Kategorie: Beschäftigtendatenschutz
23. August 2023
Ein aktueller Bescheid der österreichischen Datenschutzbehörde wirft Licht auf eine interessante Fragestellung: Sind Verantwortliche, insbesondere Arbeitgeber, dazu verpflichtet, bei unberechtigter Datenverarbeitung durch Mitarbeiter sowohl die Meldung nach Art. 33 als auch die Benachrichtigung nach Art. 34 DSGVO durchzuführen?
Der Fall und die Fragestellung
Der Bescheid der österreichischen Datenschutzbehörde vom 1. Januar 2023 betraf einen Vorfall, bei dem Gesundheitsdaten einer betroffenen Person durch eine Mitarbeiterin des Verantwortlichen in einem Social-Media-Beitrag veröffentlicht wurden. Die Mitarbeiterin, die sich in einem Ausbildungsverhältnis zur Verantwortlichen befand, hatte unberechtigt auf elektronisch vorhandene Patientendaten zugegriffen und den Krankheitsverlauf der betroffenen Person auf einer Plattform veröffentlicht. Die Verantwortliche meldete den Vorfall vorsorglich nach Art. 33 DSGVO, da sie Zweifel an ihrer eigenen Verantwortlichkeit und somit an der Meldepflicht hatte.
Die zentrale Fragestellung des Falls war, ob der Verantwortliche, in diesem Fall der Arbeitgeber, den Melde- und Benachrichtigungspflichten gemäß Art. 33 und 34 DSGVO unterliegt, wenn ein Mitarbeiter unberechtigt auf personenbezogene Daten zugreift und diese verwendet. Der Verantwortliche argumentierte, dass er für den unberechtigten Zugriff der Mitarbeiterin nicht datenschutzrechtlich verantwortlich sei und daher keine Meldepflicht bestehe. Die Datenschutzbehörde hatte hier eine andere Auffassung.
Die Entscheidung der Datenschutzbehörde
Die Datenschutzbehörde entschied, dass der Verantwortliche sehr wohl der Meldepflicht nach Art. 33 DSGVO unterliegt, auch wenn eine unberechtigte Datenverarbeitung durch einen Mitarbeiter stattfindet. Die Behörde unterschied zwischen den Verantwortlichkeiten auf zwei Ebenen:
- Arbeitgeber (Verantwortlicher): Verpflichtung zur Implementierung angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen, um unberechtigte Datenverarbeitungen zu verhindern.
- Mitarbeiterin (als eigene Verantwortliche): Unberechtigter Zugriff und Veröffentlichung von Patientendaten.
Die Behörde stellte klar, dass die Meldepflicht gemäß Art. 33 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich an den jeweiligen Verantwortlichen gerichtet ist. Obwohl die Behörde anerkannte, dass in Einzelfällen eine eigenständige datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit der Mitarbeiterin abgeleitet werden kann, war der Gegenstand des Verfahrens nicht die Verantwortlichkeit der Mitarbeiterin, sondern die Melde- und Benachrichtigungsverpflichtungen des Verantwortlichen.
Die Datenschutzbehörde stützte ihre Ansicht auch auf die Leitlinien 07/2020 des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) zu den Begriffen “Verantwortlicher” und “Auftragsverarbeiter”. Diese Leitlinien betonen, dass die Organisation als Verantwortlicher angemessene technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen muss, um die Einhaltung der DSGVO sicherzustellen, auch wenn ein Mitarbeiter seine Befugnisse in Bezug auf die Datenverarbeitung überschreitet.
Die Behörde verwies auch auf eine Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts, in der betont wurde, dass die dahinterstehende Organisation (Behörde) weiterhin für die Verarbeitungsweise durch ihre Mitarbeiter verantwortlich bleibt, auch bei sorgfaltswidriger Verwendung oder überschießender Akteneinsicht.
Fazit: Verantwortliche tragen Verantwortung
Der Bescheid der österreichischen Datenschutzbehörde verdeutlicht, dass Verantwortliche auch bei unberechtigter Datenverarbeitung durch Mitarbeiter gemäß Art. 33 und 34 DSGVO verpflichtet sind, sowohl eine Meldung als auch eine Benachrichtigung durchzuführen. Die klare Trennung zwischen den Verantwortlichkeiten von Arbeitgebern und Mitarbeitern sorgt für Klarheit in einer komplexen rechtlichen Landschaft. Dieser Bescheid unterstreicht die Bedeutung, dass Organisationen angemessene technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um die Einhaltung der DSGVO sicherzustellen und Datenschutzverletzungen zu minimieren. In Zeiten steigender Datenschutzanforderungen ist es unerlässlich, dass Verantwortliche ihre Pflichten ernst nehmen und für Transparenz und Sicherheit in der Datenverarbeitung sorgen.
3. Juli 2023
Vergangene Woche entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens (Az. C-579/21) über die Reichweite des Auskunftsanspruchs. Nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) habe die betroffene Person auch das Recht zu erfahren, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen die Mitarbeiter eines Verantwortlichen ihre personenbezogenen Daten abfragten.
