Kategorie: Aufsichtsbehördliche Maßnahmen

Bußgeld wegen Negativliste über Angestellte

7. August 2023

Berliner Datenschutzbeauftragte verhängt Sanktionen

Ein Unternehmen steht in der Kritik, da es heimlich sensible Informationen über ihre Angestellten gesammelt hat. Die Berliner Datenschutzbeauftragte, Meike Kamp, hat dieses Vorgehen als rechtswidrig erachtet und Sanktionen verhängt.

Wie bereits im Mai 2021 bekannt wurde, sammelte das Unternehmen während der Probezeit sensible Daten über seine Angestellten, darunter Informationen darüber, ob sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Psychotherapie unterzogen oder Interesse an der Gründung eines Betriebsrats zeigten. Diese Informationen wurden auf einer sogenannten Negativliste erfasst, die dazu diente, die Angestellten zu bewerten und darüber zu entscheiden, wem nach Ablauf der Probezeit gekündigt wird.

Verstöße gegen die DSGVO

Die Berliner Datenschutzbeauftragte hat in ihrer Untersuchung massive Verstöße gegen den Datenschutz festgestellt. Eine Vorgesetzte hatte die sensiblen Daten ohne Wissen der betroffenen Angestellten gesammelt, um diese bei der Entscheidung über eine Weiterbeschäftigung zu berücksichtigen. Insbesondere Angestellte, die eine gewerkschaftliche Organisation unterstützen oder ein erhöhtes Risiko für krankheitsbedingte Ausfälle aufwiesen, wurden als “kritisch” oder sogar “sehr kritisch” eingestuft.

Aufgrund dieser schwerwiegenden Verstöße hat die Berliner Datenschutzbeauftragte Bußgelder in Höhe von insgesamt 215.000 Euro gegen das Unternehmen verhängt. Die Negativliste wurde offenbar im März 2021 auf Anweisung der Geschäftsführung erstellt. Als eine betroffene Angestellte die Presse und die Datenschutzbeauftragte informierte, reagierte das Unternehmen und meldete sich noch am gleichen Tag bei der Behörde. Die Zusammenarbeit des Unternehmens mit den Behörden wurde als mildernder Umstand bei der Festsetzung der Bußgelder berücksichtigt.

Sensible Daten besonders schützenswert

Die Datenschutzbeauftragte betont, dass die Verarbeitung solch sensibler Daten stets im zulässigen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erfolgen muss. Insbesondere Gesundheitsdaten zählen zu den besonders sensiblen Informationen und dürfen nur in engen Grenzen verarbeitet werden. Die DSGVO enthält in Art. 9 eine Liste mit “besonderen Kategorien personenbezogener Daten”, zu denen auch Gesundheitsdaten und Informationen über die Gewerkschaftszugehörigkeit zählen. Diese Daten dürfen nur in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen gesammelt und verarbeitet werden, um die Rechte und die Privatsphäre der betroffenen Personen zu schützen.

Fazit

Die Verhängung dieser Bußgelder sendet ein wichtiges Signal an Unternehmen und Arbeitgeber, dass der Datenschutz eine hohe Priorität haben muss und Verstöße gegen die Datenschutzvorschriften konsequent geahndet werden. Angestellte haben ein Recht auf den Schutz ihrer persönlichen Daten, insbesondere wenn es um sensible Informationen wie den Gesundheitszustand geht.

Die Meta-Entscheidung des EuGH

2. August 2023

Am 4. Juli 2023 fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil bezüglich der Meta-Entscheidung des Bundeskartellamts. Der EuGH scheint  eine bislang offene juristische Frage geklärt zu haben: Kann eine alternative rechtliche Grundlage für die Datenverarbeitung herangezogen werden, wenn die ursprünglich angegebene Grundlage unwirksam ist, etwa wenn eine Einwilligung rechtswidrig erfolgt ist?

Das Verfahren

Der Hintergrund des Verfahrens liegt in der Praxis von Meta Platforms Ireland und Facebook Deutschland (Meta), Daten seiner Nutzer nicht nur auf Facebook selbst, sondern auch über seine Tochterfirmen und über Schnittstellen auf anderen Webseiten zu sammeln und diese zu detaillierten Nutzerprofilen zu verknüpfen. Das Bundeskartellamt (BKartA) sah darin einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung von Meta. Deswegen erließ das Bundeskartellamt erließ 2019 einen Beschluss gegen Meta, der Gegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahrens war. In diesem Beschluss untersagte das Bundeskartellamt Meta, sich durch Zustimmung zu den Allgemeinen Nutzungsbedingungen zur Nutzung von Facebook auch die Erhebung und Verarbeitung von sogenannten “Off-Facebook-Daten” genehmigen zu lassen.

Off-Facebook-Daten

Bei den Off-Facebook-Daten handelt es sich um Informationen, die Meta außerhalb von Facebook, Instagram oder WhatsApp sammelt. Diese Daten werden durch das Werbenetzwerk von Meta auf zahlreichen Webseiten und Apps sowie den zum Meta-Konzern gehörenden Online-Diensten erfasst. Mithilfe dieser Off-Facebook-Daten kann Meta das Konsumverhalten, die Interessen, die Kaufkraft und die Lebenssituation der Nutzer in Profilen erfassen. Auf dieser Grundlage können gezielte und personalisierte Werbenachrichten an die Facebook-Nutzer gesendet werden.

BKartA rügt Metas Nutzungsbedingungen

Die Nutzungsbedingungen müssten vielmehr klarstellen, dass diese Daten nur mit ausdrücklicher Einwilligung verarbeitet und mit dem Facebook-Nutzerkonto verknüpft werden. Darüber hinaus dürfe die Einwilligung nicht zur Voraussetzung für die Nutzung des sozialen Netzwerkes gemacht werden. Das Bundeskartellamt war der Ansicht, dass durch diese Gestaltung der Nutzungsbedingungen, die nicht den Marktverhaltensregeln und Werten der DSGVO entspricht, Meta seine marktbeherrschende Stellung missbrauche. Kurz darauf, noch im Jahr 2019, änderte Meta seine eigenen Nutzungsbedingungen dahingehend, dass die Nutzer bei der Nutzung von Facebook-Produkten in die Verarbeitung von Off-Facebook-Daten einwilligen müssen, da ansonsten für die Services keine Kosten entstehen würden.

