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OVG Münster: Postanschrift für einen Auskunftsantrag nach dem IFG nicht benötigt

6. Juli 2022

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschied in seinem Urteil vom 15 Juni 2022 (16 A 857/21), dass das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) nicht die Postanschrift des Antragstellers, der einen Auskunftsantrag nach dem Informationsschutzgesetz (IFG) stellt, erheben dürfe. Das Urteil wurde noch nicht veröffentlicht, aber das OVG gab eine entsprechende Pressemitteilung ab.

Der Rechtsstreit

Über die Internetplattform fragdenstaat.de stellte ein Bürger einen Auskunftsantrag an das BMI. Die Plattform ermöglicht es Bürgern, Anträge auf Zugang zu amtlichen Informationen zu stellen. Antworten der Behörden sind öffentlich für jeden online einsehbar und Antragssteller werden über deren Eingang per E-Mail benachrichtigt. Das Ministerium forderte die Postadresse des Antragstellers an, um die Entscheidung zu übermitteln. Die Erforderlichkeit dafür ergebe sich aus §41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Demnach ist ein Verwaltungsakt demjenigen gegenüber bekannt zu geben, für den er bestimmt ist. Der Antragsteller sah in der Erhebung seiner Postanschrift jedoch eine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten. Es fehle eine einschlägige Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO.

Vorerst verwarnte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) das BMI. Zwar stelle die zu übermittelnde Entscheidung des BMIs einen Verwaltungsakt dar, jedoch könne dieser auch unmissverständlich an den Antragsteller über fragdenstaat.de bekannt gegeben werden.

VG Köln: Erhebung der Postanschrift zulässig

Im Anschluss erhob das BMI Klage gegen den BfDI. In seinem Urteil vom 18.03.2021 (13 K 1190/20) entschied das Verwaltungsgericht Köln die Verwarnung aufzuheben. Die Verarbeitung der Postanschrift sei nach Art. 6 Abs. 1 lit e) DSGVO i.V.m. §3 BDSG gerechtfertigt. Demnach muss die Verarbeitung erforderlich für die Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt sein. Solch eine Aufgabe fand das Gericht in der o.g. Pflicht, einen Verwaltungsakt direkt an den betroffenen Adressaten zu übermitteln. Die Erhebung der Postadresse sei geeignet, um diese Bekanntgabe sicherzustellen. Des Weiteren sei eine Bekanntgabe über die Internetplattform nicht ausreichend, da diese lediglich über den Eingang des Schreibens informiere, dieses aber nicht an die hinterlegte E-Mail-Adresse weiterleite. Zudem könne der Antragssteller seinen Nutzeraccount jederzeit deaktivieren.

Aufhebung des Urteils des VG Köln

Der BfDI legte Berufung ein, welche vor dem OVG Münster Erfolg hatte. Dieses entschied, dass die Erhebung der Postanschrift nicht erforderlich sei: „Weder aus den maßgeblichen Vorschriften des IFG noch aus den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrecht geht hervor, dass ein Antrag nach dem IFG stets die Angabe einer Postanschrift erfordert. Anhaltspunkte dafür, dass eine Datenerhebung im vorliegenden Einzelfall erforderlich war, liegen ebenfalls nicht vor.“ Hiermit verteidigt das Gericht den Grundsatz der Datenminimierung. Bürger können weiterhin die komplette Bearbeitung eines Auskunftsantrags über fragdenstaat.de fordern. Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Update: Datenschutzbedenken bei Geschwindigkeitskontrollen

20. November 2019

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Klage wegen der Verletzung des Datenschutzes hinsichtlich des Einsatzes der Pilotanlage “Section Control” auf der B6 zurückgewiesen. Die Anlage ist wieder in Betrieb.

Grund für diese Entscheidung ist das neue Landes-Polizeigesetz, wodurch nachträglich eine Grundlage für die Nutzung der Anlage geschaffen wurde.

Das Besondere an dieser Tempomessung war, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer rund zwei Kilometer langen Strecke ermittelt wurde. Weil hier Kennzeichen bei der Ein- und Ausfahrt der Strecke von allen Fahrzeugen, egal ob diese sich an die Geschwindigkeit halten oder nicht, erfasst werden, gab es datenschutzrechtliche Bedenken. Das Verwaltungsgericht Hannover (Az. 7 A 850/19) sah hierin eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Eine systematische Erfassung sei nur dann zulässig, wenn eine gesetzliche Grundlage existiere.

Diese gesetzliche Grundlage wurde im neuen Polizeigesetz geschaffen. In § 32 Abs. 7 wird ausdrücklich die “Abschnittskontrolle” mit Bildaufzeichnung zur Tempomessung erwähnt. Voraussetzung ist die Sicherstellung, dass die Insassen nicht erkennbar sind und die Kennzeichen der Autos mit zulässiger Geschwindigkeit unmittelbar nach dem Ausfahren automatisch gelöscht werden müssen .

Dass OVG hatte keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des betreffenden Paragrafen und sah in dem Gesetz eine ausreichende Grundlage für die Kennzeichenerfassung.

Datenschutzbedenken bei Geschwindigkeitskontrollen

13. November 2019

Mit dieser Thematik beschäftigt sich heute das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG).

Die “Section Control” ist die Pilotanlage an der B6 bei Laatzen und das erste Streckenradar bundesweit. Nachdem das Verwaltungsgericht Hannover im März entschieden hat, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für die Art der Überwachung fehle, wurde die Anlage ausgeschaltet (wir berichteten über den Verfahrensverlauf).

Bedenken bei dem Einsatz eines Streckenradars zur Geschwindigkeitskontrolle bestehen deshalb, weil die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer rund zwei Kilometer langen Strecke – nicht nur an einer Stelle – gemessen wird und daher kurzfristig die Kennzeichen aller Autos erfasst.

Das OVG hat nunmehr zu klären, ob sich eine gesetzliche Grundlage für diese Art der Überwachung im neuen niedersächsische Polizeigesetz finden lässt, welches im Mai in Kraft getreten ist.

Bereits im Juli befanden die Richter des OVG, dass das neue Polizeigesetz nachträglich die notwendige Eingriffsermächtigung geschaffen habe. Es bleibt abzuwarten, wie die endgültige Entscheidung des OVG ausfällt.