Schlagwort: Wettbewerbsrecht
31. März 2021
Das Bundeskartellamt will das Datensammeln von Facebook einschränken. Dies sollten Richter vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf klären. Nun hat das OLG Düsseldorf im Rechtsstreit zwischen Facebook und dem Bundeskartellamt einige entscheidungserhebliche Fragen zum EU-Datenschutzrecht dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Bisheriger Ablauf des Verfahrens
Das Bundeskartellamt hatte dem US-Internetkonzern im Jahr 2019 Beschränkungen für den Austausch von Daten auferlegt, worüber wir bereits berichteten. Die Behörde argumentierte: das Ausmaß, in dem Facebook Daten ohne Zustimmung der User sammelt und zwischen seinen Diensten teilt, stelle einen Missbrauch seiner Marktmacht dar.
Die Behörde hatte dem Konzern untersagt, Nutzerdaten der Facebook-Töchter WhatsApp und Instagram sowie Webseiten anderer Anbieter mit den Facebook-Konten der Nutzer zu verknüpfen, sofern der Nutzer in diese Datenerhebung und Datenverwendung nicht zuvor nach den Bestimmungen der DSGVO eingewilligt hat. Und falls die User ihre Erlaubnis nicht geben, dürfe Facebook sie nicht von den Diensten ausschließen. Eine solche Entflechtung der Datenströme hätte weitreichende Folgen für Facebooks Geschäftsmodell.
Der Präsident des Bundeskartellamts hatte damals insbesondere die Zusammenführung der Daten von unterschiedlichen Plattformen (Facebook, WhatsApp und Instagram) kritisiert. Der Düsseldorfer Oberlandesrichter Jürgen Kühnen erklärte seinerseits, dass die Datennutzung durch Facebook nicht zu einem Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung führe. Wie wir bereits berichteten, folgte eine Berufungsklage des Kartellamts vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Der BGH teilte die Meinung der Bundeskartellbehörde.
Entscheidung im Hauptsacheverfahren
Nun befasste sich das Düsseldorfer Gericht im Hauptsacheverfahren erneut mit der Akte, um ein endgültiges Urteil zu verkünden. Die zentrale Frage lautet: Dürfen Wettbewerbshüter das Kartellrecht als Werkzeug benutzen, um den Datenschutz durchzusetzen – oder überschreiten sie damit ihre Kompetenz? Dabei kam das Gericht laut Pressemitteilung zu folgendem Ergebnis: „Ob Facebook seine marktbeherrschende Stellung als Anbieter auf dem Markt für soziale Netzwerke deshalb missbräuchlich ausnutzt, weil es die Daten seiner Nutzer unter Verstoß gegen die DSGVO erhebt und verwendet, kann ohne Anrufung des EuGH nicht entschieden werden.“ Das OLG kann somit nicht ohne das EU-Gericht entscheiden, ob der US-Internetkonzern seine marktbeherrschende Stellung ausnutzt, weil er Daten seiner Nutzer unter Verstoß gegen Regeln des Datenschutzes sammelt und verwendet. Denn zur Auslegung des europäischen Rechts sei der EuGH berufen.
Dabei bekräftigte Kühnen die frühere Beurteilung seines Gerichts. Das OLG wird in den kommenden Wochen eine formelle schriftliche Eingabe an den EuGH machen und den Fall offiziell übergeben.
Ausblick
Der EuGH soll entscheiden, ob der US-Internetkonzern eine marktbeherrschende Stellung ausnutzt, indem er Daten seiner Nutzer und Nutzerinnen unter Verstoß gegen Regeln des Datenschutzes sammelt und verwendet. Zu klären ist zudem, ob eine nationale Kartellbehörde DSGVO-Verstöße feststellen und dagegen vorgehen kann. Auch die Definition sensibler Daten soll genauer eingegrenzt werden. Bis zu einer Antwort wird das Verfahren am OLG ausgesetzt.
19. März 2021
Personenbezogene Daten, die Verbraucher in E-Mails angeben, dürfen von Unternehmen nicht für andere Werbezwecke genutzt werden. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Saarlouis durch Beschluss vom 16.02.2021 (Az. 2 A 355/19) und bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Saarlouis vom 29.10.2019 (Az. 1 K 732/19). Durch die Angabe einer Telefonnummer in einer E-Mail, willigt der Verbraucher nicht automatisch in Werbeanrufe ein. Nutzen Unternehmen die Telefonnummer für Werbeanrufe, liegt darin ein Verstoß gegen die DSGVO.
