Schlagwort: Gerichtsentscheidung

Veröffentlichung von Gerichtsschriftsätzen:  Grund für außerordentliche Kündigung

2. Juni 2022

Das LAG Baden- Württemberg entschied am 25.03.2022 (Az. 7 Sa 63/21), dass eine außerordentliche Kündigung durch die unrechtmäßige Weitergabe besonderer Kategorien personenbezogener Daten begründet sein kann.

Der Sachverhalt

Hintergrund der außerordentlichen Kündigung war eine vom Kläger verschickte E-Mail, die personenbezogene Daten besonderer Kategorien enthielt. Konkret handelte es sich um Gesundheitsdaten. Diese sind personenbezogene Daten besonderer Kategorien i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO.

Über einen Link in der E-Mail gelangte man auf Schriftsätze eines noch laufenden Verfahrens. Der Kläger wollte sich durch die Vorgehensweise gegen nicht gerechtfertigte Vorwürfe einer sexuellen Belästigung wehren. Zusätzlich forderte er dazu auf, die Schriftsätze weiter zu verbreiten und aus diesen ggf. zu zitieren.  

Die Entscheidung

Das LAG Baden- Württemberg entschied, dass der Kläger die namentlich in den Schriftsätzen genannte Person in ihren Persönlichkeitsrechten verletzte. Die Schriftsätze waren weder für die Allgemeinheit noch für eine betriebsinterne Veröffentlichung bestimmt. Alleiniger Zweck der Dokumente war die prozessuale Verwendung. Demnach handelte der Kläger bei Weiterleitung der Schriftsätze bewusst und gewollt.  

Außerdem stellte das Gericht die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung fest. Aus Sicht des Gerichts könne sich der Kläger auf kein berechtigtes Interesse berufen. Das Gerichtsverfahren, aus welchem die Schriftsätze stammten, war noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Folglich waren die Entscheidungsgründe des Gerichts grundsätzlich unbekannt und etwaige Rechtsbehelfe gegen die noch ausstehende Entscheidung denkbar.

Der Kläger handelte darüber hinaus auch schuldhaft. Insbesondere könne er sich nicht auf einen möglichen Rechtsirrtum berufen. Er war Mitglied des Betriebsrates und des Personalausschusses. In dieser Funktion oblag ihm die Pflicht, an datenschutzrechtlichen Schulungen teilzunehmen. Demzufolge kannte der Kläger die datenschutzrechtlichen Vorschriften. Er sei geschult darin, rechtmäßig mit personenbezogenen Daten umzugehen, auch solche besonderer Kategorie.

Folglich konnte das Verhalten des Klägers, mit dem die betroffene Person in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wurde, seine außerordentliche Kündigung begründen.

OLG Nürnberg: rechtsmissbräuchlicher Auskunftsanspruch

Das OLG Nürnberg entschied in seinem Urteil vom 14.03.2022 (Az. 8 U 2907/21), dass der durch die DSGVO garantierte Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht verwendet werden dürfe, um die Begründetheit von Rechtsansprüchen zu überprüfen. Dies stelle eine dem Sinn und Zweck der DSGVO widersprechende rechtsmissbräuchliche Anwendung des Auskunftsanspruchs dar.

Der Rechtsstreit

Hintergrund der Entscheidung war ein Rechtsstreit zwischen einem Versicherungsnehmer und seiner privaten Krankenversicherung. Es war fraglich, ob die erfolgten Beitragserhöhungen wirksam waren. Zusätzlich wollte der Versicherungsnehmer Auskunft darüber erhalten, ob und wann in den Jahren 2013 bis 2016 Beitragsanpassungen erfolgt waren. Neben der Auskunft verlangte der Versicherungsnehmer zusätzlich, Dokumente zu den Beitragsanpassungen zu erhalten.  

Kein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO

Um seinen Anspruch auf Informationsverschaffung durchzusetzen, strengte der Kläger u.a. Art. 15 DSGVO an. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO kann eine betroffene Person grundsätzlich Auskunft darüber verlangen, ob und welche sie betreffende personenbezogenen Daten ein Verantwortlicher verarbeitet.  

