Schlagwort: Arbeitgeber

LAG Rheinland-Pfalz: Datenweitergabe zwischen Arbeitgebern

31. August 2022

Das LAG Rheinland-Pfalz hat am 05.07.2022 (Az. Az. 6 Sa 54/22) entschieden, dass ein Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Weitergabe von Informationen über seine ehemalige Arbeitnehmerin an ihren neuen Arbeitgeber haben könne.

Der Sachverhalt

Hintergrund der Entscheidung waren verschiedene Äußerungen, die der ehemalige Arbeitgeber der Klägerin gegenüber deren neuen Arbeitgeber getätigt habe. Unter anderem behauptete der beklagte Arbeitgeber, dass die Klägerin verschiedene Pflichtverletzungen während der Anstellungen verübt habe.

Das Ziel des beklagten Arbeitgebers sei es gewesen, den neuen Arbeitgeber und dessen Kunden vor einem möglichen Schaden zu schützen. Gegen die getätigten Äußerungen wollte die Arbeitnehmerin einen Unterlassungsanspruch geltend machen.

Die Entscheidung

Das LAG stellte fest, dass ein Arbeitnehmer vor der Offenlegung von personenbezogenen Daten durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt sei. Dieser Schutz erstrecke sich auch auf Daten, die der Arbeitgeber in zulässiger Weise erlangt habe. Grundsätzlich habe jedermann das Recht selbst darüber zu entscheiden, „(…) wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.“ (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2022, Az. 6 Sa 54/22, Rn. 43)

Außerdem, so das Gericht, müsse der Arbeitgeber vor Weitergabe der Informationen eine Abwägung zwischen seinem Interesse an der Weitergabe und dem allgemeinem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vornehmen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses treffe den Arbeitgeber einerseits eine Fürsorgepflicht. Andererseits könne der Arbeitgeber aber ein Interesse daran haben, „(…) andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen.“ (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2022, Az. 6 Sa 54/22, Rn. 43)

Das Fazit

In seiner Argumentation folgte das LAG einer älteren Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 18.12.1984, Az. 3 AZR839/83). Dieses hatte bereits über das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Informationsweitergabe entschieden. Das LAG lies es offen, ob die zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen auf dem Gebiet des Datenschutzrechtes möglicherweise das Auskunftsrecht des Arbeitgebers, dass nach Durchführung der Interessenabwägung bestehen könne, tangieren. Jedenfalls habe der ehemalige Arbeitgeber in diesem Fall kein Interesse an der Weitergabe der Informationen. Demnach bestehe der Unterlassungsanspruch der Klägerin.

Schadensersatz für vergessenes Online-Profil nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1. März 2021

Übersieht ein Arbeitgeber bei der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, dass das Profil eines ehemaligen Arbeitnehmers weiterhin im Internet abrufbar ist, so liegt darin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die einen Schmerzensgeldanspruch des Arbeitnehmers rechtfertigt.

Das hat das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 14.09.2020 (Az.: 2 Sa 358/20) entschieden, als es der Klägerin, die bei der Beklagten bis August 2018 als Professorin beschäftigt war, ein Schmerzensgeld von 300 Euro zusprach.

Die Beklagte speicherte im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses das Profil der Klägerin als PDF auf ihrer Homepage. 2015 stellte die Beklagte ihre Homepage auf HTML um. Dabei übersah sie, dass die isolierte PDF-Datei weiterhin im Internet abrufbar blieb. Mit der Folge, dass auch bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, als die Beklagte die Löschung des Profils der Klägerin nebst Foto vornahm, diese das PDF ebenfalls übersah.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Februar 2019 entdeckte die Klägerin dies, als sie ihren Namen googelte und das PDF unter den ersten zehn Treffern abrufbar war. Daraufhin verlangte sie von der Beklagten die Löschung des Profils sowie von Artikeln über ihre Forschungsvorhaben. Dem kam die Beklagte unverzüglich nach. Dennoch erhob die Klägerin Klage vor dem Arbeitsgericht Köln und verlangte von der Beklagten unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro aus Art. 82 DSGVO wegen der unberechtigten Vorhaltung des PDF auf dem Server der Beklagten.