Hintergrund der Entscheidung:
Die Klägerin, ein Unternehmen, ist im Bereich der Versicherungsvermittlung, der Vermögensanlage sowie der Finanzierung tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit betrieb sie auch telefonische Werbetelefonate. Zwei Betroffene, die ebenfalls zu Werbezwecken von der Klägerin kontaktiert worden waren, beschwerten sich bei der zuständigen Datenschutzbehörde (Beklagten) darüber und gaben an, niemals eine Einwilligung in eine solche Werbeansprache erteilt zu haben. Die Datenschutzbehörde erließ nach Anhördung der Klägerin daraufhin eine Anordnung, in der sie die Klägerin zur Einstellung der Verarbeitung personenbezogener Daten für Werbezwecke nach Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO sowie zur Löschung der Daten der betroffenen Personen nach Art. 58 Abs. 2 lit. g DSGVO aufforderte. Zur Begründung führte sie an, vorliegend seien Name, Adresse und Telefonnummer der Betroffenen als personenbezogene Daten gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO erhoben und letztere zu Zwecken des telefonischen Direktmarketings ohne Einwilligung der Betroffenen durch das Unternehmen verwendet worden.
Dagegen erhob das Unternehmen Klage und gab an, eine wirksame Einwilligung sei durch ein vollständig durchlaufendes Double-Opt-In-Verfahren eingeholt worden.
Double-Opt-In
Bei diesem Verfahren erklärt der Nutzer in einem ersten Schritt seine Zustimmung zur Aufnahme in eine Verteilerliste durch die einmalige Eingabe seiner E-Mail-Adresse (sog. Single/Einfaches-Opt-In). In einem zweiten Schritt erhält er eine sich anschließende Bestätigungs-E-Mail mit der Möglichkeit, die Anmeldung zu bestätigen. Erst mit dieser Bestätigung wird die Registrierung wirksam und das Double-Opt-In abgeschlossen.
Im konkreten Fall hätten die Betroffenen sich für ein Gewinnspiel eingetragen, woraufhin sie eine Bestätigungs-E-Mail erhielten, die diese auch bestätigten, so die Klägerin. Zum Beweis dafür wies sie eine entsprechende Online-Registrierung aus, in der eine E-Mail-Adresse und der Eingang einer Bestätigungsmail vermekt waren.
Die Betroffenen verneinten die Eintragung in einen solchen Verteiler und eine entsprechende Bestätigung.
Die Entscheidung der Gerichte
Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Unternehmens ab, mit der Begründung, dass über das Double-Opt-In-Verfahren nur eine Einwilligung per E-Mail-Werbung generierbar sei, nicht aber auch für Telefonwerbung. Dies bestätigte das Oberverwaltungsgericht nun. Das Double-Opt-In Verfahren per E-Mail sei nicht zum Nachweis der Einwilligung in Telefonwerbung geeignet. Die Anforderungen an eine rechtmäßige Verarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllte die Klägerin nicht. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO ist eine Verarbeitung nur dann rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat. Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche gem. Art. 7 Abs. 1 DSGVO nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat. Diese konkreten Nachweise konnte die Klägerin im vorliegenden Fall nicht erbringen. Auch ein Rückgriff auf das in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO bezeichnete “berechtigte Interesse”, sei der Klägerin, so das OVG, verwehrt. Dies begründete es damit, dass die Bewertungsmaßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO berücksichtigt werden müssen. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber dem Verbraucher, ohne dessen vorherige ausdrückliche Enwilligung. Eine Berücksichtigung etwaiger “berechtigter Interessen” des Werbenden sei in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG aber nicht vorgesehen.
Fazit
Unternehmen dürfen Telefonnummern, die sie durch das Double-Opt-In-Verfahren per E-Mail erlangt haben, nicht für Werbeanrufe nutzen. Bei einem Verstoß gegen das UWG und der DSGVO drohen hohe Bußgelder.
8. November 2018
Das OLG Hamburg urteilte (Urt. v. 25. Oktober 2018, 3 U 66/17), dass Verstöße gegen die DSGVO Wettbewerbsverletzungen darstellen können. Dabei geht es um die Frage, ob Mitbewerber in solchen Fällen überhaupt befugt sind, Klage zu erheben (wir berichteten über Urteile der Landgerichte Würzburg und Bochum). Die DSGVO zählt auf, wer genau welche Ansprüche geltend machen kann. Mitbewerber sind dort nicht genannt, allerdings ermöglicht die Grundverordnung den Mitgliedsstaaten der EU, selbst Vorschriften über Sanktionen festzulegen. Solch eine Vorschrift könnte auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb darstellen, dies ist jedoch umstritten.