Gegen diesen Beschluss des Bundeskartellamts legte Meta gerichtlichen Widerspruch ein. Im Laufe dieses Verfahrens wandte sich das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem sogenannten Vorlageverfahren an den EuGH. Bei einem Vorlageverfahren entscheidet der EuGH nicht als höhere Instanz über den jeweiligen Rechtsstreit, sondern beantwortet spezifische Fragen zur Auslegung des Europäischen Rechts, wie beispielsweise der DSGVO.

Die Vorlage an den EuGH

Der EuGH hat ausschließlich zu den spezifischen Fragen des vorlegenden Gerichts Stellung genommen, und die Antworten des EuGH sind für das OLG Düsseldorf bindend, wenn es seine eigene Entscheidung in der Sache trifft. Letztendlich liegt die endgültige Entscheidung in der Zuständigkeit des OLG Düsseldorf.

Das Urteil hat auch erhebliche Auswirkungen auf zukünftige Bewertungen im Bereich des Datenschutzes. Die Tatsache, dass ein soziales Netzwerk kostenlos ist, bedeutet nicht automatisch, dass die Daten des Nutzers ohne dessen Einwilligung zur Personalisierung von Werbung verarbeitet werden können. Daher kann das berechtigte Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO keine rechtliche Grundlage dafür sein. Jedoch hat der EuGH wiederholt betont, dass Marketing weiterhin auf das berechtigte Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden kann, sofern die Nutzungsbedingungen von Meta transparent und für den Nutzer verständlich geändert werden. Somit wird auch in Zukunft Werbung ohne Einwilligung möglich sein.

Das Urteil scheint auch eine bisher ungeklärte Frage zu beantworten, nämlich ob alternative Rechtsgrundlagen aus Art. 6 Abs. 1 lit. b-f DSGVO überhaupt herangezogen werden können, wenn eine zuvor erteilte Einwilligung als rechtswidrig erachtet wird. Der EuGH betont jedoch, dass solche alternativen Rechtsgrundlagen in solchen Fällen eng auszulegen sind.

BfDI Professor Ulrich Kelber äußerte sich dazu wie folgt: “Ich bin erfreut darüber, dass der EuGH anerkennt, wie wichtig die Einhaltung von Datenschutzanforderungen für den Wettbewerb ist und dass Kartellbehörden befugt sind, die Vereinbarkeit des Verhaltens von Unternehmen mit dem Datenschutzrecht zu überprüfen. Mein Glückwunsch geht an das Bundeskartellamt für diesen Erfolg.”

Zusammenarbeit zwischen Datenschutz- und Kartellbehörden

Der EuGH klärte auch, dass Verstöße gegen die DSGVO vorrangig von Datenschutzaufsichtsbehörden festgestellt werden sollten. Das bedeutet, dass das Bundeskartellamt die zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden in datenschutzrechtliche Fragen einbeziehen muss, bevor es eigene Entscheidungen trifft.

Hierzu kommentierte der BfDI: “Kartell- und Datenschutzaufsichtsbehörden können datengetriebene Geschäftsmodelle nur erfolgreich regulieren, wenn sie eng zusammenarbeiten. Das bestätigt die Praxis in Deutschland, wo Bundeskartellamt und der Bundesdatenschutzbeauftragte entsprechend kooperieren. Gemeinsam mit unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen werde ich die Entscheidung in der Task Force des Europäischen Datenschutzausschusses zum Zusammenspiel von Datenschutz, Wettbewerb und Verbraucherschutz auswerten und Best Practices für eine effiziente Zusammenarbeit festlegen, damit Bürgerinnen und Bürger besser vor rechtswidrigen und missbräuchlichen Datenverarbeitungen geschützt werden. Die Erfahrungen der Zusammenarbeit in Deutschland sind dafür eine gute Grundlage.”

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Onlinemarketing auch in Zukunft weiterhin möglich sein wird. Obwohl diese Entscheidung sich speziell auf den Einzelfall Meta konzentriert hat, enthält sie dennoch neue und wertvolle Erkenntnisse, die auch für die Bewertung anderer Social Media Dienste relevant sein könnten, die keine marktbeherrschende Position innehaben und weniger Daten sammeln oder andere Techniken verwenden.

CNIL: 40 Mil. EUR Bußgeld

4. Juli 2023

Vor rund zwei Wochen veröffentlichte die französische Datenschutzbehörde „Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés“ (CNIL), dass sie eine Geldstrafe in Höhe von 40 Mil. EUR verhängt habe. Adressat der Strafe sei „Criteo“, ein Unternehmen, dass Softwarelösungen für Werbeanzeigen im Bereich des Online-Marketings anbiete.

Hintergründe

Der Grund für das Bußgeld sei gewesen, dass Criteo nicht überprüft habe, ob Personen, deren Daten es verarbeitet habe, eine Einwilligung erteilt hätten. Anlass für die Untersuchungen der Behörde bei Criteo seien Beschwerden der Organisationen Privacy International und „None of your business“ gewesen,

Das Unternehmen Criteo habe sich auf das sog. „Retargeting“ spezialisiert. Dies sei eine bestimmte Methode des Online-Marketings. Auf Webseiten von Partnern setzt Criteo eigene Cookies ein. Diese könnten Navigationsdaten der Nutzers tracken. Über die gesammelten Daten ließen sich anschließend personalisierte Werbeanzeigen schalten. Insbesondere könne dem Nutzer Werbeanzeigen zu Produkten angezeigt werden, für die er sich wahrscheinlich interessieren würde.

