Europäische Datenschutzbehörden über Twitter-Übernahme alarmiert

8. Dezember 2022

Seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk ist in der Firmenzentrale wohl Chaos ausgebrochen. Nicht nur die User des sozialen Netzwerkes sind seitdem besorgt: Auch die europäischen Datenschutzbehörden sind von den neuesten Vorgängen alarmiert. Insbesondere geraten die unternehmensinternen Sicherheitsmechanismen mehr und mehr in den Vordergrund.

Hat Twitter seinen Hauptsitz in Dublin?

Twitter entließ rund die Hälfte seiner Mitarbeitenden, unter anderem auch seine Datenschutz- und Sicherheitsbeauftragten. Darüber sorgt sich die irische Datenschutzbehörde (DPC): Sie prüft, ob es Twitter weiterhin erlaubt ist, ihr allein anstatt allen 27 EU-Staaten gegenüber verantwortlich zu sein. Dieses One-Stop-Shop-Prinzip (OSS) nach Art. 56 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ermöglicht es Twitter, den Austausch mit allen EU-Staaten zu umgehen. Dafür muss das Unternehmern jedoch einen Hauptsitz innerhalb der EU angeben, um sich so nur noch gegenüber der Datenschutzbehörde des entsprechenden Mitgliedstaats zu verantworten.

Jedoch darf der Mechanismus nur eingesetzt werden, wenn von dem Unternehmen bei der Festlegung der Hauptniederlassung weitere Auflagen erfüllt werden. So muss Twitter zum Beispiel dafür sorgen, dass „die effektive und tatsächliche Ausübung von Managementtätigkeiten durch eine feste Einrichtung“, die die Verarbeitung personenbezogener Daten betreffen, im Land der Hauptniederlassung nachgewiesen wird. Daneben ist das Unternehmen verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten für die entsprechende nationale Aufsichtsbehörde zu benennen.

Mit einem Fragenkatalog untersucht die DPC, ob Twitter weiterhin seine Hauptniederlassung in Irland haben darf. Aufgrund des Chaos in der amerikanischen Firmenzentrale kommen jedoch Zweifel auf  – die Niederlassung in Irland muss nachweislich Einfluss auf das Unternehmen ausüben können. Falls nicht, droht Twitter die Regulierung durch jeden einzelnen der 27 EU-Staaten. Aus diesem Grund hat auch das Bundesamt für Datenschutz und Informationssicherheit (BfDI) Untersuchungen eingeleitet.

Marit Hansen, Landesdatenschutzbeauftragte Schleswig-Holsteins, bezweifelt gegenüber Netzpolitik.org,  „dass die Niederlassung in Dublin, die bisher ‚main establishment‘ war, wenig Einfluss auf Änderungen nehmen konnte, die auch Auswirkungen auf personenbezogene Daten (z.B. ‚Twitter Blue‘) hatten.“ Daneben sieht eine anonyme Quelle die Kriterien für eine Hauptniederlassung in Irland nicht länger erfüllt. Twitter habe seit der Übernahme durch Musk keine Informationen über Produktveränderungen an die irische Niederlassung weitergegeben.

Sorge bei den Datenschutzbehörden

Twitter bestätigte gegenüber der DPC, dass es weiterhin seinen Hauptsitz in Irland beansprucht und damit von der DPC reguliert werden möchte. Das Unternehmen benannte dafür Renato Monteira als amtierenden Datenschutzverantwortlichen.

Twitters jüngste Produktänderungen haben jedoch nicht den Eindruck erweckt, dass „von Europa aus weiterhin die ‚Entscheidungen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten‘ bei Twitter getroffen werden“, sagt Hansen. Sie sieht allerdings ein „positives Zeichen […] darin, dass man anscheinend bei Twitter auf die irische Datenschutzbeauftragte reagiert und sich auch getroffen hat.“

Folgen für Twitter

Falls Twitter seinen Anspruch auf Hauptniederlassung in Irland verliert, könnten alle 27 Datenschutzbehörden der EU aufsichtsbehördlich tätig werden. Dies geht mit einem enormen bürokratischen Mehraufwand und empfindlichen Sanktionen einher, die pro EU-Staat bis zu vier Prozent des jährlichen Umsatzes ausmachen können. Derartige Folgen blieben bislang nicht zuletzt wegen des unternehmensfreundlichen Charakters der irischen Behörde aus. Seitens der französischen und belgischen Behörden ist, angesichts ihrer Sanktionsentscheidungen in der Vergangenheit, ein deutlich aggressiveres Verhalten zu erwarten.

Daneben könnten unter anderem die deutschen Datenschutzbehörden gegen Twitter ein sogenanntes Dringlichkeitsverfahren nach Art. 66 DSGVO einleiten. Dies ist aber erst möglich, sobald der „Schutz betroffener Personen“ auf dem Spiel stände.