Allerdings gilt dieser Auskunftsanspruch nicht uneingeschränkt. Nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO kann der Verantwortliche die Auskunft verweigern, wenn der Anspruch offensichtlich unbegründet ist oder exzessiv ausgeübt wird.

Das OLG Nürnberg entschied nun, dass neben der exzessiven Ausübung weitere Missbrauchstatbestände denkbar sind. Die Begründung dafür war aus Sicht des OLG Nürnberg der Wortlaut der Norm. Mit dem Wort „insbesondere“ werde impliziert, dass die häufige Antragstellung nur einer von mehreren Verweigerungsgründen sei. Denkbar seien demnach weitere rechtsmissbräuchliche Fälle der Anspruchsausübung.  

Im vorliegenden Fall sei rechtsmissbräuchlich gehandelt worden, weil der Antrag nicht vom Schutzzweck der DSGVO umfasst sei. Laut Gericht könne eine betroffene Person ihr Auskunftsrecht ausüben, um „(…) sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können.“ (OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03 2022, 8 U 2907/21, Rn. 28). Dies mache auch der Erwägungsgrund 63 DSGVO deutlich. Hier gehe es dem Kläger jedoch gerade nicht darum die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen. Vielmehr sei es „Sinn und Zweck der (…) begehrten Auskunftserteilung (…) ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel (…)“ vornehmen zu können. (OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03 2022, 8 U 2907/21, Rn. 28)

Geschäftsinteressen vs. Privatsphäre: BGH-Grundsatzurteil zu Kundenzufriedenheitsumfragen

17. September 2018

Ausgangspunkt des Streitfalls war die Klage eines Amazon-Kunden. Dieser hatte über die Plattform Amazon-Marketplace Waren bestellt. Amazon versendete im Anschluss die georderten Produkte und sendete dem Käufer die Rechnung per E-Mail. Die E-Mail enthielt zusätzlich die Bitte, an einer Kundenzufriedenheitsumfrage teilzunehmen bzw. eine positive Bewertung abzugeben, wenn er mit der Transaktion zufrieden war.

Wie die Verknüpfung der E-Mail-Rechnung mit einer Kundenzufriedenheitsumfrage rechtlich zu bewerten ist, klärte nun endgültig das oberste deutsche Zivilgericht: Die Übermittlung einer Kundenzufriedenheitsumfrage per E-Mail ist unter den Begriff der Werbung zu subsumieren und ist auch dann (ohne Vorankündigung mit entsprechender Widerspruchsmöglichkeit) unzulässig, wenn diese direkt im Anschluss an einen Kauf mit der Rechnung per E-Mail versendet wird.

Nachdem das Amtsgericht Braunschweig und auch das Berufungsgericht die Klage abwiesen, urteilte der BGH letztlich zugunsten der Privatsphäre. Es sei dem Verkäufer, in diesem Fall Amazon, zuzumuten, dem Kunden nach Abschluss einer Transaktion das Recht zum Widerspruch gegen die Nutzung der E-Mail-Adresse für Werbung nach § 7 Abs. 3 UWG einzuräumen. Tut er dies nicht und hat der Käufer nicht vorab in den Erhalt von Werbe-E-Mails eingewilligt, ist das Eindringen in die Privatsphäre des Käufers unzulässig.

Mit diesem Urteil stärkt der BGH das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Internet-Käufern. Eine Kundenzufriedenheitsumfrage ist als geschäftsfördernde Maßnahme der Werbung zuzuordnen, für welche die wettbewerbsrechtlichen Anforderungen des Art. 7 UWG einzuhalten sind. Die Zulässigkeit einer Verknüpfung von Rechnung und Kundenzufriedenheitsumfrage per E-Mail ohne Widerspruchsmöglichkeit würde eine Umgehung des §7 Abs. 3 UWG bedeuten und ist daher richtigerweise unzulässig.