Verstöße

CNIL stellte zunächst fest, dass bei der Verwendung von Cookies zu Werbezwecke eine Einwilligung der betroffenen Person eingeholt werden müsse. Wenn ein Unternehmen auf seiner Webseite die Cookies von Criteo einsetze, müsse es eine solche Einwilligung einholen. Criteo müsse sicherstellen, dass die entsprechenden Unternehmen diese Einwilligung tatsächlich einholten und dies dokumentieren. Die Pflicht zur Einholung einer Einwilligung sei allerdings nie Vertragsbestandteil im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zu Criteo. Damit verstoße das Marketingunternehmen gegen die Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO).

Außerdem verstoße Criteo gegen seine Informationspflichten. Das Unternehmen informiere nicht vollständig über die Zwecke der Datenverarbeitungsvorgänge.

Zusätzlich hätten betroffene Person nicht hinreichend Gebrauch von ihrem Recht auf Widerruf der Einwilligung und Löschung personenbezogener Daten nach Art. 7 Abs. 3 und Art. 17 Abs. 1 DSGVO machen können. Den betroffenen Person seien lediglich keine Werbeanzeigen mehr gezeigt worden. Allerdings habe das Unternehmen Kennungsdaten der Nutzer weiter behalten.

Abschließend stellte die CNIL fest, dass Criteo mit seinen Geschäftspartnern keine Vereinbarung über eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO abgeschlossen habe.

Bußgeld

Die CNIL bewertete bei der Bestimmungen der Höhe des Bußgeldes negativ, dass das Unternehmen über die Daten einer sehr großen Personenanzahl verfüge. Außerdem sei, laut CNIL negativ in die Bewertung mit eingeflossen, dass das Unternehmen sich ausschließlich darauf spezialisiert habe, für eine bestimmte Zielgruppe relevante Werbung anzuzeigen. Demnach sei es das Geschäftsmodell des Unternehmens gerade personenbezogene Daten zu sammeln und zu verarbeiten.

Fazit

Alle angesprochenen Kritikpunkte konnte Criteo nach den Untersuchungen der CNIL einstellen. Dabei ist auffällig, dass das Thema Cookies weiterhin Grund für Datenschutzverstöße ist (hier berichten wir über weitere Cookie-Verstöße).

EDSA veröffentlicht Musterformular für Beschwerden

26. Juni 2023

Vergangene Woche veröffentlichte der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) ein Musterformular, mit dem Beschwerden nach Art. 77 DSGVO eingereicht werden können. Ziel des Formulars sei es, das Einreichen einer Beschwerde bei den Aufsichtsbehörden für die Behörden selbst und für Individuen zu erleichtern.

Inhalt des Formulares

Nach Art. 77 DSGVO hat grundsätzlich jede betroffene Person die Möglichkeit eine Beschwerde einzureichen, wenn sie der Ansicht ist, dass eine Datenverarbeitung nicht DSGVO-konform ist. Dabei ist Adressat dieser Beschwerde eine Aufsichtsbehörde.

Das Formular bietet für betroffene Personen die Möglichkeit auszuwählen, bei welcher Datenschutzbehörde sie die Beschwerde einreichen möchte. Dabei kann sie zwischen der Behörde des Wohnsitzes, des Arbeitsortes, des Ortes, an dem der Verstoß begangen wurde oder an der sich der betroffene Verantwortliche befindet, wählen.

Das Dokument richtet sich ausschließlich an betroffene Personen. Somit sollen unbeteiligte Dritte das Formular nicht als allgemeinen Warnhinweis auf mögliche Verstöße einsetzen können. Es ist allerdings möglich, dass ein Vertreter oder eine Einrichtung für die betroffene Person handelt. Außerdem können Einrichtungen oder Organisationen auf eigene Initiative hin tätig werden. Dabei muss der Beschwerdeführer immer den Grund seiner Beschwerde angeben und Ziel, dass er anstrebt. Dazu zählt beispielsweise der Wunsch, dass ein Verantwortlicher unrechtmäßig verarbeitete personenbezogene Daten löscht.

Die nationalen Aufsichtsbehörden können das Formular künftig auf freiwilliger Basis nutzen. Dabei können sie das Muster entsprechend nationaler Regelungen anpassen.

 Fazit

Die Vorsitzende des EDSA, Ana Tulu äußerte sich zu dem Formular wie folgt:

 „Es wird den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen über Beschwerden zwischen den Datenschutzbehörden erleichtern und den Datenschutzbehörden helfen, Zeit zu sparen und grenzüberschreitende Fälle effizienter zu lösen.”

DSGVO erlaubt dauerhafte Datenspeicherung

19. Juni 2023

Das virtuelle Hausverbot und die dauerhafte Datenspeicherung

Die Datenschutzbehörde Sachsen berichtete in ihrem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022 von einem Fall, in dem es um die datenschutzrechtliche Zulässigkeit eines virtuellen Hausverbots und dessen Durchsetzung ging.

Ein Betroffener reichte eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde ein, da seine E-Mail-Adresse bei einem Sozialen Netzwerk, einem Online-Club, gespeichert wurde, dem er früher angehörte. Das betreibende Unternehmen hatte zuvor seinen Zugang zum Club gesperrt. Der Betroffene forderte die Löschung aller seiner Daten. Das Unternehmen informierte die Behörde darüber, dass das Profil des Betroffenen gelöscht wurde, da er mehrfach und schwerwiegend gegen interne Regeln verstoßen hatte. Daher wurde gegen ihn ein virtuelles Hausverbot verhängt. Um dies durchzusetzen, wurden die E-Mail-Adressen der gesperrten (ehemaligen) Mitglieder in einer internen Blacklist gespeichert, um den weiteren Zugriff zu verhindern.

Die Datenschutzbehörde prüfte die Speicherung auf der Blacklist anhand einer Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Ihr Ergebnis lautete: “Basierend auf den vorliegenden Informationen konnte meine Behörde – unter Berücksichtigung der verschiedenen Interessen und betroffenen Rechte – keinen Verstoß gegen den Datenschutz feststellen.”