Erstinstanzlich hat das Arbeitsgericht Köln der Klägerin Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO in Höhe von 300 Euro zugesprochen, da es in der Vorhaltung des PDF eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin – und mithin einen immateriellen Schaden – sah. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Das Landesarbeitsgericht Köln lehnte die Berufung der Klägerin ab. Dazu bestätigte es die Ausführungen der ersten Instanz nochmals:

Die Beklagte habe gegen Art. 17 DSGVO, das Recht auf Löschung, verstoßen. Danach hat die betroffene Person das Recht, von einem Verantwortlichen zu verlangen, dass die betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, sofern diese nicht mehr notwendig sind. Die Beklagte hätte daher nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Profil der Klägerin vollständig löschen müssen. Eine vollumfängliche Löschung nahm sie, wenn auch aus einem Versehen heraus, vorliegend aber nicht vor. Darin sah das Gericht einen Verstoß. Bei diesem handelte es sich laut Gericht auch nicht um ein Bagatelldelikt, da es für Dritte ohne Weiteres möglich war, durch Eingabe der entsprechenden Suchbegriffe die zu Unrecht nicht gelöschte Seite aufzurufen.

Der Höhe nach gaben beide Instanzen der Klage jedoch nicht vollumfänglich statt. Zwar soll die Verhängung eines Schadensersatzes abschreckende Wirkung haben, um zukünftige Verstöße zu vermeiden – zu berücksichtigen sei aber ebenfalls die Schwere der Beeinträchtigung. Eine solche Schwere, die ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro rechtfertigt, konnten beide Instanzen nicht erkennen. Insbesondere verneinten sie eine Reputationsschädigung der Klägerin. Vielmehr waren die veröffentlichten Tatsachen über die Klägerein inhaltlich richtig. Zudem sei auch nicht erkennbar, dass für die Beklagte irgendein Mehrwert mit der kurzzeitigen Aufrechterhaltung der Sichtbarkeit des PDF verbunden war. Daher – und unter Berücksichtigung, dass es sich nur um ein Versehen der Beklagten handelte – sei im vorliegenden Fall ein Schmerzensgeld von 300 Euro angemessen.

Beim Ausscheiden von Mitarbeitern sollte unter Berücksichtigung des Art. 17 Abs. 1 DSGVO daher immer geprüft werden, ob die Voraussetzung für einen Löschanspruch bzw. für eine Löschpflicht durch den Arbeitgeber vorliegt. Dies dürfte bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses fast immer der Fall sein, da der primäre Zweck der Datenspeicherung bzw. -verarbeitung in Form des Beschäftigtenverhältnisses in diesem Fall nicht mehr besteht.

Auskunftsanspruch im Arbeitsverhältis

30. Juni 2020

Gegen einen Anspruch auf Datenkopie des Art. 15 Abs. 3 DSGVO eines Arbeitnehmers kann sich der Arbeitgeber wehren, wenn der dafür erforderliche Aufwand in groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse steht. Das hat jedenfalls das AG Düsseldorf entschieden (noch nicht rechtskräftig).

Das Gericht gestand dem Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch im Grundsatz zu. Dazu führt es aus, dass die Auskunft vollständig und so konkret und detailliert sein muss, dass sich der Betroffene ein Bild davon machen kann welche Datenverarbeitungen zu welchen Zwecken erfolgen.

Der Arbeitgeber hat in der erteilten Auskunft pauschal erklärt, dass die Datenverarbeitung zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, namentlich zu dessen Abwicklung und Beendigung, zur Erfüllung bestehender rechtlicher Verpflichtungen und zur Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 26 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 lit. b, c und f DSGVO erfolge. Diese Auskunft stelle keine konkrete und detaillierte Zwecksetzungen dar, so das Gericht. Verstärkt werde dies dadurch, dass der Arbeitgeber auf einen Anhang verwiesen hatte. Die Bezugnahme auf einen Anhang, erst recht wenn er Hunderte Seiten umfasst, ersetze keine Mitteilung in Form und Sprache gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 DSGVO.