Sachverhalt
Das Verfahren findet seinen Ursprung bei einem Bankmitarbeiter. Dieser hatte, neben der arbeitsvertraglichen Beziehung auch ein Konto bei der betroffenen Bank. Er erfuhr, dass andere Mitarbeiter der Bank seine Kundendaten mehrmals abgefragt hatten. Daraufhin wollte die betroffene Person wissen, welcher Mitarbeiter seine Kundendaten abgefragt hatten.
Das vorlegende Gericht wollte nun vom EuGH wissen, ob Art. 15 DSGVO den Zugang zu Informationen darüber umfasse, wer die personenbezogenen Daten der betroffenen Person wann und zu welchem Zweck verarbeitet habe.
Weiter Umfang des Art. 15 DSGVO
Ausgangspunkt der Entscheidung über diese Vorlagefrage ist Art. 4 Abs. 1 DSGVO. Die Norm definiert „personenbezogene Daten“ als „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen (…)“. Laut des Gerichtshofs habe der Unionsgesetzgeber im Rahmen seiner Definition „personenbezogenen Daten“ eine weite Bedeutung beimessen wollen. Demnach umfasse das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO die weite Vielfalt aller Informationen, die ein Verantwortlicher verarbeiten könne. Das Ziel des Auskunftsrechts sei es dabei eine faire und transparente Verarbeitung zu gewährleisten. Die betroffene Person solle sich über den Verarbeitungsvorgang als solchen informieren können. Das Informationsrecht umfasse auch solche Informationen, die notwendig seien, um die transparente Verarbeitung zu gewährleisten.
Der EuGH stellte klar, dass zu den notwendigen Informationen auch der Zeitpunkt der Verarbeitung zähle. Zusätzlich sei es ggf. erforderlich, dass ein Verantwortlicher der betroffenen Personen auch Auszüge aus Dokumenten oder Datenbanken zur Verfügung stelle. Damit könne die betroffene Person auch Informationen über den Kontext der Verarbeitung erhalten, die möglicherwiese erforderlich seien, um die Datenverarbeitung richtig einordnen zu können.
Demnach könne sich aus den zur Verfügung gestellten Dokumenten bereits ergeben, wann und in welchem Umfang Mitarbeiter personenbezogene Daten abfragen würden.
Einschränkungen
Es sei aber wichtig zu erkennen, dass Mitarbeiter eines Verantwortlichen keine Empfänger im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO seien. Nur auf letztere beziehe sich das Auskunftsrecht einer betroffenen Person. Mitarbeiter dürften personenbezogene Daten nach Art. 29 DSGO gerade nur auf Weisung des Verantworltichen verarbeiten.
Welcher Mitarbeiter konkret personenbezogene Daten verarbeite, sei eine Frage, die nur beantwortet werde könne, wenn die Rechte Anderer nicht beeinträchtigt würden. Einerseits könne die Information über den konkreten Mitarbeiter die Transparenz fördern. Andererseits seien die Rechte und Freiheiten der Mitarbeiter zu beachten. Demnach könne die betroffene Person in der Regel nach Art. 15 DSGVO keine Informationen zur Identität eines Mitarbeiters erhalten, der personenbezogene Daten auf Weisung des Verantwortlichen verarbeite.
Fazit
Mit seiner Entscheidung nuanciert der EuGH das Auskunftsrecht der DSGVO und zeigt auf, dass auch die DSGVO keine Gesetzestext ist, der hierarchisch an erster Stelle steht.
9. Juni 2023
Das Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich ein wegweisendes Urteil zur Vereinbarkeit der Rolle eines Datenschutzbeauftragten mit dem Amt des Betriebsratsvorsitzenden gefällt. Das Urteil betrifft den Fall eines Arbeitnehmers, der sowohl als Datenschutzbeauftragter als auch als Betriebsratsvorsitzender tätig war (EuGH, Urteil vom 9. Februar 2023, Az. C-453/21). Das vorlegende deutsche Gericht bat den EuGH um Klärung von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts in diesem Zusammenhang.
Der Fall
Der Kläger, FC, war seit 1993 bei der Firma X-FAB beschäftigt und hatte die Position des Betriebsratsvorsitzenden inne. Zusätzlich wurde er zum Datenschutzbeauftragten von X-FAB und deren Muttergesellschaft sowie anderen Tochtergesellschaften in Deutschland bestellt. Der Kläger wurde auf Ersuchen des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zum Datenschutzbeauftragten ernannt. X-FAB und die genannten Unternehmen beabsichtigten, einen konzerneinheitlichen Datenschutzstandard zu erreichen.
X-FAB argumentierte, dass eine Vereinbarkeit der Positionen des Datenschutzbeauftragten und des Betriebsratsvorsitzenden aufgrund eines potenziellen Interessenkonflikts nicht möglich sei und forderte die Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragter. Der Kläger erhob daraufhin Klage, um seine Position als Datenschutzbeauftragter beizubehalten.
