Daten zu gewährleisten.