Digitalgesetze für Gesundheitsversorgung verabschiedet

4. Januar 2024

Am 14.12.2023 hat der Deutsche Bundestag zwei wegweisende Digitalgesetze für die Gesundheitsversorgung verabschiedet. Das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) markieren einen entscheidenden Schritt in Richtung eines modernen and angepassten Gesundheitssystems. Ziel ist es, durch digitale Innovationen den Versorgungsalltag zu verbessern und die Forschungsmöglichkeiten in Deutschland zu stärken.

Digitale Transformation im Gesundheitswesen

Gerade erst hat das europäische Parlament seinen Wunsch nach einem europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) geäußert. Nun hat der Bundestag Digitalgesetze für die Gesundheitsversorgung verabschiedet und damit den Startschuss für die digitale Ära im deutschen Gesundheitswesen gegeben. Schon ab 01.01.2024 sind Ärzte zur Ausstellung des elektronischen Rezepts (e-Rezept) verpflichtet. Ab 2025 soll dann die elektronische Patientenakte (e-Patientenakte) kommen. Im Übrigen bringen die Gesetze Erleichterungen für die Forschung mit Gesundheitsdaten. Dies positioniere Deutschland im Bereich der medizinischen Forschung weltweit erneut an der Spitze, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in einer Pressemitteilung.

Rechtlicher Hintergrund

Die Gesundheitsdaten gelten gemäß Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als besonders schutzwürdige personenbezogene Daten. Deshalb unterliegt ihre Verwendung engen Voraussetzungen, wie etwa dem Forschungsprivileg gem. Art. 9 Abs. 2 lit. j DSGVO. Die umfassende Verwendung von Gesundheitsdaten birgt jedoch ein sowohl enormes wissenschaftliches als auch wirtschaftliches Potential. Das aktuelle Datenschutzrecht stellt hierfür allerdings ein nicht zu unterschätzendes Hindernis dar. Das liegt unteranderem an strengen Regelungen der DSGVO als auch an einer Vielzahl sonstiger Gesetzte, wie etwa dem BDSG, den SGBs oder den Landeskrankenhausgesetzten, die eine rechtmäßige Datennutzung undurchsichtig machen und erschweren.

Das Digital-Gesetz (DigiG)

Das „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (DigiG) zeichnet sich insbesondere durch die Einführung der e-Patientenakte und des e-Rezepts aus. Diese erleichtern den Austausch und die Verwendung von Gesundheitsinformationen, was die Versorgung verbessert.

Als Herzstück soll ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten die e-Patientenakte zur Verfügung gestellt werden. Mittels einer Opt-Out-Lösung können Patienten, die mit der Nutzung der e-Patientenakte nicht einverstanden sind, widersprechen. Auch Privatkrankenkassen sind befugt eine solche Akte einzurichten. Das e-Rezept soll bereits ab diesem Jahr als Standard gelten. Damit die Akte praxisübergreifend genutzt werden kann, müssen die IT-Systeme der Arztpraxen bis 2025 interoperabel sein. Andernfalls oder drohen Sanktionen.

Mit Einführung einer e-Patientenakten-App sollen e-Rezept und e-Patientenakte zukünftig zusammen nutzbar sein. Diese Verknüpfung ermöglicht eine automatische Anfertigung einer vollständigen digitalen Medikationsübersicht, wodurch ungewollte Wechselwirkungen vermieden werden können. Zudem stehen Ärzten jederzeit die vollständigen Gesundheitsdaten inklusive Befunden und Arztbriefen zur Verfügung, was eine richtige Diagnostizierung und Behandlung erleichtert.

Auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) (z. B. Wearables) sollen vermehrt und transparent in den Behandlungsprozesse einbezogen werden. Zudem wurden für die Anwendung von Telemedizin Beschränkungen aufgehoben und insbesondere mit der Ausdehnung auf psychotherapeutische Sprechstunden mehr Versorgungsmöglichkeiten geschaffen.

Zur Sicherung des Datenschutzes und der Nutzerfreundlichkeit soll zukünftig ein Digitalbeirat bei der gematik bezüglich der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Elemente unterstützend zur Seite stehen. Die gematik trägt die Gesamtverantwortung für die Telematik-Infrastruktur im deutschen Gesundheitswesen.

Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG)

Das „Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (GDNG) erleichtert den Zugang zu Gesundheitsdaten für Forschungszwecke. Dies soll zu einer verbesserten Gesundheitsversorgung, zur Förderung der Patientensicherheit und zur Stärkung des Pharmastandorts führen.