Besonders interessant sind die Ausführungen zum weiteren Klagebegehren des Arbeitnehmers – der Herausgabe einer Datenkopie. Das AG Düsseldorf folgert aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 8 Abs. 2 S. 1 GRCh und Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO, der für die gesamte Datenverarbeitung gelte, dass dem Verantwortlichen per se kein unverhältnismäßiger Aufwand abverlangt werden könne. Der Aufwand, nach personenbezogenen Daten des Klägers in sämtlichen Servern, Datenbanken, Web-Anwendungen, E-Mail-Postfächern, Verzeichnisstrukturen, Speichermedien, Smartphones, Notebooks und diversen anderen Endgeräten der Beklagten nebst aller Vorgesetzten und Kollegen des Klägers zu suchen, um sie in Kopie herausgeben zu können, stehe in grobem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Arbeitnehmers.

Immer öfter beschäftigen sich Gerichte mit der Frage, wie weit der Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO geht. Wir berichteten bereits über ein Urteil des LG Heidelberg. Hier wies das Gericht ein Auskunftsbegehren mit der Begründung ab, dass die Wiederherstellung und Aufbereitung der Daten aus einem Backup in dem konkreten Fall einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellten. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftige Rechtsprechung auf dieser Linie bleibt.

Kein Anspruch auf Auskunft über Backup-Daten bei unverhältnismäßigem Aufwand

24. April 2020

Eine für Arbeitgeber interessante Entscheidung hat das Landgericht Heidelberg getroffen (Urteil vom 06.02.2020 – Az. 4 O 6/19). Der Kläger begehrte als betroffene Person gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Verantwortlichen, Auskunft über alle ihn betreffenden personenbezogenen Daten. Hilfsweise begehrte er die Auskunft über die E-Mail-Korrespondenz in einem Zeitraum von rund 1,3 Jahren. Die betroffene Person war in diesem neun bis zehn Jahre zurückliegenden Zeitraum Vorstandsmitglied des Verantwortlichen. Der Verantwortliche hatte mittlerweile Insolvenz gemeldet und sämtliche Daten zu Backup-Zwecken an einen Dritten übergeben. Das Gericht lehnte den Auskunftsanspruch einer betroffenen Person ab. Die Wiederherstellung und Aufbereitung der Daten stellten in dem konkreten Fall einen unverhältnismäßigen Aufwand dar.

Präzisierung des Anspruchs auf Auskunft bei umfangreicher Verarbeitung

In seinen Urteilsgründen stellt das Gericht zunächst klar, dass die betroffene Person gegen den Verantwortlichen aus Art. 15 DSGVO grundsätzlich einen umfassenden Auskunftsanspruch über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten hat. Allerdings gewährt Erwägungsgrund 63 S. 7 DSGVO Verantwortlichen eine Erleichterung, die eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeiten. In einem solchen Fall kann der Verantwortliche von der betroffenen Person verlangen, dass sie ihr Auskunftsersuchen auf bestimmte Informationen oder bestimmte Verarbeitungstätigkeiten präzisiert.

Den umfassenden Hauptantrag der betroffenen Person wies das Gericht ab, weil sich der Anspruch auf alle personenbezogenen Daten bezog. Zu dem Hilfsantrag, in dem die betroffene Person ihr Auskunftsbegehren auf die E-Mail-Korrespondent in einem bestimmten Zeitraum konkretisierte, führte das Gericht weiter aus:

Zweifel an Erstreckung des Anspruchs auf Backup-Daten

Es könne bereits bezweifelt werden, dass der Verantwortliche die im Backup bei einem Dritten gespeicherten Daten überhaupt noch verarbeitet. Denn der Auskunftsanspruch beziehe sich regelmäßig nicht auf Daten, die an einen Dritten übergeben worden seien. Das könne auch dann gelten, wenn der Verantwortliche ein Zugriffsrecht hat.

