LAG: Bei verspäteter Auskunft kein Schadensersatz

14. Dezember 2023

Eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG) erregt Aufsehen. Das LAG hat am 28.11.2023 nämlich entschieden, dass im konkreten Fall kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz bei verspäteter Auskunft nach Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bestand. Ob es sich hierbei um eine ordnungsgemäße Anwendung von europäischem Recht handelt, ist fraglich.

Der Fall

Ein Immobilienunternehmen in Nordrhein-Westfalen sollte ursprünglich 10.000 Euro Entschädigung wegen einer Verletzung von Art. 15 DSGVO an einen ehemaligen Mitarbeiter zahlen. Die Firma sei als Arbeitsgeberin der Auskunftsanfrage nicht rechtzeitig nachgekommen. Sie habe zwar ein erstes Auskunftsverlangen erfüllt, aber ein darüberhinausgehendes nicht. Die 1. Instanz bestätigte die Rechtmäßigkeit dieses Antrags. Im Folgenden gab das Arbeitsgericht Duisburg dem Mitarbeiter mit seinem Schadensersatzbegehren wegen verspäteter Auskunft recht (Urt. v. 23.03.2023, Az.: 3 Ca 44/23). In der darauffolgenden Berufung lehnte nun das LAG jedoch die Klage ab und stellte fest, dass bei verspäteter Auskunft kein zwangsläufiger Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bestünde (Urt. v. 28.11.2023, Az. 3 Sa 285/23).

Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO

Das Auskunftsrecht, verankert in Art. 15 DSGVO, ist von essenzieller Bedeutung für den Schutz personenbezogener Daten. Es gewährt Einzelpersonen das Recht, von Verantwortlichen detaillierte Informationen über die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten zu erhalten. Dies ermöglicht es den Betroffenen, transparent nachzuvollziehen, welche Daten gespeichert sind, zu welchem Zweck sie verarbeitet werden und an wen sie möglicherweise weitergegeben werden.

Gemäß Art. 12 Abs. 3 DSGVO muss die Auskunft grundsätzlich unverzüglich erfolgen und darf nur in Ausnahmefällen später erfolgen. Zusätzlich muss der Verantwortliche nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO den Betroffenen, eine kostenlose erste Kopie ihrer verarbeiteten Daten zur Verfügung stellen. Der EuGH hat sogar kürzlich entschieden, dass entgegen § 630g Abs. 2 S. 2 BGB auch bei der Patientenakte die erste Kopie kostenlos sein muss. Zudem können Datenschutzbehörden bei Missachtungen schnell hohe Bußgelder verhängen. All dies zeigt die herausragende Bedeutung des Auskunftsrechts für den Datenschutz, indem es zur Selbstbestimmung und Kontrolle über die eigenen Daten beiträgt.

Der Anspruch auf Schadensersatz bei Missachtung

Wird das Auskunftsbegehren nicht ordnungsgemäß erfüllt, können Betroffene oft hohe Schadensersatzsummen gemäß Art. 82 DSGVO geltend machen. Hiervon umfasst ist auch ein immaterieller Schaden. Bisher galt die bloße Verletzung des Auskunftsrechts als ausreichend für immateriellen Schadensersatz, ohne dass ein konkreter Schaden nachgewiesen oder eine Erheblichkeitsschwelle erreicht werden musste. Um Missbrauch vorzubeugen hat der Europäische Gerichtshofs (EuGH) mittlerweile allerdings entschieden, dass wenigstens ein konkreter (immaterieller) Schaden für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen dargelegt werden muss (Urt. v. 04.05.2023, Az. C-300/21). Eine Erheblichkeitsschwelle muss jedoch weiterhin nicht erreicht werden.

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf

Das LAG Düsseldorf stützte seine Entscheidung zum einen auf die Anforderung eines konkreten Schadens. Bei dem bloßen Kontrollverlust über die Daten handle es sich lediglich um die Verletzung des Art. 15 DSGVO, nicht aber um einen darüberhinausgehenden immateriellen Schaden. Dieser müsse gesondert dargelegt werden, was hier nicht erfolgt sei.

Im Übrigen argumentiert das Gericht aber vor allem, dass eine Verletzung des Art. 15 DSGVO nicht zwangsläufig in den Anwendungsbereich des Art. 82 DSGVO falle. Die Norm verlange haftungsbegründend eine die DSGVO verletzende Datenverarbeitung. Liege nur eine bloße Missachtung des Art. 15 DSGVO vor, sei dies nicht der Fall.

Ausblick

Denkbar wäre, dass das LAG mit seiner Entscheidung einen Wandel in der Rechtsprechung angestoßen hat. Ob Art. 15 DSGVO in den Anwendungsbereich von Art. 82 DSGVO fällt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Deswegen hat das LAG die Revision auch zugelassen. Ob am Ende jedoch auch der für die Auslegung des Unionsrechts – und damit auch der DSGVO – zuständige EuGH, eine Herausnahme der Verletzung des Auskunftsrechts aus Art. 82 DSGVO bestätigt, bleibt sehr fraglich.

Fazit

Die Frage, ob die Entscheidung des LAG zu einem umfassenden Wandel in der Rechtsprechung führen wird, bleibt vorerst offen. Jedenfalls besteht die Gefahr, dass ohne einen Schadensersatz nach Art. 15 DSGVO er seine Bedeutung zu großen Teilen verlieren würde. Das könnte besonders für kleinere Fälle gelten, die nicht auf dem Radar der Datenschutzbehörde laden und somit keine Bußgelder erhalten. Wie oben aufgezeigt, ist das Auskunftsrecht allerdings essenziell für die Sicherung des Datenschutzes. Andererseits hat die extreme Ausweitung des immateriellen Schadensersatzes bei Verletzung des Auskunftsbegehren gezeigt, in welchem Maß dieser Anspruch missbraucht werden kann. In jedem Fall ist diese Entscheidung ein wichtiger Meilenstein, der die Diskussion über Schadensersatzansprüche im Kontext von verspäteten Datenanfragen neu entfachen könnte.