Zulässigkeit des “Hausverbots”

Die Behörde betrachtete das virtuelle Hausverbot grundsätzlich als zulässig. Sie verwies dabei unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Betreiber hatte in den Nutzungsbedingungen das Recht festgelegt, den Zugang des Nutzers zeitweise oder dauerhaft zu sperren, insbesondere bei Verstößen gegen diese Bedingungen. Dies spielte eine Rolle im Hinblick auf das Merkmal der “vernünftigen Erwartungen” der Betroffenen gemäß Erwägungsgrund 47 der DSGVO. Um das Hausverbot durchzusetzen, war es nach Ansicht der Behörde auch erforderlich, dass bestimmte Informationen des ehemaligen Mitglieds, zum Beispiel in einer Blacklist, gespeichert blieben. Andernfalls wäre die Identität des Mitglieds für den Anbieter nicht mehr erkennbar und ein Nutzungsverbot nicht durchsetzbar. Darüber hinaus informierte der Betreiber auch in seinen Datenschutzhinweisen über die Verarbeitung zur Durchsetzung des Hausverbots. Die Behörde führt abschließend an, dass es ihrer Ansicht nach auch verhältnismäßig sei, Daten auf der Blacklist dauerhaft zu speichern.

Zusätzlich könnte als Rechtsgrundlage auch noch Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO in Betracht gezogen werden, nämlich die Datenverarbeitung im Rahmen der Anbahnung eines (neuen) Vertragsverhältnisses oder zur Abwicklung des vorherigen Vertragsverhältnisses. In diesem Zusammenhang könnte die Frage der Erforderlichkeit aufkommen, die sicherlich vom Einzelfall abhängt (z.B. Inhalt des Vertrages und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Möglichkeit des Unternehmens, sich auf die Vertragsfreiheit zu berufen).

Fazit

Für die Praxis lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:

  • Die Datenverarbeitung zur Durchsetzung eines virtuellen Hausrechts ist zulässig.
  • Betroffene sollten sowohl im Vertrag als auch in den Datenschutzhinweisen klar darüber informiert worden sein, wann dies geschehen kann und welche Konsequenzen es hat.
  • Es dürfen nur die Daten gespeichert werden, die tatsächlich zur Durchsetzung erforderlich sind.

BlnBDI verhängt Bußgeld wegen mangelnder Transparenz bei automatisiertem Kreditverfahren

13. Juni 2023

Die Berliner Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragte (BlnBDI) hat eine Bank mit einer Geldstrafe von 300.000 Euro belegt, da sie intransparent in Bezug auf eine automatisierte Einzelentscheidung gehandelt hat. Die Bank verweigerte einem Kunden verständliche Informationen über die Gründe für die automatisierte Ablehnung seines Kreditkartenantrags. Das Unternehmen hat eng mit der BlnBDI zusammengearbeitet und den Bußgeldbescheid akzeptiert.

Eine automatisierte Entscheidung ist eine Entscheidung, die ausschließlich von einem IT-System auf Basis von Algorithmen und ohne menschliches Eingreifen getroffen wird. Gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gelten in solchen Fällen spezielle Transparenzpflichten. Personenbezogene Daten müssen in einer für die betroffenen Personen nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden. Betroffene Personen haben das Recht, eine Erläuterung der getroffenen Entscheidung nach einer entsprechenden Bewertung zu erhalten. Wenn betroffene Personen eine Auskunft bei den Verantwortlichen beantragen, müssen diesen aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik hinter der automatisierten Entscheidung zur Verfügung gestellt werden.

Der Sachverhalt

In diesem spezifischen Fall hat die Bank bei ihrem digitalen Kreditkartenantrag diese Vorgaben jedoch nicht beachtet. Durch ein Online-Formular forderte die Bank verschiedene Informationen über das Einkommen, den Beruf und die persönlichen Daten des Antragstellers an. Basierend auf den abgefragten Informationen und zusätzlichen Daten aus externen Quellen lehnte der Algorithmus der Bank den Antrag des Kunden ohne eine explizite Begründung ab. Der Algorithmus stützte sich dabei auf zuvor von der Bank festgelegte Kriterien und Regeln.

Aufgrund eines guten Schufa-Scores und eines regelmäßig hohen Einkommens des Kunden wurden Zweifel an der automatisierten Ablehnung laut. Obwohl der Kunde die Bank um detaillierte Informationen zum Scoring-Verfahren bat, erhielt er lediglich allgemeine und allgemeingültige Aussagen. Die Bank weigerte sich jedoch, ihm mitzuteilen, warum sie in seinem Fall von einer schlechten Bonität ausging. Der Beschwerdeführer konnte daher nicht nachvollziehen, welche Daten und Faktoren der Ablehnung zugrunde lagen und aufgrund welcher Kriterien sein Kreditkartenantrag abgelehnt wurde. Ohne diese spezifische Begründung war es ihm nicht möglich, die automatisierte Einzelentscheidung angemessen anzufechten. Infolgedessen beschwerte er sich bei der Datenschutzbeauftragten.

Nachvollziehbarkeit ausschlaggebend

Meike Kamp, die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, äußerte sich wie folgt: “Wenn Unternehmen automatisierte Entscheidungen treffen, müssen sie diese überzeugend und nachvollziehbar begründen. Die Betroffenen müssen in der Lage sein, die automatisierte Entscheidung nachzuvollziehen. Die Tatsache, dass die Bank in diesem Fall selbst auf Anfrage nicht transparent und nachvollziehbar über die automatisierte Ablehnung informiert hat, führt zu einer Geldstrafe. Eine Bank ist verpflichtet, die Kund:innen über die maßgeblichen Gründe für die Ablehnung eines Kreditkartenantrags im Zusammenhang mit automatisierten Entscheidungen zu informieren. Dies umfasst konkrete Informationen zur Datenbasis, den Entscheidungsfaktoren und den Kriterien für die Ablehnung in Einzelfällen.”