Die Vorlagefragen an den EuGH:
Das Bundesarbeitsgericht legte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor (wir berichteten). Die Hauptfrage bezog sich darauf, ob Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einer nationalen Bestimmung (§ 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG a.F.) entgegenstehe, die die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten durch den Arbeitgeber an bestimmte Voraussetzungen knüpft. Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 der DSGVO besagt, dass eine nationale Regelung, die vorsieht, dass ein Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann, nicht im Widerspruch zur DSGVO steht. Dies bedeutet, dass ein Datenschutzbeauftragter, der bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigt ist, nur unter bestimmten Bedingungen abberufen werden darf. Gemäß dieser Bestimmung darf die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängen. Mit anderen Worten, der Datenschutzbeauftragte kann nicht entlassen werden, weil er seine Aufgaben im Bereich des Datenschutzes ordnungsgemäß erfüllt. Stattdessen muss ein “wichtiger Grund” für die Abberufung vorliegen, der in der Regel nichts mit der Datenschutzfunktion des Beauftragten zu tun hat. Diese Bestimmung gewährleistet die Unabhängigkeit und Integrität des Datenschutzbeauftragten. Sie soll sicherstellen, dass der Datenschutzbeauftragte seine Aufgaben frei und unabhängig von Einflüssen oder Interessen Dritter erfüllen kann. Die genaue Definition und Auslegung eines “wichtigen Grundes” obliegt jedoch den nationalen Rechtsvorschriften und den zuständigen Gerichten.
Zusätzlich wurde gefragt, ob diese Bestimmung auch dann gelte, wenn die Benennung eines Datenschutzbeauftragten nicht nach der DSGVO verpflichtend ist, sondern nur nach nationalem Recht.
Schließlich sollte der EuGH klären, ob Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 der DSGVO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle und ob ein Interessenkonflikt vorliege, wenn der Datenschutzbeauftragte gleichzeitig das Amt des Betriebsratsvorsitzenden innehat.
Entscheidung des EuGH
Gemäß Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 DSGVO sei es zulässig, einen Datenschutzbeauftragten nur aus wichtigem Grund abzuberufen, selbst wenn die Abberufung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhänge. Der EuGH entschied somit, dass Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 der DSGVO einer nationalen Regelung, die die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten nur aus wichtigem Grund erlaube, nicht entgegenstehe, solange sie die Ziele der Verordnung nicht beeinträchtige.
Darüber hinaus stellte der EuGH fest, dass ein “Interessenkonflikt” im Sinne von Artikel 38 Absatz 6 der DSGVO vorliegen könne, wenn einem Datenschutzbeauftragten andere Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, die ihn dazu veranlassen würden, die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung festzulegen. Die Feststellung, ob ein solcher Interessenkonflikt bestehe, obliege jedoch dem nationalen Gericht und erfordere eine umfassende Prüfung aller relevanten Umstände.
Fazit
Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können somit nicht durch dieselbe Person ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden. Zusätzlich hat der EuGH mit diesem Urteil Klarheit darüber geschaffen, dass ein Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann und dass ein potenzieller Interessenkonflikt bei der Wahrnehmung anderer Aufgaben oder Pflichten geprüft werden muss. Dies stärkt die Position und Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten in Unternehmen und gewährleistet einen effektiven Datenschutz gemäß den Zielen der DSGVO.
25. April 2023
Zurzeit planen das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesarbeitsministerium (BMAS) neue Reglementierungen für den Beschäftigtendatenschutz. Dies geht aus einer Liste mit Vorschlägen für einen Gesetzesentwurf des Beschäftigtendatenschutzes hervor, über die verschiedene Nachrichtenportale (hier oder hier nachzulesen) berichtet haben.
Besserer Schutz vor Überwachung
Mit dem geplanten Gesetzesvorhaben beabsichtigten das BMI und BMAS einen besseren Schutz von Beschäftigten vor Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers. Ein Ziel sei u.a. verdeckte Überwachungsmaßnahmen besser zu reglementieren. Derzeit kann beispielsweise die verdeckte Videoüberwachung nur ausnahmsweise, unter strengen Voraussetzungen eingesetzt werden. Möchte ein Arbeitgeber die verdeckte Videoüberwachung beispielsweise zur Aufklärung von Straftaten einsetzen, darf kein Mittel zur Verfügung stehen, dass die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten weniger intensiv tangiert. Zur Regulierung der verdeckten Überwachungsmaßnahmen, sehen BMI und BMAS nun konkrete Maßnahmen vor. Dabei solle die Überwachung nur möglich sein, wenn der eindeutige Verdacht einer Straftat vorliege und andere Abhilfemaßnahmen bereits ausgeschöpft worden seien.
