Schlagwort: Meldebehörde

Unzulässige Melderegisterauskünfte: Wahlwerbung für Kleinkinder

1. Juli 2019

Bei der baden-württembergischen Landesdatenschutzbehörde sind vermehrt Beschwerden gegen Meldebehörden im Zusammenhang mit der Wahlwerbung im Rahmen der Europa- und Kommunalwahlen im Mai eingegangen. In einigen Fällen sollen Kleinkinder und Säuglinge personalisierte Wahlwerbung erhalten haben.

Grundsätzlich können Parteien bei Meldebehörden unter bestimmten Voraussetzungen Daten von Wahlberechtigten zum Zwecke der Wahlwerbung erfragen (§ 50 Abs. 1 Bundesmeldegesetz). Dies ist aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig, soweit die Betroffenen dagegen keinen Widerspruch eingelegt haben. Teilweise haben Meldebehörden aber auch Daten von Nichtwahlberechtigten und Personen, für die eine Übermittlungssperre eingetragen war, weitergegeben. Laut Datenschutzbehörde war diese Datenverarbeitung nicht zulässig, sodass es sich um Datenpannen bei den Behörden handelt.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg Dr. Stefan Brink hob in einer Pressemittelung den dringenden Handlungsbedarf bei Meldebehörden hervor und drückte sein Verständnis für den Unmut der Bürger aus. Daneben betonte er aber auch die Bedeutung des Auskunftsrechts der Parteien in diesem Zusammenhang: „Parteien nehmen im demokratischen Willensbildungsprozess eine hervorgehobene Rolle ein und sind deshalb melderechtlich privilegiert“.

Datenschutzkonforme Wahlwerbung im Superwahljahr 2017

20. April 2017

Das Jahr 2017 ist ein Superwahljahr für die Bundesrepublik Deutschland. Im Saarland wurde bereits im März ein neuer Landtag gewählt. Im Mai folgen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und im September finden die Wahlen zum 19. Deutschen Bundestag statt.

Das heißt auch, dass der Wahlkampf im vollen Gange ist und die Parteien bei den Wahlberechtigten um ihre Stimmen werben. Für Parteien sind – wie für andere Unternehmen auch – personenbezogene Daten der (potentiellen) Zielgruppe von wichtiger Bedeutung.

Dem betroffenen Bürger mögen sich daher die folgenden Fragen stellen: Woher haben Parteien die Daten der Wahlberechtigten? Welche Daten dürfen in welchem Umfang genutzt werden? Wie kann ich der Nutzung meiner Daten zum Zwecke der Wahlwerbung widersprechen?

Parteien erhalten auf Anfrage von den Meldebehörden 6 Monate vor einer Wahl Auskunft über die Daten der Wahlberechtigten. Im Umgang mit personenbezogenen Daten gilt auch für Parteien der Grundsatz vom Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das heißt, personenbezogenen Daten dürfen nur genutzt werden, wenn der betroffene Wahlberechtigte seine Einwilligung erteilt hat oder eine gesetzliche Grundlage die Nutzung von personenbezogenen Daten erlaubt. Eine solche gesetzliche Grundlage ergibt sich aus § 50 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG). Darin heißt es, dass die Meldebehörde Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen auf staatlicher und kommunaler Ebene in den sechs der Wahl oder Abstimmung vorangehenden Monaten Auskunft aus dem Melderegister über die Gruppen von Wahlberechtigten erteilen darf.

Das Auskunftsrecht der Parteien bezieht sich jedoch „nur“ auf folgende Daten: Familienname, Vornamen unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens, Doktorgrad und derzeitige Anschriften sowie – sofern die Person verstorben ist – diese Tatsache. Die Übermittlung von weiteren Daten, beispielsweise der Religionszugehörigkeit, ist unzulässig.

Hinsichtlich der Nutzung der Daten haben die Parteien den Grundsatz der Zweckbindung zu beachten. Nach § 50 BMG dürfen die Parteien die Daten nur für Werbung bei einer Wahl oder Abstimmung verwenden.

Die Grundsätze der Datensparsamkeit und Erforderlichkeit müssen die Parteien ebenfalls beachten und innerhalb eines Monats nach der Wahl oder Abstimmung die Daten löschen.

Jeder Wahlberechtige, der nicht wünscht, dass seine oben genannten Daten an diverse Parteien übermittelt werden, kann gegenüber der jeweils für ihn zuständigen Meldebehörde, einer Auskunft gegenüber den Parteien widersprechen.

Melderegister: Lukratives Geschäft mit den Bürgerdaten

28. September 2012

Medienangaben zufolge war das Jahr 2011 ein für die großen deutschen Städte sehr erfolgreiches Jahr, soweit man die Zahl der Auskünfte und Einnahmen von Einwohnermeldedaten heranzieht. Insgesamt soll im vergangenen Jahr etwa 4,5 Millionen Auskunftsersuchen nachgekommen sein und damit über 12 Millionen Euro Umsatz gemacht worden sein, der kausal auf das Melderechtsrahmengesetz (MRRG) zurückzuführen sei.

Jeder Bürger ist nach dem MRRG verpflichtet, einen Wohnortwechsel der Meldebehörde mitzuteilen (§ 11 Abs. 1 MRRG). Die von der Meldebehörde erhobenen und gespeicherten personenbezogenen Daten sind dabei umfangreicher, als es sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Gemäß § 2 Abs. 1 MRRG sind neben dem Namen und der Anschrift etwa auch Daten zu Geburtstag und –ort, dem ggf. vorhandenen gesetzlicher Vertreter, Staatsangehörigkeiten, der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, dem Familienstand und der Familienverhältnisse gespeichert. Einen bestimmten Teil dieser Daten, namentlich den Vor- und Familiennamen, einen ggf. vorhandenen Titel sowie die Anschrift dürfen die Melderegister gemäß § 21 Abs. 1 MRRG an Unternehmen und Private herausgeben.

Davon werde rege Gebrauch gemacht. Allein Berlin soll 2011 fast 1,1 Millionen einfachen Melderegisterauskünften nachgekommen sein ,was zu Einnahmen in Höhe von  1,3 Millionen Euro geführt habe. Hamburg könne mit knapp 230.000 Auskünften sogar 1,9 Millionen Euro an Einnahmen verbuchen. Ein großer Teil der Auskunftsersuchen komme i.d.R. von Unternehmen. Genauere Angaben über das Ausmaß und die Art der übermittelten Daten sowie an welche Stellen die Daten übermittelt werden, sollen die meisten Städte jedoch nicht liefern.

Die Übermittlung der Daten durch die Meldebehörden unterliegt nicht den im Datenschutz sonst vorherrschenden Grundsätzen, nach denen eine Datenübermittlung nur dann zulässig ist, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder enge gesetzliche Ausnahmetatbestände greifen. Möglich macht dies das MRRG. Der Betroffene kann die Übermittlung lediglich durch die in den in § 21 Abs. 5 und 7 MRRG bestimmten Fällen verhindern. Mit der Schaffung des neuen Bundesmeldegesetzes besteht nach dem aktuellen Stand der Entwurfsfassung sogar die Gefahr, dass die bisher bestehenden gering ausgeprägten Widerspruchsmöglichkeiten des Bürgers noch weiter eingeschränkt werden. Es besteht jedoch Grund zur Hoffnung, dass der Bundesrat, der dem Gesetzesentwurf zustimmen muss, das Gesetz in dieser Form nicht passieren lassen wird. In seiner Sitzung vom 21. September 2012 hat der Bundesrat dann auch die Anrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen, so dass mit weiteren Änderungen gerechnet werden kann.

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