Die Datenschutzbeauftragte stellte fest, dass die Bank in diesem konkreten Fall gegen Art. 22 III, Art. 5 I lit. a und Art. 15 I DSGVO verstoßen hat. Bei der Festlegung der Höhe des Bußgeldes berücksichtigte die BlnBDI insbesondere den hohen Umsatz der Bank sowie die absichtliche Ausgestaltung des Antragsprozesses und der Informationserteilung. Als mildernden Umstand bewertet wurde unter anderem, dass das Unternehmen den Verstoß eingeräumt hat, bereits Änderungen an den Prozessen umgesetzt hat und weitere Verbesserungen angekündigt hat.

 

Rekord-Bußgeld gegen Meta

23. Mai 2023

Meta, der Mutterkonzern von Facebook, hat erneut eine Rekordstrafe in Höhe von 1,2 Milliarden Euro aufgrund eines Verstoßes gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erhalten. Die irische Datenschutzbehörde DPC verkündete diese Strafe in Dublin. Das Verfahren betrifft die Beteiligung von Facebook an der Massenüberwachung durch angloamerikanische Geheimdienste, die vor zehn Jahren von Edward Snowden, einem US-Whistleblower, aufgedeckt wurde. Max Schrems, ein Datenschutz-Aktivist aus Österreich, reichte damals eine Beschwerde gegen Facebook ein.

Verfahren kann sich in die Länge ziehen

Das von der DPC verhängte Bußgeld übertrifft die bisherige Rekordstrafe von 746 Millionen Euro, die gegen Amazon.com in Luxemburg verhängt wurde. Zudem ist Meta nun dazu verpflichtet, jede weitere Übermittlung europäischer personenbezogener Daten in die Vereinigten Staaten zu unterbinden, da das Unternehmen weiterhin den US-Überwachungsgesetzen unterliegt.

Meta hat bisher keine Stellungnahme zu der Rekordstrafe abgegeben. Experten gehen jedoch davon aus, dass der US-Konzern gegen die Entscheidung rechtliche Schritte einlegen wird. Die Gerichtsverfahren können sich jedoch über einen längeren Zeitraum erstrecken. In der Zwischenzeit könnte ein neuer Datenpakt zwischen der Europäischen Union und den USA in Kraft treten, um den transatlantischen Datenverkehr neu zu regeln. Meta hatte zuvor mehrfach damit gedroht, sich vollständig aus der EU zurückzuziehen, falls ein dauerhafter transatlantischer Datentransfer nicht möglich sein sollte.

Irische Datenschutzbehörde ging nicht gegen Meta vor

Schrems betonte, dass das verhängte Bußgeld deutlich höher hätte ausfallen können: “Die Höchststrafe liegt bei über vier Milliarden Euro. Und Meta hat über einen Zeitraum von zehn Jahren wissentlich gegen die DSGVO verstoßen, um Gewinne zu erzielen.” Schrems erklärte weiter, dass Meta nun wahrscheinlich seine Systeme grundlegend umstrukturieren müsse, wenn sich die US-Überwachungsgesetze nicht ändern.

Die irische Datenschutzbehörde DPC hatte sich jahrelang geweigert, gegen Facebook in dieser Angelegenheit vorzugehen. Schließlich wurde die DPC durch den Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) dazu verpflichtet, eine Strafe gegen das soziale Netzwerk zu verhängen. Der aktuelle Beschluss betrifft ausschließlich Facebook und nicht andere Dienste wie Instagram oder WhatsApp, die zum Meta-Konzern gehören. Bereits im Januar hatte die DPC Meta jedoch zu einer Strafe in Höhe von 390 Millionen Euro verurteilt, weil Facebook- und Instagram-Nutzer gezwungen wurden, personalisierter Werbung zuzustimmen.

Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung vor fünf Jahren wurden für Meta insgesamt Bußgelder in Höhe von vier Milliarden Euro verhängt. Meta ist nun sechsmal in der Liste der zehn höchsten Bußgelder vertreten, was zu einer Gesamtstrafe von 2,5 Milliarden Euro führt.

Übrigens: Das höchste Bußgeld in Deutschland betrug 35 Millionen Euro und wurde im Jahr 2020 von der Modekette H&M wegen einer unzureichenden Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung in ihrem Onlineshop gezahlt.

EuGH-Generalstaatsanwalt gegen verschuldensunabhängige Haftung

15. Mai 2023

Der langjährige Rechtsstreit um eine Geldstrafe gegen die Deutsche Wohnen SE, die von der Berliner Aufsichtsbehörde (BlnBDI) verhängt wurde, steht erneut im Fokus des Datenschutzrechts. Nachdem das Kammergericht Berlin (KG) vorläufig den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen hatte und die Parteien in einer mündlichen Verhandlung vor dem EuGH angehört wurden, äußerte sich Ende April auch Generalstaatsanwalt Campos Sánchez-Bordona zu dem Fall. In seinen Schlussanträgen bestätigte der Generalanwalt zwar, dass Bußgelder gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) grundsätzlich direkt gegen Unternehmen verhängt werden können, lehnte jedoch die Frage ab, ob diese auch unabhängig von einem Verschulden erlassen werden können. Damit wurde der Forderung nach einer Haftung ohne Verschulden, auch bekannt als “strict liability”, eine Absage erteilt. Eine endgültige Entscheidung des EuGH zur Klärung dieser Fragen steht noch aus und wird mit Spannung in naher Zukunft erwartet.

Rechtlicher Hintergrund

Im Oktober 2019 verhängte die Berliner Aufsichtsbehörde gegen den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen SE eine Geldstrafe in Höhe von 14,5 Millionen Euro aufgrund von Datenschutzverstößen gegen die DSGVO. Der Vorwurf der BlnBDI lautete, dass der Immobilienkonzern personenbezogene Mieterdaten unrechtmäßig lange aufbewahrt und keine angemessenen Maßnahmen zur Löschung ergriffen hatte.

Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erklärte das zuständige Berliner Landgericht den Bescheid zugunsten der Deutschen Wohnen SE für ungültig. Das Gericht war der Ansicht, dass nach deutschem Ordnungswidrigkeitenrecht juristische Personen nur dann direkt sanktioniert werden können, wenn den Unternehmensverantwortlichen ein konkretes Fehlverhalten nach dem gesetzlichen “Rechtsträgerprinzip” gemäß § 30 OWiG nachgewiesen werden kann. Da ein solches Fehlverhalten seitens der Aufsichtsbehörde nicht nachgewiesen werden konnte, hob das Gericht den Bescheid auf. Die zuständige BlnBDI und die Staatsanwaltschaft legten gemeinsam Beschwerde beim Kammergericht Berlin gegen die Einstellung des Verfahrens ein. Die Kammer setzte das Verfahren vorerst aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH

Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Landgericht Berlin hat sich das Kammergericht Berlin an den Europäischen Gerichtshof gewandt und ein Vorabentscheidungsersuchen gestellt, um zwei zentrale Fragen zur Auslegung von Art. 83 Abs. 4-6 DSGVO zu klären. Das Kammergericht Berlin wollte vom EuGH im Wesentlichen wissen:

Ob Geldbußen gemäß der DSGVO direkt gegen rechtswidrig handelnde Unternehmen verhängt werden können.
Ob ein Unternehmen den Verstoß, der von einem Mitarbeiter begangen wurde, schuldhaft begangen haben muss oder ob für eine Bestrafung bereits eine objektive Pflichtverletzung ausreicht (sogenannte “strict liability”).

Unternehmen als Adressaten von Sanktionen?

Nach Ansicht des Generalanwalts können Unternehmen direkte Adressaten von Geldbußen sein. Dies sei nicht nur in mehreren Bestimmungen der DSGVO vorgesehen, sondern nach Aussage des Generalanwalts auch ein Schlüsselmechanismus zur Gewährleistung der Wirksamkeit der DSGVO. Der Generalanwalt argumentierte, dass dies aus dem Wortlaut einzelner Normen der DSGVO hervorgehe. Insbesondere Artikel 4, 58 und 83 der DSGVO lassen darauf schließen, dass Sanktionen, insbesondere Geldbußen, direkt gegen juristische Personen verhängt werden können. Die Frage, ob das deutsche Ordnungswidrigkeitengesetz, insbesondere § 30 OWiG, die Anforderungen der DSGVO in dieser Hinsicht ausreichend berücksichtigt, wurde vom Generalanwalt nicht abschließend beantwortet. Er verwies auf das Landgericht Berlin, das diese Frage noch ausreichend klären müsse.

Sanktionen und schuldhaftes Handeln

Dies ist nur der Fall, wenn der Sanktionierung vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln eines Mitarbeitenden des Unternehmens vorausgegangen ist. Ein rechtswidriges Verhalten eines einzelnen Beschäftigten genügt bereits, um gegen das Unternehmen eine entsprechende Geldbuße zu verhängen. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass ein konkreter Nachweis einer Aufsichtspflichtverletzung erforderlich ist, damit das schuldhafte Handeln eines Mitarbeitenden, der nicht zur Führungsriege gehört, den Leitungsorganen zugerechnet und somit sanktioniert werden kann.

Der Generalanwalt erklärt dies wie folgt:
“Es handelt sich schließlich um natürliche Personen, die zwar nicht selbst Vertreter einer juristischen Person sind, aber unter der Aufsicht derjenigen handeln, die Vertreter der juristischen Person sind und die eine unzureichende Überwachung oder Kontrolle über die zuerst genannten Personen ausgeübt haben. Letzten Endes führt die Zurechenbarkeit zu der juristischen Person selbst, soweit der Verstoß des Mitarbeiters, der unter der Aufsicht ihrer Leitungsorgane handelt, auf einen Mangel des Kontroll- und Überwachungssystems zurückgeht, für den die Leitungsorgane unmittelbar verantwortlich sind.”

Damit beantwortet der Generalanwalt auch die Frage, ob bereits eine objektive Pflichtverletzung ausreicht, um eine Geldbuße zu verhängen. Diese Frage verneint der Generalanwalt und erklärt, dass Aufsichtsbehörden keine verschuldensunabhängigen Geldbußen gegen Unternehmen verhängen können, da einer Geldbuße stets ein zuzurechnendes Verschulden vorausgehen muss. Dies bedeutet, dass Aufsichtsbehörden zumindest im Rahmen des Bußgeldverfahrens ein Verschulden feststellen müssen.

Der Generalanwalt führt dazu aus:
“Was die in der DSGVO vorgesehenen Verpflichtungen betrifft, einschließlich derjenigen, von denen die Verarbeitung von Daten (Artikel 5 DSGVO) und deren Rechtmäßigkeit (Artikel 6 DSGVO) abhängt, erfordert die Beurteilung, ob diese Verpflichtungen erfüllt wurden, einen komplexen Bewertungs- und Beurteilungsprozess, der über die bloße Feststellung eines formalen Verstoßes hinausgeht.”
Falls die Richter dem Votum des Generalanwalts folgen, würde dies bedeuten, dass Bußgelder zukünftig nicht mehr nach dem Prinzip der “strict liability” verschuldensunabhängig verhängt werden können. Die Richter sind zwar nicht an die Empfehlungen des Generalanwalts gebunden, folgen seiner Rechtsauffassung aber in der Regel. Der Zeitpunkt für eine Entscheidung ist derzeit noch nicht bekannt.