Außerdem beabsichtigen die Ministerien neue Regelungen für die offene Videoüberwachung. Demnach solle die gesetzliche Neuregelung die Privatsphäre von Beschäftigten besser schützen. Eine offene Überwachung am Arbeitsplatz müsse strengen Grenzen unterfallen. Beschäftigte benötigten Räume, in denen keine Kameraüberwachung erlaubt sei. Auch die Zeiten, zu denen eine Überwachung erfolge solle eingeschränkt werden. Derzeit ist vor allem die Kameraüberwachung bestimmter Räume als unzulässig anzusehen. Dazu zählen Umkleiden, sowie Pausenräume und Toiletten.
Darüber hinaus planten das BMI und BMAS die Konkretisierung des Einwilligungserfordernis im Beschäftigtenverhältnis. Derzeit kann die Kameraüberwachung auf Grundlage einer Einwilligung nach § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG erfolgen. Der Gesetzentwurf solle die Anforderungen der Freiwilligkeit, die Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung sei, konkretisieren.
Zusätzlich plane das BMI und BMAS eine Regelung zu Fragestellung, die im Rahmen eines Bewerbungsgespräch zulässig seien. Im Hinblick auf Fragen, die ein Bewerber beantworten muss, kann es grundsätzlich zur Verarbeitung personenbezogener Daten besonderer Kategorie iSd Art. 9 DSGVO kommen.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Vorschläge der geplante Gesetzentwurf enthalten wird. Zurzeit bleibt es denkbar, dass der Gesetzesentwurf zugleich die Bedenken, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 30.03.2023 (Az. C-23/21) aufbrachte, behandelt oder zumindest im Ansatz berührt (wir berichteten).
11. April 2023
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied (Rs. C-34/21) vor rund 2 Wochen, dass der § 23 Abs. 1 S. 1 HDSIG nicht die Anforderungen einer spezifischeren Vorschrift iSd Art. 88 DSGVO erfülle. Die Entscheidung über diese landesrechtliche Norm wirft für die Anwendung des gleichlautenden § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG einige Fragen auf.
Hintergründe
Grundlage des Verfahrens vor dem EuGH war eine Klage des Hauptpersonalrates der Lehrerinnen und Lehrer beim Hessischen Kultusministerium beim Verwaltungsgericht Wiesbaden. Dabei war fraglich, ob im Rahmen des Unterrichtes per Videokonferenz eine Einwilligung der Lehrkräfte erforderlich sei. Zwecks Unterricht per Videokonferenz habe das Hessische Kultusministerium für die erfolgende Datenverarbeitung die Einwilligung aller betroffenen Schülerinnen und Schülern eingeholt. Für die betroffenen Lehrkräfte habe das Einwilligungserfordernis nicht gegolten. Stattdessen sei die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten auf Grundlage des § 23 HDSIG erfolgt.
Was ist eine “Spezifischere Norm”?
Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH stand nun in Frage, welche Voraussetzungen eine spezifischere Vorschrift iSd Art. 88 DSGVO erfüllen müsse.
Art. 88 DSGVO enthält eine sog. Öffnungsklausel. Die DSGVO erlaubt den Mitgliedstaaten der europäischen Union demnach eine nationale Vorschrift zu erlassen, die der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext dient. § 23 HDSIG und § 26 BDSG sollen eine solche nationale, spezifische Regelung sein.
Aus Sicht des Gerichtshof sei bei der Umsetzung der Öffnungsklausel in nationales Recht Art. 88 Abs. 2 DSGVO zu beachten. Demnach setzte die DSGVO der nationalen Norm eine Grenze. Sie müsse geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umfassen. Außerdem sei es erforderlich, dass der Regelungsgehalt der nationalen Norm auf „(…) den Schutz der Rechte und Freiheiten von Beschäftigten bei der Verarbeitung ihrer personenbezogene Daten im Beschäftigtenkontext abziele (…)“ (EuGH, Urteil vom 30.03.2023, C-23/21, Rn. 65).
Zusätzlich könne die spezifischere Norm nicht lediglich die Vorgaben der DSGVO wiederholen. Sie müsse eine Regelung aufstellen, die eine Konkretisierung im vorgesehenen Bereich darstelle.
Anwendbarkeit des § 23 HDSIG
Darüber hinaus war es fraglich, welcher Folge eintrete, wenn eine nationale Norm die Anforderungen der DSGVO nicht erfülle. Aus Sicht des Gerichtshof sei dies insbesondere im Hinblick auf § 23 HDSIG fraglich. Dieser setzte voraus, dass ein Verantwortlicher personenbezogene Daten zum Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses verarbeite. Dies entspräche der Verarbeitung zur Erfüllung eines Vertrages nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO.
Demnach sei eine Norm, die die Voraussetzungen des Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO nicht erfülle nicht anzuwenden. Alternativ könne die nationale Norm lediglich eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 3 DSGVO darstellen. Ob dies der Fall ist, prüfte der EuGH nicht.
Fazit
Nach der Entscheidung des EuGH muss nun das VG Wiesbaden die Vorgaben des EuGH umsetzen. Für die Entscheidung ist § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG grundsätzlich nicht relevant. Ob die Rechtsmäßigkeit dieser Norm künftig aber tangiert wird, bleibt abzuwarten.