Die Richter vom Hanseatischen Oberlandesgericht jedenfalls sind davon überzeugt, dass die DSGVO „die Verfolgung datenschutzrechtlicher Verletzungshandlungen auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage durch Mitbewerber” nicht ausschließen würde.
Für Online-Händler bedeutet dieses Urteil weiterhin keine absolute Gewissheit, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Es bleibt daher zunächst nichts anderes übrig, als den Ausgang der weiteren kommenden Prozesse abzuwarten, bis die Rechtsprechung eine Linie gefunden hat.
6. November 2018
Immer noch umstritten ist die Frage, ob Verstöße gegen das Datenschutzrecht von Wettbewerbern abgemahnt werden können. Mittlerweile haben sich zwei Gerichte mit unterschiedlichen Ergebnissen damit auseinandergesetzt. Im Gegensatz zu den Richtern des Landgerichts Bochum bejahen die Richter am Landgericht Würzburg die Abmahnfähigkeit von Datenschutzrechtsverstößen.
Das Landgericht Würzburg entschied dies im Falle einer Rechtsanwältin, die mit ihrer Datenschutzerklärung auf ihrer Homepage nicht den gesetzlichen Anforderungen der DSGVO gerecht wurde. Eben dieser Verstoß führe weiterhin zu einem Wettbewerbsverstoß, der abmahnfähig sei.
Im Falle eines Online-Händlers, der seinen Informationspflichten auf seiner Website nicht nachgekommen war, hat das Landgericht Bochum entschieden, dass der Wettbewerber trotz des Verstoßes gegen Artikel 13 DSGVO keinen Anspruch auf Unterlassung habe. Begründet wurde dies damit, dass die DSGVO in den Artikeln 77 bis 84 eine die Ansprüche von Mitbewerbern ausschließende, abschließende Regelung enthalte. Ein Argument dafür sei, dass die DSGVO eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthalte. Danach stehe nicht jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person zu, sondern nur bestimmten Einrichtungen, Organisationen und Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht unter weiteren Voraussetzungen. Daraus sei zu schließen, dass der Unionsgesetzgeber wohl eine Erstreckung auf Mitbewerber des den Bestimmungen nicht eingehaltenen Wettbewerbers nicht zulassen wolle.
2. Oktober 2018
Derzeit sind Faxe im Umlauf, deren Urheber das Unternehmen “DAZ Datenschutzauskunft-Zentrale Ltd.” mit Sitz auf Malta ist, in denen versucht wird, Unternehmen mit Hilfe der allgemeinen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der DSGVO zum Abschluss eines kostenpflichtigen Abos zu bewegen.
Die Unternehmen werden aufgefordert, sich an einer “Erfassung Gewerbebetriebe zum Basisdatenschutz nach EU-DSGVO” zu beteiligen. Hierzu sollen die Unternehmen ein beigefügtes Formular zum Datenschutz unterschreiben und an eine Postanschrift in Oranienburg oder per Fax an eine 00800-Nummer aus der Schweiz zu senden. Das Formular, welches sich auf die DSGVO bezieht, wird als “gebührenfrei” bezeichnet. Es beinhaltet die Aufforderung, das beigefügte Formular unterzeichnet zurückzusenden. Im Text versteckt ist allerdings die Verpflichtung einen Basisdatenschutzbeitrag in Höhe von 592,62 Euro pro Jahr zu zahlen.
Betroffene, die ein solches Fax erhalten haben, sollten dieses unbedingt ignorieren. Für den Fall, dass das Formular bereits unterschrieben und zurückgesendet wurde, sollte ein Anwalt aufgesucht werden. Auch der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz warnt bereits vor der Masche.
24. August 2017
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bringt an vielen Stellen beachtenswerte Änderungen mit sich. Dazu gehört auch die Frage, was im Bereich des Marketings und im Umgang mit personenbezogenen Daten zum Zwecke der Werbung zu beachten ist. Zu dieser Thematik ist auf den Seiten der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) zuletzt ein Kurzpapier der “Datenschutzkonferenz” mit diesbezüglichen Einschätzungen veröffentlich worden. Dreh- und Angelpunkt der neuen Rechtslage in Sachen Werbung ist die Tatsache, dass mit der DSGVO jegliche Detailregelungen dieses Bereichs entfallen. In Form des
§ 28 Abs. 3 BDSG hat es bislang noch spezifische Vorgaben für den Umgang mit Daten zum Zweck der werblichen Ansprache gegeben.
