OLG Stuttgart zu postalischer Werbung ohne Einwilligung

5. April 2024

In einem Beschluss vom 02.02.2024 hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit der rechtlichen Situation bezüglich postalischer Werbung ohne vorherige Einwilligung und ohne bestehende Kundenbeziehung auseinandergesetzt. Diese Entscheidung wirft Licht auf die Rechte von Unternehmen, Marketingaktivitäten über traditionelle Postsendungen durchzuführen. Im Übrigen wirft sie auch die Frage auf, inwiefern postalische Werbung noch zeitgemäß ist.

Der ursprüngliche Fall

Die Beklagte sendete dem Kläger an seine Wohnadresse auf postalischen Weg Werbung von der Hannoverschen Lebensversicherung AG zu. Dies tat die Beklagte im Auftrag der Versicherung zum Zweck des Marketings. Die Beklagte bekam die personenbezogenen Daten des Klägers von einem Schweizer Adresshändler. Eine Datenverarbeitung fand lediglich im Sinne des „Lettershop-Verfahrens“ statt. Hierbei legen die werbetreibenden Unternehmen nur die Werbeinhalte und eine Zielgruppe gegenüber dem Marketingunternehmen fest. Das bedeutet, dass die Versicherung die Daten nicht übermittelt bekam und sie nur nutzte, ohne sie selbst zu erhalten. Eine Einwilligung des Klägers hierzu oder eine vorherige Kundenbeziehung existierte nicht.

Der Kläger sah in dem Vorgehen einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch eine Datenverarbeitung ohne Rechtsgrundlage, weshalb er einen immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 DSGVO vor dem LG Stuttgart geltend machte. Mit Urteil vom 25.02.2022 wies das LG Stuttgart die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger vor dem OLG Stuttgart Berufung ein.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart

Das OLG Stuttgart schloss sich mit Beschluss vom 02.02.2024 (2 U 63/22) der Ansicht des LG Stuttgart an und wies die Berufung als unbegründet ab. Es bestätigte, dass für die Rechtmäßigkeit von Direktwerbung keine vorherige Kundenbeziehung oder Einwilligung erforderlich ist.

Die Beklagte habe sich zurecht auf die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt. Das hierfür erforderliche berechtigte Interesse ergebe sich aus dem wirtschaftlichen Interesse ihres Auftraggebers an der Marketingmaßnahme. Auch handle es sich bei Direktwerbung nach Erwägungsgrund Nr. 47 DSGVO um ein berechtigtes Interesse. Dafür, dass Direktwerbung nur bei einer vorherig bestehenden Kundenbeziehung ein berechtigtes Interesse darstelle, bestünden keine Anhaltspunkte.

Zudem sei die Datenverarbeitung für die Direktwerbung erforderlich, da kein milderes Mittel existiere. Die Zusendung von Werbung auf dem elektronischen Weg ohne Einwilligung stelle gerade kein milderes Mittel, sondern vielmehr eine unzumutbare Belästigung dar. Auch eine Interessenabwägung falle nicht zu Gunsten des Klägers aus, solange er keinen Widerspruch nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO geäußert hat.

Im Übrigen reiche vorliegend für einen immateriellen auch nicht, dass der Kläger behauptet durch einen Verlust seiner Daten eine „seelisch belastende Ungewissheit über das Schicksal der Daten“ erlitten zu haben. Hierfür müsse ein reales Risiko der zukünftigen missbräuchlichen Datennutzung bestehen. Hier fand eine Datenübermittlung jedoch nicht statt. Auch kann nicht von einer weiteren Datenverarbeitung aufgrund der Löschung oder zumindest eines Sperrvermerks ausgegangen werden.

Ist postalische Werbung tatsächlich weniger belastend als Werbung per E-Mail?

Unabhängig davon ist aber insgesamt fraglich, ob die Entscheidung des OLG Stuttgarts, postalische Werbung als weniger belastend als elektronische Werbung zu bewerten, noch zeitgerecht ist. Das wird insbesondere fraglich, durch den bloßen Verweis auf die „Wertung der deutschen Rechtsordnung“ und zwei BGH-Urteile von 1992 und 2011.

So ist es durchaus denkbar, heutzutage die Werbung per Brief, für die die private Wohnadresse bekannt sein muss, als einschneidender zu werten, als lediglich die Kenntnis einer E-Mail-Adresse, die deutlich mehr Anonymität bieten kann. Außerdem wächst der Anteil der jungen Generation stetig, die auf das Sparen von Papier erheblichen Wert legen und für die es belastender ist einen Brief zur Mülltonne zu tragen, als lediglich eine Werbemail in den Papierkorb zu verschieben.

Das bedeutet nicht, dass die Gefahren von elektronischer Datenverarbeitung, etwa aufgrund von Cybersicherheit, nicht zu unterschätzende und belastende Risiken bieten können. Nichtsdestotrotz wäre hier eine genauere Auseinandersetzung mit der Thematik erfreulich gewesen.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Stuttgart zu postalischer Werbung ohne Einwilligung oder Kundenbeziehung unterstreicht trotzdem weiterhin die anerkannte Zulässigkeit von Werbung per Brief. Unternehmen können insofern weiterhin auf dieses Marketinginstrument zurückgreifen, um potenzielle Kunden zu erreichen. Mitthilfe von Sperrlisten sollten sie jedoch regelmäßig prüfen, ob die Adressaten gegebenenfalls keine Werbung erhalten wollen.