24. März 2023
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat kürzlich ein Unternehmen dazu verurteilt, einem ehemaligen Mitarbeiter immateriellen Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro zu zahlen, weil es einem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht nachgekommen sei (Urteil vom 09.02.2023, Az. 3 Ca 150/21). Der Fall zeigt, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auch im Bereich der Arbeitsverhältnisse ein wichtiger Faktor ist.
Sachverhalt
In einem Arbeitsrechtsstreit forderte ein ehemaliger Geschäftsführer und Vertriebsleiter einer Firma für Feuerwerkskörper von seiner ehemaligen Arbeitgeberin Auskunft über seine personenbezogenen Daten. Die Arbeitgeberin verweigerte jedoch die Auskunftserteilung und legte erst im Prozess einzelne Unterlagen vor. Der Kläger machte neben dem Auskunftsersuchen auch einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz geltend.
Reichweite des Auskunftsanspruchs gem. Art. 15 DSGVO
Bis heute ist die Reichweite des Auskunftsanspruchs gem. Art. 15 DSGVO umstritten. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, wie präzise die erteilten Auskünfte sein müssen.
Artikel 15 DSGVO gewährt betroffenen Personen das Recht, von einem Unternehmen oder einer Organisation Auskunft darüber zu erhalten, ob personenbezogene Daten von ihnen verarbeitet werden und wenn ja, welche Daten dies sind. Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO ist ein wichtiges Instrument, das es den Betroffenen ermöglicht, mehr Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten zu erlangen und sicherzustellen, dass diese ordnungsgemäß verarbeitet werden. Die Reichweite des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO ist weitreichend und umfasst sowohl die Daten, die von dem Unternehmen oder der Organisation verarbeitet werden, als auch eine Reihe von anderen Informationen. Insbesondere hat die betroffene Person das Recht, Informationen über die Zwecke der Verarbeitung, die Kategorien der verarbeiteten personenbezogenen Daten, die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, denen die personenbezogenen Daten offengelegt wurden oder werden, sowie die voraussichtliche Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, zu erhalten.
Darüber hinaus hat die betroffene Person das Recht, eine Kopie der personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden, zu erhalten. Diese Kopie muss in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format bereitgestellt werden. Wenn die betroffene Person dies wünscht, kann sie auch verlangen, dass die personenbezogenen Daten direkt an einen anderen Verantwortlichen übermittelt werden.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Recht auf Auskunft nicht uneingeschränkt ist. In bestimmten Situationen kann es gerechtfertigt sein, den Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO einzuschränken oder auszusetzen. Beispielsweise kann dies der Fall sein, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten die öffentliche Sicherheit gefährdet oder das Recht auf Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit anderer Personen beeinträchtigt.
Die Beklagte hat das Auskunftsersuchen des Klägers zurückgewiesen, da sie der Meinung war, dass der Anspruch nicht bestehe. Das Arbeitsgericht Oldenburg entschied jedoch, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, das Auskunftsbegehren zu erfüllen. Der Kläger hätte das Recht auf Auskunft über sämtliche seiner bei der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie zu den sich aus Artikel 15 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2 DSGVO ergebenden Informationen. Das Gericht ging jedoch nicht auf die Frage ein, ob der Verantwortliche auch Auskunft über Informationen erteilen müsse, die dem Betroffenen bereits bekannt sind.
Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit präventivem Charakter
Artikel 82 DSGVO regelt das Recht auf Schadensersatz bei Verstößen gegen die DSGVO. Dieser Artikel stellt sicher, dass Betroffene bei Verletzung ihrer Datenschutzrechte einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich haben.
Wenn ein Verantwortlicher oder ein Auftragsverarbeiter gegen die DSGVO verstößt, kann dies zu einem Schaden für den Betroffenen führen. In diesem Fall kann der Betroffene gemäß Artikel 82 DSGVO eine angemessene Entschädigung verlangen, die den erlittenen materiellen oder immateriellen Schaden ausgleicht. Dabei müssen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, einschließlich der Art, Schwere und Dauer des Verstoßes sowie des Umfangs des erlittenen Schadens.
Das Arbeitsgericht stellte fest, dass die Beklagte gegen ihre Auskunftspflicht gemäß Art. 12 Abs. 3 DSGVO verstoßen habe, indem sie das Auskunftsbegehren des Klägers nicht innerhalb eines Monats erfüllte. Die Nichterfüllung der DSGVO-Verpflichtungen führe bereits zu einem auszugleichenden immateriellen Schaden, weshalb der Kläger nicht weiter spezifizieren müsse, welcher Schaden ihm entstanden sei. Der präventive Charakter des Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO solle dazu beitragen, die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sicherzustellen.