Die sicherste Grundlage einer Datenverarbeitung für Werbemaßnahmen ist und bleibt die Einwilligung der betroffenen Person. Wo eine solche aber nicht eingeholt werden kann oder dies aus praktischen Gründen nicht sinnvoll ist, wird künftig auf einen allgemeinen Erlaubnistatbestand der DSGVO zurückgegriffen werden müssen. Daher wird die Zulässigkeit der Werbung an einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO zu messen sein. Demnach gilt es für die Frage der Zulässigkeit der Maßnahme die Interessen des Werbetreibenden und der betroffenen Personen im Einzelfall zu gewichten.
Der Erwägungsgrund 47 zur DSGVO trägt für diese Abwägung auf, die “vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person zu berücksichtigen, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen (Werbetreibenden) beruhen”.
Aus Sicht werbetreibender Unternehmen müssen im Zuge entsprechender Vorhaben die Informationspflichten aus den Artikeln 13 u. 14 DSGVO berücksichtigt werden. Der Verantwortliche muss transparent und umfassend über die vorgesehene Werbemaßnahme informieren.
Durch die neue Rechenschaftspflicht der DSGVO (Art. 5 Abs. 2) kommen die Werbetreibenden in die Situation, die Rechtmäßigkeit von Datenverarbeitungen künftig beweisen können zu müssen. Daher wird es sich nicht umgehen lassen, getroffene Interessenabwägungen gründlich zu dokumentieren und auf Anfrage der Aufsichtsbehörde vorlegen zu können. Diese Aufgabe wird regelmäßig durch die Datenschutzbeauftragten der Unternehmen ausgefüllt werden.
24. Februar 2015
Im Bundestag trafen sich am 23.02.2015, auf Einladung der Grünen Bundestagsfraktion, Experten aus den Bereichen Wettbewerbsrecht, Kartellrecht und Verbraucherschutz, um über die marktbeherschende Stellung von Internetkonzernen und die Eigentumsrechte von Nutzerdaten zu diskutieren. Ein Schwerpunkt der Diskussion waren die zwischen “neuen” und “alten” Medien nach wie vor bestehenden Unterschiede in der rechtlichen Bewertung. So kritisierte etwa Christian Ewald, Chefökonom des Bundeskartellamts, dass für Youtube gänzlich andere Werberegeln gelten, als beispielsweise für Fernsehsender. Hierdurch würden die bereits jetzt bestehende “krakenhafte Ausdehnung” von sozialen Netzwerken einiger weniger großer Internetkonzerne weiter begünstigt. Insgesamt würden Anbieter wie Facebook oder Google, durch das Anbieten immer neuer eigener Dienste, alternative Angebote aus dem Blickfeld der Nutzer drängen.
In der Sprache milder als Sigmar Gabriel, der in der Vergangenheit bereits die Zerschlagung Googles gefordert hatte, hielten die Experten auch ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen gegen US-Internetkonzerne für denkbar, wobei Ewald vor Schnellschüssen warnte. Die Internetwirtschaft könne bei einem überharten Vorgehen ihre Dynamik verlieren. Auch Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), ging in seinem Redebeitrag auf die marktbeherschende Stellung insbesondere von Google ein. Eine solche sei zwar zweifelsohne gegeben, ein Mißbrauch jedoch nur schwer nachweisbar.
Interessant dürfte Diskussion künftig auch bleiben, soweit es um die Einordnung von Nutzerdaten als wesentliche Einrichtungen im Sinne des Wettbewerbsrechts geht. Sollten Nutzerdaten zukünftig als solche qualifiziert werden, stünden Google und andere Konzerne vor dem Problem, dass sie dann, unter Umständen, Zugang zu ihren größten Schätzen – den gesammelten Daten – gewähren müssten.
Michaela Schröder von der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) krisitsierte die generelle Ahnungslosigkeit vieler Nutzer, was den Wert ihrer Daten angeht. Sie forderte, dass Dienste wie Facebook deutlich machen müssten, welchen Wert bereits so genannte Grundinformationen (z.B. das Geschlecht) haben.