Aussage der Berliner Aufsichtsbehörde

Zwischenzeitlich äußerte sich auch die neue Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragte Meike Kamp auf ihrem eigenen Mastodon-Account und unterstützte die Ansichten des Generalanwalts. Aus ihren Aussagen geht hervor, dass ein Urteil, das die Schlussanträge des Generalanwalts aufgreift, in Deutschland endlich einheitliche Standards für die Verhängung von Sanktionen bei rechtswidrigem Verhalten schaffen würde, wie es in der übrigen EU bereits der Fall ist. Dies würde dem Ziel einer einheitlichen Durchsetzung des europäischen Rechts gerecht werden und die Bußgeldverfahren der deutschen Aufsichtsbehörden erheblich vereinfachen.

Fazit

Bereits jetzt zeichnet sich ab, obwohl das Urteil des EuGH noch aussteht, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Bußgeldverhängung durch deutsche Aufsichtsbehörden haben wird. Die Schlussanträge des Generalanwalts geben eine erste Richtung vor, wie die Richter am EuGH in naher Zukunft entscheiden könnten, und erhöhen bereits jetzt die Spannung, insbesondere in der Datenschutzberatung.

Wenn die Richter des EuGH tatsächlich den Schlussanträgen des Generalanwalts in ihrem Urteil folgen, hätte dies nicht nur erhebliche Auswirkungen auf zukünftige Bußgeldverfahren, sondern auch unmittelbar auf Unternehmen. Obwohl den deutschen Aufsichtsbehörden die Möglichkeit genommen würde, Bußgelder verschuldensunabhängig zu verhängen, dürfte dies in der Praxis nur begrenzt Erleichterung bringen, da zumindest das Vorliegen fahrlässigen Verschuldens seitens der Beschäftigten in den meisten Fällen vermutet werden kann. Der einzige tatsächliche Unterschied besteht darin, dass die Aufsichtsbehörden im Rahmen des Verfahrens zur Überprüfung des Verschuldens einen zusätzlichen Aufwand betreiben müssten.

ChatGPT ist in Italien wieder verfügbar

10. Mai 2023

Welche Änderungen wurden vorgenommen und was müssen die Benutzer wissen?

OpenAI, das Unternehmen hinter dem erfolgreichen ChatGPT, stand in letzter Zeit aufgrund von Datenschutzbedenken im Rampenlicht, insbesondere in der Europäischen Union. Die italienische Datenschutzbehörde Garante verhängte am 31. März ein vorübergehendes Verbot für die Plattform, nachdem Berichte über eine Datenpanne bekannt geworden waren, die die Gespräche und Zahlungsinformationen der ChatGPT-Nutzer betraf. Infolge des Verbots nahm OpenAI Gespräche mit der Behörde auf, um Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften auszuräumen, und machte Fortschritte bei der Verbesserung seiner Dienste.
Am 28. April gab die Garante bekannt, dass sie ChatGPT in Italien wieder zugelassen hat, weil OpenAI bei der Ausräumung ihrer Bedenken kooperiert hat. Aber was genau hat das Unternehmen getan, um die Aufhebung des Verbots zu rechtfertigen?

Bis vor kurzem wurden alle Unterhaltungen zwischen privaten Nutzern und dem Bot für das Training des Algorithmus verwendet, was die Möglichkeit eröffnete, dass die Eingaben der Nutzer von der Maschine für künftige öffentliche Antworten verwendet wurden. Dies stellte eines der größten Datenschutzrisiken der Software dar, da persönliche Daten, die in das System eingegeben wurden, potenziell an andere Nutzer weitergegeben werden konnten. Es war auch ein rotes Tuch für geschützte Informationen, insbesondere Firmengeheimnisse und Code, die versehentlich öffentlich gemacht werden könnten. OpenAI war sich dieses Problems bewusst und verlangte von den Nutzern, in Gesprächen keine “sensiblen Informationen” preiszugeben, aber viele taten es trotzdem, was zu Kontroversen in Unternehmen wie Amazon und Samsung führte.

Neue Datenschutzeinstellungen für ChatGPT

Am 25. April kündigte OpenAI diesbezügliche Änderungen an. Die Nutzer können nun ihre Datenschutzeinstellungen ändern und die Option “Chatverlauf und Training” deaktivieren. Wenn diese Einstellung deaktiviert ist, werden die Unterhaltungen zwischen dem Benutzer und dem Bot nicht für das Training des Algorithmus verwendet und erscheinen nicht im Chatverlauf. Dadurch wird das Risiko verringert, dass Chat-Informationen versehentlich an Dritte weitergegeben werden.
OpenAI hat außerdem eine neue Datenschutzrichtlinie veröffentlicht, die von der Registrierungsseite für neue Nutzer aus zugänglich ist, und in Italien eine “Willkommen zurück”-Seite eingerichtet, die Links zu der neuen Datenschutzrichtlinie und zu Informationshinweisen über die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke des Algorithmentrainings enthält.
Als Reaktion auf Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der vom Bot über natürliche Personen gelieferten Daten hat das Unternehmen einen Mechanismus geschaffen, der es den betroffenen Personen ermöglicht, die Korrektur falscher oder irreführender Informationen, die der Bot über sie verbreitet, zu verlangen. Wenn es technisch unmöglich ist, das Problem zu korrigieren, können die betroffenen Personen auch verlangen, dass ihre Daten aus der Ausgabe von ChatGPT entfernt werden.
Schließlich hat OpenAI eine Altersfreigabe eingeführt, bei der die Nutzer selbst bestätigen müssen, dass sie mindestens 18 Jahre alt sind oder zwischen 13 und 17 Jahren alt sind und die Zustimmung ihrer Eltern zur Nutzung des Dienstes eingeholt haben. Diese Maßnahme soll Minderjährige davor schützen, über den Bot auf unangemessene Informationen zuzugreifen.

