LG Hamburg: Haftung von juristischen Datenbanken

30. April 2024

Die Veröffentlichung von Gerichtsurteilen kann zu Datenschutzproblemen führen, wenn persönliche Daten nicht angemessen anonymisiert werden. Ein am 26.04.2024 vor dem Landgericht (LG) Hamburg verhandelter Fall beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der datenschutzrechtlichen Haftung von juristischen Datenbanken wie OpenJur.

Die Problematik der Veröffentlichung von Gerichtsurteilen

Nur ein sehr geringer Anteil an Gerichtsentscheidungen wird in Deutschland veröffentlicht. Das liegt unteranderem am Aufwand und der Angst vor Fehlern, die mit der aus Datenschutzgründen notwendigen Anonymisierung der im Urteil enthaltenden personenbezogenen Daten verbunden sind. Die öffentliche Zugänglichkeit von Rechtsprechungen ist allerdings elementar für die anwaltliche Tätigkeit und die Stärkung des Vertrauens der Bürger in das Justizsystem. OpenJur trägt zur Zugänglichmachung von Gerichtsentscheidungen bei. Dabei bezeichnet sich das Unternehmen selbst als eine freie Rechtsprechungsdatenbank, die unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen gemeinnützig und spendenfinanziert betrieben wird.

Der zugrundeliegende Fall

Der Kläger ist laut LTO ein Jurist. Grundlage der Datenschutzverletzung war ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin, an dem er beteiligt war. Dieses hatte OpenJur im Jahre 2022 inklusive des Namens des Klägers veröffentlicht. OpenJur argumentiert, dass der Fehler schon beim VG Berlin passiert sein müsse. Sie kopierten nur die Texte aus den Rechtsprechungsdatenbanken der Bundesländer. Die Anonymisierung hatte OpenJur direkt nach Erhalt der Abmahnung vorgenommen. Der Kläger wendet sich vor dem LG Hamburg trotzdem gegen OpenJur und fordert Schadensersatz und Unterlassung. Er beruft sich dabei auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und argumentiert, dass sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sei, da sein Name in Verbindung mit dem Urteil ein Jahr öffentlich einzusehen war. Da es in dem Urteil unteranderem um finanzielle Engpässe des Juristen ging, behauptet er, dass er durch die mögliche Kenntniserlangung durch Mandanten jedenfalls einen immateriellen Schaden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO erlitten habe.

Haftung bei öffentlichen Gerichtsprozessen

Das LG Hamburg muss sich nun in der Rechtssache 324 O 278/23 mit der Frage über die Haftung von juristischen Datenbanken auseinandersetzen. Dabei geht es auch darum, inwieweit die DSGVO auf öffentliche Gerichtsprozesse anwendbar ist. Laut LTO argumentierte OpenJur hierzu, dass schon „Veröffentlichung personenbezogener Daten durch OpenJur vorliege, da sie bereits beim VG Berlin öffentlich zugänglich gewesen seien. Laut der Richterin sei „die Saal-Öffentlichkeit“ allerdings nicht mit der „Internet-Öffentlichkeit“ gleichzustellen. Insgesamt erscheine eine Anwendbarkeit der DSGVO für wahrscheinlich.

Das Presseprivileg der DSGVO

Gegebenenfalls kann sich OpenJur auch auf eine Ausnahme aufgrund der Pressefreiheit nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO berufen. Die Frage, ob juristische Datenbanken, die nur Rechtsprechungen kopieren journalistische Arbeit leisten, ist unklar. Die Klägerseite vertrat laut LTO die Ansicht, dass hierbei eine „redaktionelle Aufarbeitung“ fehle. Hingegen argumentierten die Vertreter von OpenJur, dass es sich hierbei um den unionsrechtlich geprägten Pressebegriff handle, dessen Ausmaß noch nicht abschließend geklärt sei.

Haftungsausschluss bei fremdem Fehler?

Daneben kommt es auch noch auf die Sorgfaltspflichten von Datenverarbeitern an ob eine Haftung entfällt, falls der Fehler tatsächlich dem VG Berlin zuzuschreiben ist. Hier könnte Art. 82 Abs.3 DSGVO als Haftungsausschluss herangezogen werden. Dafür dürfte aber auch in der Übernahme und Veröffentlichung des fehlerhaften Texts kein Verschulden liegen. Nach Ansicht des OpenJur-Vertreters spreche hierfür ein Urteil des BVerfG vom 09.03.2010 (BvR 1891/05), nachdem die Presse auf Kundgaben amtlicher Stellen erhöht vertrauen dürfte. Daneben hätten die Prozessvertreter laut LTO auch darauf verwiesen, dass ihnen als „kleines Non-Profit-Unternehmen“ eine umfassendere Kontrolle nicht möglich sei.

Der immaterielle Schadensersatz

Zuletzt ist auch fraglich, inwiefern tatsächlich ein immaterieller Schaden vorliegt. Dessen Umfang hat der EuGH noch nicht abschließend definiert. In letzter Zeit hat der EuGH allerdings einige Entscheidungen erlassen, die verdeutlichen, dass nicht jede Datenschutzverletzung auch einen immateriellen Schaden begründet. Anfang des Jahres entschied der EuGH etwa, dass lediglich ein ungutes Gefühl wegen einer kurzen Datenweitergabe noch keinen immateriellen Schaden darstellt. Im April bestätigte der EuGH nun erneut, dass ein immaterieller Schaden einen konkreten, nachweisbaren Schaden erfordert. Der EuGH ließ jedoch offen, welche Kriterien hierfür erfüllt sein müssen. Hier könnte die lange Dauer der Veröffentlichung und die insgesamt hohe Reichweite von OpenJur Indizien für einen immateriellen Schaden sein.

Fazit

Der Entscheidungstermin ist für den 26.07.2024 angesetzt. OpenJur habe erklärt, dass die Entscheidung relevant für das Weiterbestehen des Unternehmens sei. Deshalb sehe man von einem Vergleich ab. Somit wird das LG Hamburg sich im Juli mit den verschiedenen Fragen zur Haftung von juristischen Datenbanken auseinandersetzen.