Schlagwort: Exekutiverlass

EU-Ausschuss lehnt Angemessenheit des EU-US-Datenschutzrahmens in Entwurf einer Stellungnahme ab

17. Februar 2023

Die Europäische Kommission hatte im Dezember 2022 den Entwurf eines Angemessenheitsbeschlusses für die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auf Grundlage des neuen „EU-US Datenschutzrahmens“ veröffentlicht. Am 14. Februar 2023 forderte nun der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments die Europäische Kommission in einer Stellungnahme dazu auf, den möglichen Angemessenheitsbeschluss auf der Grundlage des vorgeschlagenen EU-US-Datenschutzrahmens nicht anzunehmen. Der Ausschuss argumentierte, dass der Rahmen keine tatsächliche Gleichwertigkeit mit der Europäischen Union (EU) in Bezug auf das Datenschutzniveau herstelle.

Rechtsverletzungen und zu große Unsicherheit

In der Stellungnahme wird zunächst auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und ihre Artikel über den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz verwiesen. Sie zitiert auch die Schrems I und II Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), in denen die Abkommen Safe Harbour und Privacy Shield für ungültig erklärt wurden. In der Stellungnahme wird betont, dass der wahllose Zugriff von Nachrichtendiensten auf die elektronische Kommunikation das Grundrecht auf Vertraulichkeit der Kommunikation und das Wesen des Rechts auf einen Rechtsbehelf verletzte.

Darüber hinaus werden auch die jüngsten Entwicklungen in den USA erwähnt, darunter Präsident Bidens Executive Order 14086 (EO) über die Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen für die Aktivitäten der US-Signalaufklärung und die vom US-Justizminister erlassene Verordnung über das Datenschutzprüfungsgericht. Man erkenne an, dass die USA Schritte unternommen hätten, um Bedenken im Zusammenhang mit Überwachung und Datenschutz auszuräumen, betone jedoch, dass ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten unerlässlich sei.

Die inhaltlichen Definitionen der Begriffe “Verhältnismäßigkeit” und “Notwendigkeit” in der Executive Order, die den Rahmen bildet, stimmten nicht mit ihrer Bedeutung und Auslegung in der EU überein. Darüber hinaus könne der US-Präsident diese ändern, wodurch sie unklar, ungenau und in ihrer Anwendung unvorhersehbar seien. Das Gericht für die Überprüfung des Datenschutzes sei nicht transparent, unabhängig oder unparteiisch und Entscheidungen würden nicht veröffentlicht oder den Beschwerdeführern zugänglich gemacht. Schließlich verfügten die Vereinigten Staaten auch nicht über ein Bundesdatenschutzgesetz. Dabei wurden bestehende datenschutzrechtliche Gesetze der Bundesstaaten sowie branchenspezifische Bundesgesetze allerdings außer Acht gelassen.

Fazit und Ausblick

Der Ausschuss kommt zu dem Schluss, dass der Datenschutzrahmen zwischen der EU und den USA keine tatsächliche Gleichwertigkeit des Schutzniveaus herstellt und fordert die Kommission auf, die Verhandlungen mit ihren US-amerikanischen Partnern fortzusetzen, um so einen Mechanismus zu schaffen, der eine solche Gleichwertigkeit gewährleistet und das angemessene Schutzniveau bietet, das nach dem Datenschutzrecht der Union und der Charta in der Auslegung durch den EuGH erforderlich ist. Er fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Angemessenheitsentscheidung nicht anzunehmen. Es ist wahrscheinlich, dass sich das EU-Parlament dieser Haltung anschließen wird.

Die Aufforderung des Ausschusses an die Kommission, unter diesen Voraussetzungen keine neue Angemessenheitsentscheidung in Bezug auf die USA zu erlassen, ist nicht bindend. Die Einwände des Ausschusses und seine Forderung nach sinnvollen Reformen sind angesichts der Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten allerdings nachvollziehbar. Die vom Ausschuss hervorgehobenen Probleme müssen angegangen werden, um sicherzustellen, dass personenbezogene Daten in einem Abkommen zwischen der EU und den USA angemessen geschützt werden. Andernfalls gilt es als wahrscheinlich, dass auch dieses Abkommen der Rechtsprechung und Auslegung des EuGH nicht standhalten würde.

Präsident Biden unterzeichnet Exekutiverlass zur Umsetzung des Datenschutzabkommens zwischen der EU und den USA

17. Oktober 2022

In dem Disput zwischen der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten über den Transfer personenbezogener Daten über den Atlantik zeichnet sich eine Lösung ab. Am 07.10.2022 unterzeichnete Präsident Biden eine Exekutivanordnung über die Verbesserung der Schutzmaßnahmen für die Aktivitäten der US-amerikanischen Nachrichtendienste. Das Dekret soll der „Signal Intelligence“, also der elektronischen Aufklärung der US-Geheimdienste, engere Regeln setzten. Darin werden nun die Schritte festgelegt, die die Vereinigten Staaten unternehmen, um die von Präsident Biden und der Präsidentin der Europäischen Kommission von der Leyen im März 2022 angekündigten Zusagen der USA im Rahmen des Datenschutzrahmens zwischen der EU und den USA (Trans-Atlantic Data Privacy Framework (TADPF)) umzusetzen.