Unverhältnismäßiger Aufwand gemessen am Informationsinteresse

Im Ergebnis stellt das Gericht aber darauf ab, dass die Erteilung der Auskunft für den Verantwortlichen einen unverhältnismäßig großen Aufwand darstellt. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass allein die Wiederherstellung der Daten Kosten von bis zu 4.000 € verursachen würde. Zudem können davon ausgegangen werden, dass die betroffene E-Mail-Korrespondenz mehrere tausend E-Mails umfasse. Denn die betroffene Person war über ein bis eineinhalb Jahre Vorstandsmitglied den Verantwortlichen. All diese Mails müssten zur Sicherung berechtigter Interessen Dritter gesichtet und geschwärzt werden, bevor sie an die betroffene Person herausgegeben werden könnten. Diese Aufbereitung würde bei dem Verantwortlichen unverhältnismäßige Ressourcen binden. Das Informationsinteresse der betroffenen Person sei demgegenüber zu gering. Das Gericht betonte, dass die begehrten Informationen neun bis zehn Jahren alt waren, der Anspruch erst spät geltend gemacht wurde, die betroffene Person seit neun Jahren nicht mehr für das verantwortliche Unternehmen arbeitete und es mittlerweile insolvent sei.

Bewertung

Das Gericht bezieht sich in seiner Entscheidung auf altes Recht: § 34 Abs. 7 i.V.m. § 33 Abs. 2 Nr. 1 BDSG alt kannten eine Ausnahme den Auskunftsanspruchs, wenn die Daten ausschließlich der Datensicherung dienten und eine Benachrichtigung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert hätte. Der Wegfall der Spezialnorm bedeute nicht, dass nun alle Backup-Daten dem Auskunftsanspruch unterfielen.

Eine entsprechende Ausnahme findet sich in § 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BDSG auch im aktuellen Recht. Die Entscheidung des Landgerichts Heidelberg kann dennoch nicht pauschal Auskunftsbegehren entgegengehalten werden, da sie einen Sonderfall betrifft. Sie steht insbesondere nicht einem Auskunftsbegehren entgegen, das sich auf im System des Verantwortlichen vorgehaltene Daten bezieht. Die Entscheidung zeigt aber Möglichkeiten auf, wie einem Auskunftsbegehren begegnet werden kann, wenn es eine aufwändige Wiederherstellung und Aufarbeitung der Daten nach sich ziehen würde.

Wenn der Verantwortliche eine große Menge personenbezogener Daten von der betroffenen Person verarbeitet und sich das Auskunftsbegehren auf alle Daten bezieht, sollte die betroffene Person zunächst darauf verwiesen werden, ihren Antrag auf bestimmte Datenkategorien, Zeiträume oder Verarbeitungstätigkeiten zu präzisieren.

Arbeitgeber darf Browserverlauf auf private Internetnutzung prüfen

18. Februar 2016

Zwischendurch auf der Arbeit schnell nach einem neuen Urlaubsziel suchen oder die Filmstarts der Woche recherchieren – die private Nutzung des Internets auf der Arbeit ist inzwischen üblich und für viele selbstverständlich. Dass das Thema “private Nutzung der dienstlichen IT am Arbeitsplatz” kein einfaches Thema ist und sowohl Arbeitgeber als auch Gerichte immer wieder beschäftigt, zeigen verschiedene Urteile der letzten Zeit.

Wie beck-aktuell berichtet, hat sich nun erneut ein Gericht mit dem Thema beschäftigt, diesmal das LAG Berlin-Brandenburg. Es hat am 14. Januar 2016 entschieden, dass der Arbeitgeber nicht nur den Browserverlauf seines Arbeitnehmers einsehen, sondern die gefundenen Ergebnisse auch als Grundlage der folgenden Kündigung nutzen darf. Anders als oft üblich, hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitscomputer ausschließlich zu dienstlichen Zwecken überlassen.

Nach Auffassung des LAG handele es sich hinsichtlich des Browserverlaufs zwar um personenbezogene Daten, in deren Kontrolle der Arbeitnehmer nicht eingewilligt habe. Eine Verwertung der Daten sei jedoch statthaft, weil das Bundesdatenschutzgesetz eine Speicherung und Auswertung des Browserverlaufs zur Missbrauchskontrolle auch ohne eine derartige Einwilligung erlaube und der Arbeitgeber im vorliegenden Fall keine Möglichkeit gehabt habe, mit anderen Mitteln den Umfang der unerlaubten Internetnutzung nachzuweisen.

Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Revision beim BAG zugelassen. Wir bleiben gespannt, wie dieses entscheiden wird.

Zum Thema “Überwachung am Arbeitsplatz” empfehlen wir auch die Orientierungshilfe der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder, über die ebenfalls hier im Blog berichtet wurde.