1. Juni 2011
Am 25. Mai lief die Frist zur Umsetzung der überarbeiteten EU-Vorschriften für Telekommunikationsnetze und ‑dienste (MEMO/09/491) in nationales Recht ab. Der deutsche Gesetzgeber hat die Änderungen bisher noch nicht umgesetzt, möchte diesen Missstand aber im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) beheben. Aktuell wird der Regierungsentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes im Bundestag beraten. Bisher letzter Schritt im laufenden Verfahren war dabei eine öffentliche Anhörung am 31.05.2011, bei der auch die von den Oppositionsfraktionen eingebrachten Anträge auf Verpflichtung zur Netzneutralität behandelt werden sollten.
Der maßgebliche Kernpunkt des Paketes sind erweiterte Verbraucherschutzvorschriften im Bereich des TK-Rechts:
- Es soll möglich sein Festnetz- oder Mobilfunkbetreiber innerhalb eines Werktags ohne Änderung der Telefonnummer zu wechseln.
- Die Vertragslaufzeit für Erstverträge darf höchstens 24 Monate betragen. Weiterhind sind die Dienstanbieter verpflichtet, Verträge über 12 Monate anzubieten, um den Kunden den Anbieterwechsel zu erleichtern.
- Der Nutzer muss klarer über die bestellten Dienstleistungen informiert werden. Die Verträge müssen daher Angaben zum Mindestniveau der Dienstleistungsqualität enthalten. Vorrangig zu erteilen sind hierbei Auskünfte über Datenverkehrssteuerung (sog. Trafficshapping), sowie über etwaige sonstige Einschränkungen (Bandbreitendrosselung, Höchstbandbreiten, Blockierung bestimmter Dienste, wie VOIP etc.). Außerdem ist in den Verträgen anzugeben, welche Kompensations- und Erstattungsleistungen die Kunden erhalten, sollten diese Mindeststandards nicht eingehalten werden (näher dazu IP/11/486 und MEMO/11/319).
Ebenfalls umzusetzen sind Verbesserungen beim Online-Datenschutz und der Online-Sicherheit:
- Der Datenschutz und die Verhinderung von „Spam“ (unerwünschte E-Mails) sollen verbessert werden.
- Eine Benachrichtigungspflicht bei Datenschutzverletzungen wird vorgeschrieben.
- Für die Handhabung von „Cookies“ und anderer Informationen, die auf dem Computer der Nutzers gespeichert sind, werden bessere Informations- und Zustimmungspflichten vorgeschrieben (vertiefend MEMO/11/320).
Um eine bessere Durchsetzung der neuen Regelungen zu ermöglichen, sollen nationalen Regulierungsbehörden größere Unabhängigkeit und als ultima ratio sogar die Möglichkeit erhalten, Telekommunikationsbetreiber mit beträchtlicher Marktmarkt zu zwingen, ihren Netz- und Dienstleistungsbetrieb zu trennen, um einen diskriminierungsfreien Zugang anderer Betreiber zu gewährleisten. Weiterhin wurden der Kommission neue Aufsichtsbefugnisse erteilt, die es ihr ermöglichen, in Abstimmung mit dem Gremium der Europäischen Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK gegründet im Mai 2010 in Riga), wettbewerbsrechtliche Abhilfemaßnahmen für die Telekommunikationsmärkte im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 7 festzulegen. (se)
Update:
Die Europäische Kommission hat mittlerweile Deutschland und 19 weitere EU-Mitgliedsstaaten, welche die Richtlinie ebenfalls noch nicht vollständig umgesetzt haben, ermahnt dies innerhalb von zwei Monaten nachzuholen. Sollte auch diese Frist ungenutzt verstreichen, will die Kommission formelle Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedsstaaten anstrengen. Mit Dänemark, Estland, Finnland, Großbritannien, Irland, Malta und Schweden haben bisher erst sieben Mitgliedsstaaten die Richtlinie vollständig umgesetzt. (se)
9. Mai 2011
Ebenso wie die Vorinstanz Landgericht Berlin (dortiges Aktenzeichen 91 O 25/11) hat nun auch das Kammergericht in seinem Beschluss vom 29.04.2011, Az. 5 W 88/11 eine Verletzung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften durch einen”Vorsprung durch Rechtsbruch” nach § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht angenommen.