Das GDNG etabliert die Einrichtung einer Stelle, die die Verteilung der Daten koordinieren und erleichtern soll. Sie ist für die Zusammenführung der pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Dantebanken zuständig. Zu sammeln sind hier neben den Daten aus der e-Patientenakte auch Informationen aus anderen Quellen, wie etwa dem Krebsregister.

Eine Datenweitergabe aus der e-Patientenakte ist zulässig, wenn sie zuvor ordnungsgemäß pseudonymisiert wurden. Der Übertragung können Betroffenen mittels Widerspruchs über die Opt-Out-Lösung entgegentreten. Hierfür soll ein unkomplizierter Prozess eingerichtet werden, der den Patienten eine einfache Geltendmachung ihrer Rechte ermöglicht.

Kranken- und Pflegekassen dürfen mit den ihnen vorliegenden Daten individuelle Hinweise an ihre Versicherten geben, sofern dies dem persönlichen Gesundheitsschutz zugutekommt. Auch Leistungserbringer dürfen zukünftig Versorgungsdaten für Forschungszwecke, Qualitätssicherung und Patientensicherheit verwenden.

Kritik

Gerade vor dem Hintergrund der besseren Diagnosemöglichkeiten für Ärzte und der Kostenentlastung für die Krankenkassen, könnte insbesondere das DigiG eine erhebliche Verbesserung für das Gesundheitssystem darstellen. Ist zum Beispiel ein Röntgenbild in der Akte hinterlegt, muss nicht zeit- und kostenintensiv ein neues angefertigt werden. Auch die Vermeidung von Fehl- und Doppelmedikationen ist von Vorteil für die Patienten. Weiterhin ist die Möglichkeit mehr Behandlungskapazitäten durch Telemedizin zu schaffen zu begrüßen.

Andererseits müssen die Daten in der e-Patientenakte zu 100 % verlässlich und korrekt sein. Vertrauen Ärzte auf fehlerhafte Informationen und lassen deshalb Behandlungen und Untersuchungen aus, könnte dies fatale Folgen für Patienten haben. Solange dies nicht sichergestellt ist und das System einwandfrei ist, stellt die e-Patientenakte keine zuverlässige Alternative dar.

Auch die DSK hat bereits im November Zweifel an der Rechtssicherheit des GDNG geäußert. Es bestünden Unsicherheiten bezüglich des Verhältnisses zu den Landeskrankenhausgesetzen, da eine Auseinandersetzung mit der Gesetzgebungskompetenz der Länder im Krankenhausbereich fehle.

Im Übrigen kritisiert heise online in einem Beitrag vom 19.12.2023, dass die Ausgestaltungen an verschiedenen Stellen nicht ausführlich genug sei. Man brauche praxistaugliche und konkrete Handlungsanweisungen etwa im Bereich von technischen und organisatorischen Maßnahmen oder Datenschutzfolgenabschätzungen.

Zudem stellt das Gesetz ein allgemeines Risiko für IT-Sicherheit und Datenschutz dar. Hinreichend schützende Gesetze bestanden nämlich mit der DSGVO und den oben aufgezählten Gesetzen bereits zuvor. Insofern schränken die neu verabschiedeten Digitalgesetze die Rechte der Bürger ein.

Heise online weist in einem weiteren Artikel zudem darauf hin, dass Lauterbach, der dieses neue Gesetz so dringend herbeiführen wollte, von den eigentlichen Konsequenzen, nämlich der Weitergabe von sensiblen Gesundheitsdaten, gar nicht betroffen ist. Als Beamter sei er nämlich hochwahrscheinlich privat versichert und von den Regelungen ausgenommen.

Fazit

Der Bundestag hat Digitalgesetze für die Gesundheitsversorgung verabschiedet und markiert damit einen historischen Wendepunkt für das deutsche Gesundheitswesen. Die Einführung der e-Patientenakte, das Etablieren des E-Rezepts als Standard und die Förderung von Forschung legen den Grundstein für ein modernes Gesundheitssystem. Deutschland positioniert sich damit auch wieder im globalen Wettbewerb. Allerdings bergen die neuen Regelungen auch nicht zu vernachlässigende datenschutzrechtliche Risiken und weisen einige große Lücken auf, die wenigstens noch mit konkreten Handlungsanweisungen ausgefüllt werden müssen.