„Das Bundesarbeitsgericht hat sich im Nachgang zu dem genannten Vorabentscheidungsersuchen in seiner Entscheidung vom 05.05.2022 (2 AZR 363/21) dahingehend geäußert, dass zugunsten der Klägerin unterstellt werden kann, dass dem Anspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO Präventionscharakter und eine Abschreckungsfunktion zukomme (BAG, Urt. v. 05.05.2022 – 2 AZR 363/21 Rn. 23).“
So hielt das ArbG in diesem Fall einen Schadensersatz von 10.000 Euro für gerechtfertigt. Anders als das Bundesarbeitsgericht (BAG), das im dortigen Fall einen Schadensersatz von 1.000 Euro für ausreichend hielt, sah das ArbG hier aufgrund des höheren Auskunftsinteresses des Klägers und des langen Zeitraums der Nichterfüllung der Auskunftspflicht einen höheren Schadensersatz als gerechtfertigt an.
Fazit
Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie über angemessene Mechanismen verfügen, um Anfragen von Mitarbeitern nach Art. 15 DSGVO zu erfüllen, und sicherstellen, dass sie innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist antworten.
19. Dezember 2022
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wird bald eingeführt, um Papier zu sparen sowie die Arbeit zu erleichtern. Dadurch müssen gesetzlich Versicherte ihrem Arbeitgeber grundsätzlich keine Bescheinigung mehr aushändigen, wenn sie arbeitsunfähig sind. Der Hinweis an den Arbeitgeber, dass er erkrankt ist, und die voraussichtliche Dauer genügt.
Wie funktioniert die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
Der Arzt erstellt die eAU in seinem Praxisverwaltungssystem (PVS), signiert sie mit einer Qualifizierten Elektronischen Signatur (QES) und verschickt sie Ende-zu-Ende-verschlüsselt mit dem KIM-Dienst (Kommunikation im Medizinwesen) an die Krankenkasse des erkrankten Arbeitnehmers. Ärtze sind bereits seit Oktober 2021 zum Versenden der eAU verpflichtet. Welche Systeme den eAU-Versand ermöglichen, lässt sich im TI-Score der für die Digitalisierung zuständigen Gematik GmbH sehen.
Sobald die eAU an die Krankenkasse verschickt wurde, gelangt sie zu einer zentralen Sammelstelle der gesetzlichen Krankenkassen. Somit sind jetzt die gesetzlichen Krankenkassen zum Nachweis verpflichtet. Der Arbeitgeber kann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über das Entgeltabrechnungsprogramm bei der Sammelstelle anfragen und sie abrufen, sobald sie dort bereitsteht: Eine Abfrage ist frühestens ab dem Folgetag der Arbeitsunfähigkeit sinnvoll. Bleibt der Arbeitgeber drei Tage lang ohne Krankschreibung von der Arbeit, empfiehlt die AOK eine Abfrage frühestens ab dem fünften Tag der Arbeitsunfähigkeit. Außerdem wird der Arbeitgeber informiert, sobald die AU bereitsteht.
Die Änderungen durch die eAU für gesetzlich Versichertete
Ab Januar 2023 müssen gesetzlich Versicherte ihren Arbeitgeber nur noch über ihre Erkrankung informieren, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Nur wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert und es im Arbeitsvertrag nicht anders geregelt ist, kann der Arbeitgeber eine Anfrage bei einer dafür eingerichteten Stelle bei den gesetzlichen Krankenkassen stellen. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer demnach keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr an die Krankenkasse oder den Arbeitgeber senden.
Die Änderungen für Arbeitgeber
Arbeitgeber dürfen ab Januar 2023 von ihren gesetzlich Versicherten in der Regel keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr verlangen. Dazu muss der Arbeitgeber verschiedene Angaben übermitteln, etwa den Namen, das Geburtsdatum, die Versichertennummer und die Betriebsnummer des Beschäftigungsbetriebs. Ist die Versichertennummer des Arbeitnehmers nicht bekannt, muss diese mit dem Abrechnungsprogramm bei der Datenstelle der Rentenversicherung abgefragt werden. Wenn das nicht möglich ist, müssen zusätzlich Geburtsname und Geburtsort des Arbeitnehmers zur eindeutigen Identifikation angegeben werden.
Praxistipp bei technischen Störungen
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Übergang zur eAU nicht ohne Probleme funktionieren wird. Das bedeutet also, dass die behandelnden Ärzte den Versicherten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die dem Arbeitgeber vorgelegt werden kann, wohl weiter in Papierform aushändigen.
Gerade zu Beginn des elektronischen Meldeverfahrens ist es laut einer Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)„wichtig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Nachweis für ihre Arbeitsunfähigkeit erhalten, den sie bei Bedarf gegebenenfalls selbst ihrem Arbeitgeber vorlegen können, wenn dieser beispielsweise irrtümlich von unberechtigten Fehlzeiten ausgeht und arbeitsrechtliche Konsequenzen (Lohnkürzung, Abmahnung, Kündigung) erwägt“. Daher sei es laut BMAS wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte den Versicherten übergangsweise eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für Arbeitgeber in Papierform aushändigen. Gesetzlich Versicherte sollten demnach auch darauf „achten und gegebenenfalls ausdrücklich darauf bestehen, dass ihnen diese Bescheinigung weiterhin ausgestellt wird“.