In seiner Begründung führt das Gericht aus, dass zwar einiges dafür spreche, dass die Verwendung des “Gefällt-mir”-Buttons ohne entsprechenden Hinweis in der Datenschutzerklärung gegen Unterrichtungspflichten nach § 13 des Telemediengesetzes (TMG) verstoße. So sei davon auszugehen, dass Facebook als Empfänger der Daten infolge der Verwendung des Buttons seine Mitglieder bei Nutzung der Seite unschwer über eine Kennnummer identifizieren könne. Ferner würden die Daten der Seitennutzer auch erfasst, wenn sie zum Zeitpunkt ihres Besuches nicht bei Facebook eingeloggt seien, sodass auch dann eine Identifizierbarkeit durch Facebook anhand der übermittelten IP-Adresse denkbar sei. Über diese Vorgänge müsse der Nutzer daher informiert werden. Ein Wettbewerbsverstoß folge aus dem naheliegenden Datenschutzverstoß gleichwohl nicht, da es insoweit an der erforderlichen Beeinträchtigung von Mitbewerber-Interessen fehle. Die Datenschutzvorschriften des TMG und insbesondere die Verpflichtung, eine den Anforderungen des § 13 Abs. 1 TMG genügende, umfassende und verständliche Datenschutzerklärung vorzuhalten, dienen vielmehr alleine dem Ziel, dass der Nutzer “sich einen umfassenden Überblick über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten verschaffen kann” und somit ausschließlich dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Nutzer, nicht aber Interessen einzelner Wettbewerber.
Auch wenn das Kammergericht eine erfolgreiche Geltendmachung der Rechtsverstöße durch Verbraucher und/oder Verbraucherzentralen mit seinem Beschluss ausdrücklich nicht ausschließt, weist es mit der gegebenen Begründung den Unterlassungsanspruch eines Wettbewerbers zurück. Letztere sind damit – zumindest nach Ansicht der Berliner Justiz – nicht berechtigt, den Verstoß gegen die Informationsvorschriften des TMG gerichtlich oder per Abmahnung geltend zu machen.
Es fragt sich jedoch, ob der vorliegende Beschluss als “Grundsatzurteil” gewertet werden darf, mit der Folge, dass der Verletzung der Informationspflichten des TMG grundsätzlich jede wettbewerbsrechtliche Relevanz zu versagen wäre. Zu seinem Verdikt kam das Kammergericht hier wohl auch deshalb, weil der “Wettbewerbsvorteil”, den der Verwender des “Gefällt-mir”-Buttons durch seinen Rechtsbruch zog, nicht unbedingt auf der Hand liegt. So fragt sich, ob die Erhebung und Weitergabe der Daten an Facebook Besucher der Website von der Nutzung anderer Angebote von Mitbewerbern abhalten könnte. Gerade in Bezug auf Facebook-Nutzer erörtert dies auch das Kammergericht und meint offenbar, dass diese durch ihre Bestätigung der (insoweit zitierten) Facebook-Datenschutzerklärung einer entsprechenden Datennutzung zustimmen. Interessen von nicht bei Facebook registrierten Nutzern prüft das Gericht jedoch nicht.
Ganz grundsätzlich erscheint es jedoch durchaus naheliegend, Verbraucher durch Fehlinformationen hinsichtlich der Nutzung ihrer personenbezogener Daten zumindest nicht vom Vertragsschluss oder von der Nutzung einer Website abzuhalten. In Zeiten eines zunehmenden öffentlichen Bewusstseins für den Datenschutz handelt es sich hierbei durchaus um für jeden Verbraucher relevante Informationen, die ohne weiteres zum Zuspruch zu anderen Anbietern führen kann, wenn mit einem Vertragsschluss oder der Nutzung einer Website übergebührliche Nutzungen der Nutzerdaten einhergehen. Auch die vorliegend nicht festgestellte Wettbewerbsrelevanz dürfte daher in Fällen, in denen Anbieter die Nutzung von personenbezogener Daten ihrer Nutzer durch unrichtige und/oder unklare Datenschutzerklärungen verschleiern, kaum zu verneinen sein. So geht mit dem Verbraucherinteresse an wahrheitsgemäßer und vollständiger Information zur Nutzung personenbezogener Daten durch einen Anbieter zweifelsohne auch ein wettbewerbsrechtlichen Interesse der Konkurrenz einher. Wie dessen jüngste Auszeichnung mit dem BigBrotherAward zeigt, muss sich gerade auch Facebook selbst den Vorwurf, seine Nutzer nicht ausreichend über die Nutzung seiner personenbezogenen Daten zu informieren und davon zu profitieren, immer wieder gefallen lassen. Gerade deshalb dürfte mit dem nun vorliegenden Beschluss das letzte Wort zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz der TMG-Vorschriften noch nicht gesprochen sein.