Hintergrund

Das neue Regelwerk soll eine erhebliche Lücke im Datenschutz auf beiden Seiten des Atlantiks schließen. Das erste Abkommen („Safe Harbor“) fiel 2015, das nachfolgende („Privacy Shield“) 2020. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in den Urteilen Schrems I (Az.: C-362/14) und Schrems II (Az.: C 311/18) entschieden, dass das Datenschutzniveau in den Vereinigten Staaten nicht den Standards der EU entspreche. Die Verfahren hatte der österreichische Jurist Max Schrems mit seinem Datenschutzverein „noyb“ angestrengt. Das Gericht kam zu dem Entschluss, dass die Vereinigten Staaten über zu umfangreiche Kontrollmöglichkeiten für europäische personenbezogene Daten verfügten. Das Verfahren schuf enorme Unsicherheit über die Voraussetzungen für Unternehmen, personenbezogene Daten aus der Europäischen Union in die Vereinigten Staaten in einer Weise zu übertragen, die mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Verpflichtung zu Schutzmaßnahmen

Große und kleine Unternehmen aus den USA und der EU in allen Wirtschaftszweigen sind auf grenzüberschreitende Datenströme angewiesen, um an der digitalen Wirtschaft teilzuhaben und ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten erweitern zu können.

Mit dem neuen Abkommen sollen die europäischen Bedenken gegen die Überwachung durch US-Geheimdienste ausgeräumt werden. Vergangenen März, nachdem sich die USA und die EU grundsätzlich auf den neuen Rahmen geeinigt hatten, erklärte das Weiße Haus in einem Fact Sheet, dass die USA sich verpflichtet hätten, neue Schutzmaßnahmen einzuführen, um sicherzustellen, dass die Aktivitäten der Nachrichtendienste zur Verfolgung definierter nationaler Sicherheitsziele notwendig und verhältnismäßig sind.

Voraussetzungen für Eingriffe definiert

Die US-Verordnung nennt zunächst auch die Fälle, bei denen das Sammeln personenbezogener zulässig bleibe. Dazu gehöre beispielsweise der Kampf gegen den Terrorismus oder auch Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit. Rechtswidrig wäre ein Eingriff beispielsweise dann, wenn er in diskriminierender Absicht erfolge. Darüber hinaus soll der neue Rechtsrahmen es Einzelpersonen in der EU ermöglichen, über ein unabhängiges Datenschutzprüfungsgericht Rechtsmittel einzulegen. In einem ersten Schritt soll dann ein Beamter des Direktorats der US-Geheimdienste („Civil Liberties Protection Officer“ (CLPO) im Office of the Director of National Intelligence) Beschwerden von EU-Bürgerinnen und Bürgern prüfen. Anschließend würde ein Gremium (Data Protection Review Court (DPRC)) mit „uneingeschränkter Befugnis“ über Ansprüche entscheiden und bei Bedarf Abhilfemaßnahmen anordnen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt werden.

Verhältnismäßigkeit und Rechtsbehelf weiterhin problematisch

Schon unmittelbar nach der Veröffentlichung wurde Kritik laut. Der Datenschutzverein noyb kündigte bereits an, gerichtlich gegen den Angemessenheitsbeschluss vorgehen zu wollen, wenn dieser die Executive Order der USA als legitim akzeptiere. Auf den ersten Blick versuche man hier ein drittes Abkommen ohne rechtliche Basis, so der Jurist Max Schrems. „Ich gehe davon aus, dass auch ein neues Abkommen bald vom EuGH kassiert wird.“ In den USA bestehe weiterhin die Situation der ständigen Massenüberwachung. Um eine Verhältnismäßigkeit gewährleisten zu können, müssten die USA aber auch dasselbe Verständnis von Verhältnismäßigkeit haben und anwenden, wie es die Grundrechtscharta vorsehe. Darüber hinaus werde auch der vom EuGH geforderte Rechtsbehelf nicht umgesetzt. „Obwohl die Stelle Court (Gericht) heiße, sei es tatsächlich kein Gericht, sondern eine Stelle der Exekutive”, so Schrems.

Der Ball liegt nun im Feld der EU-Kommission, die nun über den Erlass entscheiden muss und ggf. einen dazu passenden eigenen Rechtsrahmen erarbeiten könnte. Das könnte bis zum Frühjahr dauern. Es bleibt abzuwarten, ob der neue Rechtsrahmen dann den Anforderungen des EuGHs standhalten würde.