16. Dezember 2022
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am Freitag, 16. Dezember 2022, einen „besseren Schutz hinweisgebender Personen“ im beruflichen Umfeld beschlossen.
Warum ist der Schutz von Hinweisgebern wichtig?
Im beruflichen Kontext ist der Schutz von Hinweisgebern ein wichtiges, gleichzeitig aber auch sensibles Thema, da er für den Erhalt integrer Arbeitsplätze und die Einhaltung ethischer Grundsätze in Unternehmen unerlässlich ist. Hinweisgeber tragen dazu bei, Missstände aufzudecken und zu korrigieren, indem sie Informationen über illegale oder unethische Praktiken melden.
Das Problem: Die Meldung solcher Vorgänge kann sehr riskant sein, da sie möglicherweise finanzielle Verluste oder negative Konsequenzen bei der Arbeit einbringen kann.
Aus diesem Grund müssen hinweisgebende Mitarbeiter vor Diskriminierung und Repressalien geschützt werden.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass viele Mitarbeiter oft nicht wissen, wo sie solche Informationen melden können oder wie sie am besten vorgehen sollen. Daher ist es für Unternehmen wichtig, einen Mechanismus zur Meldung von Missständen zu schaffen und proaktiv über diese Mechanismen zu informieren.
Das neue Gesetz
In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Schutzes von Hinweisgebern immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dies ist vor allem auf die steigende Zahl von Whistleblowern zurückzuführen, die sich gegen Missstände in ihrem Unternehmen oder in ihrer Branche wenden.
Mit dem nun beschlossenen Gesetzesentwurf soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz hinweisgebender Personen ausgebaut werden. Nach eigenem Bekunden will die Bundesregierung mit dem Gesetz nun zum einen die Hinweisgeberschutz-Richtlinie der Europäischen Union ((EU) 2019 / 1937, (EU) 2020 / 1503) und zum anderen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) umsetzen. Deutschland – sowie einige weitere EU-Staaten – sind mit der Umsetzung allerdings sehr spät dran, denn die EU-Richtlinie hätte eigentlich bis zum 17. Dezember 2021 transferiert werden müssen. Gegen Deutschland läuft deswegen ein von der EU-Kommission angestrengtes Vertragsverletzungsverfahren.
Was ändert sich für Unternehmen und Beschäftigte?
Kernstück des Entwurfes ist ein neu zu schaffendes „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen“ (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG). Dieses Gesetz soll dem Entwurf zufolge die wesentlichen Anforderungen und Verfahren an den Hinweisgeberschutz beinhalten. Danach müssen grundsätzliche alle Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, eine interne Meldestelle einrichten; Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden haben die Möglichkeit, Meldestellen gemeinsam aufbauen.
Neue Meldestellen
Als externe Meldestelle soll grundsätzlich das Bundesamt für Justiz dienen, für einige Bereiche sind darüber hinaus spezielle Meldestellen vorgesehen. Wie die Bundesregierung ausführt, ist der Anwendungsbereich entsprechend der Vorgaben der EU-Richtlinie weit gefasst und umfasst neben Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer auch Beamtinnen und Beamte, Anteilseignerinnen und Anteilseigner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lieferanten und Personen, die bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnisse von Verstößen erlangt haben.
Die hinweisgebende Person soll laut des Gesetzesentwurfs wählen können, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wende. Entscheidend ist, dass die Identität der hinweisgebenden Person in beiden Fällen grundsätzlich vertraulich zu behandeln ist. Meldungen sollen daher laut Entwurf auch anonym möglich sein. Laut Entwurfstext soll für interne Meldestellen allerdings keine Verpflichtung bestehen, „die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen“. Gleiches soll vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen auch für die externen Meldestellen gelten. In beiden Fällen sollte zudem gelten, dass die jeweilige Meldestelle „anonym eingehende Meldungen allerdings bearbeiten [sollte], soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nicht anonymer Meldungen nicht gefährdet wird“.
Schutz vor Repressalien
Für hinweisgebende Personen und bestimmte andere Personen gilt ein Schutz vor Repressalien beziehungsweise vor einer Drohungen damit.
Erfolgt nach einer Meldung durch einen Arbeitnehmer eine „Benachteiligungen“ einer hinweisgebenden Person „im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit“, soll laut Entwurfstext vermutet werden, dass es sich um eine Repressalie handelt. Daher hat „In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte“.
Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien soll dem Hinweisgeber ein Schadensersatzanspruch gegen den Verursacher zustehen.
In der Praxis bleibt abzuwarten, in wie weit die gesetzlichen Regelungen tatsächlich zu einem reibungslosen Aufdecken von Missständen führen.