Weiterhin Bedenken

Obwohl die Änderungen ein willkommener Schritt in Richtung Datenschutzkonformität sind, ist die Situation noch lange nicht perfekt. Selbst wenn ein Nutzer die Option “Chatverlauf und Training” deaktiviert hat, um zu vermeiden, dass seine Unterhaltungen zum Trainieren des Algorithmus verwendet werden, können die Mitarbeiter von OpenAI zu Moderationszwecken darauf zugreifen. Das bedeutet, dass es immer noch wichtig ist, auf die Eingaben zu achten, die man der Maschine zur Verfügung stellt, und nichts zu schreiben, was nicht von Dritten gelesen werden sollte, einschließlich persönlicher Daten, sensibler Informationen und Geschäftsgeheimnisse.
Darüber hinaus befinden sich alle Server von OpenAI in den Vereinigten Staaten, einem Land, in dem die Datenschutzrechte nicht in gleichem Maße geschützt sind wie in der DSGVO. Jedes Mal, wenn personenbezogene Daten in das ChatGPT-System eingespeist werden, findet eine internationale Übertragung in ein unsicheres Land statt, wodurch die Daten potenziell gefährdet sind.
Schließlich hat die Garante OpenAI aufgefordert, ein Altersverifikationssystem zu implementieren und eine Informationskampagne durchzuführen, um die Italiener über die Geschehnisse und ihr Recht zu informieren, der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten für das Algorithmustraining zu widersprechen.

Datenschutzbedenken beeinflussen das Verhalten der Unternehmen

Dieser Fall ist ein praktisches Beispiel dafür, wie Datenschutzvorschriften und rechtzeitige Kontrollen durch Behörden das Verhalten von Unternehmen beeinflussen und den Schutz der Grundrechte und -freiheiten der Nutzer in Echtzeit verbessern können. OpenAI scheint sich mit seinen Produkten um einen konformeren Ansatz zu bemühen, aber es bleibt noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass KI-Technologien auf verantwortungsvolle und ethische Weise eingesetzt werden. Wir sind gespannt, welche neuen Änderungen in den kommenden Wochen umgesetzt werden.
Während wir uns weiterhin mit den Herausforderungen neuer Technologien auseinandersetzen, ist es wichtig, dass die Nutzer wachsam bleiben und Maßnahmen ergreifen, um ihre persönlichen Daten bei der Interaktion mit KI-Systemen zu schützen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist die Ablehnung von Gesprächen, die zum Trainieren von Chatbots verwendet werden, wie es OpenAI jetzt erlaubt, sowie die Vermeidung der Weitergabe sensibler Informationen und die Verwendung von Pseudonymen. Durch die Zusammenarbeit von Regulierungsbehörden, Unternehmen und Nutzern kann sichergestellt werden, dass die Vorteile von KI-Technologien genutzt werden und gleichzeitig die Risiken für die Privatsphäre und die Sicherheit des Einzelnen minimiert werden.

LfDI BaWü fordert OpenAI zur Stellungnahme auf

26. April 2023

Dr. Jan Wacke, der leitende Beamte beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg, betont, dass Anwendungen im Einklang mit dem europäischen Rechtsrahmen und unseren europäischen Werten stehen sollten. Derzeit führt er Gespräche mit dem Betreiber von ChatGPT, bevor er eine Bewertung des Dienstes vornimmt. Für das Vertrauen der Bürger in den technologischen Fortschritt ist es unerlässlich, dass die eingesetzten Technologien die Bürgerrechte auch im digitalen Raum respektieren.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist auf das in San Francisco ansässige Unternehmen OpenAI zugegangenen und hat es zur Stellungnahme zu dem von ihm betriebenen Dienst ChatGPT aufgefordert.

Verpflichtungen für OpenAI aus der DSGVO

Im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung ist es erforderlich, dass Anbieter von Dienstleistungen, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, in der Lage sind, zu erklären, welche Daten zu welchem Zweck und auf welche Weise verarbeitet werden. Zusätzlich müssen angemessene technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit dieser Daten zu gewährleisten. Wenn jedoch sensible Daten wie Informationen zum Gesundheitszustand, zur sexuellen Identität, zur Weltanschauung oder zur familiären und finanziellen Situation verarbeitet werden, müssen spezielle Regelungen eingehalten werden. Außerdem müssen die Rechte der Betroffenen, wie beispielsweise das Recht auf Berichtigung oder Auskunft, respektiert werden.

Zusammenarbeit des LfDI mit dem EDSA

Im Rahmen eines datenschutzrechtlichen Aufsichtsverfahrens lässt sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit ChatGPT erläutern. Die Aufsichtsbehörden der Länder haben die Fragen, die an OpenAI gerichtet sind, gemeinsam abgestimmt. Der Landesbeauftragte arbeitet auch auf europäischer Ebene intensiv in einer entsprechenden Arbeitsgruppe des Europäischen Datenschutz-Ausschusses (EDSA) mit, um ein einheitliches Vorgehen bei der Untersuchung von ChatGPT zu fördern. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus Artikel 55 Absatz 1 DS-GVO in Verbindung mit § 40 BDSG, wenn keine Niederlassung von OpenAI in Europa genannt wird.

Aufklärung über künstliche Intelligenz durch LfDI

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg beschäftigt sich seit einiger Zeit mit KI-Anwendungen. Er berät verantwortliche Stellen in Baden-Württemberg, wo immer möglich, um Datenschutz und Digitalisierung zusammenzubringen und so eine nachhaltige technologische Entwicklung zu fördern. Im vergangenen Jahr hat der Landesbeauftragte eine Veranstaltungsreihe zum Thema Künstliche Intelligenz organisiert und zahlreiche Vorträge auf seinem PeerTube-Server zur Verfügung gestellt. Auch in diesem Jahr wird er im Oktober wieder Behörden, Unternehmen und BürgerInnen zu einer KI-Veranstaltungsreihe einladen, um über Anforderungen an eine bürgerfreundliche digitale Entwicklung und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zu sprechen und aufzuklären sowie zu diskutieren.

Der Landesbeauftragte berichtet in seinem Tätigkeitsbericht in Kapitel 1.5, ab Seite 23 ausführlich über Künstliche Intelligenz.

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