Fazit
Der Schutz von Hinweisgebern ist von entscheidender Bedeutung für die Einhaltung ethischer Grundsätze im beruflichen Umfeld sowie für den Erhalt integrer Arbeitsplätze und fair gehandhabte Geschäftsfelder. Daher ist es Aufgabe aller Beteiligten – insbesondere der Unternehmen – sicherzustellen, dass effektive Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern getroffen werden.
14. Dezember 2022
Der aktuelle 11. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht (BayLDA) befasst sich mit diesem interessanten Thema aus dem Beschäftigtenkontext:
Bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters gehört es zum Standard, dass dieser eine entsprechende Erklärung zum vertraulichen Umgang mit personenbezogenen Daten bzw. der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen unterzeichnet.
Einen Mustertext findet man im Kurzpapier Nr. 19 der Datenschutzkonferenz (DSK), das auch im oben genannten Tätigkeitsbericht beiliegt (S. 51).
Das BayLDA erörtert in seinem Tätigkeitsbericht, welche Folgen es hat, wenn ein Beschäftigter sich weigert, die Verpflichtung auf das Datengeheimnis zu unterzeichnen.
Dürfen Beschäftigte ihre Unterschrift verweigern?
Nach Ansicht des BayLDA sei eine Unterschriftsverweigerung irrelevant.
Weigert sich der Arbeitnehmer, die Erklärung zu unterzeichnen, dann reiche es aus, dass der Arbeitgeber den bestehenden Prozess nachweist, den Beschäftigten auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Pflichten hinweist und auch die Weigerung einschließlich des Umstandes der Weigerung dokumentiert. Zwar sieht das Gesetz dabei kein Formerfordernis für die Verpflichtung vor, dennoch empfiehlt es sich wegen der nachzukommenden Rechenschaftspflicht gemäß Art. 5 Abs. 2 DSGVO eine unterzeichnete Erklärung des Beschäftigten (in schriftlicher oder elektronischer Form) bereitzuhalten.
Schließlich kann sich durch die Weigerung des Beschäftigten die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Pflichten, die sich insbesondere aus der DSGVO ergeben, nicht einfach ausgehebelt werden. Die Stellungnahme des BayLDA dazu ist für Arbeitgeber sehr praxistauglich.
17. November 2022
Die Amtspflichtverletzung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten erlaube nach Systematik sowie Sinn und Zweck des § 6 Abs. 4 BDSG nicht die fristlose Kündigung. Dies entschied das Arbeitsgericht Heilbronn mit Urteil vom 29. September 2022 (Az. 8 Ca 135/22).
Hintergründe der Kündigung
Aus Sicht des Arbeitgebers sei die fristlose Kündigung erforderlich gewesen, da der angestellte Datenschutzbeauftragte verschiedenen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Dieser habe die Aufgaben, die sich aus seiner Stellung als Datenschutzbeauftragten ergeben, nicht ausreichend erfüllt. Somit sei es zu mehreren Datenschutzmängeln im Unternehmen gekommen.
Unterscheidung zwischen Abberufung und Kündigung
Das ArbG stellte die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung fest. Insoweit könne die Missachtung seiner Pflichten, die sich aus der Funktion als Datenschutzbeauftragter ergeben, nicht der alleinige Kündigungsgrund sein.
Das Gericht betonte dabei, dass zu unterscheiden sei zwischen arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen und solchen, die das Amt des Datenschutzbeauftragten betreffen. Bei Verletzung der Amtspflichten seien die gesetzlichen Sanktionen anzuwenden. Eine Kündigung sei stattdessen nicht möglich.
Außerdem führte das Gericht an, dass § 6 Abs. 4 BDSG ausdrücklich zwischen der Abberufung und der Kündigung unterscheide. Die Abberufung des Datenschutzbeauftragten sei grundsätzlich möglich. Dafür müsse ein Grund vorliegen, der nach Maßgabe des §626 BGB zu bestimmen sei. Darüber hinaus müsse der Grund mit der Funktion als Datenschutzbeauftragten in Verbindung stehen. Hinsichtlich der Kündigung stelle das Gesetz den Datenschutzbeauftragten unter einen besonderen Schutz. Die Kündigung sei grundsätzlich nicht möglich. Ausnahme dieser Regel sei das Vorliegen eines Kündigungsgrunds, der zur fristlosen Kündigung berechtige.
Aus Sicht des Gerichtes sei die ausdrückliche Unterscheidung zwischen Abberufung und Kündigung für die Kündigung des Datenschutzbeauftragten zu beachten. Wegen dieser Unterscheidung sei die Kündigung wegen einer Amtspflichtverletzung nicht möglich.
Zusätzlich sei der Sinn und Zweck der Abberufung und Kündigung zu berücksichtigen. Um den Datenschutzbeauftragten die freie Funktionsausübung zu ermöglichen, sei die Abberufung nicht ohne Grund möglich. Der Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten begründe sich hingegen aus möglichen Konflikten. Diese könnten aufgrund der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und der Ausführung der datenschutzrechtlichen Funktion entstehen.